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Keeper (2025) Kritik

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Keeper Filmkritik

Keeper, USA 2025 • 99 Min • Regie: Osgood Perkins • Drehbuch: Nick Lepard • Mit: Tatiana Maslany, Rossif Sutherland, Birkett Turton, Eden Weiss, Tess Degenstein, Christin Park • Kamera: Jeremy Cox • Musik: Edo Van Breemen • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: DCM • Kinostart: 20.11.2025 • Deutsche Website

Osgood Perkins hat einen Lauf. „Keeper“ ist seine dritte Regiearbeit innerhalb von nur zwei Jahren. Nach dem maßlos überschätzten Okkult-Thriller „Longlegs“ und vor „The Monkey“ – einem der größten Scheißfilme dieses Kinojahres – abgedreht, war ich extrem skeptisch, ob der Sohn von „Psycho“-Star Anthony Perkins mit seinem zuletzt veröffentlichten Werk noch einmal zu alter Stärke zurückfinden kann. Seine genannten Outputs waren Kassenhits, vor allem aufgrund der extrem effektiven Marketingkampagnen des US-Verleihs Neon. „Longlegs“ etwa wurde mit kryptischen Trailern als einer der furchterregendsten Schocker aller Zeiten angepriesen, mit einer Nicolas-Cage-Performance, die Zuschauern schlaflose Nächte bereiten werde. Wenn man die heiße Luft weggeblasen hat, konnte man allerdings einen einigermaßen souverän inszenierten „Das Schweigen der Lämmer“-Abklatsch mit albern-satanischen Obertönen und einem letztlich eher lächerlich zurechtgeschminkten Schurken erkennen. Das zieht scheinbar oberflächlich bei einem Mainstream-Publikum, war qualitativ aber meilenweit von Perkins' eiskaltem Debüt „Die Tochter des Teufels“, seinem visuell beeindruckenden Märchen „Gretel & Hänsel“ oder auch seinem stillen Geisterdrama „I Am the Pretty Thing That Lives in the House“ entfernt.

Auch bei der Vermarktung von „Keeper“ sind Neon wieder zur Höchstform aufgelaufen, mit sorgfältig zurückhaltenden Clips und Zitaten von der Crème de la crème der aktuellen Genre-Szene: James Wan („The Conjuring“), Guillermo del Toro („Crimson Peak“), Damien Leone („Terrifier 2“), Fede Álvarez („Don’t Breathe“) und sogar Videospiel-Legende Hideo Kojima („P.T.“) – ihre überschwänglichen Lobeshymnen zieren fast jedes Poster und jede Instagram-Kachel. Kann Perkins diesmal liefern, was andere versprechen?

„Keeper“ beginnt mit einer Collage verschiedener Frauen, die offensichtlich aus unterschiedlichen Zeitepochen stammen. Es sind Gesichter, die erheitert in die Kamera lachen, verführerisch das unbekannte Gegenüber anblicken und später blutüberströmt und in Terror schreien sollen. Im Anschluss lernen wir die beiden Hauptcharaktere kennen: Die Künstlerin Liz (Tatiana Maslany) und der Arzt Malcolm (Rossif Sutherland) sind seit einem Jahr ein Paar und wollen ihr Jubiläum in Malcolms abgelegenem Waldhaus feiern. Die Haushälterin hat einen Kuchen zurückgelassen – kleben auf der Schachtel etwa blutige Fingerabdrücke? Am Abend klingelt unverhofft Malcoms benachbarter Cousin Darren (Birkett Turton) mit seiner Freundin Minka (Eden Weiss) an der Tür und entsetzt Liz mit seinem herablassenden und sexistischen Auftreten. Später ermuntert Malcom seine Angebetete, den Willkommens-Kuchen zu probieren. Obwohl sie keine Schokolade mag, kostet Liz und urteilt, er schmecke wie Kacke. Am nächsten Tag gibt Malcom an, er müsse für einen medizinischen Notfall kurz in die Stadt zurück. Hat er eine Affäre? Liz wird in dem verlassenen Haus langsam paranoid, sieht und hört Dinge, die gar nicht da sind. Oder doch? Spukt es in dem Anwesen oder ist etwas anderes schuld an ihren beunruhigenden Wahrnehmungen?

Anders als bei den beiden Vorgängerfilmen stammt das Drehbuch von „Keeper“ nicht aus Perkins' eigener Feder, sondern aus der von Nick Lepard. Lepard hat zuvor den Stoff für Sean Byrnes gelungenen Survival-Schocker „Dangerous Animals“ abgeliefert, in dem ein Serienkiller seine weiblichen Opfer an Haie verfüttert. Thematisch sind sich beide Werke gar nicht so fremd, doch anders als Byrnes adrenalingetränkte Arbeit, verwandelt Perkins „Keeper“ in ein schleichendes und intensiv unheimliches Lehrstück in Sachen Atmosphäre. Die Bilder von DP Jeremy Cox vermitteln ein Gefühl von Klaustrophobie und Isolation. Vorhänge existieren nicht. So wie Liz von den zahlreichen Fensterfronten frei in die Außenwelt starren kann, kann auch sie jederzeit Objekt voyeuristischer Blicke werden. Die Frau fühlt sich beobachtet von irgendjemandem oder irgendetwas. Ist es der unangenehme Darren, der Liz später noch einen Besuch aufzwingt?

Wer Roman Polanskis Meisterwerk „Rosemaries Baby“ gesehen hat, wird sich vielleicht denken, dass der seltsam schmeckende Kuchen auch etwas mit Liz' wirren Sinneseindrücken zu tun haben könnte. In einer sonderbar sinnlich komponierten Szene verschlingt sie das saftige Backwerk, während sich vor ihrem geistigen Auge Halluzinationen auftun. Die Grenze zwischen Verstand und Wahnsinn scheint zu schwinden, ebenso die Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Geräusche, Flüstern und Personen, die offensichtlich nicht real zugegen sind – doch nicht alles ist möglicherweise nur ein Gespinst in Liz' Kopf. Im Badezimmer findet sie ein sehr altes Foto von Malcom, auf dem dieser in seiner jetzigen Gestalt mit einer Frau und Kindern zu sehen ist. Ist er also doch ein Fremdgeher? Doch wie passt das alles chronologisch zusammen?

Perkins' intimer „Keeper“ streift stilistisch Genreklassiker wie Stanley Kubricks „Shining“ oder Nicolas Roegs „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ und präsentiert inhaltlich sicher keine bahnbrechend neue Idee. Was wie ein Beziehungs-Thriller aus den 90ern à la „Der Feind in meinem Bett“ beginnt, steigert sich zunehmend zu einem fiebrigen Kino-Albtraum, der in einer Reihe mit modernen Werken wie Alex Garlands „Men“ oder Robert Eggers' „The Witch“ stehen kann. „Keeper“ ist klar ein Schrecken aus der Post-Weinstein-Ära, den Osgood Perkins aber mit einem ungeheuren Fingerspitzengefühl für Timing und Stimmung aufbereitet. Mich hat die Wirkung auch an Ingmar Bergmans expressionistisches Schauderstück „Die Stunde des Wolfs“ erinnert, in dem sich ebenfalls ein Paar Isolation, geisterhaften Erscheinungen und letztlich dem Irrsinn ausgeliefert gesehen hat. Auch wenn das Ende dann doch recht plakativ-genrelastig ausfällt und mehr erklärt, als es nötig gewesen wäre, ist dies wieder eine starke Leistung des Regisseurs, der seinen Instinkt für Atmosphäre zweimal für flache Geschichten mit noch flacheren Figuren geopfert hat.

Ohne die bemerkenswerten Performances von Sutherland und vor allem Maslany würde „Keeper“ allerdings nicht funktionieren. In der Rolle von Liz setzt der „She-Hulk“-Star auf stille Emotionen, etwa wenn ihr lediglich zwei Tränen nach einer großen Enttäuschung aus den Augenwinkeln laufen. An ihrer Seite können wir uns letztlich auch nie ganz sicher sein, wie weit wir ihrem Verstand noch trauen können. Ob „Keeper“ nicht doch nur das Psychogramm einer Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs ist. Die Red Flags, die Rossif Sutherlands zuerst vertrauenswürdiger Malcom aussendet, sind deutlich. Doch kommt die größere Gefahr von innen oder von außen?

„Keeper“ ist ein hypnotisches Stück puren Horrorkinos, das sein Publikum spalten wird. Das ist gut so, denn das Werk zieht seinen Grusel nicht aus der Kombination bewährter Muster, sondern aus einem tiefen Verständnis für die Essenz des Grauens.


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The Running Man (2025) Kritik

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The Running Man, USA/GB 2025 • 133 Min • Regie: Edgar Wright • Drehbuch: Michael Bacall, Edgar Wright • Mit: Glen Powell, William H. Macy, Lee Pace, Emilia Jones, Michael Cera, Josh Brolin, Colman Domingo • Kamera: Chung-hoon Chung • Musik: Steven Price • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Paramount Pictures • Kinostart: 13.11.2025 • Deutsche Website

Mit seiner neuen Regiearbeit „The Running Man“ verleiht Edgar Wright dem gleichnamigen Kultroman von Stephen King (1982 unter dessen Pseudonym Richard Bachman veröffentlicht) einen frischen Anstrich. In Paul Michael Glasers erster Adaption aus dem Jahre 1987 hat Superstar Arnold Schwarzenegger noch gegen absurd comichafte Gegner mit grellen Kostümen, Kettensägen und explosiven Eishockey-Pucks gekämpft. Nun schlüpft Glen Powell („Top Gun: Maverick“) in die Rolle des aufmüpfigen Gejagten Ben Richards, der in einer bizarren Fernsehshow 30 Tage gegen einen professionellen Killertrupp sowie eine teils blutgierige Zivilbevölkerung überleben muss. Im Kontrast zum trashigen Arnie-Stampfer bleibt Wright näher an der dystopischen Literaturvorlage, mischt deren rauem Ton aber viel von seinem eigenen, quirligen Humor und eine gute Portion Optimismus unter. Diese neue Version ist mehr Pop-Punk als Glam-Rock.

