Cocaine Bear, USA 2023 • 95 Min • Regie: Elizabeth Banks • Drehbuch: Jimmy Warden • Mit: Keri Russell, Margo Martindale, Ray Liotta, Alden Ehrenreich, O’Shea Jackson Jr., Jesse Tyler Ferguson • Kamera: John Guleserian • Musik: Mark Mothersbaugh • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 13.04.2023 • Deutsche Website
„Ein Bär ist auf Koks!“, fasst ein verstörter Charakter aus Elizabeth Banks' „Cocaine Bear“ die Prämisse des Films zusammen. In der Tat würde man eine solch absurde Geschichte eigentlich direkt einem wirren Hollywood-Geist zuordnen, würde diese nicht auf einem wahren Ereignis aus dem Jahre 1985 beruhen. Unter dem Namen Pablo Eskobear hat ein Schwarzbär vor seinem Tod 34 Kilo Kokain verschlungen, das bei einem missglückten Drogentransport über den Wäldern von Tennessee abgeworfen wurde. Während die ausgestopften Überreste des Tieres noch immer in einem Einkaufszentrum in Kentucky zu begutachten sind, gibt es jetzt einen Mix aus Crime-Komödie und Wildlife-Horror zu dem Vorfall. Dass das Werk die Geschehnisse sehr frei aufbereitet, sollte jetzt niemanden ernsthaft überraschen.

Zu Beginn klärt uns ein Zitat darüber auf, dass Schwarzbären nicht von Territorialität motiviert sind und selten Menschen attackieren. Bei einem Angriff sei deshalb nicht etwa Ruhe, sondern die Gegenwehr geboten. Einer Empörungswelle zuvorkommend, outet sich die Quelle allerdings augenzwinkernd schlicht als Wikipedia. Eine blutige Attacke auf ein Touristen-Pärchen setzt dann direkt den Ton des Films, bevor uns das größere Protagonisten-Ensemble vorgestellt wird. Zu diesem gehört die Mutter Sari (Keri Russell), deren junge Tochter Dee Dee (Brooklynn Prince) zusammen mit ihrem Freund Henry (Christian Convery) unerlaubt in den Wildpark ausgebüchst ist. Für die Suche wendet sie sich an die Park-Rangerin Liz (Margo Martindale) und ihren Kollegen Peter (Jesse Tyler Ferguson). Nicht fehlen dürfen natürlich die recht sympathischen Bad Guys in Gestalt der Gangster Daveed (O’Shea Jackson Jr.) und Eddie (Alden Ehrenreich). Eddie ist der Sohn von Big Boss Syd (Filmlegende Ray Liotta in seiner letzten Rolle vor seinem Tod), der die beiden in die Wälder entsendet, um sein Kokain zurückzubeschaffen. An den Fersen der Kriminellen klebt wiederum der Ermittler Bob (Isiah Whitlock Jr.). Ein Mitglied einer Punker-Gang (Aaron Holliday) und ein geschocktes Sanitäter-Duo (Kahyun Kim, Scott Seiss) gerät mit in das rege Treiben im Wald, der sich langsam mit Leichenteilen füllen soll. Der bereits deutlich zugedröhnte Bär ist auf Zack und freut sich über jede noch so kleine Koksspur bei den Anwesenden …

Die erste Genre-Arbeit der Regisseurin und Schauspielerin Elizabeth Banks („Pitch Perfect 2“) weiß genau was sie sein will und legt ohne ausschweifende Einführung direkt los. Das ist zunächst ein gutes Zeichen, da hier nicht unnötig Zeit für Nebensächlichkeiten verplempert wird und so die knackige Dauer von 95 Minuten eingehalten werden kann. Auf der anderen Seiten wird man mit der bereits genannten Anzahl an lebhaften Charakteren quasi in die Story gekippt und muss sich erstmal ein wenig orientieren, während das pelzige Suchttier bereits die ersten Gliedmaßen von Rümpfen reißt.
