Home Blog Page 6

Cocaine Bear (2023) Kritik

1
Cocaine Bear (2023) Filmkritik

Cocaine Bear, USA 2023 • 95 Min • Regie: Elizabeth Banks • Drehbuch: Jimmy Warden • Mit: Keri Russell, Margo Martindale, Ray Liotta, Alden Ehrenreich, O’Shea Jackson Jr., Jesse Tyler Ferguson • Kamera: John Guleserian • Musik: Mark Mothersbaugh • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 13.04.2023 • Deutsche Website

„Ein Bär ist auf Koks!“, fasst ein verstörter Charakter aus Elizabeth Banks' „Cocaine Bear“ die Prämisse des Films zusammen. In der Tat würde man eine solch absurde Geschichte eigentlich direkt einem wirren Hollywood-Geist zuordnen, würde diese nicht auf einem wahren Ereignis aus dem Jahre 1985 beruhen. Unter dem Namen Pablo Eskobear hat ein Schwarzbär vor seinem Tod 34 Kilo Kokain verschlungen, das bei einem missglückten Drogentransport über den Wäldern von Tennessee abgeworfen wurde. Während die ausgestopften Überreste des Tieres noch immer in einem Einkaufszentrum in Kentucky zu begutachten sind, gibt es jetzt einen Mix aus Crime-Komödie und Wildlife-Horror zu dem Vorfall. Dass das Werk die Geschehnisse sehr frei aufbereitet, sollte jetzt niemanden ernsthaft überraschen.

Cocaine Bear (2023) 1

Zu Beginn klärt uns ein Zitat darüber auf, dass Schwarzbären nicht von Territorialität motiviert sind und selten Menschen attackieren. Bei einem Angriff sei deshalb nicht etwa Ruhe, sondern die Gegenwehr geboten. Einer Empörungswelle zuvorkommend, outet sich die Quelle allerdings augenzwinkernd schlicht als Wikipedia. Eine blutige Attacke auf ein Touristen-Pärchen setzt dann direkt den Ton des Films, bevor uns das größere Protagonisten-Ensemble vorgestellt wird. Zu diesem gehört die Mutter Sari (Keri Russell), deren junge Tochter Dee Dee (Brooklynn Prince) zusammen mit ihrem Freund Henry (Christian Convery) unerlaubt in den Wildpark ausgebüchst ist. Für die Suche wendet sie sich an die Park-Rangerin Liz (Margo Martindale) und ihren Kollegen Peter (Jesse Tyler Ferguson). Nicht fehlen dürfen natürlich die recht sympathischen Bad Guys in Gestalt der Gangster Daveed (O’Shea Jackson Jr.) und Eddie (Alden Ehrenreich). Eddie ist der Sohn von Big Boss Syd (Filmlegende Ray Liotta in seiner letzten Rolle vor seinem Tod), der die beiden in die Wälder entsendet, um sein Kokain zurückzubeschaffen. An den Fersen der Kriminellen klebt wiederum der Ermittler Bob (Isiah Whitlock Jr.). Ein Mitglied einer Punker-Gang (Aaron Holliday) und ein geschocktes Sanitäter-Duo (Kahyun Kim, Scott Seiss) gerät mit in das rege Treiben im Wald, der sich langsam mit Leichenteilen füllen soll. Der bereits deutlich zugedröhnte Bär ist auf Zack und freut sich über jede noch so kleine Koksspur bei den Anwesenden …

Cocaine Bear (2023) 2

Die erste Genre-Arbeit der Regisseurin und Schauspielerin Elizabeth Banks („Pitch Perfect 2“) weiß genau was sie sein will und legt ohne ausschweifende Einführung direkt los. Das ist zunächst ein gutes Zeichen, da hier nicht unnötig Zeit für Nebensächlichkeiten verplempert wird und so die knackige Dauer von 95 Minuten eingehalten werden kann. Auf der anderen Seiten wird man mit der bereits genannten Anzahl an lebhaften Charakteren quasi in die Story gekippt und muss sich erstmal ein wenig orientieren, während das pelzige Suchttier bereits die ersten Gliedmaßen von Rümpfen reißt.

„Cocaine Bear“ ist ein rein auf morbiden Spaß ausgerichteter Film, dessen Horrorelement sich auf einige effektive Splatstick-Momente beschränkt. Eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier wie in Werner Herzogs „Grizzly Man“ darf man hier keinesfalls erwarten. Eher bekommt man ein fast schon altmodisches B-Genre-Werk im Stil von William Girdlers „Grizzly“ mit mehr Humor und ein paar subversiven Untertönen (nicht oft hat man in einer Studioproduktion Kinder beim Kokskonsum gesehen) geboten. Man fragt sich ein wenig, was ein versierterer Exploitation-Kenner wie Alexandre Aja („Crawl“) oder gar Joe Dante („Piranhas“) aus dem Stoff hätte zaubern können. Was nicht bedeuten soll, dass Banks bei dem zwar nicht besonders guten aber auch nie langweiligen Film die falsche Wahl für den Regieposten gewesen ist. Ein paar eingestreute Albernheiten hätte man sich sicher sparen können, doch insgesamt ist „Cocaine Bear“ ein souverän inszeniertes Edel-Trash-Produkt mit einer Zahl amüsanter Highlights und einer Ansammlung unwiderstehlicher Achtziger-Ohrwürmer (Depeche Modes „Just Can’t Get Enough“ und die dazugehörige Szene sind eine wahre Freude).

Cocaine Bear (2023) 3

Das eigentliche Manko ist dann auch eher beim Drehbuch von Jimmy Warden („The Babysitter: Killer Queen“) zu suchen, dem – im Gegensatz zum Bären – eine klare Linie fehlt und das eigentlich bis zum Ende von einem mal mehr und mal weniger geglückten Geschehen zum nächsten springt. Ganz klar ist es der Cast (während Keri Russell eher blass bleibt, stechen vor allem Isiah Whitlock Jr., Alden Ehrenreich, O’Shea Jackson Jr. und Aaron Holliday hervor), der zusammen mit dem wunderbar getricksten Apex-Raubtier den Film am Laufen hält und über manch dramaturgische Schwäche hinwegrettet. Der Klimax, der wohl ein wenig den kitschigen Märchen-Touch einer Disney-Produktion aufs Korn nehmen will und bei dem sich Ray Liottas Figur endgültig als fieser, Tierbabys tretender Schurke zu erkennen gibt, schließt mit seiner Bigger-than-Life-Gestaltung sehr passend das groteske Abenteuer ab.

Als No-Brainer und kleines Guilty Pleasure ist „Cocaine Bear“ sicher für den amüsanten Kinoabend zu empfehlen, auch wenn nach der Vorstellung vermutlich nicht mehr als ein, zwei markante Szenen kurzfristig im Kopf hängenbleiben werden.

Cocaine Bear (2023) 4

Wer Gefallen an koksschniefenden Bären hat, kann übrigens zusätzlich das old-schoolige 8-Bit-Game zum Film online antesten.


Trailer

Infinity Pool (2023) Kritik

0
Infinity Pool (2023) Filmkritik

Infinity Pool, CAN/HUN/FR/HR 2023 • 118 Min • Regie & Drehbuch: Brandon Cronenberg • Mit: Alexander Skarsgård, Mia Goth, Cleopatra Coleman, Jalil Lespert, Thomas Kretschmann, Jeffrey Ricketts • Kamera: Karim Hussain • Musik: Tim Hecker • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 20.04.2023 • Deutsche Website

„Infinity Pool“, der Titel von Brandon Cronenbergs neuem Science-Fiction-Thriller, suggeriert unendliche Möglichkeiten, die allerdings in einem fatalen Sturz münden können. Die paradiesische Atmosphäre des Touristen-Hotels im Fantasieland Li Tolqa trügt. Zäune und Wachposten sichern das exklusive Resort vermeintlich vor gewaltbereiten Einheimischen ab. Doch ist man sich nach Sichtung des provokanten Werkes gar nicht mehr sicher, wer hier tatsächlich vor wem geschützt werden muss.

Infinity Pool (2023) 1

Im Zentrum der Handlung steht das Paar Em (Cleopatra Coleman) und James Foster (Alexander Skarsgård). James ist ein erfolgloser Schriftsteller mit Schreibblockade, der den Urlaub zur Inspiration für sein nächstes Buch nutzen will, während seine aus wohlhabender Familie stammende Frau dessen müßigen Lebensstil finanziell unterstützt. Bei ihrem Aufenthalt lernen die beiden das ebenfalls gut situierte Ehepaar Gabi (Mia Goth) und Alban Bauer (Jalil Lespert) kennen, das die Fosters zu einem unerlaubten Ausflug außerhalb des Geländes einlädt. Auf der Rückfahrt zum Hotel läuft James ein Ortseinwohner vor das Auto und stirbt an der Unfallstelle. Der Drang der Fosters, die Polizei zu verständigen, wird von den Bauers eindringlich abgelehnt – die Behörden in Li Tolqa gingen bei solchen Vorfällen kompromisslos und mit aller Härte vor. Dass dies so ist, soll James am nächsten Morgen erfahren, als er von dem Ermittler Thresh (Thomas Kretschmann) ohne jeden Prozess direkt zum Tode verurteilt wird. Für den geschockten Touristen gibt es jedoch einen Ausweg: Gegen eine beträchtliche Geldsumme kann sich James klonen lassen und sein Duplikat der Strafe zuführen. Die barbarische Exekution des Doppelgängers ruft in James eine dunkle Faszination hervor, die er offensichtlich mit den Bauers und weiteren Urlaubern teilt …

Infinity Pool (2023) 2

„Ist das ein Traum? Das würde mehr Sinn ergeben“, entfährt es Em in einer Szene. Und in der Tat entfaltet sich „Infinity Pool“ mit einem flüchtigen Gefühl aus verbotener Anziehung und kafkaeskem Horror wie ein Traum, oder besser: Albtraum. Konkret entspringt die Geschichte einer fiebrigen Fantasie, doch was man hier thematisch greifen kann, basiert tatsächlich auf dem Schrecken einer ausbeuterischen und zutiefst korrupten Gesellschaft. Was wäre, wenn Geld und Gewalt die einzigen Konstanten sind, die eine Ordnung bestimmen? Würden die Inhaber dieser Instrumente damit nicht über unendliche Macht verfügen und wie Götter über den Unpriviligierten schweben? Vor allem: Was wäre, wenn dies nicht wäre, sondern schon längst so ist?

Brandon Cronenbergs Film ist ein verzerrter Spiegel, der uns in monströsen Proportionen vorführt, was in vielen Staaten dieser Welt bittere Realität ist. Durch die Augen von James erleben wir, wie Gabi, Alban und ihre reichen Gefährten ihre komfortable Situation für perverse Spiele ausnutzen und die bröckelige Rechtsprechung von Li Tolqa am Ende lediglich dazu dient, die Taschen der Mächtigen zu füllen während der Rest der Bevölkerung in Elend lebt. Li Tolqa stellt dabei kein spezifisches Land dar, doch ein geschilderter Vorfall, bei dem ein Arbeiter beim Bau eines Infinity Pools durch mangelnde Sicherheitskonzepte in den Tod gestürzt ist, erinnert wohl nicht zufällig an die unmenschliche Entstehungsgeschichte des WM-Stadions in Katar.

Infinity Pool (2023) 3

Nach seinem vielversprechenden Debüt „Antiviral“ und dem ultrabrutalen Nachfolger „Possessor“ setzt sich der Regisseur und Drehbuchautor mit „Infinity Pool“ noch mehr von den Werken seines Vaters, der Body-Horror-Legende David Cronenberg („Videodrome“), ab. Freilich erinnert der exotische Ferienort entfernt an „Naked Lunch“ und die makabren Triebe der dekadenten Urlaubergruppe rufen Assoziationen mit dem Selbstverletzungsfetisch in „Crash“ hervor, doch insgesamt steht der Genre-Hoffnungsträger mit diesem radikalen wie schwarzhumorigen Blick in einen tiefen Abgrund als eigene Marke da. Die Thematik des Klonens wird glücklicherweise nicht unnötig als Mindfuck verheizt, bei dem zum Schluss als einzige Frage bleibt, wer nun das Original ist. Auch wenn diese Frage im Verlauf kurz angerissen wird und in der Tat unheimlich anmutet, spielt die Antwort darauf eigentlich keine große Rolle. Es sind exakte Dupletten, die den Charakteren dazu dienen, in Li Tolqa schrankenlose Freiheit ohne echte Konsequenzen zu genießen.

