Knock at the Cabin (2023) Kritik

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Knock at the Cabin (2023) Filmkritik

Knock at the Cabin, USA 2023 • 100 Min • Regie: M. Night Shyamalan • Drehbuch: M. Night Shyamalan, Steve Desmond, Michael Sherman • Mit: Dave Bautista, Jonathan Groff, Ben Aldridge, Kristen Cui, Rupert Grint, Nikki Amuka-Bird, Abby Quinn • Kamera: Jarin Blaschke, Lowell A. Meyer • Musik: Herdís Stefánsdóttir • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 09.02.2023 • Deutsche Website

M. Night Shyamalan ist ein bemerkenswerter Regisseur. Früh wurde er mit seinem Geisterdrama „The Sixth Sense“ als neuer Spielberg in den Himmel gehoben. Im Anschluss feierte er weiterhin gigantische Erfolge an den Kinokassen, auch wenn die Rezeption seiner Folgewerke zunehmend kritischer ausgefallen ist. Unerbittlichen Spott und Häme musste er seit dem teuren B-Movie „The Happening“ über sich ergehen lassen. Zusätzlich bekam er mit „Shamalamadingdong“ persönlich einen rassistisch geprägten Spitznamen aufgedrückt. Trotz dieser sicher nicht immer angenehmen Hollywood-Achterbahnfahrt ist er noch immer als gefragter Studio-Filmemacher im Rennen. Und individuelle Qualitäten bringt er mit. Oft sind seine Arbeiten mit einem nicht zu leugnenden Gespür für Timing ausgestattet. Die Spannung steigt hinter langen Close-Ups von Blicken und unter schließlich zögerlich gesprochenen Worten. Und dann wäre da natürlich noch das Klischee mit dem Twist, das Shyamalan seit seinen ersten Hits anhaftet.

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Mit seinem neuen Film „Knock at the Cabin“ wagt er sich jetzt an seine erste Romanadaption. Das 2018 mit dem Bram-Stoker-Award ausgezeichnete Buch „The Cabin at the End of the World“ (deutscher Titel: „Das Haus am Ende der Welt“) von Paul Tremblay gehört zu den populärsten Vertretern der aktuellen Genre-Literatur, weshalb eine entsprechende Umsetzung nur eine Frage der Zeit gewesen ist. Rein inszenatorisch könnte der mysteriöse Mix aus Home-Invasion-Thriller und apokalyptischem Horror tatsächlich die bislang intensivste Arbeit Shyamalans darstellen. Gleich der Auftakt ist eine kleine Meisterleistung an stiller Bedrohung, die sich schnell zu purem Terror steigert. Durch die großartige Kamera von Oscar-Nominee Jarin Blaschke („The Witch“, „Der Leuchtturm“) und Lowell A. Meyer ist man als Zuschauer buchstäblich mitten im Geschehen, wenn über die im Zentrum stehende Kleinfamilie der Schrecken hereinbricht. Schauspielerisch gibt es keine Aussetzer zu vermelden und als Kenner der Vorlage kann man sich mit dem Casting der Charaktere mehr als zufrieden geben. Und dennoch: „Knock at the Cabin“ ist der erste Shyamalan-Film, der mich ernsthaft frustriert und traurig bis wütend gemacht hat. Das Problem liegt dabei keinesfalls im Handwerk, es ist einzig und allein beim Regisseur und Co-Autor zu suchen, der das letzte Drittel der zutiefst humanistischen Geschichte quasi rausgerissen und in seinem Sinne umgeschrieben hat. Keine dieser Änderungen – abgesehen von einem anderen Titel – ist von Vorteil für das Werk. Es ist jedoch die Umgestaltung der urspünglichen Aussage, die wirklich erschreckend ist und tief in den Verantwortlichen selbst blicken lässt.

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Die Prämisse von Buch und Film sind identisch: Das schwule Ehepaar Eric (Jonathan Groff) und Andrew (Ben Aldridge) verbringt seinen Urlaub zusammen mit seiner jungen Adoptivtochter Wen (Kristen Cui) in einer abgelegenen Hütte im Wald. Eines Tages nähert sich der hünenhafte Leonard (Dave Bautista) dem Kind und bereitet es auf das vor, was in Kürze geschehen wird. Leonard und seine Mitstreiter Sabrina (Nikki Amuka-Bird), Ardiane (Abby Quinn) und Redmond (Rupert Grint) werden mit ihren bedrohlichen Tötungsinstrumenten in das Haus der Familie eindringen, sie fesseln und vor eine düstere Wahl stellen: Entweder jemand von ihnen lässt sich von einem der Liebsten freiwillig umbringen oder die Apokalypse wird die gesamte Menschheit auslöschen. Dieses Szenario sei den Eindringlingen in einer gemeinsamen Vision erschienen und als vermeintliche Beweismittel zeigen sie ihren Opfern Nachrichtensendungen von Flutkatastrophen und Epidemien. Um zu demonstrieren, wie ernst es ihnen ist, wird das Quartet seine Werkzeuge an sich selbst einsetzen. Doch das Band zwischen den Familienmitgliedern ist stark – nur wird es auch die weiteren Schreckensbilder überdauern?