In der fiktionalen Großstadt Co-Op City versucht Richards erfolglos, seinen früheren Arbeitsplatz zurückzuerlangen, um einen Arzt für seine schwerkranke Tochter bezahlen zu können. Dramatische TV-Shows dominieren den Alltag vieler Bürger. Ein riesiger Haufen Geld lockt verzweifelte Teilnehmende dazu, auch unter Lebensgefahr ihr Glück zu versuchen. Entgegen der dringlichen Bitte seiner Frau Sheila (Jayme Lawson), stellt sich auch Richards dem omnipräsenten Medienkonzern vor und landet durch den schmierigen Produzenten Dan Killian (Josh Brolin) schließlich als Kandidat bei „The Running Man“, dem populärsten und tödlichsten Format des Landes. Sein Anlitz wird in den 30 Tagen der Staffel jeden Bildschirm und jede Werbetafel in der Stadt einnehmen, während ihm die Killer unter dem Kommando des vermummten Evan McCone (Lee Pace) auf den Fersen sind und unzählige Kameradronen durch Straßen und Gebäude schweben. Richards muss täglich eine analoge Videoaufzeichnung an den Sender schicken und Bürger werden dafür entlohnt, wenn sie seinen aktuellen Aufenthaltsort melden. Auf seiner Flucht trifft der Gejagte allerdings zunehmend auf Unterstützer, die in dem einfachen Familienvater einen Helden des Widerstands sehen …

In „The Running Man“ ist die Gesellschaft – unserer leider zunehmend nicht unähnlich – eine maximal polarisierte. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weit auseinander und zusätzlich diktiert das Fernsehen, wer gefeiert und wer ausgestoßen gehört. Konsumenten der Unterhaltungsformate werden durch Deep Fakes geschickt getäuscht und manipuliert. Richards, der sich freiwillig für die Show gemeldet hat, wird dem Publikum als asozialer Schurke und Mörder verkauft, weshalb dessen Sympathiepunkte Tag für Tag sinken. Das Internet ist in Wrights Film paradoxerweise vollständig ausgelagert, der Staat übernimmt mit seinem linearen Programm wieder die Kontrolle. Das Ergebnis ist eine Art „Dschungelcamp“ im urbanen Setting mit blauen Bohnen statt Spinnen, Sumpf und ekeligem Essen.

Episodenhaft kämpft sich Richards wie ein untrainierter „John Wick“ von einem Versteck zum nächsten, gerät dabei an alte Verbündete (William H. Macy) und anarchistische Spinner (Michael Cera). Die meisten dieser Charaktere muss er nicht erst überzeugen, dass der Sender an seinem schlechten Image schuld ist. Eine Ausnahme bildet die Zivilistin Amelia (Emilia Jones), die die Propaganda nie angezweifelt hat und erst beim Aufeinandertreffen mit Richards langsam die Wahrheit erkennt. Wright führt hier vor Augen, dass auch oberflächliche und finanziell besser gestellte Menschen im Grunde Gutes tun möchten, oft aber die echten Probleme zunächst nicht sehen. Eine Revolution fängt oben an – im Fall von „The Running Man“: Wenn sich die Fans von Richards mehren und sich damit auch die mächtige Show auf seine Seite schlägt.

Ganz anders als in der vorherigen Verfilmung spielen die übrigen Teilnehmenden (verkörpert von Katy O’Brian und Martin Herlihy) hier keine besondere Rolle und es gibt auch kein abgeriegeltes Areal, in dem gegen einschüchternde Antagonisten gekämpft wird. Edgar Wright legt sein Augenmerk zwar auf flotte Action, lässt brachiale Tötungsszenen aber eher in den TV-Übertragungen stattfinden. Glen Powells Richards ist ein Hitzkopf mit Attitüde, vermeidet aber – wenn möglich – das Gefecht. Bodenständiger als seinerzeit Arnie, ist dies ein sympathischer Blue-Collar-Held, der nicht im Alleingang ein ganzes System stürzen kann. Powell brilliert als zeitgemäßer Actionstar und dominiert mit seiner rotzigen Performance den Großteil des Films.

Wright-Jünger, die den Regisseur vor allem für seine innovative Energie aus Werken wie „Baby Driver“ schätzen, könnten sich von diesem vergleichsweise solide erzählten Kinoabenteuer allerdings ein wenig enttäuscht zeigen. Was nicht bedeuten soll, dass „The Running Man“ nicht auch dessen Stempel trägt. Diesmal ordnet er sich jedoch mehr seiner Vorlage unter und lässt nerdige Spielereien eher am Rand geschehen. Rasant und durchaus frech (Product Placement wird dem Publikum hier unverhohlen unter die Nase gehalten) hetzt Wright seinen Protagonisten durch das Land, lässt ihn von Gebäuden klettern, in Schächte springen und in Gruselhäusern einkehren. Das ist für rund zwei Stunden schwer unterhaltsam, allerdings geht der Geschichte – anders als Richards – in den letzten 15 Minuten dann doch etwas die Puste aus. Der Regisseur und Co-Autor zögert sein Finale unnötig lange hinaus, lässt seinen Helden hadern. Wie er wissen wir längst, dass im Grunde jedes Bild und jede Information manipuliert sein kann. Weshalb dann letztlich alles irgendwie auch egal ist.

„The Running Man“ ist nach „The Long Walk“ bereits die zweite dystopische – und erschreckend aktuelle – Story, die es aus einem alten Stephen-King-Roman dieses Jahr auf die große Leinwand geschafft hat. Mit analogen und physischen Mitteln wie Videobändern, Flugblättern oder Graffiti wird in Wrights zuversichtlich-spaßigem Reißer der Aufstand eingeläutet. Ob einem diese Variante oder der konsequente, pechschwarze Ausgang von Francis Lawrences thematisch verwandter Arbeit mehr zusagt, muss man selbst entscheiden.


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Black Phone 2 (2025) Kritik

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Black Phone 2, USA 2025 • 114 Min • Regie: Scott Derrickson • Drehbuch: Scott Derrickson, C. Robert Cargill • Mit: Ethan Hawke, Mason Thames, Madeleine McGraw, Demián Bichir, Miguel Mora, Arianna Rivas • Kamera: Pär M. Ekberg • Musik: Atticus Derrickson • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 23.10.2025 • Deutsche Website

Der „Greifer“ greift wieder zu: In Scott Derricksons „Black Phone 2“ ist der Tod nur ein Wort, weshalb Ethan Hawke als unheimlicher Kindermörder diesmal aus dem Jenseits sein Unwesen treiben darf. In seinem Fokus steht die Rache am Teenager Finney (Mason Thames), der ihm im Vorgänger den Geraus gemacht hat. Über dessen übersinnlich begabte Schwester Gwen (Madeleine McGraw) versucht der Unhold diesmal, an sein Ziel zu gelangen. Die Joe-Hill-Adaption „The Black Phone“ war 2022 ein so großer Kassenerfolg, dass die Genre-Schmiede Blumhouse der eigentlich abgeschlossenen Geschichte dringend ein Sequel anhängen wollte. Als Inspiration hat man sich dabei sehr offensichtlich bei Wes Cravens legendärem „A Nightmare on Elm Street“ und dessen Killer-Ikone Freddy Krueger bedient. Zusätzlich wird das Geschehen in ein verschneites Feriencamp verlegt – neben Stanley Kubricks „Shining“ werden also auch die Slasher-Checkboxen „Cold Prey“ und „Freitag der 13.“ abgehakt. „Black Phone 2“ orientiert sich eindeutig mehr in Richtung Schlitzer-Kino, allerdings ohne die bedrohlich-klaustrophobische Stimmung, die den ersten Teil ausgezeichnet hat, aus den Augen zu verlieren.

 

Es beginnt im Jahr 1957: Eine junge Frau steht in einer Telefonzelle inmitten einer Schneelandschaft. Beunruhigt von dem mysteriösen Anruf, stapft sie auf eine Reihe verlassener Holzhütten zu. Nach einer erneut fulminanten Pre-Credits-Montage versetzt uns Derrickson schließlich in das Jahr 1982. Finney hat die Furcht während seiner Entführung in Wut umgewandelt und beantwortet klingelnde Münztelefone teilnahmslos mit einem „Ich kann dir nicht helfen“. Es ist seine Schwester Gwen, die plötzlich erneut von verstörenden Visionen geplagt wird, in denen unter anderem ihre verstorbene Mutter auf das christliche Camp Alpine Lake aufmerksam macht. Trotz Finneys Widerstand begeben sich die Geschwister letztlich gemeinsam mit Gwens Love Interest Ernesto (Miguel Mora spielte bereits dessen Bruder Robin im Vorgänger) unter dem Vorwand, Camp Counselor werden zu wollen, in das abgelegene Lager. Ein Schneesturm tobt und schneidet die Anwesenden – neben den Teenagern sind das noch der Aufseher Armando (Demián Bichir), dessen Nichte Mustang (Arianna Rivas) sowie die beiden Angestellten Barbara (Maev Beaty) und Kenneth (Graham Abbey) – von der Außenwelt ab. Sie sitzen in der Falle, denn wie Finney bald vom „Greifer“ höchstpersönlich erfährt, will ihn dieser nun genau an seinem einzigen Schwachpunkt treffen und zerstören: Der zum Traumdämon mutierte Killer hat es auf Finneys geliebte Schwester abgesehen …

Mit dem Haupt-Cast erneut an Bord, zeigt „Black Phone 2“ in seinem ersten Drittel auf, wie die grausigen Ereignisse die Leben der Beteiligten verändert haben. Finney hat sich in genau das verwandelt, wovor er im Vorgänger noch davongelaufen ist – ein Pausenhof-Schläger, der seinen inneren Schmerz mit Drogen betäubt. Die spirituelle Gwen hat sich ein äußerst loses Mundwerk zugelegt und möchte eigentlich eine unbeschwerte Zeit mit Jungs und Konzerten verbringen, wäre da nicht die dunkle Vergangenheit, die sie zunehmend einholt. Mason Thames und Madeleine McGraw haben bereits in „The Black Phone“ hervorragend als Geschwister harmoniert, doch während Thames im ersten Teil noch dominiert hat, ist dies nun eindeutig McGraws Film. In einer Sphäre zwischen Traum und Realität, ist ihre Gwen das leicht erreichbare Opfer des „Greifers“, der sie immer wieder heimsucht und physisch wie psychisch quält. Klar wird: Der Schurke konnte vielleicht mit Muskelkraft aus der Welt geschafft werden, doch in seinem Schattenreich herrschen jetzt andere Gesetze. Nun gilt es, ihm jene Energiequellen zu entziehen, die ihn weiter morden lassen.