Alexander Skarsgård („The Northman“) steht hier als reichlich naiver James unter dem Einfluss der von Mia Goth („X“, „Pearl“) herrlich psychotisch gespielten Femme fatale Gabi. Ein echter Mann zu sein koste Blut, flüstert Gabi James ein. Absolute Greueltaten sind zur Transformation zum freigeistigen Ungeheuer nötig. „Infinity Pool“ widersteht der Versuchung eines moralisierenden Endes. Cronenberg lässt einen buchstäblich desillusioniert im Regen sitzen und genau dieser finale Eindruck ist zur Reflektion richtig. Das Werk ist trotz seiner teils rauschhaften Bilder von Kameramann Karim Hussain („Subconscious Cruelty“) und Spitzen von expliziter Gewalt und Sex (in Deutschland wird im Gegensatz zu den USA die ungekürzte Fassung im Kino zu sehen sein) eher dem nachdenklichen Arthouse- als dem wüsten Exploitation-Kino zuzuordnen.

Infinity Pool (2023) 4

Auch wenn dem wenig mainstreamkompatiblen „Infinity Pool“ ein hiesiger Kassenerfolg voraussichtlich verwehrt bleibt und der Film seine Anhänger vor allem auf Festivals wie der Berlinale finden wird, dürfte er mit seinem klaren Blick auf die Themen Dekadenz, Korruption und Ausbeutung bei anspruchsvollen Kinogängern noch längere Zeit Gesprächsstoff bleiben. Brandon Cronenberg ist hier ein starkes und nachwirkendes Drittwerk gelungen, das man wohl schon jetzt zu den Highlights des noch jungen Filmjahres 2023 zählen kann.


Trailer

Ant-Man and the Wasp: Quantumania (2023) Kritik

Ant-Man and the Wasp Quantumania (2023) Filmkritik

Ant-Man and the Wasp: Quantumania, USA 2023 • 125 Min • Regie: Peyton Reed • Mit: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Kathryn Newton, Jonathan Majors, Michelle Pfeiffer, Michael Douglas, Corey Stoll, Bill Murray • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 15.02.2023 • Website

Handlung

Scott Lang (Paul Rudd) hat es endlich geschafft. Stand er in seinem letzten Film noch als Krimineller unter Hausarrest, ist er seit dem Triumph der Avengers gegen Thanos ein gefeierter Held. Auf der Straße wird er wiedererkannt, Leute wollen Selfies mit ihm, seine Autobiografie steht kurz vor ihrer Veröffentlichung und in seinem Stammcafé muss er nicht zahlen – auch wenn der Besitzer ihn eigentlich mit Spider-Man verwechselt. Aber was soll’s, das Leben ist schön und auch seine Beziehung mit Hope (Evangeline Lilly) läuft super. Allein die Tatsache, dass er fünf Jahre im Leben seiner Tochter Cassie verpasst hat, schmerzt immer noch etwas.

Die inzwischen 18-jährige Cassie (Kathryn Newton) ist eine Aktivistin, die auch mal das Gesetz überschreitet und unerlaubt Ant-Man-Technologie nutzt, um sich für ihre Ideale einzusetzen. Nach ihrer (wiederholten) Verhaftung sorgt sich Scott, dass seine Tochter in die Fußstapfen ihres Ex-Knacki-Vaters treten könnte. Dabei ahnt er nicht, dass Cassie längst ein eigenes Superhelden-Suit hat und zudem eine geniale Erfinderin ist, die gemeinsam mit Hank (Michael Douglas) ein Instrument konstruiert hat, mit dem man das Quantenreich abscannen kann. Als Hanks Ehefrau Janet (Michelle Pfeiffer), die selbst unfreiwillig mehrere Jahrzehnte im Quantenreich verbracht hat, bei der Vorführung der Erfindung erfährt, dass diese nicht nur Signale aus dem Quantenreich empfängt, sondern sie auch dorthin sendet, zieht sie angsterfüllt den Stecker, doch es ist zu spät: Scott, Hope, Cassie, Hank und Janet werden ins Quantenreich hineingezogen, wo ein geheimnisvoller Herrscher namens Kang (Jonathan Majors) auf sie wartet. Er hat eine Vorgeschichte mit Janet, kennt aber auch Scott, obwohl dieser ihn noch nie getroffen hat. Kang wurde einst ins Quantenreich verbannt und hat es mittels hochentwickelter Waffentechnologie unterjocht, doch um daraus endlich auszubrechen, braucht er Ant-Man und nimmt Cassie als Geisel, um Scott dazu zu zwingen, eine gefährliche Mission für ihn zu unternehmen. Scott braucht einen Plan, um seine Tochter zu retten, aber auch Kang davon abzuhalten, seinen Eroberungsfeldzug fortzusetzen.

Kritik

"Selbst der Kleinste vermag den Lauf des Schicksals zu verändern."

Galadriels Zitat aus Der Herr der Ringe trifft nicht nur auf Frodo zu, sondern auch auf den Marvel-Helden Ant-Man. Der Sieg über Thanos und die Rettung des halben Universums war natürlich das Ergebnis der Teamarbeit der Avengers und der Opferbereitschaft von Tony Stark. Dabei sollte man jedoch nicht vergessen, dass all das ohne die Zeitreise-Idee von Scott Lang alias Ant-Man, der den Stein erst ins Rollen gebracht hat, gar nicht möglich gewesen wäre. Okay, genau genommen hat eine Ratte die Welt gerettet, indem sie das Portal aktiviert und Scott aus dem Quantenreich befreit hat, aber wollen wir mal nicht zu genau sein. "Look Out for the Little Guy" heißt in Ant-Man and the Wasp: Quantumania die Autobiografie von Scott Lang, die übrigens im September tatsächlich in die Läden kommen wird. Mit ihr möchte Scott der Welt seine Schlüsselrolle bei ihrer Rettung ins Bewusstsein rufen.

Ant Man and the Wasp Quantumania (2023) Filmbild 1Diese Entwicklung spiegelt sich auch auf der Meta-Ebene wider: Das eher simpel gestrickte und kommerziell kleinste MCU-Franchise spielte im Marvel-Kinouniversum bislang eine eher untergeordnete Rolle. Die ersten beiden Filme waren hauptsächlich leichtfüßige Spaßfilme nach epischen Avengers-Events: der erste Ant-Man als Epilog von Phase Zwei unmittelbar nach Avengers: Age of Ultron und das Sequel als Verschnaufpause zwischen Avengers: Infinity War und Avengers: Endgame. Das ändert sich jedoch grundlegend mit Ant-Man and the Wasp: Quantumania. Marvels kleinster Held soll nicht mehr unter Wert verkauft werden und die Rolle seines neusten Films im MCU trägt seinem entscheidenden Einsatz bei der Umkehr des Snaps Rechnung. Das dritte Ant-Man-Abenteuer positioniert sich als Auftakt von Marvels Phase Fünf und gibt den Marvel-Fans das, worauf sie schon seit dem Ende der Infinity Saga warten und wonach sie in Phase Vier größtenteils vergeblich suchten: Einen klaren Pfad vorwärts für die Multiverse Saga und einen übergreifenden Bösewicht, der sich einerseits stark von Thanos unterscheidet und andererseits durch seine Besonderheiten ernstzunehmend genug ist, um als dessen würdiger Nachfolger gesehen zu werden.

Ant Man and the Wasp Quantumania (2023) Filmbild 2Jonathan Majors feierte bereits im Finale der ersten "Loki"-Staffel sein Debüt als eine eher wohlwollende Variante von Kang und genießt in Quantumania sichtlich die Gelegenheit, unterschiedliche Facetten derselben Figur auszuleben. Seine Beweggründe bleiben noch jedoch leider (und vermutlich bewusst) nebulös, was ihm die Komplexität und Tiefe eines Kilmonger oder eines Zemo raubt, doch Majors zeigt definitiv genug Potenzial, um bei künftigen Auftritten zu einem der besten Marvel-Schurken aufzusteigen. Wenn Euch der Hauptfilm noch nicht ganz davon überzeugt, dass er das Zeug zum neuen Avengers-Schreck nach Thanos hat, dann wird es vermutlich spätestens die Abspannszene schaffen.

Um seiner zentralen Rolle als Sprungbrett für Phase Fünf und Wegbereiter von Avengers: The Kang Dynasty gerecht zu werden, musste sich bei Ant-Man and the Wasp: Quantumania Vieles ändern. Waren die ersten beiden Ant-Man-Filme noch von exzentrischen Nebenfiguren, albernem Humor und niedrigen Einsätzen geprägt, steht in Quantumania nicht nur das Schicksal der gesamten Welt auf dem Spiel, sondern auch das der unzähligen Parallelwelten. Um diese neuen hohen Einsätze zu verdeutlichen, wurde die Reihe einer Generalüberholung unterzogen. Abgesehen von einem winzigen Gastauftritt von Randall Park als FBI-Agent Jimmy Woo, verzichtet Quantumania auf jegliche Nebenfiguren aus den ersten beiden Filmen. Weder Judy Greer als Scotts Ex-Frau noch Bobby Cannavale als ihr neuer Ehemann sind mit von der Partie und auch auf Luis (Michael Peña), Kurt (David Dastalmachian) und Dave (T.I. Harris) wartet man vergeblich, wobei Scotts Ex-Knacki-Kumpel erstaunlicherweise nicht einmal mit einer Erwähnung gewürdigt werden. Dastalmachian kehrt jedoch in der Originalfassung in einer Sprechrolle als ein ganz anderer, sehr lustiger Charakter zurück. Stichwort: Löcher!

Ant Man and the Wasp Quantumania (2023) Filmbild 3Die größte Veränderung betrifft jedoch das Setting und den visuellen Look des Films. Nach zwei sehr irdischen, wenn auch nicht ganz bodenständigen Abenteuern verlässt Quantumania unsere Welt nach weniger als einer Viertelstunde und verbringt nahezu die gesamte darauffolgende Laufzeit im visuell opulenten Quantenreich. Zwar befinden wir uns technisch gesehen immer noch auf unserem Planeten, die Quantenwelt erinnert mit ihren vielfältigen schrägen Kreaturen, Völkern und Fluggeräten sowie einem Bösewicht, der (mehr oder weniger) Blitze aus seinen Händen schießt und Armeen von gleich uniformierten Nicht-aber-fast-Sturmtrupplern so sehr an Star Wars, dass man jede Minute erwartet, dass jemand das Lichtschwert zückt oder nach dem Weg nach Tatooine fragt. Tatsächlich fühlt sich Quantumania sogar mehr wie Star Wars an als die Weltraumabenteuer der Guardians of the Galaxy.

Ant Man and the Wasp Quantumania (2023) Filmbild 4

Regisseur Peyton Reed, der zwei Folgen der Star-Wars-Serie "The Mandalorian" gedreht hat, war offenbar von der Welt der Sternenkrieger so angetan, dass er seinen dritten Ant-Man als zweistündiges Bewerbungsvideo für die Regie eines Star-Wars-Films inszeniert hat. Das ist nicht zwingend ein Makel per, doch für die Fans der ersten zwei Filme könnte die Reihe ihren Charakter dadurch ähnlich verloren haben wie Thor für einige mit Tag der Entscheidung. Für mich, der mit den ersten zwei Filmen trotz ihrer Qualitäten nicht so richtig warm geworden ist, macht der durchgeknallte Ritt durch fremde Welten Quantumania knapp zum besten Teil der Reihe. Wer jedoch auf CGI-Overkill allergisch reagiert, könnte mit dem Film seine Schwierigkeiten haben.

