Avatar: The Way of Water (2022) Filmkritik

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Avatar The Way of Water (2022) Filmkritik

Avatar: The Way of Water, USA 2022 • 193 Min • Regie: James Cameron • Mit: Sam Worthington, Zoe Saldaña, Stephen Lang, Sigourney Weaver, Jamie Flatters, Britain Dalton, Jack Champion, Edie Falco, Kate Winslet, Cliff Curtis • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 14.12.2022 • Website

Handlung

Rund 15 Jahre sind vergangen, seit die Na’vi unter der Führung des Überläufers Jake Sully (Sam Worthington) die ausbeuterischen Menschen von Pandora vertrieben haben. Jake und Neytiri (Zoe Saldaña) haben inzwischen drei leibliche Kinder – die Teenager Neteyam (Jamie Flatters) und Lo’ak (Britain Dalton) sowie die kleine Tuktirey (Trinity Jo-Li Bliss). Außerdem haben sie die Na’vi-Jugendliche Kiri (Sigourney Weaver), die mysteriöserweise vom Avatar der verstorbenen Wissenschaftlerin Grace Augustine (ebenfalls Weaver) geboren wurde, und den Menschenjungen Miles "Spider" Socorro (Jack Champion), der nach dem Tod seines Vaters im Krieg gegen die Na’vi bei der Evakuierung von Pandora zurückbleiben musste, weil er als Kleinkind nicht in den Kälteschlaf versetzt werden konnte, adoptiert.

Doch Jakes und Neytiris Familienidyll hat ein jähes Ende, als die Menschen eines Tages mit einer großen Armada und neusten Waffen nach Pandora zurückkehren. Mit Guerrilla-Taktiken und Sabotage gehen Jake und sein Omaticaya-Clan effektiv gegen die Eindringlinge vor, doch diese lassen sich diesmal nicht abschrecken. Es geht nicht mehr nur um die Ausbeutung der Naturschätze des Planeten, sondern ums nackte Überleben, denn die Erde stirbt und die Menschheit braucht eine neue Heimat. Dafür müssen erst die Einheimischen aus dem Weg geräumt bzw. in den Worten der neuen RDA-Generälin Frances Ardmore (Edie Falco) "besänftigt" werden. Dazu bringt sie eine Geheimwaffe ins Spiel, die sogenannten Recombinants: verstorbene Soldaten, deren Erinnerungen und Persönlichkeit in künstlich gezüchtete Na’vi-Avatare eingespeist wurden. Sie haben den Auftrag, Jake Sully zu finden und zu töten, in der Hoffnung, so den Widerstand der Na’vi zu brechen. Angeführt werden die Recombinants vom wiedergeborenen Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang). Nach einem brutalen Angriff von Quaritchs Recombinant-Truppe sieht sich Jake gezwungen, zusammen mit seiner Familie aus den Wäldern Pandoras zu fliehen und beim Ozean-Stamm der Metkayina sicheres Versteck zu suchen, wo sie sich zunächst einmal in den neuen Lebensstil eingewöhnen müssen. Doch das Unheil folgt ihnen und der von Rachegelüsten getriebene Quaritch setzt alles daran, Jake und Neytiri ausfindig zu machen.

Kritik

Vor 13 Jahren hat James Cameron seinen Status als der König der Welt oder zumindest der Kinokassen zementiert und die Zuschauer auf eine audiovisuell atemberaubende Reise in eine fremdartige, faszinierende Welt mitgenommen. Niemand würde Avatar – Aufbruch nach Pandora eine komplexe Geschichte oder vielschichtige Charaktere vorwerfen. Böse Zungen könnten gar behaupten, dass Cameron einfach die Handlung von White-Savior-Filmen wie Der mit dem Wolf tanzt und Pocahontas umgeschrieben und mit einem Schuss FernGully versetzt hat. Doch es gab einen Grund, weshalb Avatar nach zwölf Jahren Camerons Titanic als umsatzstärksten Film aller Zeiten ablösen konnte und auch in Deutschland zum bislang letzten Film mit mehr als 10 Millionen Kinobesuchern wurde. Natürlich haben die bahnbrechenden Effekte und der durch den Film eingeläutete 3D-Hype massiv zum Erfolg beigetragen, doch sie alleine erklären nicht, wie Avatar den Nerv der Zuschauermassen so zielsicher treffen konnte.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 1Cameron griff auf bewährte Motive zurück. Die Grenzen zwischen Gut und Böse waren klar abgesteckt. Unterdrückte naturliebende Underdogs verteidigen ihr Land gegen skrupellose, seelenlose und gut bewaffnete Ausbeuter. Mittendrin ist eine "Romeo und Julia"-Liebesgeschichte und ein durch und durch fieser Schurke. Es ist ein simples Konzept, doch es funktioniert. Avatar war kein weiteres Sequel, Prequel, Reboot oder eine Comicverfilmung und dennoch war er vertraut. Die Zuschauer hatten das Gefühl, in eine ganz neue Welt einzutauchen, ohne dabei aber besonders herausgefordert zu werden. Camerons größter Geniestreich war dabei jedoch, dass der Film das Publikum dazu gebracht hat, mit den häufig als Invasoren im Kino dargestellten Aliens in ihrem Kampf gegen die Menschen mitzufiebern. Auch mich hat Avatar in seinen Bann gezogen, sodass ich ihn bis heute siebenmal im Kino gesehen habe.