Seit seinem enorm creepigen Schocker „Sinister“ mischt Scott Derrickson immer wieder analoge Formate wie Super 8 effektiv mit digitalem Material. In „Black Phone 2“ perfektioniert er dieses Vorgehen, indem er Gwens Schreckensvisionen in grober Low-Res-Ästhetik einfängt und diese zunächst von der High-Def-Wirklichkeit separiert. Bedrohlicher als in vielen modern gedrehten Genre-Werken, tritt der Antagonist langsam hinter dem Filmkorn aus der tiefsten Finsternis hervor. Im Verlauf verwischt diese Grenze weitgehend, wenn der Killer auch Zugriff auf die anderen Charaktere erhält. Hier gerät die Story-Logik von Derrickson und seinem langjährigen Co-Autoren C. Robert Cargill allerdings ein wenig ins Straucheln. Während der „Greifer“ Gwens Träume in seiner wahren Gestalt betreten kann, kann er mit den übrigen Figuren nur über ein Telefon in Kontakt treten. Allerdings besitzt er offenbar trotzdem die Fähigkeit, das natürliche Umfeld zu beeinflussen – etwa eine Eisdecke zum Einbrechen zu bringen. Vermutlich zieht er seine zunehmenden Kräfte aus der wachsenden Furcht der Teenager, ähnlich wie Pennywise aus Stephen Kings „Es“. So ganz klar wird das allerdings nie, und auch das große Warum wird relativ notdürftig und kurz abgefrühstückt. In diesem Punkt schaltet der Film tatsächlich etwas enttäuschend auf Subgenre-Autopilot, um die Action in Gang zu bringen.

Wie schon in „The Black Phone“ geht es in „Black Phone 2“ darum, sich seinen Ängsten zu stellen. Während das im Vorgänger aber überwiegend durch körperlichen Einsatz geschehen ist, muss diesmal der schützende, aber auch isolierende Panzer aufgebrochen werden, um die inneren Dämonen zu exorzieren. Wir erfahren mehr über Gwens und Finneys Mutter (Anna Lore) und wie ihr Weg das Leben ihrer Kinder beeinflusst hat, unter anderem auch weshalb ihr zurückgelassener Mann (erneut verkörpert von Jeremy Davies) verbittert das Trinken angefangen hat.

Bevor jetzt aber Horrorfans in Anbetracht des emotionalen Familiendramas das Interesse verlieren könnten: „Black Phone 2“ liefert zum Glück auch all das, was man sich als cineastisches Candy Corn für die Halloween-Zeit wünscht. Scott Derrickson serviert einen beklemmenden und visuell sehr ansprechenden Kino-Albtraum, der zwar die lauten Wünsche nach einem neuen Freddy-Krueger-Abenteuer durchaus aufgreift, aber dabei immer noch seiner eigenen DNA treu bleibt. Auch hier gibt es ausreichend humorvolle Momente, doch eine Splatstick-Eskapade, wie in den späten „Nightmare“-Beiträgen, bleibt einem definitiv erspart. Während Hawkes „Greifer“ im Vorgänger noch eine lauernde und seltsam gequälte Erscheinung war, ist die übersinnliche Ausgabe nun ein erbarmungsloser und überaus sadistischer Stalker. „Black Phone 2“ schraubt das Gewaltlevel in stets sehr kurzen, aber dennoch extrem verstörenden Momenten hoch. Wir werden diesmal nicht nur Zeugen, wie der Killer seine sehr jungen Opfer in die Falle lockt, sondern auch wie er ihnen ihr grausiges Ende beschert. Aufgeschlitzte Leiber mit heraushängenden Eingeweiden, gespaltene Schädel und abgetrennte Extremitäten – auch wenn dies weit von einem „Terrifier 2“ entfernt ist, dürfte mancher Anblick ein zartbesaitetes Publikum böse und unerwartet erwischen.

Doch nicht nur die Taten des „Greifers“ und dessen permanenter Terror, dem sich Gwen ausgeliefert sieht, gehen einem unter die Haut. Auch die schon spürbar kalten Bilder des schwedischen DPs Pär M. Ekberg („Lords of Chaos“) kriechen einem bis in die Knochen und lassen einen bibbern. Auch wenn „Black Phone 2“ sicher kein perfekter Genrebeitrag ist – die Hintergrundgeschichte bleibt etwas dünn und die meisten Nebenfiguren blass -, hat Derricksons Schaudermärchen das Zeug, zu einem weiteren Slasher-Franchise zu expandieren. Oscar-Nominee Ethan Hawke hat inzwischen sichtlich Spaß daran, aus seinem Nice-Guy-Image auszubrechen und Angst und Schrecken auf der Leinwand zu verbreiten. Dieses Sequel hat nun die Weichen für zukünftige Teile gestellt, inklusive zahlreicher Subgenre-Zitate. Das rasante Finale auf einem zugefrorenen See nimmt augenzwinkernd Bezug auf die einzig prägnante Szene aus dem kanadischen 80er-Slasher „Curtains“ und auch Chuck Russells beliebter dritter „Nightmare“ kommt dabei zum Zug. Scott Derrickson verleugnet seine Wurzeln nicht – doch ist er erfahren und kompetent genug, um aus „Black Phone“ letztlich auch sein eigenes Baby zu machen.

Für Blumhouse dürfte „Black Phone 2“ nach zahlreichen Misserfolgen der erste Schritt zurück in Richtung Horror-Olymp werden.


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Good Boy (2025) Kritik

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Good Boy, USA 2025 • 73 Min • Regie: Ben Leonberg • Drehbuch: Alex Cannon, Ben Leonberg • Mit: Indy, Shane Jensen, Arielle Friedman, Larry Fessenden, Stuart Rudin, Anya Krawcheck • Kamera: Wade Grebnoe • Musik: Sam Boase-Miller • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: DCM • Kinostart: 30.10.2025 • Deutsche Website

Halloween steht vor der Tür und Horrorfans warten bereits sehnsüchtig auf frischen Genre-Nachschub für die gruselige Jahreszeit. Mit „Good Boy“ von Regisseur und Co-Autor Ben Leonberg schafft es ein ungewöhnlicher Beitrag aus dem Festival-Kreislauf pünktlich in unsere Kinos. Nicht etwa ein Mensch, sondern ein realer und außerordentlich niedlicher Nova Scotia Duck Tolling Retriever namens Indy, steht im Mittelpunkt des unheimlichen Geschehens. Man sollte sich von dem fluffigen Konzept allerdings nicht täuschen lassen, denn „Good Boy“ ist nicht etwa ein Spuk-Spaß für die ganze Familie, sondern ein ausgewachsener und atmosphärisch dichter Horrorschocker.

Der Beginn mutet noch freundlich an und wir erleben, wie der treue Vierbeiner mit seinem Herrchen Todd (Shane Jensen) auf der Couch kuschelt, während auf dem Fernseher nur noch Bildrauschen zu sehen ist. Nicht etwa Wesen aus einer anderen Dimension, wie in Tobe Hoopers Klassiker „Poltergeist“, sollen Indy schließlich aufschrecken lassen, sondern Todd, der plötzlich einen Schwall Blut hustet und von seiner Schwester Vera (Arielle Friedman) noch rechtzeitig aufgefunden wird. Später soll der offensichtlich ernsthaft kranke Todd in das abgelegene Haus seines verstorbenen Großvaters ziehen, welches neben morbiden Memorabilien, wie ausgestopften Tieren, möglicherweise auch eine böse Macht beherbergt. Zumindest Indy reagiert zunehmend nervös auf Geräusche und Bewegungen in Schatten – sollen dem Hund seine besonders ausgeprägten Sinne einen Streich spielen, oder geht in dem Anwesen wirklich etwas nicht mit rechten Dingen zu?

Ein Hund als Protagonist – das funktioniert in „Good Boy“ schonmal prächtig. Denn abgesehen von vielleicht eingefleischten Tierhassern sollten alle Kinogänger den süßen Indy (verkörpert von der gleichnamigen Fellnase ohne CGI-Einsatz!) von der ersten Einstellung an ins Herz schließen und im Verlauf mit ihm um Todd fürchten. Oder sich vor Todd fürchten: So ganz klar ist zunächst nicht, ob die beunruhigenden Vorgänge primär mit dem neuen Zuhause oder mit dem ausgelaugten und manchmal ausfallend aggressiven Herrchen zusammenhängen. Nach einer rührenden Montage zu Beginn, die das Leben des kleinen Indy bis in die Gegenwart dokumentiert, schlägt der Film einen insgesamt düsteren Ton an. Ohne tiefgehend zu spoilern: Tierliebhaber können ohne große Bedenken den Kinobesuch antreten, sollten aber besonders in Bezug auf laute Schockmomente kein allzu dünnes Nervenkostüm besitzen. Selbst als langerfahrenen Genrekenner hat mich „Good Boy“ zweimal buchstäblich im Sessel aufspringen lassen. Hinzu kommt, dass der Newcomer Leonberg sich zwar eindeutig seines verkaufsträchtigen Konzepts „Hund im Spukhaus“ bewusst ist, aber auch ein sehr gutes Gespür für eine unheilvolle und beklemmende Stimmung mitbringt (zusätzlich ist Horror-Veteran Larry Fessenden in einer Mini-Rolle zu sehen). Große Teile des Werkes spielen bei Nacht und flackernder TV-Röhre oder im muffigen Keller. Wenn es denn tagsüber in den Wald geht, warnt ein mysteriöser, vermummter Jäger vor Fallen. Die Gefahr geht also nicht nur vom vermeintlich Übersinnlichen aus.

Um das Publikum noch näher an Indy zu binden, filmt DP Wade Grebnoel vermehrt von dessen Blickwinkel. Gesichter von Personen wie Todd oder Vera sehen wir kaum oder nur kurz. Wer auf der Suche nach konventionell erzählter Kost à la „The Conjuring“ ist, könnte hier Gewöhnungsprobleme haben. „Good Boy“ ist ganz sicher kein prätentiöser Brei wie etwa Kyle Edward Balls „Skinamarink“, doch versucht sich das Werk schon an das natürliche Verhalten Indys anzupassen: Seltsamen Geräuschen oder Bewegungen geht er sofort auf den Grund, um dann doch verschreckt das Weite zu suchen. Die parallelen Erlebnisse Todds werden nicht extra für das Publikum aufbereitet – wir erfahren wirklich nur das, was der Hund zufällig oder gezwungen aufschnappt.

