Oscarnominierungen 2023: Die größten Gewinner, Verlierer und Überraschungen

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Oscarnominierungen 2023

© Academy of Motion Picture Arts and Sciences

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Der Staub nach der Bekanntgabe der diesjährigen Oscarnominerungen hat sich gelegt. Wer die begehrten Goldjungen tatsächlich nach Hause mitnehmen wird, werden wir erst in der Nacht vom 12. auf den 13. März erfahren, wenn die Oscars in Los Angeles zum 95. Mal verliehen werden. Wie üblich werfen wir aber jetzt schon einen ausführlichen Blick auf die Nominierungen, fassen die größten Überraschungen und Auslassungen zusammen und erklären, warum bestimmte Filme und DarstellerInnen jetzt schon als "Gewinner" hervorstechen und andere den Kürzeren gezogen haben.

Gewinner

Everything Everywhere All at Once – Wer den Film gesehen hat (und das solltet Ihr unbedingt!), wird mir zustimmen, dass der wilde Multiversum-Genremix alles andere als typisches Oscarbait ist. Es ist ein Film, in dem Leute manchmal Hotdogs anstelle von Fingern haben und Sexspielzeuge erstaunlich häufig in Martial-Arts-Kampfszenen zum Einsatz kommen. Ohne jegliche Oscar-Erwartungen wurde der Film lange vor der Oscar-Saison in der ersten Jahreshälfte veröffentlicht und begeisterte die Kinogänger sogar außerhalb der üblichen Arthouse-Nische. Mit einem weltweiten Einspiel von knapp über $100 Mio wurde er zum mit Abstand größten Hit des Prestige-Studios A24. Langsam aber sicher wurde klar, dass der Film bei den Oscars mitmischen würde und in den letzten Wochen hat er sich neben Die Fabelmans und The Banshees of Inisherin als einer der drei großen Favoriten herauskristallisiert. Dennoch hat er bei der Bekanntgabe der Nominierungen alle Erwartungen übertroffen. Alle vier seiner zentralen Darstellerinnen und Darsteller wurden nominiert, zusätzlich zu Nominierungen für die Regie, das Drehbuch, den Schnitt und natürlich als "Bester Film". Mit insgesamt elf Nennungen ist es der meistnominierte Film des Jahres. Früher hätte ihn das automatisch auch zum Favoriten für den Sieg gemacht, jedoch gewann in den letzten zehn Jahren der meistnominierte Film (Birdman und Shape of Water) nur zweimal den "Bester Film"-Oscar.

Asiatischstämmige Schauspieler – Der Nominierungsregen für Everything Everywhere All at Once ist auch ein historischer Moment für asiatische bzw. asiatischstämmige Schauspielerinnen und Schauspieler bei den Oscars gewesen. Mit Michelle Yeoh, Ke Huy Quan, Stephanie Hsu sowie Hong Chau, die für The Whale im Rennen ist, gingen vier der 20 Schauspiel-Nominierungen an asiatischstämmige Performer, was mit Abstand einen Oscar-Rekord darstellt. Yeoh ist sogar die allererste Frau, die sich selbst als Asiatin identifiziert, die in der Hauptdarstellerin-Kategorie nominiert wurde. Sie befindet sich im Kopf-an-Kopf-Rennen mit Cate Blanchett (Tár) für den Sieg.

Irland – Auch Irland und irischen Schauspielern sind Academy-Wähler sehr wohlgesonnen gewesen. Neun Oscarnominierungen gingen an die irische Co-Produktion The Banshees of Inisherin, darunter vier für ihre irischen Schauspieler Kerry Condon, Colin Farrell, Brendan Gleeson und Barry Keoghan und drei weitere an ihren irischen Regisseur und Autor Martin McDonagh. Darüber hinaus wurde mit dem irischsprachigen Das stille Mädchen erstmals ein irischer Film in der Kategorie "Bester internationaler Film" nominiert und mit An Irish Goodbye ist ein Film von der grünen Insel auch im Rennen um den besten Kurzfilm.