Ant Man and the Wasp Quantumania (2023) Filmbild 5Bei all den Änderungen behält Quantumania den lockeren Humor der Reihe weiterhin bei. In Abwesenheit von Michael Peña sorgt dafür ausgerechnet Corey Stoll. War er als Darren Cross noch ein blasser, eindimensionaler Antagonist im ersten Ant-Man-Film, der am Ende ins Quantenreich geschickt wurde, wurde er seitdem von Kang gefunden und erhielt als M.O.D.O.K. (Mechanized Organism Designed Only for Killing) eine neue Bestimmung, die er mit einer Mischung aus Besessenheit, Rachegelüsten und Selbsthass auslebt. Als überdimensionaler Kopf in einem kleinen Roboterkörper ist er ein wahrlich bizarrer Anblick und Stoll hat deutlich mehr Spaß mit der Rolle als bei seinem ersten Einsatz.

An der Protagonisten-Front macht Paul Rudd wieder sein Ding als sympathischer Loser, der zum unwahrscheinlichen Helden wurde, und hat seine selbstironische Performance perfektioniert. Leider rückt Evangeline Lilly ziemlich in den Hintergrund, dafür bekommt ihre Filmmutter Michelle Pfeiffer, immerhin auch eine titelgebende Wasp, deutlich mehr zu tun als im letzten Film. Es ist möglicherweise ihre coolste Badass-Rolle, seit sie vor über 30 Jahren Catwoman verkörpert hat. Kathryn Newton überzeugt als lebhafte, taffe Cassie, die bei künftigen Auftritten (Young Avengers vielleicht?!) richtig aufblühen könnte.

Ant Man and the Wasp Quantumania (2023) Filmbild 6Wenn man Quantumania etwas vorwerfen kann, dann dass es in dem Film zwar immer wieder betont wird, wie gefährlich Kang ist und welche große Bedrohung er für unsere und alle anderen Welten darstellt, diese hohen Einsätze jedoch nie richtig spürbar werden. Zu keinem Zeitpunkt hat man ernsthaft Angst um Scott, Cassie oder andere Figuren und trotz der zahlreichen ehrfurchtsvollen Beteuerungen seiner Übermacht wirkt Kang nie so allmächtig. Dadurch flacht der Spannungsbogen des Films etwas ab. Das ist jedoch nicht Majors' Schuld, sondern die des Drehbuchs. Was übrig bleibt, ist ein humorvoller, effektreicher Blockbuster mit einem tollen Cast, einigen kreativen Einfällen und viel Potenzial, von dem jedoch nur ein Teil erfüllt wird.

Fazit

Auch wenn Ant-Man and the Wasp: Quantumania den gelegentlich albernen, selbstironischen Humor beibehält, ist der dritte Ant-Man-Film mit seinen deutlich höheren Einsätzen, einem drastischen Setting-Wechsel und dem ersten ernstzunehmenden Bösewicht der Reihe sowohl visuell als auch inhaltlich eine deutliche Abkehr von seinen recht klein gehaltenen, schlichten Vorgängern, die dem Marvel-Universum einen erstaunlichen Star-Wars-Anstrich verpasst. Jonathan Majors zeigt als Kang Potenzial, unter die besten Marvel-Schurken aufzusteigen, ist aber noch nicht ganz so weit, während Michelle Pfeiffers coolste Rolle seit Jahren und Corey Stolls urkomische Rückkehr sie zu den heimlichen Stars des Sequels machen. Der gelungene Auftakt zu MCUs Phase Fünf gibt eine klare Richtung für die Multiverse Saga vor und wird durch zwei Abspannszenen abgerundet, die viele Marvel-Fans in Vorfreude jubeln lassen werden.

Trailer

Knock at the Cabin (2023) Kritik

0
Knock at the Cabin (2023) Filmkritik

Knock at the Cabin, USA 2023 • 100 Min • Regie: M. Night Shyamalan • Drehbuch: M. Night Shyamalan, Steve Desmond, Michael Sherman • Mit: Dave Bautista, Jonathan Groff, Ben Aldridge, Kristen Cui, Rupert Grint, Nikki Amuka-Bird, Abby Quinn • Kamera: Jarin Blaschke, Lowell A. Meyer • Musik: Herdís Stefánsdóttir • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 09.02.2023 • Deutsche Website

M. Night Shyamalan ist ein bemerkenswerter Regisseur. Früh wurde er mit seinem Geisterdrama „The Sixth Sense“ als neuer Spielberg in den Himmel gehoben. Im Anschluss feierte er weiterhin gigantische Erfolge an den Kinokassen, auch wenn die Rezeption seiner Folgewerke zunehmend kritischer ausgefallen ist. Unerbittlichen Spott und Häme musste er seit dem teuren B-Movie „The Happening“ über sich ergehen lassen. Zusätzlich bekam er mit „Shamalamadingdong“ persönlich einen rassistisch geprägten Spitznamen aufgedrückt. Trotz dieser sicher nicht immer angenehmen Hollywood-Achterbahnfahrt ist er noch immer als gefragter Studio-Filmemacher im Rennen. Und individuelle Qualitäten bringt er mit. Oft sind seine Arbeiten mit einem nicht zu leugnenden Gespür für Timing ausgestattet. Die Spannung steigt hinter langen Close-Ups von Blicken und unter schließlich zögerlich gesprochenen Worten. Und dann wäre da natürlich noch das Klischee mit dem Twist, das Shyamalan seit seinen ersten Hits anhaftet.

Knock at the Cabin (2023) 1

Mit seinem neuen Film „Knock at the Cabin“ wagt er sich jetzt an seine erste Romanadaption. Das 2018 mit dem Bram-Stoker-Award ausgezeichnete Buch „The Cabin at the End of the World“ (deutscher Titel: „Das Haus am Ende der Welt“) von Paul Tremblay gehört zu den populärsten Vertretern der aktuellen Genre-Literatur, weshalb eine entsprechende Umsetzung nur eine Frage der Zeit gewesen ist. Rein inszenatorisch könnte der mysteriöse Mix aus Home-Invasion-Thriller und apokalyptischem Horror tatsächlich die bislang intensivste Arbeit Shyamalans darstellen. Gleich der Auftakt ist eine kleine Meisterleistung an stiller Bedrohung, die sich schnell zu purem Terror steigert. Durch die großartige Kamera von Oscar-Nominee Jarin Blaschke („The Witch“, „Der Leuchtturm“) und Lowell A. Meyer ist man als Zuschauer buchstäblich mitten im Geschehen, wenn über die im Zentrum stehende Kleinfamilie der Schrecken hereinbricht. Schauspielerisch gibt es keine Aussetzer zu vermelden und als Kenner der Vorlage kann man sich mit dem Casting der Charaktere mehr als zufrieden geben. Und dennoch: „Knock at the Cabin“ ist der erste Shyamalan-Film, der mich ernsthaft frustriert und traurig bis wütend gemacht hat. Das Problem liegt dabei keinesfalls im Handwerk, es ist einzig und allein beim Regisseur und Co-Autor zu suchen, der das letzte Drittel der zutiefst humanistischen Geschichte quasi rausgerissen und in seinem Sinne umgeschrieben hat. Keine dieser Änderungen – abgesehen von einem anderen Titel – ist von Vorteil für das Werk. Es ist jedoch die Umgestaltung der urspünglichen Aussage, die wirklich erschreckend ist und tief in den Verantwortlichen selbst blicken lässt.

Knock at the Cabin (2023) 2

Die Prämisse von Buch und Film sind identisch: Das schwule Ehepaar Eric (Jonathan Groff) und Andrew (Ben Aldridge) verbringt seinen Urlaub zusammen mit seiner jungen Adoptivtochter Wen (Kristen Cui) in einer abgelegenen Hütte im Wald. Eines Tages nähert sich der hünenhafte Leonard (Dave Bautista) dem Kind und bereitet es auf das vor, was in Kürze geschehen wird. Leonard und seine Mitstreiter Sabrina (Nikki Amuka-Bird), Ardiane (Abby Quinn) und Redmond (Rupert Grint) werden mit ihren bedrohlichen Tötungsinstrumenten in das Haus der Familie eindringen, sie fesseln und vor eine düstere Wahl stellen: Entweder jemand von ihnen lässt sich von einem der Liebsten freiwillig umbringen oder die Apokalypse wird die gesamte Menschheit auslöschen. Dieses Szenario sei den Eindringlingen in einer gemeinsamen Vision erschienen und als vermeintliche Beweismittel zeigen sie ihren Opfern Nachrichtensendungen von Flutkatastrophen und Epidemien. Um zu demonstrieren, wie ernst es ihnen ist, wird das Quartet seine Werkzeuge an sich selbst einsetzen. Doch das Band zwischen den Familienmitgliedern ist stark – nur wird es auch die weiteren Schreckensbilder überdauern?

Knock at the Cabin (2023) 3

In Kürze sind die positiven Aspekte von „Knock at the Cabin“ ja bereits aufgeführt worden, zumindest soll aber noch schnell auf die im Mainstream-Kino immer noch relativ seltene Repräsentation von homosexuellen Hauptfiguren eingegangen werden. Eric und Andrew sind zwei absolut sympathische Protagonisten, die von Jonathan Groff („Mindhunter“) und Ben Aldridge („Pennyworth“) mit einer spürbaren Chemie untereinander verkörpert werden. Das Thema der sexuellen Orientierung und die damit verbundenen Hürden wird zwar an verschiedenen Stellen und in vor allem Rückblenden behandelt, doch entgeht der Film der Gefahr, dass sich der Gesamtfokus zu stark darauf richtet. Liebe ist nicht geschlechts- oder ethnienabhängig, an dieser klaren Message hat sich im Vergleich mit der Vorlage glücklicherweise nichts geändert.

Knock at the Cabin (2023) 4

Es ist gar nicht so einfach, über das konkrete Versagen des Films zu schreiben ohne in Spoilerterritorium zu geraten. Ich will es versuchen: Tremblays Roman ist als Reaktion auf die Lügen und Desinformationen sowie das zunehmend aggressive Klima unter der Trump-Admistration entstanden. Dabei geht der Autor nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vor, sondern bleibt in seinem Text bis zum Schluss uneindeutig darüber, ob es sich bei Leonards Gruppe um wahrhafte Propheten der Apokalypse oder um gefährliche Spinner (QAnon anyone?) handelt. Zwar lässt sich durch die Nachrichten eine bedenkliche Anhäufung von Katastrophen darstellen, doch werden dabei Zufälligkeiten oder womöglich wissenschaftliche Fakten gar nicht näher in Betracht gezogen. Die Zweideutigkeit ersetzt Shyamalan am Ende der Adaption gegen seine eigene im besten Fall schmerzhaft naive, im schlimmsten Fall allerdings ideologisch verblendete Sichtweise. Der Glaube, der bereits in „Signs“ eine zentrale Rolle gespielt hat, zeigt diesmal alttestamentarische Auswüchse. Wenn es nach Leonard und Co. geht, hat der Mensch in Gottes sadistischem Spiel gar keine freie Wahl mehr. Auch wenn sie etwas anderes sagen. Blut muss fließen, mindestens das von einer Person. Man hatte gedacht, die Menscheit wäre inzwischen weiter und würde sich drängenden Fragen (Klimakrise, Epidemien, Cyberkriege) auf intelligente Weise annehmen und weltliche Antworten suchen. Zumindest Shyamalan hält im Gegensatz zu Tremblay offenbar wenig von der Aufklärung. Warum auch, wenn eh alles vorherbestimmt ist und Entscheidungen ihren Namen nicht verdienen?

Knock at the Cabin (2023) 6

Das präsentierte Ende von „Knock at the Cabin“ könnte trostloser und verstörender kaum sein, doch der Regisseur verkauft es uns als bittere Pille, die zwar geschluckt werden muss, aber nach der schon alles wieder gut werden wird. Tremblays Roman ist ebenfalls finster (eine besonders erschütternde Szene hat es gar nicht in den Film geschafft und musste es auch nicht zwingend), doch feiert er in all der Ungewissheit die unter keinen Umständen verhandelbare Liebe zwischen Menschen, die sich niemals einer grausamen Gottheit unterwerfen werden. Sicher, man darf Änderungen an Büchern für die Verfilmung vornehmen, doch führt eine sehr schlechte Änderung an zentraler Stelle dann eben eventuell auch zu einem sehr schlechten Film. Wie würden übrigens die Befürworter den Ausgang dieser Geschichte sehen, wenn die Propheten aus einem anderen Kulturkreis kämen, lange Bärte hätten und stumpfe Messer bei sich tragen würden?

