Terrifier 2 (2022) Kritik

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Terrifier 2 (2022) Filmkritik

Terrifier 2, USA 2022 • 138 Min • Regie & Drehbuch: Damien Leone • Mit: David Howard Thornton, Lauren LaVera, Elliott Fullam, Sarah Voigt, Kailey Hyman, Casey Hartnett, Amelie McLain, Samantha Scaffidi • Kamera: George Steuber • Musik: Paul Wiley • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Tiberius Film • Kinostart: 08.12.2022 • Deutsche Website

Damien Leones „Terrifier 2“ hat mit rund einer Viertelmillion Dollar Crowdfunding-Budget inzwischen über zehn Millionen Dollar an den Kinokassen eingespielt. Von der US-Freigabebehörde MPA ungeprüft und trotz beinharter Gewaltspitzen ungekürzt, hat es das Werk während der Halloween-Zeit in immer mehr Kinos des Landes geschafft und sich zu einem regelrechten Phänomen entwickelt. Mit obendrein 138 Minuten Laufzeit wohlgemerkt – der längste mir bekannte Slasherfilm, der bisher kommerziell ausgewertet wurde.

Terrifier 2 (2022) Filmbild 1

Sein Name ist Art, Art the Clown. Art könnte ein Vorname sein, doch in diesem Fall ist es wohl eher die Kurzform für Artist – also Künstler. Dieser Künstler trägt seine blutverschmierten Werkzeuge stets in einem Müllsack mit sich und sein Rohmaterial sind all jene Charaktere, die ihm nicht ins Bild passen. Im ersten „Terrifier“ von 2016 (der gleichnamige Kurzfilm sowie dessen Einbindung in die Anthologie „All Hallows' Eve“ außen vor gelassen) hat sich der Antagonist zum Schluss zwar in die ewigen Jagdgründe gepustet, doch lässt sich die Kunst eben nicht so einfach vom Feld weisen: Dank einer wachsenden Fangemeinde und deren finanzieller Unterstützung darf der Killerclown wieder zum Leben erwachen und seine Arbeit im Sequel fortführen. Und diesmal ist er nicht allein. Ein blasses Geistermädchen (Amelie McLain) mit einigen dämonischen Tricks und schlimmem Spritzpups steht ihm bei den neuen Schandtaten zur Seite.

Ein Kritikpunkt am ersten Teil ist immer gewesen, dass hier einfach old-schoolig Splatter an Splatter gereiht wurde, ohne das Ganze in eine echte Handlung mit ausgearbeiteten Protagonisten zu betten. Dies könnte man ehrlich gesagt sehr vielen alten und neuen Slasherbeiträgen vorwerfen, doch hat sich Autor/Regisseur Leone die Mängel für „Terrifier 2“ offensichtlich zu Herzen genommen, weshalb mit der Hauptfigur Sienna (Lauren LaVera) und ihrem jüngeren Bruder Jonathan (Little Punk Peoples Elliott Fullam) zwei durchaus sympathische Charaktere um ihr Leben kämpfen müssen.

Sienna ist so etwas wie die weniger verklemmte Laurie Strode, die sich nach dem Tod des Vaters zunehmend Sorgen um Jonathans Verhalten macht. Während sie in ihrer Freizeit an der Gestaltung eines aufwändigen Cosplay-Kostüms für Halloween arbeitet, verliert er sich in Recherchen über Serienkiller. Kein langer Weg also, bis Jonathan auf Arts Taten vom Vorjahr stößt und das Thema am Küchentisch ausbreitet. Einige brutale Morde und mysteriöse Albträume mit übernatürlichen Nachwirkungen später, sieht sich das Geschwisterpaar auf einem verlassenen Jahrmarkt ihrem scheinbar vorbestimmten Gegner in der womöglich finalen Schlacht gegenüber …