Der Film kein reiner Glücksgriff war, war Cameron natürlich bewusst, weshalb er es nicht eilig hatte, eine Fortsetzung nachzuschieben, bis er sich sicher sein konnte, ein vergleichbares Erfolgsrezept gefunden zu haben. Doch diesmal dachte Cameron in die Zukunft und konzipierte seine Avatar-Fortsetzungen als Saga, die, wenn alles nach Plan läuft, mindestens vier weitere Filme umspannen soll. Die 13-jährige Wartezeit auf Teil 2 soll ab jetzt durch regelmäßige Sequels im zwei-Jahres-Rhythmus belohnt werden. Die Voraussetzung für die Verwirklichung von Camerons ambitionierten Plan ist jedoch, dass Avatar: The Way of Water ähnlichen Anklang findet wie sein Vorgänger. Doch ist es heutzutage überhaupt möglich, das CGI-abgestumpfte, des 3D überdrüssige Publikum noch so vom Hocker zu hauen wie vor 13 Jahren?

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 2Die Antwort darauf ist ein entschiedenes jein. Mit Avatar: The Way of Water feuert James Cameron an der Bild- und Ton-Front aus allen Rohren und sorgt dafür, dass die Kinogänger für jeden Cent ihrer teuren Kinotickets auch wirklich etwas geboten bekommen, das sie so zu Hause nicht erleben können. Wie bereits Top Gun: Maverick dieses Jahr, erinnert The Way of Water daran, was große Kinospektakel sind. Groß und noch größer ist hier das Motto und nach Jahren mittelmäßiger 3D-Präsentationen zeigt Cameron uns wieder, welchen Mehrwert die Technologie bieten kann, wenn jemand mit Ahnung davon im Regiestuhl sitzt und den Film entsprechend konzipiert. Camerons Entscheidung für die HFR(High Frame Rate)-Technologie, also die hohe Bildrate, die Peter Jackson bereits bei seinen Hobbit-Filmen und zuletzt Ang Lee bei Gemini Man eingesetzt haben, bleibt ein zweischneidiges Schwert. Zwar ist es erwartungsgemäß der beste HFR-Einsatz, den wir bislang erleben durften und lässt das 3D sehr organisch wirken und die Zuschauer in die üppigen Welten von Pandoras Ozeanen eintauchen. Andererseits wirkt die durch HFR erzeugte Fernseh-Optik besonders in den Szenen mit Menschen leider ablenkend. Ich bin sicher, dass Cameron das meiste aus der Technik herausgeholt hat, doch vielleicht ist es einfach Zeit, den HFR-Versuch aufzugeben.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 3Davon abgesehen gibt es visuell an Avatar: The Way of Water nichts auszusetzen. Cameron konnte diesmal seine Liebe zum Meer und den Ozeanen in vollen Zügen ausleben und integrierte sie ins Worldbuilding. Sogar Erinnerungen an Titanic werden in einer längeren Sequenz wach, in der Charaktere versuchen, von einem sinkenden Schiff zu entkommen. Die Motion-Capture-Aufnahmen haben einen großen Qualitätssprung seit dem ersten Film gemacht und können jede Emotion der Na’vi-Darsteller perfekt einfangen. Ganz besonderes Lob geht dabei an die fabelhafte Zoe Saldaña mit einer mal wütenden, mal verzweifelten, mal kämpferischen Performance als Muttertier und taffe Kriegerin. Überhaupt ist es bemerkenswert, wie nahtlos die menschlichen Schauspieler mit CGI-Kreaturen interagieren, sodass man irgendwann tatsächlich vergisst, dass man in vielen Szenen im Prinzip nichts Anderes als einen Animationsfilm sieht.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 4Wer jedoch gehofft hat, dass Cameron und sein Autorenteam sich in der langen Zeit seit dem ersten Film eine originellere Handlung überlegt haben, wird ebenfalls eines Besseren belehrt. Es bleibt denkbar simpel. Tatsächlich wiederholt sich der Plot des Vorgängers sogar über weite Strecken. Die bösen Menschen beuten weiter Pandoras Ressourcen ohne Rücksicht auf Verluste aus, bloß handelt es sich diesmal um die kostbare, lebensverlängernde Hirnflüssigkeit hochintelligenter Walwesen. Stephen Langs Quaritch ist immer noch ein weitgehend eindimensionaler Bösewicht, der zwar um eine durchaus interessante Facette erweitert wird, die ihn jedoch nicht wesentlich verändert. Zudem vermisst man leider auch die charismatische Ausstrahlung seiner menschlichen Ausgabe. Derweil müssen sich Jake und seine Familie das Waldvolk an die Lebensweise der Metkayina gewöhnen, was im Prinzip Jakes erste Begegnungen mit den Na’vi widerspiegelt, einschließlich eines neuen Baumes der Seelen – nur diesmal unter Wasser – und der obligatorischen Zähmung fliegender (aber diesmal auch untertauchender!) Tierwesen. Also frei nach dem Motto, repariere nicht, was nicht kaputt ist.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild 5Die neu hinzugekommene Familiendynamik der Sullys bewegt sich in ihrer Oberflächlichkeit leider irgendwo zwischen Seifenoper und familiären Verwicklungen à la Star Wars. Wir haben den braven ältesten Sohn, der seinen Verpflichtungen nachkommen und seinen Vater stolz machen will, die spirituelle Adoptivtochter mit einer geheimnisvollen Gabe, den rebellischen jüngeren Außenseiter-Sohn, der seinen Vater am laufenden Band enttäuscht, die kleine Tochter, die im Prinzip nur da ist, um süß zu sein und den Menschenjungen mit Identitäts- und Treuekonflikten. Die Figuren sind Abziehbilder mehr denn tatsächliche, ausgearbeitete Charaktere und man wünscht sich, dass Cameron vielleicht etwas mehr Zeit in sie investiert hätte.