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In Kürze sind die positiven Aspekte von „Knock at the Cabin“ ja bereits aufgeführt worden, zumindest soll aber noch schnell auf die im Mainstream-Kino immer noch relativ seltene Repräsentation von homosexuellen Hauptfiguren eingegangen werden. Eric und Andrew sind zwei absolut sympathische Protagonisten, die von Jonathan Groff („Mindhunter“) und Ben Aldridge („Pennyworth“) mit einer spürbaren Chemie untereinander verkörpert werden. Das Thema der sexuellen Orientierung und die damit verbundenen Hürden wird zwar an verschiedenen Stellen und in vor allem Rückblenden behandelt, doch entgeht der Film der Gefahr, dass sich der Gesamtfokus zu stark darauf richtet. Liebe ist nicht geschlechts- oder ethnienabhängig, an dieser klaren Message hat sich im Vergleich mit der Vorlage glücklicherweise nichts geändert.

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Es ist gar nicht so einfach, über das konkrete Versagen des Films zu schreiben ohne in Spoilerterritorium zu geraten. Ich will es versuchen: Tremblays Roman ist als Reaktion auf die Lügen und Desinformationen sowie das zunehmend aggressive Klima unter der Trump-Admistration entstanden. Dabei geht der Autor nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vor, sondern bleibt in seinem Text bis zum Schluss uneindeutig darüber, ob es sich bei Leonards Gruppe um wahrhafte Propheten der Apokalypse oder um gefährliche Spinner (QAnon anyone?) handelt. Zwar lässt sich durch die Nachrichten eine bedenkliche Anhäufung von Katastrophen darstellen, doch werden dabei Zufälligkeiten oder womöglich wissenschaftliche Fakten gar nicht näher in Betracht gezogen. Die Zweideutigkeit ersetzt Shyamalan am Ende der Adaption gegen seine eigene im besten Fall schmerzhaft naive, im schlimmsten Fall allerdings ideologisch verblendete Sichtweise. Der Glaube, der bereits in „Signs“ eine zentrale Rolle gespielt hat, zeigt diesmal alttestamentarische Auswüchse. Wenn es nach Leonard und Co. geht, hat der Mensch in Gottes sadistischem Spiel gar keine freie Wahl mehr. Auch wenn sie etwas anderes sagen. Blut muss fließen, mindestens das von einer Person. Man hatte gedacht, die Menscheit wäre inzwischen weiter und würde sich drängenden Fragen (Klimakrise, Epidemien, Cyberkriege) auf intelligente Weise annehmen und weltliche Antworten suchen. Zumindest Shyamalan hält im Gegensatz zu Tremblay offenbar wenig von der Aufklärung. Warum auch, wenn eh alles vorherbestimmt ist und Entscheidungen ihren Namen nicht verdienen?

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Das präsentierte Ende von „Knock at the Cabin“ könnte trostloser und verstörender kaum sein, doch der Regisseur verkauft es uns als bittere Pille, die zwar geschluckt werden muss, aber nach der schon alles wieder gut werden wird. Tremblays Roman ist ebenfalls finster (eine besonders erschütternde Szene hat es gar nicht in den Film geschafft und musste es auch nicht zwingend), doch feiert er in all der Ungewissheit die unter keinen Umständen verhandelbare Liebe zwischen Menschen, die sich niemals einer grausamen Gottheit unterwerfen werden. Sicher, man darf Änderungen an Büchern für die Verfilmung vornehmen, doch führt eine sehr schlechte Änderung an zentraler Stelle dann eben eventuell auch zu einem sehr schlechten Film. Wie würden übrigens die Befürworter den Ausgang dieser Geschichte sehen, wenn die Propheten aus einem anderen Kulturkreis kämen, lange Bärte hätten und stumpfe Messer bei sich tragen würden?

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Ich musste nach der Vorstellung an Wolfgang M. Schmitts Filmanalyse zu „Old“ unter der Überschrift „Nie wieder Shyamalan“ denken. Schmitt kann sich darin vorstellen dass der Regisseur unter Hilfe eines guten Dramaturgen oder Lektors auch wieder etwas Vernünftiges aus seinen Konzepten machen könnte (ich mochte übrigens noch sowohl „The Visit“ als auch „Split“, vielleicht einfach weil beide reichlich schräger aber unverfänglicher Spaß waren). Diesmal hatte Shyamalan tatsächlich eine gleichzeitig packende und zum Nachdenken anregende Vorlage direkt vor der Nase. Er hat sich jedoch nach 90 Minuten aufwühlendem Kino für die schlimmst mögliche Alternative entschieden und damit alle wunderbaren Leistungen (Bautista war nie besser) davor mit in die Tonne gekloppt.

Zumindest ich kann leider kein noch so toll gestaltetes Produkt mehr genießen, wenn dessen Kern derart verfault ist.


Trailer