Terrifier 2 (2022) Filmbild 2

Im Zentrum von „Terrifier 2“ steht selbstverständlich der bereits erwähnte, pantomimisch begabte Unhold. In dessen stumme Rolle ist erneut David Howard Thornton geschlüpft, der sich mit seinem charismatischen Spiel so langsam einen Platz neben den großen Brüdern Freddy, Michael und Jason sichern könnte. Mit einer kranken Mischung aus schwarzem Humor und drastischer Brutalität wartet Art seinen Opfern auf und nimmt sich mit seinen Taten so ausführlich Zeit, dass der morbide Spaß ab einem gewissen Punkt selbst Unbehagen bei eingefleischten Gore-Fans hervorruft. Dieser Splatter hat eine altmodische und physische Qualität, weshalb das bewusst überzogene Verstümmeln von Körpern gelegentlich an die eigene Schmerzgrenze stößt. Das Auge, welches schon in den 80er-Werken Lucio Fulcis grausigste Zerstörungen erfahren musste, ist auch ein Organ, an dem sich Art gern abarbeitet. Die einzige Möglichkeit, das eigene Sehorgan vor den übertragenen Gräueltaten zu schützen, ist die Augen vor dem bewusst provokanten Film zu verschließen.

Wie der Deutsche Jörg Buttgereit mit seinem Skandal-Werk „Nekromantik“, hält auch Damien Leone mit seinem Indie-Projekt den Zensoren und Studiobossen gleichermaßen den Stinkefinger hin. Der Erfolg gibt ihm letztlich Recht, wenn trotz fehlender professioneller Marketingkampagne immer mehr Leute in die Kinos stürmen um herauszufinden, was hinter diesem Schmuddelwerk steckt. Selbst Autoren-Legende Stephen King und der renommierte britische Kritiker Mark Kermode sind nicht um die Sichtung herumgekommen und fanden letztlich warme Worte für den modernen Exploitation-Hit.

Terrifier 2 (2022) Filmbild 3

Auch wenn die Story an einigen Ecken gestrafft werden und man den Film auf eine Laufzeit von unter zwei Stunden hätte bringen können, hat mich der epische Umfang nie wirklich gestört. „Terrifier 2“ bewegt sich in seinem eigenen Rhythmus und lässt sich zwischen den expliziten Blutbädern ausreichend Zeit, auch Lauren LaVera und Elliott Fullam mit ihren natürlichen Performances glänzen zu lassen. Der Plot bewegt sich freilich irgendwo zwischen den Stalkerszenen aus John Carpenters „Halloween“, den surrealen Traumwelten aus Wes Cravens „A Nightmare on Elm Street“ und den erbarmungslosen Kills aus „Freitag der 13. – Das letzte Kapitel“ mit Jonathan im Tommy Jarvis-Modus. Den Fantasy-Touch mit der magischen Vorbestimmung hätte ich dagegen nicht gebraucht, aber nun gut. Es gibt in Anbetracht des Mini-Budgets beachtliche Sets, handgemachten Gore galore und der in der Post-Produktion entwickelte Grindhouse-Look kaschiert souverän den Dreh ohne teuerstes Studio-Equipment. „Camp des Grauens“-Star Felissa Rose ist in einem Miniauftritt übrigens ebenso zu sehen wie Wrestler Chris Jericho während einer Mid-Credits-Szene – also schön brav sitzen bleiben!

Leones Film ist in vielen Belangen David Gordon Greens missratener „Halloween“-Trilogie eine Nase voraus – vor allem darin, sich nicht in eh irrelevanten Subplots zu verlieren. Man kann und darf „Terrifier 2“ hassen, ihn als Schund abtun und kleinreden. Ignorieren lässt sich Art the Clown nach dieser Leistung zumindest nicht mehr und ein dritter Teil ist nur noch eine Frage der Zeit. In gewisser Weise ist das Werk, äquivalent zur Tomatensuppe oder dem Kartoffelbrei auf Gemälden, der rebellische und provozierende Lichtstrahl auf Leinwände, die ansonsten von halbherzigen Blockbustern oder schmalzigen Familiendramen besetzt würden. Ein kleiner Befreiungsschlag, bei dem hier nicht das Klima, sondern die DIY-Mentalität und das Indie-Kino in den Fokus gerückt werden sollen.

Terrifier 2 (2022) Filmbild 4

Damit steht Art in gewisser Weise sogar für Arthouse.


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