Infinity Pool (2023) Kritik

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Infinity Pool (2023) Filmkritik

Infinity Pool, CAN/HUN/FR/HR 2023 • 118 Min • Regie & Drehbuch: Brandon Cronenberg • Mit: Alexander Skarsgård, Mia Goth, Cleopatra Coleman, Jalil Lespert, Thomas Kretschmann, Jeffrey Ricketts • Kamera: Karim Hussain • Musik: Tim Hecker • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 20.04.2023 • Deutsche Website

„Infinity Pool“, der Titel von Brandon Cronenbergs neuem Science-Fiction-Thriller, suggeriert unendliche Möglichkeiten, die allerdings in einem fatalen Sturz münden können. Die paradiesische Atmosphäre des Touristen-Hotels im Fantasieland Li Tolqa trügt. Zäune und Wachposten sichern das exklusive Resort vermeintlich vor gewaltbereiten Einheimischen ab. Doch ist man sich nach Sichtung des provokanten Werkes gar nicht mehr sicher, wer hier tatsächlich vor wem geschützt werden muss.

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Im Zentrum der Handlung steht das Paar Em (Cleopatra Coleman) und James Foster (Alexander Skarsgård). James ist ein erfolgloser Schriftsteller mit Schreibblockade, der den Urlaub zur Inspiration für sein nächstes Buch nutzen will, während seine aus wohlhabender Familie stammende Frau dessen müßigen Lebensstil finanziell unterstützt. Bei ihrem Aufenthalt lernen die beiden das ebenfalls gut situierte Ehepaar Gabi (Mia Goth) und Alban Bauer (Jalil Lespert) kennen, das die Fosters zu einem unerlaubten Ausflug außerhalb des Geländes einlädt. Auf der Rückfahrt zum Hotel läuft James ein Ortseinwohner vor das Auto und stirbt an der Unfallstelle. Der Drang der Fosters, die Polizei zu verständigen, wird von den Bauers eindringlich abgelehnt – die Behörden in Li Tolqa gingen bei solchen Vorfällen kompromisslos und mit aller Härte vor. Dass dies so ist, soll James am nächsten Morgen erfahren, als er von dem Ermittler Thresh (Thomas Kretschmann) ohne jeden Prozess direkt zum Tode verurteilt wird. Für den geschockten Touristen gibt es jedoch einen Ausweg: Gegen eine beträchtliche Geldsumme kann sich James klonen lassen und sein Duplikat der Strafe zuführen. Die barbarische Exekution des Doppelgängers ruft in James eine dunkle Faszination hervor, die er offensichtlich mit den Bauers und weiteren Urlaubern teilt …

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„Ist das ein Traum? Das würde mehr Sinn ergeben“, entfährt es Em in einer Szene. Und in der Tat entfaltet sich „Infinity Pool“ mit einem flüchtigen Gefühl aus verbotener Anziehung und kafkaeskem Horror wie ein Traum, oder besser: Albtraum. Konkret entspringt die Geschichte einer fiebrigen Fantasie, doch was man hier thematisch greifen kann, basiert tatsächlich auf dem Schrecken einer ausbeuterischen und zutiefst korrupten Gesellschaft. Was wäre, wenn Geld und Gewalt die einzigen Konstanten sind, die eine Ordnung bestimmen? Würden die Inhaber dieser Instrumente damit nicht über unendliche Macht verfügen und wie Götter über den Unpriviligierten schweben? Vor allem: Was wäre, wenn dies nicht wäre, sondern schon längst so ist?

Brandon Cronenbergs Film ist ein verzerrter Spiegel, der uns in monströsen Proportionen vorführt, was in vielen Staaten dieser Welt bittere Realität ist. Durch die Augen von James erleben wir, wie Gabi, Alban und ihre reichen Gefährten ihre komfortable Situation für perverse Spiele ausnutzen und die bröckelige Rechtsprechung von Li Tolqa am Ende lediglich dazu dient, die Taschen der Mächtigen zu füllen während der Rest der Bevölkerung in Elend lebt. Li Tolqa stellt dabei kein spezifisches Land dar, doch ein geschilderter Vorfall, bei dem ein Arbeiter beim Bau eines Infinity Pools durch mangelnde Sicherheitskonzepte in den Tod gestürzt ist, erinnert wohl nicht zufällig an die unmenschliche Entstehungsgeschichte des WM-Stadions in Katar.

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Nach seinem vielversprechenden Debüt „Antiviral“ und dem ultrabrutalen Nachfolger „Possessor“ setzt sich der Regisseur und Drehbuchautor mit „Infinity Pool“ noch mehr von den Werken seines Vaters, der Body-Horror-Legende David Cronenberg („Videodrome“), ab. Freilich erinnert der exotische Ferienort entfernt an „Naked Lunch“ und die makabren Triebe der dekadenten Urlaubergruppe rufen Assoziationen mit dem Selbstverletzungsfetisch in „Crash“ hervor, doch insgesamt steht der Genre-Hoffnungsträger mit diesem radikalen wie schwarzhumorigen Blick in einen tiefen Abgrund als eigene Marke da. Die Thematik des Klonens wird glücklicherweise nicht unnötig als Mindfuck verheizt, bei dem zum Schluss als einzige Frage bleibt, wer nun das Original ist. Auch wenn diese Frage im Verlauf kurz angerissen wird und in der Tat unheimlich anmutet, spielt die Antwort darauf eigentlich keine große Rolle. Es sind exakte Dupletten, die den Charakteren dazu dienen, in Li Tolqa schrankenlose Freiheit ohne echte Konsequenzen zu genießen.

Alexander Skarsgård („The Northman“) steht hier als reichlich naiver James unter dem Einfluss der von Mia Goth („X“, „Pearl“) herrlich psychotisch gespielten Femme fatale Gabi. Ein echter Mann zu sein koste Blut, flüstert Gabi James ein. Absolute Greueltaten sind zur Transformation zum freigeistigen Ungeheuer nötig. „Infinity Pool“ widersteht der Versuchung eines moralisierenden Endes. Cronenberg lässt einen buchstäblich desillusioniert im Regen sitzen und genau dieser finale Eindruck ist zur Reflektion richtig. Das Werk ist trotz seiner teils rauschhaften Bilder von Kameramann Karim Hussain („Subconscious Cruelty“) und Spitzen von expliziter Gewalt und Sex (in Deutschland wird im Gegensatz zu den USA die ungekürzte Fassung im Kino zu sehen sein) eher dem nachdenklichen Arthouse- als dem wüsten Exploitation-Kino zuzuordnen.

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Auch wenn dem wenig mainstreamkompatiblen „Infinity Pool“ ein hiesiger Kassenerfolg voraussichtlich verwehrt bleibt und der Film seine Anhänger vor allem auf Festivals wie der Berlinale finden wird, dürfte er mit seinem klaren Blick auf die Themen Dekadenz, Korruption und Ausbeutung bei anspruchsvollen Kinogängern noch längere Zeit Gesprächsstoff bleiben. Brandon Cronenberg ist hier ein starkes und nachwirkendes Drittwerk gelungen, das man wohl schon jetzt zu den Highlights des noch jungen Filmjahres 2023 zählen kann.


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