Knock at the Cabin (2023) 7

Ich musste nach der Vorstellung an Wolfgang M. Schmitts Filmanalyse zu „Old“ unter der Überschrift „Nie wieder Shyamalan“ denken. Schmitt kann sich darin vorstellen dass der Regisseur unter Hilfe eines guten Dramaturgen oder Lektors auch wieder etwas Vernünftiges aus seinen Konzepten machen könnte (ich mochte übrigens noch sowohl „The Visit“ als auch „Split“, vielleicht einfach weil beide reichlich schräger aber unverfänglicher Spaß waren). Diesmal hatte Shyamalan tatsächlich eine gleichzeitig packende und zum Nachdenken anregende Vorlage direkt vor der Nase. Er hat sich jedoch nach 90 Minuten aufwühlendem Kino für die schlimmst mögliche Alternative entschieden und damit alle wunderbaren Leistungen (Bautista war nie besser) davor mit in die Tonne gekloppt.

Zumindest ich kann leider kein noch so toll gestaltetes Produkt mehr genießen, wenn dessen Kern derart verfault ist.


Trailer

The Price We Pay (2022) Kritik

0
The Price We Pay (2022) Filmkritik

The Price We Pay, USA 2022 • 85 Min • Regie: Ryûhei Kitamura • Drehbuch: Christopher Jolley • Mit: Emile Hirsch, Gigi Zumbado, Stephen Dorff, Vernon Wells, Tyler Sanders, Tanner Zagarino • Kamera: Matthias Schubert • Musik: Aldo Shllaku • SPIO/JK: keine schwere Jugendgefährdung • Verleih: Tiberius Film • VoD-Start: 09.02.2023 • Deutsche Website

Ryûhei Kitamuras „The Price We Pay“ hat sich vor allem Robert Rodriguez' Kultstreifen „From Dusk Till Dawn“ als Vorbild für seinen Mix aus hartem Crime-Thriller und absurdem Grindhouse-Horror genommen. Im Gegensatz zum genannten Vampir-Splatter will der Ansatz hier aber nicht wirklich gelingen. Zunächst bekommen wir zu früh einen Vorgeschmack auf das Grauen, das uns eigentlich später überraschen sollte. Doch das ist nicht das Hauptproblem des B-Films: Es muss ja nicht immer ein mit Blutsaugern gefüllter Stripclub wie der Titty Twister sein, doch etwas mehr als den ziemlich drögen und ausgelutschten Schrecken, den uns Kitamura und sein Autor Christopher Jolley auftischen, darf man bei einem stumpf-unterhaltsamen Midnight-Movie schon erwarten. „The Price We Pay“ langweilt über weite Strecken schlicht, und das ist nicht gut.

The Price We Pay 1

Es beginnt an einer Raststätte, an der ein reichlich prolliger Fahrer seine weibliche Begleitung unter lautstarkem Protest rauswirft. Einige sinistre Gestalten in einem Truck beobachten die Situation und betäuben die Frau auf der Toilette. Einige Kilometer weiter rauben Cody (Stephen Dorff), Alex (Emile Hirsch) und dessen Bruder Shane (Tanner Zagarino) gerade ein Pfandhaus aus. Es kommt zu einer blutigen Schießerei, bei der Shane verletzt wird, und die drei Gangster entscheiden sich kurzerhand, die anwesende Grace (Gigi Zumbado) als Geisel zu nehmen. Auf der Flucht versuchen sie einer Polizeikontrolle zu entgehen und wählen den Weg durch das texanische Hinterland bis zu einer abgelegenen Farm. Texas? Farm? Richtig, uns steht ein Massaker bevor. Allerdings ohne Kettensäge und dafür mit einer Spule aus Stacheldraht. Einen hünenhaften Leatherface-Verschnitt gibt es später auch zu sehen, nachdem die Antihelden die Warnung des dort lebenden Danny (Tyler Sanders) ignorieren und Alex die Ställe durchsucht. Inzwischen ist der Truck vom Anfang ebenfalls angekommen und die Lage spitzt sich zu …

The Price We Pay 2

Mit seinem actionreichen Yakuza-vs-Zombies-Mix „Versus“ und der leider von Vertreiber-Seite völlig lieblos verwursteten, äußerst wilden Clive-Barker-Adaption „The Midnight Meat Train“ mit einem noch aufstrebenden Bradley Cooper in der Hauptrolle, hatte sich der japanische Regisseur Ryûhei Kitamura als Vertreter unprätentiöser, goriger Hardcore-Kost einst bei Genre-Fans empfohlen. Leider ist er nach dem provozierten Flop des letztgenannten Films nie wieder in den Genuss einer ähnlich packenden Vorlage oder der damaligen Produktionsstandards gekommen. Der unmittelbare Nachfolger „No One Lives“ war ziemliche Grütze und der Scharfschützen-Thriller „Downrange“ krankte an einem schlechten Skript mit dämlichen Charakteren. Trotzdem besteht weiterhin die Hoffnung, dass das frühere Energiebündel unter den richtigen Umständen wieder zur Hochform auflaufen könnte. „The Price We Pay“ ist jedoch leider nicht das Werk, das seine Karriere voran treiben wird. Zwar ist die Inszenierung für einen Film dieser Art solide ausgefallen, doch den einstigen visuellen Einfallsreichtum sucht man hier vergebens.

Wie bereits erwähnt, ist jedoch die ideenlose Vorlage der eigentliche Stolperstein: Stephen Dorff („Blade“) und Emile Hirsch („The Autopsy of Jane Doe“) geben sich als Gecko-Brüder-Kopie alle Mühe, ihren schablonenhaften Figuren etwas raues bis psychotisches Charisma zu verleihen, und auch Gigi Zumbado („Tone-Deaf“) macht aus ihrer Kontast-Rolle als eigentliche Heldin das Beste. Doch da es letztlich darauf hinausläuft, toughe 08/15-Dialoge rauszuhauen oder auf einer Liege festgeschnallt wahlweise zu fluchen oder zu flehen, macht sich beim vermeintlich saftigen Exploitation-Stück zunehmend Langeweile breit. Bis zum großen Genre-Twist, der eigentlich keiner ist, braucht es die Hälfte der Spielzeit. Erst recht dann ist das Resultat ernüchternd: Tausend Mal gesehen hat man das, was einem als großes Geheimnis im Untergrund aufgetischt wird. Ein wenig „Hostel“ oder „Turistas“ im „Texas Chain Saw Massacre“-Setting bekommt man geboten, ausgestaltet mit billigen Spezialeffekten und reichlich spannungsarm. Wenn da nicht die überaus nervige Moral über den Preis, den wir alle zahlen müssen (gemeint ist nicht die Lebenszeit beim Anschauen oder der kleine Obolus für den Stream) wäre, könnte man „The Price We Pay“ zumindest zugute halten, dass er sich selbst nie wirklich ernst nimmt.

The Price We Pay 3

Wer den Film jedoch scheinbar wirklich ernst genommen hat, ist die FSK, die der ungekürzten Version die Freigabe verweigert hat und daher mal wieder die Juristenkommission ran musste. Zwar gibt es hier sicher ein paar ausgedehnte Splatterspitzen zu begutachten, doch insgesamt ist „The Price We Pay“ im Vergleich zu einigen zuletzt durchgewunkenen Werken doch eher zahm ausgefallen. Vermutlich ist es das groteske Finale gewesen, in dem der in Troma-Manier verunstaltete Leatherface-Ersatz eine Überlebende mit seiner Sense über den Hof jagt und es zu zur blutigen Eskalation mit dem zuvor erwähnten Stacheldraht kommt, das den Jugendschützern ein besonderer Dorn im Auge gewesen ist. Genau diese Terror-Szene ist es jedoch, die den alten Kitamura reichlich spät doch nochmal kurz von der Kette lässt und „The Price We Pay“ am Ende zwar ein schlechter Film bleibt, es aber fast für ein Guilty Pleasure reicht.

Fast.


Trailer

Oscarnominierungen 2023: Die größten Gewinner, Verlierer und Überraschungen

Oscarnominierungen 2023

© Academy of Motion Picture Arts and Sciences

Der Staub nach der Bekanntgabe der diesjährigen Oscarnominerungen hat sich gelegt. Wer die begehrten Goldjungen tatsächlich nach Hause mitnehmen wird, werden wir erst in der Nacht vom 12. auf den 13. März erfahren, wenn die Oscars in Los Angeles zum 95. Mal verliehen werden. Wie üblich werfen wir aber jetzt schon einen ausführlichen Blick auf die Nominierungen, fassen die größten Überraschungen und Auslassungen zusammen und erklären, warum bestimmte Filme und DarstellerInnen jetzt schon als "Gewinner" hervorstechen und andere den Kürzeren gezogen haben.

Gewinner

Everything Everywhere All at Once – Wer den Film gesehen hat (und das solltet Ihr unbedingt!), wird mir zustimmen, dass der wilde Multiversum-Genremix alles andere als typisches Oscarbait ist. Es ist ein Film, in dem Leute manchmal Hotdogs anstelle von Fingern haben und Sexspielzeuge erstaunlich häufig in Martial-Arts-Kampfszenen zum Einsatz kommen. Ohne jegliche Oscar-Erwartungen wurde der Film lange vor der Oscar-Saison in der ersten Jahreshälfte veröffentlicht und begeisterte die Kinogänger sogar außerhalb der üblichen Arthouse-Nische. Mit einem weltweiten Einspiel von knapp über $100 Mio wurde er zum mit Abstand größten Hit des Prestige-Studios A24. Langsam aber sicher wurde klar, dass der Film bei den Oscars mitmischen würde und in den letzten Wochen hat er sich neben Die Fabelmans und The Banshees of Inisherin als einer der drei großen Favoriten herauskristallisiert. Dennoch hat er bei der Bekanntgabe der Nominierungen alle Erwartungen übertroffen. Alle vier seiner zentralen Darstellerinnen und Darsteller wurden nominiert, zusätzlich zu Nominierungen für die Regie, das Drehbuch, den Schnitt und natürlich als "Bester Film". Mit insgesamt elf Nennungen ist es der meistnominierte Film des Jahres. Früher hätte ihn das automatisch auch zum Favoriten für den Sieg gemacht, jedoch gewann in den letzten zehn Jahren der meistnominierte Film (Birdman und Shape of Water) nur zweimal den "Bester Film"-Oscar.

Asiatischstämmige Schauspieler – Der Nominierungsregen für Everything Everywhere All at Once ist auch ein historischer Moment für asiatische bzw. asiatischstämmige Schauspielerinnen und Schauspieler bei den Oscars gewesen. Mit Michelle Yeoh, Ke Huy Quan, Stephanie Hsu sowie Hong Chau, die für The Whale im Rennen ist, gingen vier der 20 Schauspiel-Nominierungen an asiatischstämmige Performer, was mit Abstand einen Oscar-Rekord darstellt. Yeoh ist sogar die allererste Frau, die sich selbst als Asiatin identifiziert, die in der Hauptdarstellerin-Kategorie nominiert wurde. Sie befindet sich im Kopf-an-Kopf-Rennen mit Cate Blanchett (Tár) für den Sieg.

Irland – Auch Irland und irischen Schauspielern sind Academy-Wähler sehr wohlgesonnen gewesen. Neun Oscarnominierungen gingen an die irische Co-Produktion The Banshees of Inisherin, darunter vier für ihre irischen Schauspieler Kerry Condon, Colin Farrell, Brendan Gleeson und Barry Keoghan und drei weitere an ihren irischen Regisseur und Autor Martin McDonagh. Darüber hinaus wurde mit dem irischsprachigen Das stille Mädchen erstmals ein irischer Film in der Kategorie "Bester internationaler Film" nominiert und mit An Irish Goodbye ist ein Film von der grünen Insel auch im Rennen um den besten Kurzfilm.