Erstlings-Nominees unter Schauspielern – Insgesamt 16 der 20 nominierten Schauspielerinnen erhielten dieses Jahr ihre allererste Oscarnominierung. Cate Blanchett (Tár), Judd Hirsch (Die Fabelmans), Michelle Williams (Die Fabelmans) und Angela Bassett (Black Panther: Wakanda Forever) sind die einzigen Ausnahmen. Gewonnen hat zuvor lediglich Blanchett. Eine so niedrige Quote an früheren Nominees und Gewinnern gab es seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Tatsächlich ist es sogar das erste Mal seit 1935 (!), dass keiner der fünf "Bester Hauptdarsteller"-Nominees vorher nominiert war. Dabei erhielten dieses Jahr etablierte Schauspieler wie Colin Farrell, Brendan Gleeson, Jamie Lee Curtis und Michelle Yeoh lange überfällige Anerkennung. Das bringt mich direkt zum nächsten Punkt…

Andrea Riseborough (To Leslie)Andrea Riseborough ist eine Schauspielerin, die seit Jahren schon starke Performances abliefert. Ihre Nominierung für To Leslie ist dennoch ein kleines Wunder, denn sie tauchte vorher auf nahezu keiner Liste der gängigen Preisverleihungen auf und wurde weder von den Golden Globes noch von der Schauspielergewerkschaft SAG noch den BAFTAs oder den Critics' Choice Awards nominiert. Ihr Micro-Budget-Drama To Leslie hatte keinerlei Budget für die übliche Oscar-Kampagne, also musste Riseborough einfallsreich werden und sicherte sich die Unterstützung prominenter Freundinnen wie Gwyneth Paltrow, Amy Adams und Kate Winslet, die öffentlich von ihrer Performance schwärmte, Q&A-Sessions mit ihr durchführten und für die Anerkennung ihrer Darbietung einsetzten. Sogar Cate Blanchett nannte Riseborough bei ihrer Rede nach dem Sieg bei den Critics' Choice Awards. Die Bemühungen haben sich gelohnt, die Academy-Wähler holten den winzigen Film nach und würdigten Riseboroughs Performance.

Blockbuster-Sequels – Mit Avatar: The Way of Water und Top Gun: Maverick sind nicht nur zwei Fortsetzungen im Rennen um "Bester Film", sondern auch die beiden umsatzstärksten Filme des Jahres. Letzteres gab es seit 40 Jahren nicht mehr, ersteres noch nie: Insgesamt wurden in der Academy-Geschichte nur neun Sequels nominiert, jedoch noch nie zuvor zwei im selben Jahr.

Im Westen nichts Neues – Die erste (US-amerikanische) Verfilmung von Erich Maria Remarques Roman gewann den Hauptpreis bei der dritten Oscarverleihung. Die neuste (deutsche) Adaption ergatterte neun Nominierungen und wurde zum ersten deutschsprachigen Film überhaupt, der als "Bester Film" im Rennen ist. Außerdem überholte Im Westen nichts Neues Das Boot als meistnominierten deutschen Film. Tiger and Dragon und Roma sind die einzigen nicht-englischsprachigen Filme, die noch mehr Oscarnominierungen (jeweils zehn) erhielten.

Europäisches Kino – Neben den Triumphen der europäischen Filme Im Westen nichts Neues und The Banshees of Inisherin gelang auch dem Cannes-Sieger Triangle of Sadness ein überraschender Erfolg mit drei Nominierungen für seinen Macher Ruben Östlund – als Regisseur, Drehbuchautor und für den Film selbst.

Verlierer

Filme mit mehrheitlich schwarzer Besetzung – Während asiatischstämmige Schauspielerinnen und Schauspieler bei den Nominierungen besser repräsentiert sind denn je, sind mehrere im Vorfeld als Kandidaten gehandelte Filme mit afroamerikanischen Casts komplett untergangen. Einer davon ist The Woman King, der nicht nur hervorragende Kritiken erhielt, sondern auch ein Kassenhit war und auf mehreren Bestenlisten des letzten Jahres aufgetaucht ist. Viola Davis war bei den Golden Globes, den BAFTAs und der Schauspielergewerkschaft SAG nominiert, Regisseurin Gina Prince-Bythewood bei den Critics' Choice Awards und den BAFTs und sowohl die National Board of Review als auch das American Film Instutite zeichneten The Woman King als einen der zehn besten Filme 2022 aus. Bei de Oscars gab es für ihn keine einzige Nominierung. Dasselbe gilt auch für das Rassismusdrama Till, dessen Hauptdarstellerin Danielle Deadwyler auch für zahlreiche Preise im Vorfeld nominiert war. Auch Jordan Peeles Nope wurde kein einziges Mal nominiert. Black Panther: Wakanda Forever ist mit fünf Nominierungen zwar ein kleiner Lichtblick, verpasste aber im Gegensatz zu seinem Vorgänger die "Bester Film"-Nominierung.