„Cocaine Bear“ ist ein rein auf morbiden Spaß ausgerichteter Film, dessen Horrorelement sich auf einige effektive Splatstick-Momente beschränkt. Eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier wie in Werner Herzogs „Grizzly Man“ darf man hier keinesfalls erwarten. Eher bekommt man ein fast schon altmodisches B-Genre-Werk im Stil von William Girdlers „Grizzly“ mit mehr Humor und ein paar subversiven Untertönen (nicht oft hat man in einer Studioproduktion Kinder beim Kokskonsum gesehen) geboten. Man fragt sich ein wenig, was ein versierterer Exploitation-Kenner wie Alexandre Aja („Crawl“) oder gar Joe Dante („Piranhas“) aus dem Stoff hätte zaubern können. Was nicht bedeuten soll, dass Banks bei dem zwar nicht besonders guten aber auch nie langweiligen Film die falsche Wahl für den Regieposten gewesen ist. Ein paar eingestreute Albernheiten hätte man sich sicher sparen können, doch insgesamt ist „Cocaine Bear“ ein souverän inszeniertes Edel-Trash-Produkt mit einer Zahl amüsanter Highlights und einer Ansammlung unwiderstehlicher Achtziger-Ohrwürmer (Depeche Modes „Just Can’t Get Enough“ und die dazugehörige Szene sind eine wahre Freude).

Das eigentliche Manko ist dann auch eher beim Drehbuch von Jimmy Warden („The Babysitter: Killer Queen“) zu suchen, dem – im Gegensatz zum Bären – eine klare Linie fehlt und das eigentlich bis zum Ende von einem mal mehr und mal weniger geglückten Geschehen zum nächsten springt. Ganz klar ist es der Cast (während Keri Russell eher blass bleibt, stechen vor allem Isiah Whitlock Jr., Alden Ehrenreich, O’Shea Jackson Jr. und Aaron Holliday hervor), der zusammen mit dem wunderbar getricksten Apex-Raubtier den Film am Laufen hält und über manch dramaturgische Schwäche hinwegrettet. Der Klimax, der wohl ein wenig den kitschigen Märchen-Touch einer Disney-Produktion aufs Korn nehmen will und bei dem sich Ray Liottas Figur endgültig als fieser, Tierbabys tretender Schurke zu erkennen gibt, schließt mit seiner Bigger-than-Life-Gestaltung sehr passend das groteske Abenteuer ab.
Als No-Brainer und kleines Guilty Pleasure ist „Cocaine Bear“ sicher für den amüsanten Kinoabend zu empfehlen, auch wenn nach der Vorstellung vermutlich nicht mehr als ein, zwei markante Szenen kurzfristig im Kopf hängenbleiben werden.

Wer Gefallen an koksschniefenden Bären hat, kann übrigens zusätzlich das old-schoolige 8-Bit-Game zum Film online antesten.







Diese Entwicklung spiegelt sich auch auf der Meta-Ebene wider: Das eher simpel gestrickte und kommerziell kleinste MCU-Franchise spielte im Marvel-Kinouniversum bislang eine eher untergeordnete Rolle. Die ersten beiden Filme waren hauptsächlich leichtfüßige Spaßfilme nach epischen Avengers-Events: der erste Ant-Man als Epilog von Phase Zwei unmittelbar nach
Jonathan Majors feierte bereits im Finale der ersten "Loki"-Staffel sein Debüt als eine eher wohlwollende Variante von Kang und genießt in Quantumania sichtlich die Gelegenheit, unterschiedliche Facetten derselben Figur auszuleben. Seine Beweggründe bleiben noch jedoch leider (und vermutlich bewusst) nebulös, was ihm die Komplexität und Tiefe eines Kilmonger oder eines Zemo raubt, doch Majors zeigt definitiv genug Potenzial, um bei künftigen Auftritten zu einem der besten Marvel-Schurken aufzusteigen. Wenn Euch der Hauptfilm noch nicht ganz davon überzeugt, dass er das Zeug zum neuen Avengers-Schreck nach Thanos hat, dann wird es vermutlich spätestens die Abspannszene schaffen.