Erstlings-Nominees unter Schauspielern – Insgesamt 16 der 20 nominierten Schauspielerinnen erhielten dieses Jahr ihre allererste Oscarnominierung. Cate Blanchett (Tár), Judd Hirsch (Die Fabelmans), Michelle Williams (Die Fabelmans) und Angela Bassett (Black Panther: Wakanda Forever) sind die einzigen Ausnahmen. Gewonnen hat zuvor lediglich Blanchett. Eine so niedrige Quote an früheren Nominees und Gewinnern gab es seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Tatsächlich ist es sogar das erste Mal seit 1935 (!), dass keiner der fünf "Bester Hauptdarsteller"-Nominees vorher nominiert war. Dabei erhielten dieses Jahr etablierte Schauspieler wie Colin Farrell, Brendan Gleeson, Jamie Lee Curtis und Michelle Yeoh lange überfällige Anerkennung. Das bringt mich direkt zum nächsten Punkt…

Andrea Riseborough (To Leslie)Andrea Riseborough ist eine Schauspielerin, die seit Jahren schon starke Performances abliefert. Ihre Nominierung für To Leslie ist dennoch ein kleines Wunder, denn sie tauchte vorher auf nahezu keiner Liste der gängigen Preisverleihungen auf und wurde weder von den Golden Globes noch von der Schauspielergewerkschaft SAG noch den BAFTAs oder den Critics' Choice Awards nominiert. Ihr Micro-Budget-Drama To Leslie hatte keinerlei Budget für die übliche Oscar-Kampagne, also musste Riseborough einfallsreich werden und sicherte sich die Unterstützung prominenter Freundinnen wie Gwyneth Paltrow, Amy Adams und Kate Winslet, die öffentlich von ihrer Performance schwärmte, Q&A-Sessions mit ihr durchführten und für die Anerkennung ihrer Darbietung einsetzten. Sogar Cate Blanchett nannte Riseborough bei ihrer Rede nach dem Sieg bei den Critics' Choice Awards. Die Bemühungen haben sich gelohnt, die Academy-Wähler holten den winzigen Film nach und würdigten Riseboroughs Performance.

Blockbuster-Sequels – Mit Avatar: The Way of Water und Top Gun: Maverick sind nicht nur zwei Fortsetzungen im Rennen um "Bester Film", sondern auch die beiden umsatzstärksten Filme des Jahres. Letzteres gab es seit 40 Jahren nicht mehr, ersteres noch nie: Insgesamt wurden in der Academy-Geschichte nur neun Sequels nominiert, jedoch noch nie zuvor zwei im selben Jahr.

Im Westen nichts Neues – Die erste (US-amerikanische) Verfilmung von Erich Maria Remarques Roman gewann den Hauptpreis bei der dritten Oscarverleihung. Die neuste (deutsche) Adaption ergatterte neun Nominierungen und wurde zum ersten deutschsprachigen Film überhaupt, der als "Bester Film" im Rennen ist. Außerdem überholte Im Westen nichts Neues Das Boot als meistnominierten deutschen Film. Tiger and Dragon und Roma sind die einzigen nicht-englischsprachigen Filme, die noch mehr Oscarnominierungen (jeweils zehn) erhielten.

Europäisches Kino – Neben den Triumphen der europäischen Filme Im Westen nichts Neues und The Banshees of Inisherin gelang auch dem Cannes-Sieger Triangle of Sadness ein überraschender Erfolg mit drei Nominierungen für seinen Macher Ruben Östlund – als Regisseur, Drehbuchautor und für den Film selbst.

Verlierer

Filme mit mehrheitlich schwarzer Besetzung – Während asiatischstämmige Schauspielerinnen und Schauspieler bei den Nominierungen besser repräsentiert sind denn je, sind mehrere im Vorfeld als Kandidaten gehandelte Filme mit afroamerikanischen Casts komplett untergangen. Einer davon ist The Woman King, der nicht nur hervorragende Kritiken erhielt, sondern auch ein Kassenhit war und auf mehreren Bestenlisten des letzten Jahres aufgetaucht ist. Viola Davis war bei den Golden Globes, den BAFTAs und der Schauspielergewerkschaft SAG nominiert, Regisseurin Gina Prince-Bythewood bei den Critics' Choice Awards und den BAFTs und sowohl die National Board of Review als auch das American Film Instutite zeichneten The Woman King als einen der zehn besten Filme 2022 aus. Bei de Oscars gab es für ihn keine einzige Nominierung. Dasselbe gilt auch für das Rassismusdrama Till, dessen Hauptdarstellerin Danielle Deadwyler auch für zahlreiche Preise im Vorfeld nominiert war. Auch Jordan Peeles Nope wurde kein einziges Mal nominiert. Black Panther: Wakanda Forever ist mit fünf Nominierungen zwar ein kleiner Lichtblick, verpasste aber im Gegensatz zu seinem Vorgänger die "Bester Film"-Nominierung.

Claudio Miranda – Der Kameramann von Top Gun: Maverick hat im Vorfeld mehr (hochverdiente) Auszeichnungen für seine virtuosen Aufnahmen abgeräumt als jeder andere in der Kategorie und die meisten Experten gingen davon aus, dass er für das Blockbuster-Sequel seinen zweiten Oscar nach Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger holen würde. Stattdessen verwehrte die Academy ihm sogar eine Nominierung was für mich zu den schockierendsten Auslassungen dieses Jahr gehört. Auch Avatar: The Way of Water wurde für seine Kamera nicht nominiert, obwohl der Vorgängerfilm den Kamera-Oscar gewonnen hatte.

Taylor Swift – Während die Academy Lady Gaga und Rihanna für Oscars nominiert hat, zog Taylor Swifts Song "Carolina" aus Der Gesang der Flusskrebse den Kürzeren. Die Diskrepanz zwischen den Oscars und den Golden Globes, wo die Sängerin bereits viermal nominiert war, ist sehr groß. Swift wartet immer noch auf ihre erste Oscar-Nennung.

Die Frau im Nebel – Die Oscarnominierungen waren zwar ein Triumph für asiatische Schauspielerinnen und Schauspieler, der südkoreanische Beitrag Die Frau im Nebel von Park Chan-wook, der neben Im Westen nichts Neues als größter Anwärter in der "Bester internationaler Film"-Kategorie gehandelt wurde und dessen Macher den Regie-Preis in Cannes gewonnen hat und kürzlich bei den BAFTAs nominiert wurde, erhielt jedoch keine einzige Nominierung.

Weitere interessante Fakten

John Williams hat für Die Fabelmans die 53. Oscarnominierung seiner Karriere geholt und den Abstand zu Walt Disneys Rekord (59 Nominierungen) wieder etwas verringert. Mit 90 ist er außerdem der älteste Oscar-Nominee überhaupt. Gewonnen hat Williams jedoch schon seit Schindlers Liste nicht mehr.

Steven Spielberg ist dank Die Fabelmans mit neun Nominierungen zum zweitmeistnominierten Regisseur neben Martin Scorsese geworden. Nur William Wyler hatte mit zwölf Nominierungen noch mehr Chancen. Er ist außerdem der einzige Regisseur, der in sechs unterschiedlichen Jahrzehnten für seine Arbeit nominiert wurde. Zudem ist Spielberg mit Wyler als Regisseur mit den meisten "Bester Film"-Kandidaten (13) in der Oscargeschichte gleichgezogen.

Tár ist bereits der zehnte "Bester Film"-Kandidat, in dem Cate Blanchett mitgespielt hat. Nur Robert De Niro war in noch mehr (11) dabei.

– Es ist das fünfte Jahre in Folge, in dem ein nicht-englischsprachiger Film in der "Bester Film"-Kategorie nominiert ist.

– Nach Rachel Morrison (Mudbound) und Ari Wegner (The Power of the Dog) ist Mandy Walker mit Elvis erst die dritte oscarnominierte Kamerafrau.

– Mit 42 Jahren Abstand zwischen seiner letzten und seiner aktuellen Nominierung hat Judd Hirsch (Die Fabelmans) Henry Fondas Rekord gebrochen.

Angela Bassett wurde mit Black Panther: Wakanda Forever zur ersten Person aus einem Marvel-Film, die für einen Schauspiel-Oscar nominiert wurde. Außerdem ist sie nach Viola Davis, Octavia Spencer und Whoopi Goldberg erst die vierte schwarze Frau mit mehr als einer Oscarnominierung.

Alfonso Cuarón hat dank seiner Kurzfilm-Nominierung für Le Pupille Kenneth Branaghs Rekord aus dem letzten Jahr eingestellt und war im Laufe seiner Karriere in sieben unterschiedlichen Kategorien nominiert.

____________________________________________

Ich hoffe, Ihr habt meine Analyse zu den Oscarnominierungen genossen und ich werde natürlich weiter über das Rennen und die kommenden Industrie-Preise berichten, bis wir im März endlich die Oscarsieger erfahren.

M3GAN (2022) Kritik

0
M3GAN (2022) Kritik

M3GAN, USA 2022 • 102 Min • Regie: Gerard Johnstone • Drehbuch: Akela Cooper • Mit: Allison Williams, Violet McGraw, Ronny Chieng, Brian Jordan Alvarez, Jen Van Epps, Lori Dungey, Stephane Garneau-Monten, Amie Donald • Kamera: Peter McCaffrey • Musik: Anthony Willis • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 12.01.2023 • Deutsche Website

Gerard Johnstones „M3GAN“ beginnt mit dem Werbespot zu einem fiktiven Spielzeug: Ein Kind trauert an dem Grab seines Haustieres, doch soll es bald mit dem beworbenen Produkt von seinem Leid erlöst werden. Ein flauschiges Geschöpf, das die Bedürfnisse eines Kleinkindes simuliert, wird digital per Tablet mit Nahrung versorgt und kann auditiv mit Fürzen oder dem Ausscheiden von Plastikkot demonstrieren, dass es nicht ordnungsgemäß vom Besitzer behandelt worden ist. Bereits dieser Anfang des von Jason Blum („Der Unsichtbare“) und James Wan („Conjuring“) erstmals gemeinsam produzierten Sci-Fi-Horrors führt vor Augen, was die Zukunft 2.0 für uns bereit hält. Selbst eigentlich dem Zwischenmenschlichen vorbehaltene Tätigkeiten können nun über Computerprogramme aus der Distanz bedient werden – so wird es dem Nachwuchs zumindest von Kleinauf vermittelt. Eine schöne neue Welt?

M3GAN (2022) 1

An der Entwicklung der zwischen Robotik, Software und Plüsch pendelnden Kreation ist die geniale Ingenieurin Gemma (Allison Williams) beteiligt gewesen, die zusammen mit ihrem kleinen Team nun ohne Kenntnis ihres cholerischen Chefs David (Ronny Chieng) an dem Prototyp eines enorm kostspieligen KI-Androiden namens M3GAN (kurz für Android der M3-Generation) arbeitet. Der karrierefixierten Frau kommt mitten in der heißesten Phase urplötzlich der Tod ihrer Schwester und ihre dadurch verwaiste Nichte Cady (Violet McGraw) zwischen die Planungen. Pflichtbewusst aber auch ohne angebrachte Selbstreflektion, übernimmt Gemma Cadys Sorgerecht und integriert sie in ihr eigentlich nicht auf Familie ausgerichtetes Leben. Doch schon bald zeichnet sich ab, dass sie der Herausforderung nicht gewachsen ist und das trauernde Mädchen von ihr nicht den notwendigen Halt bekommt. Wie schon bei ihrer Arbeit, gelingt es Gemma scheinbar, das Problem mit ihrem technischen Know How zu lösen: M3GAN (unter der künstlichen Fassade gespielt von Amie Donald und gesprochen von Jenna Davis) soll Cadys neue beste Freundin werden und gleichzeitig soll die hier wachsende Beziehung zwischen Mensch und Maschine als Anschauungsmaterial für den geplanten Verkaufsschlager dienen. Wäre da nicht das Problem mit M3GANs mörderisch ausgeprägtem Beschützerinstinkt und das Erwachen eines eigenen Bewusstseins …

Das Drehbuch zu „M3GAN“ stammt aus der Feder von Akela Cooper nach einer Story von James Wan. Zusammen hat das Duo zuvor den äußerst wilden und reichlich bizarren Grindhouse-Schocker „Malignant“ erschaffen, mit dem sich der neue Stoff die Fülle an irren Einfällen teilt. Als „Terminator“ meets „Annabelle“ hat Wan unlängst das Projekt zusammengefasst, doch lässt sich nach Sichtung festhalten, dass eine Mischung aus dem „Chucky“-Reboot „Child’s Play“ und Alex Garlands smartem „Ex Machina“ dem Werk eher gerecht wird. „M3GAN“ ist ohne Frage beste Genre-Unterhaltung, wie man sie eben von den Studios Blumhouse und Atomic Monster erwartet, doch entpuppt sich der Film zugleich als intelligentere Zeit-Satire als es zunächst den Anschein hat. Diesen als erfrischend feminine und deutlich weniger blutrünstige (trotz PG-13 und ohne Gore schocken einige Szenen dennoch mit ihrer bösartigen Konsequenz) Antwort auf „Child’s Play“ anzupreisen, wäre nicht verkehrt, doch würde dies die weiteren Themen der Geschichte völlig unterschlagen.