Schon länger werden Hunde für Aufgaben, wie etwa das Aufspüren von Drogen oder sogar Krankheiten, eingesetzt. Dies wird auch in Leonbergs Film thematisiert und Genrefans dürften letztlich nicht besonders von dem Ausgang der Geschichte überrascht werden. Hier liegt dann auch der Knackpunkt, weshalb „Good Boy“ ganz sicher ein kurzweiliges und gerade in Anbetracht des tierischen Helden involvierendes Gruselabenteuer, aber kein wirklich großer Horrorwurf geworden ist: Das Werk stellt die instinktgetriebenen Erfahrungen Indys (und möglicherweise auch dessen Träume) dar, ist auf diese Weise aber auch narrativ limitiert. Ein Tier kann schließlich nicht verbal mit Menschen kommunizieren, um Informationen einzuholen oder den empfundenen Schrecken zu teilen. Es gibt wenig Möglichkeiten, die Story komplexer auszubauen, weshalb im Grunde nur der Spuk ohne persönliche Bindung oder mit persönlicher Bindung am Ende stehen kann. „Good Boy“ schließt auf einer emotionalen Note – und das ist die richtige Entscheidung.


Wer Wauwaus und gepflegte Schocks liebt, sollte für Halloween den Kinobesuch vormerken. Nur den nun schon öfters geforderten Hunde-Oscar stelle ich in Frage – da wäre eine Portion Leckerlies sicher die passendere Wahl.


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Him – Der Größte aller Zeiten (2025) Kritik

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Him, USA 2025 • 96 Min • Regie: Justin Tipping • Drehbuch: Skip Bronkie, Zack Akers, Justin Tipping • Mit: Marlon Wayans, Tyriq Withers, Julia Fox, Tim Heidecker, Jim Jefferies • Kamera: Kira Kelly • Musik: Bobby Krlic • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 27.11.2025 • Deutsche Website

American Football als Horror-Freakshow – wer könnte diesem ungewöhnlichen Konzept widerstehen? Nicht Jordan Peele, der Justin Tippings sportlichem Schocker „Him – Der Größte aller Zeiten“ als Produzent zur Geburt verholfen hat. US-Kritiker, die Peeles eigene Regie-Arbeiten „Get Out“, „Wir“ und „Nope“ für ihre smarten Ideen in den Himmel gelobt haben, spucken nun vermehrt Gift und Galle auf dessen neues Output unter dem Monkeypaw-Banner (u.a. auch Nia DaCostas „Candyman“ und Dev Patels „Monkey Man“). Soll sich der Genre-Überflieger so sehr in dem Drehbuch von Skip Bronkie, Zack Akers und Tipping getäuscht haben oder hat die Presse die Messlatte bei der Beurteilung schlicht viel zu hoch angelegt?

„Him“ erzählt von dem aufstrebenden Quarterback Cam Cade (Tyriq Withers), der seit seiner Kindheit tief mit der brutalen Sportart verbunden ist. Nicht zuletzt, da sein fanatischer Vater ihn von Beginn an selbst auf eine solche Karriere vorbereitet hat. Cam soll einmal in die Fußstapfen seines großen Idols, der Legende Isaiah White (Marlon Wayans), treten und der „Greatest of All Time“ (kurz „GOAT“) werden. Bevor es dazu kommt, wird er von einer mysteriösen Gestalt hinterrücks niedergeschlagen und erleidet eine Schädelverletzung. Fast scheint der Traum von der großen Karriere ausgeträumt, bis Cam aus dem Nichts eine Einladung vom charismatischen Isaiah erhält, der ihn höchstselbst auf seinem abgelegenen Anwesen zum nächsten Star aufbauen will. Was im Vorfeld schon reichlich unwirklich angemutet hat, soll sich in den folgenden Tagen zu einem regelrechten Albtraum entwickeln – denn Isaiahs privates Football-Boot-Camp setzt auf mehr als bizarre Trainingsmethoden …

Gleich vorweg: Wer in „Him“ nur im Ansatz ein intelligentes Werk wie etwa „Get Out“ sucht, wird bitter enttäuscht werden. Es stellt sich recht schnell heraus, dass diese Story die Tiefe einer Pfütze hat und teils äußerst platte Symbolik bemüht. In sechs Kapiteln, die jeweils einen Tag in Cams Training erzählen und Titel wie „Spaß“ oder „Opfer“ tragen, versucht Newcomer Tipping („Kicks“) den Leidensweg eines Profisportlers bis ganz an die Spitze zu skizzieren und das Football-Geschäft als regelrechten Pakt mit dem Teufel zu präsentieren. „GOAT“ ist schließlich auch Englisch für „Ziege“ …

Isaiah hat auf seinem Höhepunkt eine schwere Knieverletzung erlitten und ist wie durch ein Wunder genesen. Nun ist er in die Jahre gekommen und sein Sportmediziner Marco (Jim Jefferies) infundiert Bestandteile von dessen Blut in das frische Talent Cam. Genre-Kenner ahnen, wohin diese Reise führt, und sie werden inhaltlich keine großen Überraschungen erleben. „Him“ ist so etwas wie die testosterongetränkte „Rosemaries Baby“-Variante für Sportsfreunde mit Marlon Wayans in der Ruth-Gordon-Rolle. Als Beilage gibt es eine dicke Portion Daddy Issues und eine Prise Fan-„Kult“.

Schade ist es schon, dass die Arbeit keinen originelleren Stoff für die sehr gut aufgelegten Hauptdarsteller parat hat. Wayans hat offensichtlich Spaß an seiner dämonischen Figur und lässt dem Irrsinn freien Lauf. Auch Tyriq Withers, der zuletzt im mauen „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“-Requel positiv herausgeragt hat, überzeugt als zunehmend irritierter Quarterback – kein Wunder, hat er doch eine tatsächliche Karriere als College-Spieler hinter sich. In amüsanten Nebenrollen sind außerdem Julia Fox als Isiahs undurchsichtige Frau Elsie, Comedian Tim Heidecker als Cams Manager Tom und Jim Jefferies als der kauzige Arzt Marco zu sehen.

Wie bereits geschrieben, scheitert „Him“ kläglich dabei, einen – abgesehen vom Setting – inhaltlich wirklich spannenden neuen Beitrag für das Horror-Genre zu leisten. Als audiovisueller Trip kann der Film dagegen voll punkten und entpuppt sich als wohl bislang stylischter Kino-Schocker des Jahres. Mit grotesken Bildern, die einem delirösen Fiebertraum entsprungen sein könnten und zum Teil an „Marilyn Manson“-Musikvideos aus den 90ern erinnern, dürfte das Werk all jene Genre-Fans prächtig unterhalten, die gerne auch mal deftige B-Ware goutieren und auf eine tiefe Botschaft verzichten können. Ich gebe zu, dass diverse Momente bei mir schlicht eine WTF-Reaktion hervorgerufen haben – nicht jede bizarre Szene scheint hier einen Sinn zu haben.

Im Grunde ist „Him“ Grindhouse-Kost im Arthouse-Gewand: Hemmungslos durchgeknallt und mit einigen heftigen Gore-Einlagen, aber ebenso experimentierfreudig und außerordentlich schick von DP Kira Kelly eingefangen. Das Design von Isaiahs Domizil ist zusätzlich eine echte Augenweide und man kann sich absolut vorstellen, dass der Leibhaftige es sich dort gut gehen lassen würde. Ein ominöser Score von Bobby Krlic („Midsommar“) begleitet die rasanten Montagen, in denen u.a. in Röntgenbildern die Athleten-Körper brutal kollidieren. Wie auch Rob Zombies „The Lords of Salem“ oder Nicolas Winding Refns „The Neon Demon“ ist „Him“ eine Übung darin, Substanz über Stil zu vermitteln. Für viele bedeutet das „prätentiös“ oder schlicht „style over substance“. In Tippings Film ist die Substanz äußerst dünn ausgefallen, doch schwimmen darin dicke Style-Brocken. Solch eine Suppe schmeckt sicher nicht jedem, doch als feurigen Mitternachtssnack sollten Horrorfreunde das kurzweilige Werk mal antesten. Das etwas lächerlich-symbolische Finale sorgt für eine ordentliche Fleischeinlage.

„Him“ verschenkt einiges an Potential, ist aber sicher nicht die Vollkatastrophe, die jetzt viele aus ihm machen wollen. Mir hat er zumindest deutlich mehr Spaß als die überwiegend wohlwollend rezipierten Gurken „The Monkey“ und „Clown in a Cornfield“ gemacht. Die Regeln von American Football muss man übrigens nicht vor der Sichtung studiert haben.


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One Battle After Another (2025) Kritik

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One Battle After Another, USA 2025 • 162 Min • Regie & Drehbuch: Paul Thomas Anderson • Mit: Leonardo DiCaprio, Sean Penn, Benicio del Toro, Regina Hall, Teyana Taylor, Chase Infiniti • Kamera: Michael Bauman • Musik: Jonny Greenwood • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Warner Bros. • Kinostart: 25.09.2025 • Deutsche Website

Paul Thomas Andersons „One Battle After Another“ ist der bislang beste Film des Kinojahres 2025. Er dürfte wohl ungeplant auch einer der kontroversesten werden. Zumindest in den USA. Seit der Ermordung des rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gespaltener denn je. Vor allem das MAGA-Lager war noch vor Identifizierung des Täters übereifrig darin, die Schuld im Demokraten-Umfeld und bei Minderheiten zu suchen. Ein 22-jähriger weißer Waffenliebhaber aus einer überzeugten Republikaner-Familie passt als Tatverdächtiger nun allerdings nicht wirklich in das vorkonstruierte Bild eines heißblütigen, linken Terroristen. Um eine revolutionäre Untergrundgruppe, die sich mit einer geheimen White-Supremacy-Organisation anlegt, geht es oberflächlich in Andersons epischem Actionthriller – und man kann nur spekulieren, wie dieses Thema besonders in den rotgefärbten Staaten ankommen wird. Zumindest Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio dürfte mit seinem Superstarstatus einen Erfolg an den Kinokassen garantieren.