Die größte Veränderung betrifft jedoch das Setting und den visuellen Look des Films. Nach zwei sehr irdischen, wenn auch nicht ganz bodenständigen Abenteuern verlässt Quantumania unsere Welt nach weniger als einer Viertelstunde und verbringt nahezu die gesamte darauffolgende Laufzeit im visuell opulenten Quantenreich. Zwar befinden wir uns technisch gesehen immer noch auf unserem Planeten, die Quantenwelt erinnert mit ihren vielfältigen schrägen Kreaturen, Völkern und Fluggeräten sowie einem Bösewicht, der (mehr oder weniger) Blitze aus seinen Händen schießt und Armeen von gleich uniformierten Nicht-aber-fast-Sturmtrupplern so sehr an Star Wars, dass man jede Minute erwartet, dass jemand das Lichtschwert zückt oder nach dem Weg nach Tatooine fragt. Tatsächlich fühlt sich Quantumania sogar mehr wie Star Wars an als die Weltraumabenteuer der Guardians of the Galaxy.
Bei all den Änderungen behält Quantumania den lockeren Humor der Reihe weiterhin bei. In Abwesenheit von Michael Peña sorgt dafür ausgerechnet Corey Stoll. War er als Darren Cross noch ein blasser, eindimensionaler Antagonist im ersten Ant-Man-Film, der am Ende ins Quantenreich geschickt wurde, wurde er seitdem von Kang gefunden und erhielt als M.O.D.O.K. (Mechanized Organism Designed Only for Killing) eine neue Bestimmung, die er mit einer Mischung aus Besessenheit, Rachegelüsten und Selbsthass auslebt. Als überdimensionaler Kopf in einem kleinen Roboterkörper ist er ein wahrlich bizarrer Anblick und Stoll hat deutlich mehr Spaß mit der Rolle als bei seinem ersten Einsatz.
Wenn man Quantumania etwas vorwerfen kann, dann dass es in dem Film zwar immer wieder betont wird, wie gefährlich Kang ist und welche große Bedrohung er für unsere und alle anderen Welten darstellt, diese hohen Einsätze jedoch nie richtig spürbar werden. Zu keinem Zeitpunkt hat man ernsthaft Angst um Scott, Cassie oder andere Figuren und trotz der zahlreichen ehrfurchtsvollen Beteuerungen seiner Übermacht wirkt Kang nie so allmächtig. Dadurch flacht der Spannungsbogen des Films etwas ab. Das ist jedoch nicht Majors' Schuld, sondern die des Drehbuchs. Was übrig bleibt, ist ein humorvoller, effektreicher Blockbuster mit einem tollen Cast, einigen kreativen Einfällen und viel Potenzial, von dem jedoch nur ein Teil erfüllt wird.






















"It takes all kinds of critters to make Farmer Vincent’s fritters" – Wer hat behauptet, dass diese Liste komplett bierernst werden muss? Kevin Connors humorvoller Motel Hell von 1980 mag vielleicht nicht jedem etwas sagen, doch der Film gehört zweifellos zu den gutmütigsten Vertretern des Grindhouse-Kinos. Selbst der verstorbene US-Kritiker Roger Ebert hat trotz seiner Aversion gegenüber Slashern seinerzeit warme Worte für die Geschichte eines Farmer-Geschwisterpaares übergehabt, das Reisende entführt, um sie zu ihren regional berühmten Delikatessen zu verarbeiten. Yummy! Und der Kampf gegen einen Gegner mit Kettensäge und Schweinsmaske ist legendär.