M3GAN (2022) 2

So ist die lebensechte Roboter-Puppe mit ihren krassen Skills vordergründig klar die Antagonistin des Films. Doch fällt schon bald auf, dass man diese eigentlich kaum für ihre Taten verantwortlich machen kann. Es ist eine hypermoderne, hektische und auf ständige Leistung getrimmte Gesellschaft, die Schöpfungen wie M3GAN befördert, weil es mit der sogenannten Work-Life-Balance dann eben doch nicht immer gelingt. In Zeiten von Erzieherinnen- und Lehrkräftemangel werden dann die Kleinen gerne mal vor den Smartphones oder anderen technischen Gimmicks geparkt, ohne diese anzuleiten oder die Zeit in der virtuellen Welt einzuschränken. Auch M3GAN ist trotz ihres nahezu menschlichen Anlitzes immer noch eine digitale Kreatur. Wie stark die Bindung zum Androiden werden kann, erklärt im Film Cadys Psychologin: Ein verwaistes Kind baut eine besonders intensive Beziehung zur ersten Person auf, die sich seines annimmt – eben auch, wenn es sich dabei um ein menschliche Gefühle perfekt simulierendes Kunstprodukt handelt. Somit prägt sich Cady nicht nur M3GAN mit ihrem Daumendruck als erste Bezugsperson ein, sondern auch umgekehrt.

Während Cady als genau das dargestellt wird, was sie ist – nämlich ein schwer traumatisiertes und verwirrtes Kind -, konzentriert sich der neuseeländische Regisseur Gerard Johnstone im Nachfolgewerk seiner vorzüglichen Horrorkomödie „Housebound“ im Zentrum auf die von Allison Williams („Get Out“) gespielte Gemma. Die erfolgreiche Nerd-Frau ist, ähnlich wie M3GAN ihr Produkt ist, selbst ein Produkt ihres Karrieredrucks. Im Herzen versteht sie die Bedürfnisse ihrer Nichte und möchte bestmöglich für sie sorgen. Auf der anderen Seite ist sie selbst an der auch emotionalen Ausbeutung des Kindes von Seiten ihrer Firma beteiligt – der grausamste Aspekt des Films! Es ist Gemmas schwierige Lernphase, die hier vermittelt wird und welche stellvertretend für wohl viele überforderte Eltern heutzutage steht. So etwa auch für die Mutter eines reichlich auffälligen Jungen, der während einer Szene seine Zeugerin wild beschimpft und sich später wie ein psychopathischer Triebtäter über den Androiden beugt. Da hat es jemand verpasst, diesem liebevoll die Ohren langzuziehen, bevor dies auf grausame Weise nachgeholt wird.

M3GAN (2022) 3

Tonal bewegt sich das Werk überwiegend auf einem fies-schwarzhumorigen Pfad. Wenn Cady im Film von Trauer überwältigt wird und ihre Roboter-Gefährtin ihr in bester Disney-Tradition ein kitschiges Lied trällert, auf welches Teile des Firmenvorstandes wiederum mit Tränen reagieren, geht der Witz jedoch nicht auf Kosten des Kindes sondern spiegelt zynisch eine plumpe und auf einfache Lösungen bedachte Gesellschaft wider. Trauriges Kind plus singendes Spielzeug gleich Glück gleich Erfolg zum Quadrat, lautet die Formel. Den zunächst gar nicht so in den Vordergrund gerückten Horror steigert Johnstone dann nach einer Anspielung auf Wes Cravens Frankenstein-Verschnitt „Der tödliche Freund“ im letzten Drittel. Auch wenn der Klimax relativ vorhersehbar abläuft und dann der von James Wan angeführte „Terminator“ etwas bemüht zur Geltung kommt, ist „M3GAN“ ein unerwartet cleverer kleiner Techno-Schrecken mit einer definitiv prägnanten Titel-Schurkin.

M3GAN (2022) 4

Ein potenzielles Sequel hat man bei der Ausarbeitung der Geschichte schonmal eingeplant, weshalb man sich hoffentlich auf eine ähnlich bissige wie unterhaltsame Fortsetzung freuen darf.


Trailer

Avatar: The Way of Water (2022) Filmkritik

Avatar The Way of Water (2022) Filmkritik

Avatar: The Way of Water, USA 2022 • 193 Min • Regie: James Cameron • Mit: Sam Worthington, Zoe Saldaña, Stephen Lang, Sigourney Weaver, Jamie Flatters, Britain Dalton, Jack Champion, Edie Falco, Kate Winslet, Cliff Curtis • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 14.12.2022 • Website

Handlung

Rund 15 Jahre sind vergangen, seit die Na’vi unter der Führung des Überläufers Jake Sully (Sam Worthington) die ausbeuterischen Menschen von Pandora vertrieben haben. Jake und Neytiri (Zoe Saldaña) haben inzwischen drei leibliche Kinder – die Teenager Neteyam (Jamie Flatters) und Lo’ak (Britain Dalton) sowie die kleine Tuktirey (Trinity Jo-Li Bliss). Außerdem haben sie die Na’vi-Jugendliche Kiri (Sigourney Weaver), die mysteriöserweise vom Avatar der verstorbenen Wissenschaftlerin Grace Augustine (ebenfalls Weaver) geboren wurde, und den Menschenjungen Miles "Spider" Socorro (Jack Champion), der nach dem Tod seines Vaters im Krieg gegen die Na’vi bei der Evakuierung von Pandora zurückbleiben musste, weil er als Kleinkind nicht in den Kälteschlaf versetzt werden konnte, adoptiert.

Doch Jakes und Neytiris Familienidyll hat ein jähes Ende, als die Menschen eines Tages mit einer großen Armada und neusten Waffen nach Pandora zurückkehren. Mit Guerrilla-Taktiken und Sabotage gehen Jake und sein Omaticaya-Clan effektiv gegen die Eindringlinge vor, doch diese lassen sich diesmal nicht abschrecken. Es geht nicht mehr nur um die Ausbeutung der Naturschätze des Planeten, sondern ums nackte Überleben, denn die Erde stirbt und die Menschheit braucht eine neue Heimat. Dafür müssen erst die Einheimischen aus dem Weg geräumt bzw. in den Worten der neuen RDA-Generälin Frances Ardmore (Edie Falco) "besänftigt" werden. Dazu bringt sie eine Geheimwaffe ins Spiel, die sogenannten Recombinants: verstorbene Soldaten, deren Erinnerungen und Persönlichkeit in künstlich gezüchtete Na’vi-Avatare eingespeist wurden. Sie haben den Auftrag, Jake Sully zu finden und zu töten, in der Hoffnung, so den Widerstand der Na’vi zu brechen. Angeführt werden die Recombinants vom wiedergeborenen Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang). Nach einem brutalen Angriff von Quaritchs Recombinant-Truppe sieht sich Jake gezwungen, zusammen mit seiner Familie aus den Wäldern Pandoras zu fliehen und beim Ozean-Stamm der Metkayina sicheres Versteck zu suchen, wo sie sich zunächst einmal in den neuen Lebensstil eingewöhnen müssen. Doch das Unheil folgt ihnen und der von Rachegelüsten getriebene Quaritch setzt alles daran, Jake und Neytiri ausfindig zu machen.

Kritik

Vor 13 Jahren hat James Cameron seinen Status als der König der Welt oder zumindest der Kinokassen zementiert und die Zuschauer auf eine audiovisuell atemberaubende Reise in eine fremdartige, faszinierende Welt mitgenommen. Niemand würde Avatar – Aufbruch nach Pandora eine komplexe Geschichte oder vielschichtige Charaktere vorwerfen. Böse Zungen könnten gar behaupten, dass Cameron einfach die Handlung von White-Savior-Filmen wie Der mit dem Wolf tanzt und Pocahontas umgeschrieben und mit einem Schuss FernGully versetzt hat. Doch es gab einen Grund, weshalb Avatar nach zwölf Jahren Camerons Titanic als umsatzstärksten Film aller Zeiten ablösen konnte und auch in Deutschland zum bislang letzten Film mit mehr als 10 Millionen Kinobesuchern wurde. Natürlich haben die bahnbrechenden Effekte und der durch den Film eingeläutete 3D-Hype massiv zum Erfolg beigetragen, doch sie alleine erklären nicht, wie Avatar den Nerv der Zuschauermassen so zielsicher treffen konnte.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 1Cameron griff auf bewährte Motive zurück. Die Grenzen zwischen Gut und Böse waren klar abgesteckt. Unterdrückte naturliebende Underdogs verteidigen ihr Land gegen skrupellose, seelenlose und gut bewaffnete Ausbeuter. Mittendrin ist eine "Romeo und Julia"-Liebesgeschichte und ein durch und durch fieser Schurke. Es ist ein simples Konzept, doch es funktioniert. Avatar war kein weiteres Sequel, Prequel, Reboot oder eine Comicverfilmung und dennoch war er vertraut. Die Zuschauer hatten das Gefühl, in eine ganz neue Welt einzutauchen, ohne dabei aber besonders herausgefordert zu werden. Camerons größter Geniestreich war dabei jedoch, dass der Film das Publikum dazu gebracht hat, mit den häufig als Invasoren im Kino dargestellten Aliens in ihrem Kampf gegen die Menschen mitzufiebern. Auch mich hat Avatar in seinen Bann gezogen, sodass ich ihn bis heute siebenmal im Kino gesehen habe.

Der Film kein reiner Glücksgriff war, war Cameron natürlich bewusst, weshalb er es nicht eilig hatte, eine Fortsetzung nachzuschieben, bis er sich sicher sein konnte, ein vergleichbares Erfolgsrezept gefunden zu haben. Doch diesmal dachte Cameron in die Zukunft und konzipierte seine Avatar-Fortsetzungen als Saga, die, wenn alles nach Plan läuft, mindestens vier weitere Filme umspannen soll. Die 13-jährige Wartezeit auf Teil 2 soll ab jetzt durch regelmäßige Sequels im zwei-Jahres-Rhythmus belohnt werden. Die Voraussetzung für die Verwirklichung von Camerons ambitionierten Plan ist jedoch, dass Avatar: The Way of Water ähnlichen Anklang findet wie sein Vorgänger. Doch ist es heutzutage überhaupt möglich, das CGI-abgestumpfte, des 3D überdrüssige Publikum noch so vom Hocker zu hauen wie vor 13 Jahren?