Vergleichbare Kritik konnte man natürlich auch am ersten Film üben, dessen opulente Optik und berauschende Welt die Drehbuch-Mankos erfolgreich überdeckte. Trotz der technologischen Fortschritte hat Avatar: The Way of Water einfach nicht mehr den gleichen Wow-Effekt wie der Erstling vor 13 Jahren, sodass die inhaltlichen Schwächen diesmal deutlicher ins Gewicht fallen.

Avatar The Way of Water (2022) Filmbild Nichtsdestotrotz erfüllen die Charaktere und die Handlung ihren Zweck. Letztlich war Cameron nie für ausgeklügelte Plots oder hochkomplexe Charaktere bekannt, dafür aber für mitreißende Action, bahnbrechende Effekte und hochemotionale Geschichten und von all dem wird hier jede Menge geboten, insbesondere im atemlosen dritten Akt, bei dem jegliche vorige Bedenken endgültig vergessen werden und man einfach wieder mit Jake und seiner Familie mitfiebert, ihre Erfolge feiert und auch mal eine Träne verdrückt. Seine epische Laufzeit von 193 verdient sich der Film mit einem durchweg flotten Tempo und einem fortwährenden Bilderrausch und das können nicht viele überlange Blockbuster (siehe Black Panther: Wakanda Forever) von sich behaupten. Ob es diesmal für sieben Kinobesuche bei mir reichen wird, wage ich zu bezweifeln, doch es wird definitiv nicht mein einziger Trip nach Pandora diesen Winter bleiben.

Fazit

Mit Avatar: The Way of Water kehrt James Cameron nach 13 Jahren mit voller Bilderwucht in die berauschende Welt von Pandora zurück und zeigt, was mit modernster 3D- und CGI-Technologie im Kino möglich ist – und was eben nicht, nämlich eine recht banale Geschichte und dünn ausgearbeitete Charaktere zu kaschieren. Ohne den Wow-Effekt, den der Neuheitswert des ersten Films hatte, fallen die Drehbuchschwächen diesmal mehr ins Gewicht, doch trotz seiner mehr als dreistündigen Laufzeit ist The Way of Water nie langweilig und in seinen besten Momenten fesselnd, mitreißend und emotional. Dass er dennoch zu den schwächeren Filmen in Camerons Resümee zählt, zeigt eigentlich nur, wie hoch die Messlatte beim Blockbuster-Visionär liegt.

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