Mit Jorge Michel Graus mexikanischem Vertreter kommt etwas Arthouse-Sensibilität ins Spiel. Nach dem Tod ihres Vaters muss sich eine in Armut lebende Kannibalen-Familie neu sortieren und zunächst herausfinden, wer von den beiden Söhnen nun buchstäblich das Essen auf den Tisch schaffen soll. Während der ältere Alfredo eher ruhiger Natur ist, entwickelt sich der jüngere Julian schnell zum gewalttätigen Hitzkopf. Seitdem ich den Film erstmals auf dem Fantasy Filmfest gesehen habe, ist er über die Jahre bei mir hängengeblieben und hat sich im Kopf festgebrannt. Denn natürlich ist er oberflächlich betrachtet blutiger Horror, doch steckt darunter vor allem der verzweifelte Versuch von Individuen, gegen ihre Determination anzukämpfen und der Rolle im Patriarchat zu entfliehen. Das etwas andere US-Remake von 2013 ist übrigens auch nicht übel.
Hier nun der versprochene Klassiker, dessen Vorhandensein auf der Liste eigentlich einen Spoiler darstellt – nur können wir eben nicht auf jeden Rücksicht nehmen, der Richard Fleischers Schock-Dystopie seit 1973 verschlafen hat. Wie es aktueller kaum sein könnte, kommt in dem 2022 (!) angesiedelten Werk Charlton Heston als NYC-Detektiv bei einer Mordermittlung etwas Großem auf die Spur. In dieser Story ist die Welt bereits mehr von der globalen Erwärmung und Überpopulation gebeutelt als wir es heute sind. Eine Lösung, den Menschen genügend Nahrung bereitzustellen, besteht in der Herstellung einer mysteriösen Waffel namens Soylent Green. Nun, woraus könnte Soylent Green wohl bestehen, wenn es zu viele Menschen und zu wenig natürliche Lebensmittel gibt? Richard Fleischer spart sich die zynische wie raffinierte Antwort für den bitterbösen Klimax auf.
Ein weiterer Grindhouse-Vertreter, der im Laufe der Zeit zum Genre-Meilenstein gereift ist, folgt auf Platz 2 mit Tobe Hoopers phänomenalem Terror-Original von 1974. Gerne dem Slasherfilm zugeordnet, fallen das Kettensägenmassaker und sein ikonisches Aushängeschild Leatherface doch ziemlich aus dem Rahmen, wenn man es mit den Werken rund um Freddy, Jason oder Michael vergleicht. Die Schaudermär von einer psychotischen Sippe, welche im texanischen Hinterland Durchreisende zu Blutwurst verarbeitet, ist so dreckig, hysterisch, roh und unangenehm, dass die Erstsichtung zu einem echten Erlebnis wird. Das Finale mit einer kreischenden Marilyn Burns, die vom scheintoten Opa mit einem Schlachterhammer gequält wird, wird man nie vergessen. Entstanden ist das Werk während der Gegenbewegung zum Vietnamkrieg und implizit kann man den Konflikt der progressiven Jugend mit dem barbarischen Angriff der USA in dem Überlebenskampf der Protagonisten gegen die, nun, arg konservative Südstaaten-Familie herauslesen. Fun Fact: Dies war ein Lieblingsfilm von 2001-Meisterregisseur Stanley Kubrick!
Jetzt kommt der Moment, an welchem ich mich sicherlich bei einigen Lesern komplett diskreditiere. Ja, Ruggero Deodatos berüchtigter Cannibal Holocaust gehört nicht ohne Grund zu den kontroversesten Filmen überhaupt. Als ich die VHS zum ersten Mal in die Finger bekam, ist mir von Tiersnuff-Szenen im Vorfeld nichts bekannt gewesen (es war die Prä-Internet-Zeit!) und mir kam an den betreffenden Stellen ohne Übertreibung das Essen hoch! Um das klarzustellen: Echte Gewalt für die Produktion eines Films lässt sich durch nichts rechtfertigen und solche Taten sind zur Zeit der Entstehung von Cannibal Holocaust keine Seltenheit gewesen – der Fehler ist nun schlichtweg gemacht. Selbst Deodato schämt sich inzwischen für die damaligen Entscheidungen, weshalb er nun eine Tiersnuff-freie Version für die neuen Auswertungen angefertigt hat. Diese hat es selbstverständlich weiter in sich, nämlich dann, wenn es um die Thematik dieses Artikel geht.