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 2Die Antwort darauf ist ein entschiedenes jein. Mit Avatar: The Way of Water feuert James Cameron an der Bild- und Ton-Front aus allen Rohren und sorgt dafür, dass die Kinogänger für jeden Cent ihrer teuren Kinotickets auch wirklich etwas geboten bekommen, das sie so zu Hause nicht erleben können. Wie bereits Top Gun: Maverick dieses Jahr, erinnert The Way of Water daran, was große Kinospektakel sind. Groß und noch größer ist hier das Motto und nach Jahren mittelmäßiger 3D-Präsentationen zeigt Cameron uns wieder, welchen Mehrwert die Technologie bieten kann, wenn jemand mit Ahnung davon im Regiestuhl sitzt und den Film entsprechend konzipiert. Camerons Entscheidung für die HFR(High Frame Rate)-Technologie, also die hohe Bildrate, die Peter Jackson bereits bei seinen Hobbit-Filmen und zuletzt Ang Lee bei Gemini Man eingesetzt haben, bleibt ein zweischneidiges Schwert. Zwar ist es erwartungsgemäß der beste HFR-Einsatz, den wir bislang erleben durften und lässt das 3D sehr organisch wirken und die Zuschauer in die üppigen Welten von Pandoras Ozeanen eintauchen. Andererseits wirkt die durch HFR erzeugte Fernseh-Optik besonders in den Szenen mit Menschen leider ablenkend. Ich bin sicher, dass Cameron das meiste aus der Technik herausgeholt hat, doch vielleicht ist es einfach Zeit, den HFR-Versuch aufzugeben.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 3Davon abgesehen gibt es visuell an Avatar: The Way of Water nichts auszusetzen. Cameron konnte diesmal seine Liebe zum Meer und den Ozeanen in vollen Zügen ausleben und integrierte sie ins Worldbuilding. Sogar Erinnerungen an Titanic werden in einer längeren Sequenz wach, in der Charaktere versuchen, von einem sinkenden Schiff zu entkommen. Die Motion-Capture-Aufnahmen haben einen großen Qualitätssprung seit dem ersten Film gemacht und können jede Emotion der Na’vi-Darsteller perfekt einfangen. Ganz besonderes Lob geht dabei an die fabelhafte Zoe Saldaña mit einer mal wütenden, mal verzweifelten, mal kämpferischen Performance als Muttertier und taffe Kriegerin. Überhaupt ist es bemerkenswert, wie nahtlos die menschlichen Schauspieler mit CGI-Kreaturen interagieren, sodass man irgendwann tatsächlich vergisst, dass man in vielen Szenen im Prinzip nichts Anderes als einen Animationsfilm sieht.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 4Wer jedoch gehofft hat, dass Cameron und sein Autorenteam sich in der langen Zeit seit dem ersten Film eine originellere Handlung überlegt haben, wird ebenfalls eines Besseren belehrt. Es bleibt denkbar simpel. Tatsächlich wiederholt sich der Plot des Vorgängers sogar über weite Strecken. Die bösen Menschen beuten weiter Pandoras Ressourcen ohne Rücksicht auf Verluste aus, bloß handelt es sich diesmal um die kostbare, lebensverlängernde Hirnflüssigkeit hochintelligenter Walwesen. Stephen Langs Quaritch ist immer noch ein weitgehend eindimensionaler Bösewicht, der zwar um eine durchaus interessante Facette erweitert wird, die ihn jedoch nicht wesentlich verändert. Zudem vermisst man leider auch die charismatische Ausstrahlung seiner menschlichen Ausgabe. Derweil müssen sich Jake und seine Familie das Waldvolk an die Lebensweise der Metkayina gewöhnen, was im Prinzip Jakes erste Begegnungen mit den Na’vi widerspiegelt, einschließlich eines neuen Baumes der Seelen – nur diesmal unter Wasser – und der obligatorischen Zähmung fliegender (aber diesmal auch untertauchender!) Tierwesen. Also frei nach dem Motto, repariere nicht, was nicht kaputt ist.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 5Die neu hinzugekommene Familiendynamik der Sullys bewegt sich in ihrer Oberflächlichkeit leider irgendwo zwischen Seifenoper und familiären Verwicklungen à la Star Wars. Wir haben den braven ältesten Sohn, der seinen Verpflichtungen nachkommen und seinen Vater stolz machen will, die spirituelle Adoptivtochter mit einer geheimnisvollen Gabe, den rebellischen jüngeren Außenseiter-Sohn, der seinen Vater am laufenden Band enttäuscht, die kleine Tochter, die im Prinzip nur da ist, um süß zu sein und den Menschenjungen mit Identitäts- und Treuekonflikten. Die Figuren sind Abziehbilder mehr denn tatsächliche, ausgearbeitete Charaktere und man wünscht sich, dass Cameron vielleicht etwas mehr Zeit in sie investiert hätte.

Vergleichbare Kritik konnte man natürlich auch am ersten Film üben, dessen opulente Optik und berauschende Welt die Drehbuch-Mankos erfolgreich überdeckte. Trotz der technologischen Fortschritte hat Avatar: The Way of Water einfach nicht mehr den gleichen Wow-Effekt wie der Erstling vor 13 Jahren, sodass die inhaltlichen Schwächen diesmal deutlicher ins Gewicht fallen.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild Nichtsdestotrotz erfüllen die Charaktere und die Handlung ihren Zweck. Letztlich war Cameron nie für ausgeklügelte Plots oder hochkomplexe Charaktere bekannt, dafür aber für mitreißende Action, bahnbrechende Effekte und hochemotionale Geschichten und von all dem wird hier jede Menge geboten, insbesondere im atemlosen dritten Akt, bei dem jegliche vorige Bedenken endgültig vergessen werden und man einfach wieder mit Jake und seiner Familie mitfiebert, ihre Erfolge feiert und auch mal eine Träne verdrückt. Seine epische Laufzeit von 193 verdient sich der Film mit einem durchweg flotten Tempo und einem fortwährenden Bilderrausch und das können nicht viele überlange Blockbuster (siehe Black Panther: Wakanda Forever) von sich behaupten. Ob es diesmal für sieben Kinobesuche bei mir reichen wird, wage ich zu bezweifeln, doch es wird definitiv nicht mein einziger Trip nach Pandora diesen Winter bleiben.

Fazit

Mit Avatar: The Way of Water kehrt James Cameron nach 13 Jahren mit voller Bilderwucht in die berauschende Welt von Pandora zurück und zeigt, was mit modernster 3D- und CGI-Technologie im Kino möglich ist – und was eben nicht, nämlich eine recht banale Geschichte und dünn ausgearbeitete Charaktere zu kaschieren. Ohne den Wow-Effekt, den der Neuheitswert des ersten Films hatte, fallen die Drehbuchschwächen diesmal mehr ins Gewicht, doch trotz seiner mehr als dreistündigen Laufzeit ist The Way of Water nie langweilig und in seinen besten Momenten fesselnd, mitreißend und emotional. Dass er dennoch zu den schwächeren Filmen in Camerons Resümee zählt, zeigt eigentlich nur, wie hoch die Messlatte beim Blockbuster-Visionär liegt.

Trailer

Terrifier 2 (2022) Kritik

0
Terrifier 2 (2022) Filmkritik

Terrifier 2, USA 2022 • 138 Min • Regie & Drehbuch: Damien Leone • Mit: David Howard Thornton, Lauren LaVera, Elliott Fullam, Sarah Voigt, Kailey Hyman, Casey Hartnett, Amelie McLain, Samantha Scaffidi • Kamera: George Steuber • Musik: Paul Wiley • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Tiberius Film • Kinostart: 08.12.2022 • Deutsche Website

Damien Leones „Terrifier 2“ hat mit rund einer Viertelmillion Dollar Crowdfunding-Budget inzwischen über zehn Millionen Dollar an den Kinokassen eingespielt. Von der US-Freigabebehörde MPA ungeprüft und trotz beinharter Gewaltspitzen ungekürzt, hat es das Werk während der Halloween-Zeit in immer mehr Kinos des Landes geschafft und sich zu einem regelrechten Phänomen entwickelt. Mit obendrein 138 Minuten Laufzeit wohlgemerkt – der längste mir bekannte Slasherfilm, der bisher kommerziell ausgewertet wurde.

Terrifier 2 (2022) Filmbild 1

Sein Name ist Art, Art the Clown. Art könnte ein Vorname sein, doch in diesem Fall ist es wohl eher die Kurzform für Artist – also Künstler. Dieser Künstler trägt seine blutverschmierten Werkzeuge stets in einem Müllsack mit sich und sein Rohmaterial sind all jene Charaktere, die ihm nicht ins Bild passen. Im ersten „Terrifier“ von 2016 (der gleichnamige Kurzfilm sowie dessen Einbindung in die Anthologie „All Hallows' Eve“ außen vor gelassen) hat sich der Antagonist zum Schluss zwar in die ewigen Jagdgründe gepustet, doch lässt sich die Kunst eben nicht so einfach vom Feld weisen: Dank einer wachsenden Fangemeinde und deren finanzieller Unterstützung darf der Killerclown wieder zum Leben erwachen und seine Arbeit im Sequel fortführen. Und diesmal ist er nicht allein. Ein blasses Geistermädchen (Amelie McLain) mit einigen dämonischen Tricks und schlimmem Spritzpups steht ihm bei den neuen Schandtaten zur Seite.

Ein Kritikpunkt am ersten Teil ist immer gewesen, dass hier einfach old-schoolig Splatter an Splatter gereiht wurde, ohne das Ganze in eine echte Handlung mit ausgearbeiteten Protagonisten zu betten. Dies könnte man ehrlich gesagt sehr vielen alten und neuen Slasherbeiträgen vorwerfen, doch hat sich Autor/Regisseur Leone die Mängel für „Terrifier 2“ offensichtlich zu Herzen genommen, weshalb mit der Hauptfigur Sienna (Lauren LaVera) und ihrem jüngeren Bruder Jonathan (Little Punk Peoples Elliott Fullam) zwei durchaus sympathische Charaktere um ihr Leben kämpfen müssen.

Sienna ist so etwas wie die weniger verklemmte Laurie Strode, die sich nach dem Tod des Vaters zunehmend Sorgen um Jonathans Verhalten macht. Während sie in ihrer Freizeit an der Gestaltung eines aufwändigen Cosplay-Kostüms für Halloween arbeitet, verliert er sich in Recherchen über Serienkiller. Kein langer Weg also, bis Jonathan auf Arts Taten vom Vorjahr stößt und das Thema am Küchentisch ausbreitet. Einige brutale Morde und mysteriöse Albträume mit übernatürlichen Nachwirkungen später, sieht sich das Geschwisterpaar auf einem verlassenen Jahrmarkt ihrem scheinbar vorbestimmten Gegner in der womöglich finalen Schlacht gegenüber …

Terrifier 2 (2022) Filmbild 2

Im Zentrum von „Terrifier 2“ steht selbstverständlich der bereits erwähnte, pantomimisch begabte Unhold. In dessen stumme Rolle ist erneut David Howard Thornton geschlüpft, der sich mit seinem charismatischen Spiel so langsam einen Platz neben den großen Brüdern Freddy, Michael und Jason sichern könnte. Mit einer kranken Mischung aus schwarzem Humor und drastischer Brutalität wartet Art seinen Opfern auf und nimmt sich mit seinen Taten so ausführlich Zeit, dass der morbide Spaß ab einem gewissen Punkt selbst Unbehagen bei eingefleischten Gore-Fans hervorruft. Dieser Splatter hat eine altmodische und physische Qualität, weshalb das bewusst überzogene Verstümmeln von Körpern gelegentlich an die eigene Schmerzgrenze stößt. Das Auge, welches schon in den 80er-Werken Lucio Fulcis grausigste Zerstörungen erfahren musste, ist auch ein Organ, an dem sich Art gern abarbeitet. Die einzige Möglichkeit, das eigene Sehorgan vor den übertragenen Gräueltaten zu schützen, ist die Augen vor dem bewusst provokanten Film zu verschließen.

Wie der Deutsche Jörg Buttgereit mit seinem Skandal-Werk „Nekromantik“, hält auch Damien Leone mit seinem Indie-Projekt den Zensoren und Studiobossen gleichermaßen den Stinkefinger hin. Der Erfolg gibt ihm letztlich Recht, wenn trotz fehlender professioneller Marketingkampagne immer mehr Leute in die Kinos stürmen um herauszufinden, was hinter diesem Schmuddelwerk steckt. Selbst Autoren-Legende Stephen King und der renommierte britische Kritiker Mark Kermode sind nicht um die Sichtung herumgekommen und fanden letztlich warme Worte für den modernen Exploitation-Hit.