Zu Beginn erleben wir, wie der von DiCaprio verkörperte Revolutionär Pat mit seinen Kameraden der French 75 an der US-mexikanischen Grenze Flüchtlinge aus einem Gefangenenlager befreit und die stationierten Aufseher einsperrt. Zu diesen Aufsehern gehört auch Col. Steven Lockjaw (Sean Penn), der an der Erniedrigung durch die toughe Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor) Gefallen findet und von dieser zu einem späteren Zeitpunkt Geschlechtsverkehr im Austausch für zwei zugedrückte Augen bei den Aktionen ihrer Gruppe einfordert. Zuvor hat Perfidia jedoch schon mit Pat ungeschützten Sex gehabt und das Paar bekommt eine Tochter. Was sich das Publikum nun fragt: Wer ist hier wirklich der Vater? Der treusorgende Pat weiss nichts von Lockjaw und übernimmt die Verantwortung für die kleine Willa, nachdem Perfidia ihn verlässt, um sich ganz dem ersehnten Umbruch hinzugeben. Ein blutig verlaufener Raubüberfall treibt Perfidia erneut in Lockjaws Klauen – diesmal muss die Tarnung der Gruppe dran glauben und Pat sieht sich gezwungen, mit Willa zu fliehen und ein neues Leben unter dem Namen Bob zu beginnen.

Sechzehn Jahre später ist Willa eine kämpferische Teenagerin (Chase Infiniti) und Pat/Bob hat sein Rebellen-Dasein fast vollständig für die Vaterrolle an den Nagel gehängt. Doch Lockjaw hat inzwischen das Angebot erhalten, einer exklusiven faschistischen Organisation beizutreten, die die Paarung mit farbigen Menschen strikt ablehnt. Sein Plan ist es also, seinen möglichen Nachwuchs zu finden und aus der Welt zu schaffen, bevor seine Leute davon Wind bekommen. Um seine Tochter vor ihm zu schützen, muss Bob sich wieder an Verfahren und Codes aus einer Zeit erinnern, die schon zu lange hinter ihm liegt …

 

„One Battle After Another“ basiert frei auf dem Roman „Vineland“ und ist die inzwischen zweite Adaption einer Thomas-Pynchon-Vorlage von Paul Thomas Anderson nach dessen wunderbarer Paranoia-Komödie „Inherent Vice“. Ähnlich wie das 2014er Werk, ist auch Andersons neue Arbeit trotz des ernsten Kontexts ein erfrischend absurdes Abenteuer voller schillernder Figuren. Tatsächlich könnte DiCaprios Bob ein naher Verwandter von dessen Rick Dalton aus Quentin Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“ sein, der ähnlich ermüdet auf die Welt blickt: Seine neue Schlacht um die Zukunft heißt „Dad sein“. Die Newcomerin Chase Infiniti hinterlässt als aufmüpfige Willa einen starken Eindruck und Benicio del Toro als wortkarger und ständig Bier trinkender Sensei Sergio St. Carlos sorgt für die amüsantesten Momente. Der heimliche Star des Films ist allerdings der zweifache Oscar-Preisträger Sean Penn („Mystic River“), der als eiskalter und machtgieriger Psychopath die schlichte Auswertung eines Vaterschaftstests in einen eindringlichen Spannungshöhepunkt verwandelt. Eine weitere Nominierung für den Goldjungen als Bester Nebendarsteller ist mehr als wahrscheinlich.

Im Kern verhandelt „One Battle After Another“ seinen Krieg zwischen Rebellen und Faschisten als schwarzhumoriges Familiendrama. Da ist der einstige Revolutionär, der beim Anblick des neugeborenen Lebens erkennt, dass seine Bestimmung nicht unbedingt im bewaffneten Widerstand liegt. Da ist der radikale Rassist, dessen überzeugte Ablehnung einer anderen Hautfarbe nur so weit trägt, bis sein Glied die Steuerung übernimmt. Beide halten sich für Väter – doch während Bob sich sicher ist und für seine Tochter sein Leben aufs Spiel setzt, befürchtet der nur auf seine Position fixierte Lockjaw die Vaterschaft und geht für sein Ziel über Leichen. Liebe und Hass stehen sich hier persönlich gegenüber und Andersons Film führt genial vor Augen, dass dem chaotischen und unversöhnlich scheinenden Zustand der US-Gesellschaft auch immer ein sehr intimer Konflikt innewohnt. Daran, dass Lockjaw und sein buchstäblich aus dem Keller operierender Club aus alten und verbitterten weißen Männern die Antagonisten sind, lässt Paul Thomas Anderson keinen Zweifel. Erfrischend durch den Kakao zieht der Regisseur allerdings auch die Untergrund-Rebellen, etwa wenn die Abfrage von Codes bürokratische Züge annimmt, obwohl die Zeit bedrohlich rennt. Und auch die Figur von Perfidia kommt mit ihren extremen Zügen nicht gut weg. Nicht nur klebt unschuldiges Blut an ihren Händen, auch lässt sie ihr junges Kind für einen höher empfundenen Plan komplett im Stich und muss letztlich mit ihrer Reue leben.

Inszenatorisch ist „One Battle After Another“ ein weiterer großer Triumph Andersons, der bei den nächsten Academy Awards ganz sicher eine prominente Position einnehmen wird. Ohne Zweifel ist dies dessen bislang actionreichste Arbeit, wenn hier auch eher eine Action der alten, handgemachten Schule gemeint ist. Der Film bleibt mit seiner rund 160-minütigen Laufzeit ständig im Fluss und bietet Spannungskino der besonders raffinierten Art. DP Michael Bauman, der bereits bei „Licorice Pizza“ mit Anderson zusammengearbeitet hat, hat „One Battle After Another“ mit VistaVision-Kameras eingefangen und präsentiert spektakuläre wie einzigartige Bilder. Die Verfolgungsjagd auf einer hügeligen Landstraße wird zu einem hypnotischen Mini-Kunstwerk, begleitet von Jonny Greenwoods treibend-perkussivem Score.

„There Will Be Blood“ bleibt Paul Thomas Andersons großes Meisterwerk, doch „One Battle After Another“ schließt sich diesem direkt an. Ein explosiver und manchmal urkomischer Molotow-Cocktail für die ganz große Leinwand, der am Ende hoffentlich viele Menschen im Kino zusammenführt und danach zivilisiert diskutieren lässt. Ohne Zynismus und mit viel Herz zeigt der Film, dass Akzeptanz nicht von der Herkunft abhängt.


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Weapons – Die Stunde des Verschwindens (2025) Kritik

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Weapons (2025) Filmkritik

Weapons, USA 2025 • 128 Min • Regie & Drehbuch: Zach Cregger • Mit: Josh Brolin, Julia Garner, Alden Ehrenreich, Benedict Wong, Austin Abrams, Amy Madigan, Cary Christopher • Kamera: Larkin Seiple • Musik: Ryan Holladay, Hays Holladay, Zach Cregger • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Warner Bros. • Kinostart: 07.08.2025 • Deutsche Website

Wie schon sein oscarprämierter Kollege Jordan Peele zuvor, hat auch Zach Cregger vor drei Jahren mit „Barbarian“ den Sprung vom Comedy- ins Horrorfach gewagt und mit seinem Einstand einen beachtlichen Box-Office-Erfolg vorgelegt. Als ebenso verschachtelt, aber noch deutlich ambitionierter, präsentiert sich der mit ordentlich Vorschusslorbeeren bedachte Nachfolger „Weapons – Die Stunde des Verschwindens“, der dem Regisseur und Drehbuchautoren zugleich einen millionenschweren Coup mit dem Studio New Line Cinema eingebracht hat. In dem Genre-Epos beschränkt sich Cregger diesmal nicht auf den Schrecken einer Airbnb-Unterkunft, sondern weitet sein Mysterium über eine beschauliche US-Kleinstadt aus.

Weapons (2025) Filmbild 1

Eine Kinderstimme fasst die Geschichte gleich zu Beginn rückblickend zusammen: Um exakt 2:17 Uhr nachts sind siebzehn Kinder einer Schulklasse ohne Hinweise auf ihren Verbleib in der Dunkelheit verschwunden. Groteske Todesfälle folgten. Die örtliche Polizei hat die letztliche Aufklärung vor Scham nie öffentlich gemacht, doch kann man die Wahrheit erfahren, wenn man die Einwohner Maybrooks befragt.

In sechs Kapiteln und von jeweils anderem Blickwinkel betrachtet, breitet Zach Cregger sein unheimliches Geheimnis aus. Da ist zunächst die neue Lehrerin Justine (Julia Garner), aus deren Klasse alle verschwundenen Kinder stammen, und die sich einer modernen Hexenjagd von Seiten der aufgebrachten Eltern ausgeliefert sieht. Zu diesen Eltern gehört der Vater Archer (Josh Brolin), der nicht recht wahrhaben will, dass Justine nicht mehr über die Vorfälle weiss und schließlich eigene Ermittlungen anstellt. Auch der Polizist Paul (Alden Ehrenreich), der Ex-Freund der Lehrerin, bekommt neben dem Schuldirektor Andrew (Benedict Wong), dem drogenabhängigen Einbrecher James (Austin Abrams) und Alex (Cary Christopher), dem einzig übriggebliebenen Schüler von Justine, einen eigenen Eintrag in dieser Chronik des Unheils spendiert.

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Wie schon in „Barbarian“, spielt Zach Cregger genüsslich mit der Struktur seiner Arbeit und führt das Publikum langsam aber stetig zum Ursprung des Grauens. Kryptische Zeichen, wirre Albtraumlandschaften sowie immer wieder die beunruhigenden Kameraaufnahmen der in die Nacht stürmenden Kinder deuten einen Horror an, der sich lange nicht konkret fassen lässt. In Gestalt von Justine und Archer bemühen sich zwei der Charaktere, der Lösung selbst auf die Spur zu kommen. Mit seinem investigativen Ansatz und einem Fokus auf die Figuren-Dynamik, ruft „Weapons“ dabei durchaus Erinnerungen an Denis Villeneuves Thriller „Prisoners“ hervor, in dem ebenfalls Eltern das Verschwinden ihrer Kinder auf eigene Faust aufzuklären versuchten. Und wie dort, gerät auch in Creggers hochspannendem Schocker ein Charakter ins Visier von vermeintlich rechtschaffenen Bürgern.

Das Wort „Hexe“ steht groß auf Justines Auto geschmiert – doch sind wir uns bei der eingeschüchterten Lehrerin ziemlich sicher, dass diese trotz problematischer Vergangenheit nichts mit den Vorfällen zu tun hat. Stecken Aliens, Vampire oder vielleicht gar ein satanischer Kult hinter dem Mysterium, das die kleine Gemeinde nachhaltig vergiftet? Tatsächlich ist die abschließende Erklärung gar nicht so bahnbrechend neu und sticht bereits früh – wenn auch unbedacht – ins Auge. Der Zauber von Creggers Schauermärchen besteht viel mehr darin, mit den wunderbar lebhaften Figuren um des Pudels Kern zu kreisen und dabei einen Einblick in deren Mikrokosmos zu erhalten.