Claudio Miranda – Der Kameramann von Top Gun: Maverick hat im Vorfeld mehr (hochverdiente) Auszeichnungen für seine virtuosen Aufnahmen abgeräumt als jeder andere in der Kategorie und die meisten Experten gingen davon aus, dass er für das Blockbuster-Sequel seinen zweiten Oscar nach Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger holen würde. Stattdessen verwehrte die Academy ihm sogar eine Nominierung was für mich zu den schockierendsten Auslassungen dieses Jahr gehört. Auch Avatar: The Way of Water wurde für seine Kamera nicht nominiert, obwohl der Vorgängerfilm den Kamera-Oscar gewonnen hatte.

Taylor Swift – Während die Academy Lady Gaga und Rihanna für Oscars nominiert hat, zog Taylor Swifts Song "Carolina" aus Der Gesang der Flusskrebse den Kürzeren. Die Diskrepanz zwischen den Oscars und den Golden Globes, wo die Sängerin bereits viermal nominiert war, ist sehr groß. Swift wartet immer noch auf ihre erste Oscar-Nennung.

Die Frau im Nebel – Die Oscarnominierungen waren zwar ein Triumph für asiatische Schauspielerinnen und Schauspieler, der südkoreanische Beitrag Die Frau im Nebel von Park Chan-wook, der neben Im Westen nichts Neues als größter Anwärter in der "Bester internationaler Film"-Kategorie gehandelt wurde und dessen Macher den Regie-Preis in Cannes gewonnen hat und kürzlich bei den BAFTAs nominiert wurde, erhielt jedoch keine einzige Nominierung.

Weitere interessante Fakten

John Williams hat für Die Fabelmans die 53. Oscarnominierung seiner Karriere geholt und den Abstand zu Walt Disneys Rekord (59 Nominierungen) wieder etwas verringert. Mit 90 ist er außerdem der älteste Oscar-Nominee überhaupt. Gewonnen hat Williams jedoch schon seit Schindlers Liste nicht mehr.

Steven Spielberg ist dank Die Fabelmans mit neun Nominierungen zum zweitmeistnominierten Regisseur neben Martin Scorsese geworden. Nur William Wyler hatte mit zwölf Nominierungen noch mehr Chancen. Er ist außerdem der einzige Regisseur, der in sechs unterschiedlichen Jahrzehnten für seine Arbeit nominiert wurde. Zudem ist Spielberg mit Wyler als Regisseur mit den meisten "Bester Film"-Kandidaten (13) in der Oscargeschichte gleichgezogen.

Tár ist bereits der zehnte "Bester Film"-Kandidat, in dem Cate Blanchett mitgespielt hat. Nur Robert De Niro war in noch mehr (11) dabei.

– Es ist das fünfte Jahre in Folge, in dem ein nicht-englischsprachiger Film in der "Bester Film"-Kategorie nominiert ist.

– Nach Rachel Morrison (Mudbound) und Ari Wegner (The Power of the Dog) ist Mandy Walker mit Elvis erst die dritte oscarnominierte Kamerafrau.

– Mit 42 Jahren Abstand zwischen seiner letzten und seiner aktuellen Nominierung hat Judd Hirsch (Die Fabelmans) Henry Fondas Rekord gebrochen.

Angela Bassett wurde mit Black Panther: Wakanda Forever zur ersten Person aus einem Marvel-Film, die für einen Schauspiel-Oscar nominiert wurde. Außerdem ist sie nach Viola Davis, Octavia Spencer und Whoopi Goldberg erst die vierte schwarze Frau mit mehr als einer Oscarnominierung.

Alfonso Cuarón hat dank seiner Kurzfilm-Nominierung für Le Pupille Kenneth Branaghs Rekord aus dem letzten Jahr eingestellt und war im Laufe seiner Karriere in sieben unterschiedlichen Kategorien nominiert.

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Ich hoffe, Ihr habt meine Analyse zu den Oscarnominierungen genossen und ich werde natürlich weiter über das Rennen und die kommenden Industrie-Preise berichten, bis wir im März endlich die Oscarsieger erfahren.