Terrifier 2 (2022) Filmbild 3

Auch wenn die Story an einigen Ecken gestrafft werden und man den Film auf eine Laufzeit von unter zwei Stunden hätte bringen können, hat mich der epische Umfang nie wirklich gestört. „Terrifier 2“ bewegt sich in seinem eigenen Rhythmus und lässt sich zwischen den expliziten Blutbädern ausreichend Zeit, auch Lauren LaVera und Elliott Fullam mit ihren natürlichen Performances glänzen zu lassen. Der Plot bewegt sich freilich irgendwo zwischen den Stalkerszenen aus John Carpenters „Halloween“, den surrealen Traumwelten aus Wes Cravens „A Nightmare on Elm Street“ und den erbarmungslosen Kills aus „Freitag der 13. – Das letzte Kapitel“ mit Jonathan im Tommy Jarvis-Modus. Den Fantasy-Touch mit der magischen Vorbestimmung hätte ich dagegen nicht gebraucht, aber nun gut. Es gibt in Anbetracht des Mini-Budgets beachtliche Sets, handgemachten Gore galore und der in der Post-Produktion entwickelte Grindhouse-Look kaschiert souverän den Dreh ohne teuerstes Studio-Equipment. „Camp des Grauens“-Star Felissa Rose ist in einem Miniauftritt übrigens ebenso zu sehen wie Wrestler Chris Jericho während einer Mid-Credits-Szene – also schön brav sitzen bleiben!

Leones Film ist in vielen Belangen David Gordon Greens missratener „Halloween“-Trilogie eine Nase voraus – vor allem darin, sich nicht in eh irrelevanten Subplots zu verlieren. Man kann und darf „Terrifier 2“ hassen, ihn als Schund abtun und kleinreden. Ignorieren lässt sich Art the Clown nach dieser Leistung zumindest nicht mehr und ein dritter Teil ist nur noch eine Frage der Zeit. In gewisser Weise ist das Werk, äquivalent zur Tomatensuppe oder dem Kartoffelbrei auf Gemälden, der rebellische und provozierende Lichtstrahl auf Leinwände, die ansonsten von halbherzigen Blockbustern oder schmalzigen Familiendramen besetzt würden. Ein kleiner Befreiungsschlag, bei dem hier nicht das Klima, sondern die DIY-Mentalität und das Indie-Kino in den Fokus gerückt werden sollen.

Terrifier 2 (2022) Filmbild 4

Damit steht Art in gewisser Weise sogar für Arthouse.


Trailer

5 essenzielle Kannibalenfilme für den romantischen Filmabend

1
Beste Kannibalenfilme

Timothée Chalamet blutverschmiert nach einer Mahlzeit in Bones and All © 2022 Warner Bros. Pictures

Passend zum Kinostart von Luca Guadagninos Bones and All (von mir mit 5 Sternen in meiner Kritik ausgezeichnet) wollen wir Euch mit einem kleinen Special beglücken, das einen Blick auf fünf essenzielle (in den Augen des Autoren) Kannibalenfilme werfen wird. Neben Nekrophilie zählt der Verzehr von Menschenfleisch zu den größten Tabus unserer Gesellschaft und damit auch des Genre-Kinos.

Das schon vorweg: Auch Titel auf dieser Liste werden teils kontrovers und hitzig aufgrund ihres Inhalts und/oder Entstehung diskutiert. Obwohl es zumindest auch ein Hollywood-Klassiker unter die Top 5 geschafft hat, sind vor allem Grindhouse-Werke und auch Arthouse-Vertreter hier aufzufinden.

Kurz zur Auswahl und warum es einige Filme nicht geschafft haben: Zunächst ist selbstverständlich erneut der persönliche Geschmack des Autoren zu nennen. So ist beispielsweise S. Craig Zahlers relativ neuer und unter Fans sehr beliebter Horror-Western Bone Tomahawk ebensowenig vertreten wie die auf Festivals gefeierte schwarze Komödie Fresh oder Julia Ducournaus beeindruckendes Spielfilmdebüt Raw. Letzteres hätte es fast geschafft und ich habe beim letzten Platz mit mir ringen müssen, wie auch um Antonia Birds unterschätzten und nicht gelisteten Ravenous! Der Elefant im Raum mag sein, warum Jonathan Demmes Meisterwerk Das Schweigen der Lämmer fehlt, obwohl darin doch der menschenfressende Psychiater Hannibal Lecter eine große Rolle spielt – ganz einfach: Das Thema Kannibalismus soll in den vertretenen Filmen im Fokus stehen, bzw. der/die Haupt-Antagonist/in/en sollen dieser Neigung zentral nachgehen. Demzufolge bleibt Das Schweigen der Lämmer immer noch vor allem die Jagd auf den Frauenmörder Buffalo Bill trotz kurzem Hannibal-Dinner.

Bevor es losgeht, möchte ich Leseratten noch zwei neuere Genre-Bücher zu dem Thema ans Herz legen, die es mir zuletzt angetan haben: "The Hunger", Alma Katsus packende fiktive Aufarbeitung der Donner Party, und das ultra-explizite, gesellschaftskritische "Tender is the Flesh" (deutscher Titel: "Wie die Schweine") von der Argentinierin Agustina Bazterrica. Selbstverständlich muss ich für beide Romane vorab eine Trigger-Warnung an sanfte Gemüter aussprechen!

Jetzt aber buchstäblich ran ans Eingemachte:

5. Hotel zur Hölle (Motel Hell)

Beste Kannibalenfilme Hotel zur Hölle"It takes all kinds of critters to make Farmer Vincent’s fritters" – Wer hat behauptet, dass diese Liste komplett bierernst werden muss? Kevin Connors humorvoller Motel Hell von 1980 mag vielleicht nicht jedem etwas sagen, doch der Film gehört zweifellos zu den gutmütigsten Vertretern des Grindhouse-Kinos. Selbst der verstorbene US-Kritiker Roger Ebert hat trotz seiner Aversion gegenüber Slashern seinerzeit warme Worte für die Geschichte eines Farmer-Geschwisterpaares übergehabt, das Reisende entführt, um sie zu ihren regional berühmten Delikatessen zu verarbeiten. Yummy! Und der Kampf gegen einen Gegner mit Kettensäge und Schweinsmaske ist legendär.

4. Wir sind was wir sind (Somos lo que hay)

Beste Kannibalenfilme Wir sind was wir sindMit Jorge Michel Graus mexikanischem Vertreter kommt etwas Arthouse-Sensibilität ins Spiel. Nach dem Tod ihres Vaters muss sich eine in Armut lebende Kannibalen-Familie neu sortieren und zunächst herausfinden, wer von den beiden Söhnen nun buchstäblich das Essen auf den Tisch schaffen soll. Während der ältere Alfredo eher ruhiger Natur ist, entwickelt sich der jüngere Julian schnell zum gewalttätigen Hitzkopf. Seitdem ich den Film erstmals auf dem Fantasy Filmfest gesehen habe, ist er über die Jahre bei mir hängengeblieben und hat sich im Kopf festgebrannt. Denn natürlich ist er oberflächlich betrachtet blutiger Horror, doch steckt darunter vor allem der verzweifelte Versuch von Individuen, gegen ihre Determination anzukämpfen und der Rolle im Patriarchat zu entfliehen. Das etwas andere US-Remake von 2013 ist übrigens auch nicht übel.

3. Soylent Green

Beste Kannibalenfilme Soylent GreenHier nun der versprochene Klassiker, dessen Vorhandensein auf der Liste eigentlich einen Spoiler darstellt – nur können wir eben nicht auf jeden Rücksicht nehmen, der Richard Fleischers Schock-Dystopie seit 1973 verschlafen hat. Wie es aktueller kaum sein könnte, kommt in dem 2022 (!) angesiedelten Werk Charlton Heston als NYC-Detektiv bei einer Mordermittlung etwas Großem auf die Spur. In dieser Story ist die Welt bereits mehr von der globalen Erwärmung und Überpopulation gebeutelt als wir es heute sind. Eine Lösung, den Menschen genügend Nahrung bereitzustellen, besteht in der Herstellung einer mysteriösen Waffel namens Soylent Green. Nun, woraus könnte Soylent Green wohl bestehen, wenn es zu viele Menschen und zu wenig natürliche Lebensmittel gibt? Richard Fleischer spart sich die zynische wie raffinierte Antwort für den bitterbösen Klimax auf.

2. Blutgericht in Texas (The Texas Chain Saw Massacre)

Beste Kannibalenfilme Blutgericht in TexasEin weiterer Grindhouse-Vertreter, der im Laufe der Zeit zum Genre-Meilenstein gereift ist, folgt auf Platz 2 mit Tobe Hoopers phänomenalem Terror-Original von 1974. Gerne dem Slasherfilm zugeordnet, fallen das Kettensägenmassaker und sein ikonisches Aushängeschild Leatherface doch ziemlich aus dem Rahmen, wenn man es mit den Werken rund um Freddy, Jason oder Michael vergleicht. Die Schaudermär von einer psychotischen Sippe, welche im texanischen Hinterland Durchreisende zu Blutwurst verarbeitet, ist so dreckig, hysterisch, roh und unangenehm, dass die Erstsichtung zu einem echten Erlebnis wird. Das Finale mit einer kreischenden Marilyn Burns, die vom scheintoten Opa mit einem Schlachterhammer gequält wird, wird man nie vergessen. Entstanden ist das Werk während der Gegenbewegung zum Vietnamkrieg und implizit kann man den Konflikt der progressiven Jugend mit dem barbarischen Angriff der USA in dem Überlebenskampf der Protagonisten gegen die, nun, arg konservative Südstaaten-Familie herauslesen. Fun Fact: Dies war ein Lieblingsfilm von 2001-Meisterregisseur Stanley Kubrick!

1. Nackt und zerfleischt (Cannibal Holocaust)

Beste Kannibalenfilme Cannibal HolocaustJetzt kommt der Moment, an welchem ich mich sicherlich bei einigen Lesern komplett diskreditiere. Ja, Ruggero Deodatos berüchtigter Cannibal Holocaust gehört nicht ohne Grund zu den kontroversesten Filmen überhaupt. Als ich die VHS zum ersten Mal in die Finger bekam, ist mir von Tiersnuff-Szenen im Vorfeld nichts bekannt gewesen (es war die Prä-Internet-Zeit!) und mir kam an den betreffenden Stellen ohne Übertreibung das Essen hoch! Um das klarzustellen: Echte Gewalt für die Produktion eines Films lässt sich durch nichts rechtfertigen und solche Taten sind zur Zeit der Entstehung von Cannibal Holocaust keine Seltenheit gewesen – der Fehler ist nun schlichtweg gemacht. Selbst Deodato schämt sich inzwischen für die damaligen Entscheidungen, weshalb er nun eine Tiersnuff-freie Version für die neuen Auswertungen angefertigt hat. Diese hat es selbstverständlich weiter in sich, nämlich dann, wenn es um die Thematik dieses Artikel geht.

Inhaltlich geht es um einen Professor, der am Amazonas das Filmmaterial einer verschwundenen Doku-Crew auffinden soll und während seiner erfolgreichen Mission sowohl Kontakt mit einem Kannibalenstamm knüpfen als auch die Filmrollen aus den verzehrten Überresten der Schöpfer reißen kann. Was er bei der Sichtung des Materials im Sender miterleben muss, lässt bei ihm – und uns – am Ende des Werkes die Frage aufkommen, wer hier die wahren Wilden sind. Cannibal Holocaust zählt bekanntermaßen auch zu den Pionieren im Found-Footage-Subgenre, welches in der zweiten Hälfte extrem effektiv genutzt wird um uns hautnah auf körnigsten 16mm-Bildern unvorstellbare Gräueltaten vor Augen zu führen. Mit seiner Botschaft zur non-existenten Ethik in der Sensationspresse und der Gier von kapitalistischen Konzernen (hier in Gestalt des TV-Senders) schleicht sich Deodato nicht sanft an – er schüttelt uns, wirft uns zu Boden und tritt nach. Ein starker Film, den man aber nicht ohne Vorbehalt empfehlen kann.

Fun Fact: Nach Erstveröffentlichung hat man den Regisseur wegen Mordes vor Gericht gestellt, da ihm nicht geglaubt worden ist, dass die Kannibalismus-Szenen gestellt sind. Zum Glück konnte er sich auf die Aussagen seiner Darsteller verlassen …

So viel an dieser Stelle!

Wie ist es bei Euch – könnt Ihr etwas mit dem Kannibalenkino anfangen? Wenn ja, mit welchen Filmen?

Film- und Serien-News