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Während das Haus in „Barbarian“ einen Eisberg der Misogynie darstellte und der Film klar die MeToo-Thematik aufgegriffen hat, zeichnet Cregger im Nachfolger ein (Kleinstadt-)Bild der aktuellen USA. So steht die junge, moderne Frau zunächst dem engstirnigen weißen Mann gegenüber. Der nicht sonderlich motivierte Polizist lässt seine aufgestaute Wut an einem unschuldigen Häftling aus. Und abseits der schicken Einfamilienhäuser lauern ebenso Armut, Elend und Hoffnungslosigkeit. Doch auch wenn wir die von Julia Garner sehr verletzlich dargestellte Justine zu Beginn als klare Identifikationsfigur wahrnehmen, stellen wir bald fest, dass auch der von Josh Brolin eher schroff verkörperte Archer gar kein so übler Typ ist und lediglich unter einem enormen Stress steht. Zach Cregger macht keinen stumpfen Kulturkampf auf, sondern zeigt Charaktere mit sowohl positiven Eigenschaften als auch Makeln. Die Wege der sehr unterschiedlichen Figuren kreuzen sich im Verlauf und ihre kleinen Geschichten laufen zu einem wilden und reichlich blutigen Finale zusammen, bei dem Horrorfans entzückt aufschreien dürfen.

Wenn das Böse schließlich sein wahres Gesicht zeigt, spielen eine von Mächten beeinflusste Gesellschaft und die Verantwortung gegenüber der jungen Generation eine Rolle. Trotz diverser Grand-Guignol-Einlagen, kommt „Weapons“ hier inhaltlich Kiyoshi Kurosawas intelligentem Meisterwerk „Cure“ näher, als einem suburbanen Gruselstoff aus der Feder Stephen Kings. Ein nicht explizit erklärtes Bild aus einer Traumsequenz brennt sich vielleicht besonders stark ein: Eines der Kinder läuft in einer Haltung, die spielerisch an ein Flugzeug erinnert, auf ein Gebäude zu, während am Nachthimmel ein riesiges Maschinengewehr schwebt. Was genau sind die titelgebenden Waffen? Archer liefert im Verlauf eine mögliche Erklärung. Es geht um Manipulation. Um die Manipulation von vor allem der kindlichen Altersgruppe. Wenn man allein einen Blick ins eigene Land wirft und feststellen muss, mit welcher Perfidie junge Menschen in sogar öffentlich-rechtlichen Medien auf die zunehmende Kriegstüchtigkeit vorbereitet werden sollen, läuft einem der kalte Schauer ganz ohne Genre-Zugabe über den Rücken …

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Doch „Weapons“ ist kein pessimistischer Downer, sondern wagt trotz all der Gänsehaut erzeugenden Zutaten zum Schluss einen wütenden, befreienden Aufschrei. Zach Cregger hat mit seiner erfrischend schwarzhumorigen und maximal intensiven neuen Kreation ein Werk nachgelegt, das in einer Reihe mit den modernen Großtaten „The Witch“, „Wir“ und „Midsommar“ stehen kann. Einen originelleren und packenderen Horrorfilm wird man 2025 kaum zu Gesicht bekommen.


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Superman (2025) Kritik

Superman (2025) Filmkritik

Superman, USA 2025 • 129 Min • Regie: James Gunn • Mit: David Corenswet, Rachel Brosnahan, Nicholas Hoult, Nathan Fillion, Isabela Merced, Edi Gathegi, Anthony Carrigan, María Gabriela de Faría, Wendell Pierce, Sara Sampaio, Skyler Gisondo  • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 10.07.2025 • Deutsche Website

Handlung

Seit drei Jahrhunderten existieren Metawesen mit besonderen Superkräften auf der Erde. Der mächtigste von ihnen ist Superman (David Corenswet), der vor 30 Jahren als Baby von einem anderen Planeten auf die Erde kam und ein Doppelleben als Daily-Planet-Reporter Clark Kent führt. Vor drei Jahren offenbarte sich Superman der Menschheit und versteht sich als ihr Beschützer, doch seine gut gemeinten Heldentaten polarisieren die öffentliche Wahrnehmung im Zeitalter der sozialen Medien. Als Superman den Angriff des US-amerikanischen Verbündeten Boravia auf sein schwächeres Nachbarland Jarhanpur stoppt, gerät er in die Kritik für seinen eigenmächtigen Eingriff in einen geopolitischen Konflikt. Kurz darauf terrorisiert ein geheimnisvoller Schurke in einem mechanischen Bodysuit, der sich als Hammer of Boravia bezeichnet, Metropolis, und bezwingt sogar Superman im Zweikampf, indem er jede seiner Bewegungen vorauszuahnen scheint und entsprechend kontert. Mit knapper Not rettet sich der schwerverletzte Superheld in seine Festung der Einsamkeit in der Antarktis, wo er sich dank der Kraft der Sonne wieder erholt, bevor er sich zurück in den Kampf stürzt. Er ahnt nicht, dass hinter dem vermeintlichen Rächer Boravias der skrupellose Multimilliardär Lex Luthor (Nicholas Hoult) steckt, der einen Groll gegen Superman hegt und sowohl die Öffentlichkeit als auch die US-Regierung gegen ihn aufstachelt. Luthor hat einen perfiden Plan ausgeheckt, um Superman aus dem Verkehr zu ziehen, doch er hat die Rechnung ohne Supermans Freundin Lois Lane (Rachel Brosnahan) und seine Superhelden-Kollegen Green Lantern (Nathan Fillion), Mr. Terrific (Edi Gathegi) und Hawkgirl (Isabela Merced) gemacht.

Kritik

Eine Texttafel zu Beginn von James Gunns Superman erklärt, dass Wesen mit außergewöhnlichen Superkräften, sogenannte Metamenschen, vor drei Jahrhunderten auf der Erde in Erscheinung traten und eine Ära von Göttern und Monstern einläuteten. "Gods and Monsters" lautet auch die offizielle Bezeichnung für das erste Kapitel des rebooteten DC-Film- und Serienuniversums und trifft den Kern dessen, was Comic-Superhelden im Grunde sind. Ob DC oder Marvel: Die vielfältigen Welten der US-amerikanischen Comics sind letztlich nichts anderes als eine moderne Version der griechischen Mythologie. Gerade hier in Europa wurden US-Comics lange Zeit als bunte Heftchen für Kinder belächelt und abgewertet. Dabei ist ihre kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung nicht von der Hand zu weisen, wie zumindest jeder wissen sollte, der die Marvel-Ausstellung in Köln dieses Jahr besuchte. Comichelden sind ein essentielles US-amerikanisches Kulturgut, und kein Superheld – nicht einmal Captain America – repräsentiert es so sehr wie Superman. Er ist ein Fremder, der in die USA kam und von einem Farmer-Ehepaar aufgenommen wurde. Er wuchs im Herzen der USA in Kansas auf, wo er von seinen arbeitsamen, moralisch aufrechten Adoptiveltern die US-amerikanischen Werte lernte und verinnerlichte. "Wahrheit, Gerechtigkeit und die amerikanische Lebensart", lautet Supermans offizielles Motto.

Superman (2025) Filmbild 1Von diesen Idealen kann die Realität aktuell leider kaum weiter entfernt sein, und es ist unschwer zu erkennen, weshalb ein Charakter, der sie vertritt, aus der Mode ging. Seit über vier Jahrzehnten hat Superman trotz seines sehr hohen Wiedererkennungswerts Schwierigkeiten, wieder Fuß im Kino zu fassen. Superman Returns, Bryan Singers nostalgische Hommage an Richard Donners Superman-Film, wurde 2006 vom Publikum abgelehnt. Mit Man of Steel folgte 2013 ein Versuch, sich dem von Christopher Nolans Dark-Knight-Trilogie geprägten Zeitgeist anzupassen. Zack Snyders humorloser, visuell bombastischer Film war kommerziell deutlich erfolgreicher, in seiner Abkehr vom Optimismus und Idealismus seiner Hauptfigur aber auch polarisierend. Henry Cavill war ein fantastisch besetzter Superman, der jedoch leider nie einen Film erhielt, in dem er seinem Potenzial auch gerecht werden konnte.

Als Warner Bros. angekündigt hat, das DCU mit einem Superman-Film neu zu starten, gingen viele Augenbrauen skeptisch in die Höhe. Hat ein unfehlbarer, allmächtiger, positiver Superheld wie Superman überhaupt Platz in der heutigen gespaltenen, desillusionierten Gesellschaft? Nicht umsonst waren in den letzten Jahren die Geschichten über bösartige Superman-Versionen wie Homelander in "The Boys" und Omni-Man in "Invincible" deutlich beliebter als der eigentliche Mann aus Stahl.

Superman (2025) Filmbild 2Der Herausforderung, Superman wieder salonfähig und zeitgemäß zu machen, stellte sich James Gunn, der mit Guardians of the Galaxy eine der originellsten Marvel-Verfilmungen überhaupt inszenierte und dessen The Suicide Squad einer der Höhepunkte des DCEU war. Doch statt Superman selbst neu zu erfinden, bleibt Gunn den idealistischen, herzensguten Wurzeln des Charakters treu und bringt ihn in die komplexere Welt von heute. Auf diese Weise gelingt ihm – zumindest über weite Strecken – der Spagat zwischen der Zeitlosigkeit von Supermans Werten und der Schwierigkeit, sie in unserer Zeit zu leben. Der neue Superman-Film scheut sich nicht davor, der realen Welt den Spiegel vorzuhalten, wenn ein osteuropäisches Land darin seinen Nachbarn unter dem Vorwand, es von der Tyrannei der eigenen Regierung zu befreien, angreift oder Lex Luthor eine Armee von Affen züchtet, die im Internet Stimmung gegen Superman machen.

Superman (2025) Filmbild 3Ja, Subtilität ist definitiv keine Stärke des Films, und einige Themen, die er anreißt – wie Supermans eigenmächtige Einmischung in bewaffnete Konflikte – sind nicht bis zum Ende durchdacht. Auch mit der fragwürdigen Darstellung der armen Bevölkerung von Jarhanpur, die sich an der Landesgrenze mit Äxten und Mistgabeln bewaffnet der bestens ausgerüsteten Armee Boravias entgegenstellt, tut sich der Film keinen Gefallen. Doch er trägt sein Herz am rechten Fleck und zeigt Superman wieder als Hoffnungsträger, der von seinen Idealen und Überzeugungen nicht abrückt, auch wenn die Welt um ihn herum ihn vom Gegenteil überzeugen will. Wurden beim zerstörerischen finalen Showdown zwischen Superman und Zod in Man of Steel massive Kollateralschäden in Kauf genommen, zeigt der neue Superman größten Respekt vor jedem Leben – seien es Menschen, Hunde, Eichhörnchen (!) oder sogar ein riesiges intergalaktisches Monster. Leben zu retten hat für diesen Superman den absoluten Vorrang.

Trotz hochaktueller Themen im Hintergrund positioniert sich das neueste Filmabenteuer des strahlenden Superhelden im eindeutigen Kontrast zur farblosen, deprimierenden Welt von Snyders Filmen und verzichtet auf deren epische Wucht und Pathos zugunsten comichafter Action und sympathischer Figurenzeichnung. Ein Superheldenfilm steht und fällt natürlich mit der Besetzung seiner Hauptfigur, und mit David Corenswet landete Gunn einen Volltreffer. Mit kantigem Kinn, breiten Schultern und geschwollener Brust erfüllt er die körperlichen Voraussetzungen der Rolle, doch es ist die kindliche Unschuld, die er ausstrahlt, und die Verletzlichkeit, die er angesichts der Hetzkampagne gegen ihn und einer Enthüllung über seine Herkunft, die in der Fangemeinde sicherlich kontrovers aufgenommen werden wird, zur Schau stellt, die seinen Superman menschlicher und nahbarer macht, als wir ihn seit Langem gesehen haben. Dieser Superman macht Fehler, wird verdroschen, doch er richtet sich immer auf und macht weiter.

Superman (2025) Filmbild 4Ein Held braucht natürlich einen Gegenspieler, und Nicholas Hoult erfüllt die Rolle als Supermans Erzfeind Lex Luthor mit viel Spaß an der Schadenfreude. Dass Hoult moralisch verwerfliche Charaktere sehr überzeugend spielen kann, zeigte er bereits in "The Great", The Menu und als Neonazi-Anführer in The Order. Sein Lex Luthor ist ein kleinlicher, kaltblütiger Tyrann, der seine Mitarbeiter schikaniert und seine Ex-Freundinnen in einem interdimensionalen Gefängnis einsperrt. Viel Tiefe bekommt er in dem Film leider nicht, macht es aber einem wirklich leicht, ihn zu hassen. Wenn man sich seine Performance anschaut, ist es nur schwer vorzustellen, dass er sich auch auf die Superman-Rolle bewarb und neben Corenswet in die finale Auswahl kam.

Die dritte im Bunde der ikonischen Superman-Figuren ist natürlich Lois Lane, die hier mit viel Pep von der wundervollen "The Marvelous Mrs. Maisel"-Darstellerin Rachel Brosnahan verkörpert wird. Brosnahan und Corenswet haben tolle Chemie in ihren gemeinsamen Szenen, sind aber über weite Strecken im Film leider voneinander getrennt, sodass man auf mehr Interaktionen im unvermeidlichen Sequel hoffen darf.

Superman (2025) Filmbild 5Auch das restliche Ensemble des Films ist durch die Bank toll besetzt. Anthony Carrigan und Gunns Stammdarsteller Nathan Fillion stechen als Superhelden Metamorpho und der arrogante Green Lantern Guy Gardner aus dem Cast heraus, während Supermodel Sara Sampaio in ihrer bislang größten Rolle als Luthors leidgeplagte Freundin Eve Teschmacher die größte positive Überraschung ist. Es ist jedoch eine Comicfigur, die noch nie in einem Realfilm oder in einer Realserie zu sehen war, die hier locker die Show stiehlt: der unbändige Super-Hund Krypto, der garantiert die Herzen der Kinogänger:innen erobern wird.

Dass Gunn darauf verzichtet, die Ursprungsgeschichte von Superman im Film neu aufzurollen, sondern das Publikum in eine Welt katapultiert, in der Superhelden bereits gang und gäbe sind, ist einerseits erfrischend, andererseits wirkt der Film durch die Vielzahl der im Schnelltempo eingeführten Comiccharaktere, Easter Eggs und Science-Fiction-Konzepte stellenweise überfrachtet. Die zahlreichen CGI-lastigen Actionszenen schwanken zwischen spektakulär und ermüdend, bleiben aber immer dem farbenfrohen Tenor einer Samstagmorgen-Zeichentrickserie treu. Den anarchischen Humor seiner bisherigen Comicverfilmungen lässt Gunn in Superman nur sporadisch durchblitzen und nimmt seine Figuren sehr ernst, vergisst aber auch nie, dass er hier nicht Dostojewski verfilmt, sondern Comics über ein fliegendes Alien mit Röntgenblick, der Monster verkloppt.

Superman (2025) Filmbild 6James Gunns Superman ist weder das von Snyder- und Cavill-Fanatikern befürchtete (bzw. herbeigesehnte) Fiasko, noch ist es ein revolutionärer Paukenschlag im Superhelden-Genre. Gunn ist sich der Ikonografie seines Titelcharakters bestens bewusst, zollt ihr gebührenden Respekt und setzt bei seiner Wiedergeburt im Kino auf Tradition statt Innovation. Das funktioniert besser als bei jedem anderen Superman-Film der letzten 45 Jahre, wobei die Messlatte auch nicht hoch lag.

Fazit

Ein (Super)Mann und sein Hund: James Gunns Superman wandelt größtenteils erfolgreich auf einem sehr schmalen Grat zwischen comichafter Albernheit und großem Respekt für die Bedeutung seiner Titelfigur und wofür sie steht. Statt zu versuchen, Superman für die heutige Generation neu zu erfinden, besinnt sich der Film auf die zeitlosen Qualitäten des von David Corenswet perfekt verkörperten Superhelden. Dank seiner zahlreichen Seitenhiebe auf reale Weltgeschehnisse und die Macht der sozialen Medien hat der Film dennoch einen Finger am Puls der Zeit, macht dabei aber auch einige Fässer auf, die er nicht ausreichend adressiert. Von der inflationären Masse der CGI-durchtränkten Superhelden-Spektakel hebt sich Superman letztlich nur unwesentlich ab.

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Jurassic World: Die Wiedergeburt – Verlosung zum Kinostart des neuen Dino-Abenteuers

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Jurassic World Die Wiedergeburt Verlosung
© 2025 Universal Pictures

Die Dinos sind wieder los!

Die vor 65 Millionen Jahren ausgestorbenen Urzeitechsen faszinieren seit jeher die Menschen, doch es war erst Steven Spielberg, der sie 1993 in der bahnbrechenden Romanverfilmung Jurassic Park so zum Leben erweckte, wie man sie noch nie zuvor im Kino gesehen hat. Jurassic Park ist ein nahezu perfekter Sommer-Blockbuster und immer noch der umsatzstärkste Film in der langen Filmografie des Regisseurs. Bis 2022 wurden fünf Fortsetzungen zu Jurassic Park produziert und der Erfolg spricht für sich: Die ersten sechs Filme haben zusammengerechnet rund sechs Milliarden US-Dollar eingespielt. Bis auf die Avengers und James Camerons Avatar-Filme kann kein anderes Franchise einen so hohen Umsatzschnitt pro Film aufweisen. Die Jurassic-Reihe hat die Wahrnehmung der Dinosaurier unter den Kinogänger:innen dermaßen geprägt, dass sie im Prinzip das Monopol auf Realdarstellungen der Dinos im Kino hält.

Auch drei Jahrzehnte nach dem ersten Jurassic Park hat die Beliebtheit der Dinosaurier nicht nachgelassen und seit gestern läuft das siebte Abenteuer aus dem Jurassic-Universum in den deutschen Kinos, das einerseits zu den Anfängen der Reihe zurückgeht und zugleich ein neues Kapitel im Franchise aufschlägt. In Jurassic World: Die Wiedergeburt geht Marvel-Star Scarlett Johansson unter der Regie von Gareth Edwards (Rogue One: A Star Wars Story) auf einer entlegenen Insel auf die Jagd nach Dino-DNA und bekommt dabei Unterstützung von "Bridgerton"-Star Jonathan Bailey und dem zweifachen Oscargewinner Mahershala Ali (Moonlight). Für das Drehbuch zeichnete sich diesmal David Koepp verantwortlich, der schon die ersten beiden, von Spielberg inszenierten Teile schrieb. Spielberg kehrt, wie gewohnt, in der Rolle des ausführenden Produzenten zurück.

Zum Kinostart des neuen Films haben wir mit freundlicher Unterstützung von Universal Pictures Germany ein kleines Fanpaket für Euch zusammengestellt, das sich aus einem Baseball Cap mit Filmlogo (siehe Abbildung unten) und zwei bundesweit einsetzbaren Kinofreikarten zusammensetzt.

Jurassic World Die Wiedergeburt Verlosung CapUm am Gewinnspiel teilzunehmen, müsst Ihr uns lediglich eine Frage beantworten:

Unter welchem deutschen Titel ist Michael Crichtons Romanvorlage zum ersten Jurassic-Park-Film hierzulande erschienen?

Schickt Eure Antwort mit Eurem vollständigen Namen und Eurer E-Mail-Adresse an gewinnspiel @ filmfutter.com (ohne die Leerzeichen) mit dem Betreff: "Jurassic Gewinnspiel"

Teilnahmeschluss ist am 8. Juli um 23:59 Uhr

Nach dem Ablauf des Gewinnspiels werden wir die Gewinner:innen sofort benachrichtigen. Teilnahmeberechtigt sind nur volljährige Personen mit Wohnsitz in Deutschland. Es ist nur eine Teilnahme pro Person möglich. Unvollständige Bewerbungen können leider nicht berücksichtigt werden. Die Mitarbeiter von FILMFUTTER sind von der Verlosung ausgeschlossen.

Offizieller Inhalt:

"Seit den Ereignissen auf Isla Nublar teilen sich Dinosaurier die Welt mit den Menschen. Fünf Jahre später hat sich die Ökologie des Planeten allerdings stark verändert und die Dinosaurier sind gezwungen, sich in isolierte äquatoriale Umgebungen zurückzuziehen.

Angeführt von Superstar Scarlett Johansson (Marvel Cinematic Universe, Lucy), dem Emmy- und SAG-Nominierten Jonathan Bailey (Wicked, Bridgerton) und dem zweifachen Oscar®-Preisträger Mahershala Ali (Green Book – Eine besondere Freundschaft) begibt sich ein unerschrockenes Expertenteam in streng geheimer Mission zu einer entlegenen Insel.

Ziel ist es, für ein bahnbrechendes Heilmittel genetisches Material aus den größten Kolossen zu Land, zu Wasser und in der Luft zu extrahieren. Doch überschneidet sich die Operation mit dem Schicksal einer Familie, deren Boot von angreifenden Wassersauriern zum Kentern gebracht wurde. Gemeinsam stranden sie auf einer verbotenen Insel, die einst eine geheime Jurassic-Park-Forschungseinrichtung beherbergte und damit auch die gefährlichsten der gefährlichen Dinosaurier. In diesem Gebiet werden sie mit einem düsteren, schockierenden Geheimnis konfrontiert, das seit Jahrzehnten vor der Welt verborgen blieb."

© 2025 Universal Pictures Germany

Bring Her Back (2025) Kritik

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Bring Her Back, AUS 2025 • 106 Min • Regie: Danny Philippou, Michael Philippou • Drehbuch: Danny Philippou, Bill Hinzman • Mit: Sally Hawkins, Billy Barratt, Sora Wong, Jonah Wren Phillips, Sally-Anne Upton • Kamera: Aaron McLisky • Musik: Cornel Wilczek • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Sony Pictures • Kinostart: 14.08.2025 • Deutsche Website

Das Thema „Trauer“ nimmt häufig einen zentralen Platz im Horrorgenre ein. Der Verlust von geliebten Angehörigen setzt viele Schaudergeschichten überhaupt erst in Gang. Literarische Beispiele sind etwa William Wymark Jacobs' Kurzerzählung „Die Affenpfote“ oder Stephen Kings Kultroman „Friedhof der Kuscheltiere“. Im Kino hat Ari Aster mit „Hereditary“ auf meisterhafte Weise den inneren Tumult nach einer Familientragödie mit einer dämonischen Verschwörung verwoben und jüngst hat auch Body-Horror-Urgestein David Cronenberg in seinem Techno-Thriller „The Shrouds“ die Thematik sehr eigenwillig aufgegriffen.

In ihrem Überraschungshit „Talk to Me“ haben die australischen Zwillingsbrüder Danny und Michael Philippou (durch ihren Youtube-Kanal besser als RackaRacka bekannt) bereits ihre Heldin Mia ein morbides Artefakt nutzen lassen, damit diese noch einmal mit ihrer verstobenen Mutter in Kontakt treten konnte. Wie so oft, nahm auch diese Geschichte kein gutes Ende. Im Nachfolger „Bring Her Back“ bleiben die hyperaktiven Jungregisseure der Trauerverarbeitung treu, drehen den schrillen und wilden Ton ihres Debüts aber spürbar zurück und präsentieren einen reichlich klaustrophobischen Schocker. Wer „Talk to Me“ vor allem für die ungezügelte Energie geliebt hat, könnte von dem vergleichsweise schleichenden Aufbau der neuen Arbeit enttäuscht sein. Was ausdrücklich nicht bedeutet, dass darin der Horror zu kurz kommt. Im Gegenteil.

„Dies ist kein Kult“ teilt zu Beginn ein Schriftzug kryptisch mit, bevor wir in beunruhigenden Bildern Zeugen eines mysteriösen Rituals werden. Oder zumindest von etwas, das sehr stark wie ein Ritual anmutet. Nach diesem Auftakt lernen wir direkt die jungen Protagonisten des Films kennen. Die Stiefgeschwister Piper (Sora Wong) und Andy (Billy Barratt) finden ihren Vater tot in der Dusche auf, doch noch bevor der Schock sich gelegt hat und der Erzeuger unter der Erde ist, werden die beiden der Pflegemutter Laura (Sally Hawkins) zugewiesen. Zumindest bis Andy die baldige Volljährigkeit erreicht hat und dann selbst die Erziehungsberechtigung für die sehbehinderte Piper erhalten kann. Andy ist ein Troublemaker, doch das scheint nicht der eigentliche Grund zu sein, warum er der oberflächlich etwas zu herzlichen Laura spürbar ein Dorn im Auge ist.

Neben einer Katze und einem ausgestopften Hund beherbergt das neue, reichlich abgelegene Heim noch ein weiteres Kind: An dem stummen und intensiv starrenden Oliver (Jonah Wren Phillips) ist irgendetwas sehr sonderbar und unheimlich. Wenn er sich etwa den felinen Streuner schnappt und mit diesem aggressiv im leeren Gartenpool hantiert, kommt einem vielleicht eine Schreckensversion von Kuschelalien „Alf“ in den Sinn. Das Anwesen ist außerdem vollständig von einem Kalkkreis umgeben und wie wir bald erfahren, hat auch Laura vor nicht allzu langer Zeit einen schweren Verlust erlitten, als ihre blinde Tochter Cathy in besagtem Pool ertrunken ist. Unter der überfreundlichen Fassade scheint die Ziehmutter nicht nur mit ihren Nerven am Ende zu sein, auch kommt sie bisweilen reichlich creepy rüber. Etwa wenn sie Andy auf der Beerdigung auffordert, den Mund der väterlichen Leiche zu küssen, damit die Seele den Körper verlassen könne. Zusammen mit Oliver schaut Laura nachts Videos, die das Ritual vom Anfang zeigen. Dass hier so einiges nicht mit rechten Dingen vorgeht und sie in großer Gefahr schweben, wird Piper und Andy viel zu spät klar …

„Bring Her Back“ baut langsam aber stetig Unbehagen auf. So beginnen die Philippous ihre düstere Geschichte bei trügerischem Sonnenschein und lassen das Geschehen im Verlauf bei zunehmend tristem Regenwetter stattfinden. Wasser ist, ähnlich wie in der J-Horror-Reihe „Ringu“, das Element, das hier eine große Rolle spielt. Unangenehm wird es nicht nur draußen, auch die ständig beschlagenen Fensterscheiben erzeugen in dem isolierten und engen Haus ein zusätzliches Gefühl der Beklemmung. Piper kann nur Licht und Schatten wahrnehmen und in Bezug auf ihre Figur nutzen die Regisseure diese Einschränkung außerdem, um auch dem Publikum Details vorzuenthalten. Es gibt eine lebendige Party nach der Beerdigung von Pipers und Andys Vater, doch ansonsten bleibt das Werk in seiner ersten Hälfte – im Gegensatz zum hyperkinetischen „Talk to Me“ – weitgend ruhig und vertraut auf das insgesamt subtile aber durchgehend großartige Spiel des Hauptcasts.

Oscar-Nominee Sally Hawkins („The Shape of Water“) verleiht Laura eine undurchsichtige Mischung aus Wärme und Verzweiflung, in die zunehmend mehr Hinterhältigkeit und purer Wahnsinn fließen. Der britische Jungschauspieler Billy Barratt („Responsible Child“) zeigt Andy als nach außen stark auftretenden aber innerlich verletzlichen Teenager, der unter den gegebenen Umständen zu früh Erwachsen werden muss, während sich sein Co-Star Sora Wong als Piper nicht von ihrer Behinderung geschlagen gibt (die Newcomerin ist tatsächlich mit schwerer Mikrophthalmie zur Welt gekommen) und letztlich im Mittelpunkt der Handlung steht. Nicht unterschlagen sollte man den speziellen Part, den Jonah Wren Phillips als Oliver einnimmt – der viszerale Horrorfaktor wird weitgehend von seiner lauernden Performance bestimmt.

Dies ist kein Film, in dessen Verlauf viele weitere Figuren zur Story stoßen. Die Spannung zwischen Laura, Andy, Piper und Oliver schaukelt sich hoch, bis „Bring Her Back“ urplötzlich in einer expliziten Gewalteruption mündet, die den heftigen Vorgänger noch übersteigt. Der Film mutiert zwar nicht zum absoluten Blutbad, aber die gezeigten Verstümmelungen (insbesondere im Mundbereich) könnten einem zartbesaiteten Publikum zu viel sein. Und zugegeben: Einige dieser Szenen sind unnötig drastisch und einfach nur dazu da, um zu schockieren und zu ekeln. Schließlich war das australische Genrekino (oder besser: Ozploitation) selten zimperlich. Die geduldigen Gorehounds wird’s freuen.

Auch wenn den Philippou-Brüdern noch die inszenatorische Klasse eines Ari Asters fehlt und ihr Stoff nicht ganz so tief wie vermutlich gewünscht reicht, ist es ein mutiger Schritt, mit einem deutlich intimeren Nachfolger auf ein derart hippes und rastloses Erstwerk zu antworten. Während „Talk to Me“ mehr „Tanz der Teufel“ war, kommt „Bring Her Back“ mit seinem gothischen Ansatz dem bereits erwähnten „Friedhof der Kuscheltiere“ (und seinen Adaptionen) näher. Lediglich eine Prise pechschwarzem Humors hebt leicht die erdrückende Stimmung. Wer sich im Genre auskennt, wird vom Plot vermutlich nicht unglaublich überrascht werden (allein der Titel verrät genug). Das fällt jedoch schon aufgrund der starken Umsetzung und frischen Spins nicht wirklich negativ ins Gewicht – selten wird das Filmrad neu erfunden.

Eine Schwäche weist das Werk allerdings schon auf, nämlich wenn es um die Hintergründe des Grauens geht. Sicher ist es im Horror oft so, dass ungeklärte Details den Grusel noch steigern können, da das Unbekannte in den Köpfen des Publikums automatisch mit schlimmen Fantasien ausgefüllt wird. Hier bleibt man aber zum Teil – z.B. mit sowohl Inhalt als auch Ursprung der Videobänder – so abstrakt, dass die innere Logik bis zum Abspann nie richtig klar wird. Der Spannung schadet dieser Umstand nicht, doch bei der Rekapitulation bleiben Lücken.

„Bring Her Back“ ist ein würdiger, stimmungslastiger Nachfolger auf den Riesenerfolg „Talk to Me“. In Anbetracht der abschließenden Brachialität und bitteren Traurigkeit wird man den Kinosaal wohl eher niedergeschlagen verlassen – was für die Intensität des Films spricht. Selten war Abschiednehmen im Schauderkino so plastisch und grauenerregend. Die morbide-melancholische letzte Einstellung spukt noch immer in meinem Kopf herum.


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