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Jenseits der Hügel (2012) Kritik

jenseits der Hügel (2012) Filmkritik

După dealuri, RO/BE/FR 2012 • 152 Min • Regie: Cristian Mungiu • Mit: Cosmina Stratan, Cristina Flutur,  Valeriu Andriutã • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 14.11.2013 • Deutsche Website

Handlung

Voichita (Cosmina Stratan) und Alina (Cristina Flutur) wachsen gemeinsam in einem rumänischen Heim auf. Dort verbindet die beiden nicht nur eine enge Freundschaft, sondern auch eine romantische Beziehung. Ihre Wege trennen sich, nachdem Alina als junge Frau adoptiert wird und später nach Deutschland zieht, um dort Arbeit zu finden. Voichita wendet sich Gott zu und geht als Novizin in ein ländliches Kloster. Alina hat ihre Freundin und große Liebe jedoch nie vergessen und kehrt nach Rumänien zurück, um sie nach Deutschland fortzubringen. Voichita darf ihre sehr weltlich veranlagte Freundin in ihrem Zimmer im Kloster zeitweise unterbringen, obwohl Ungläubige eigentlich unerwünscht sind. Alinas tränenreiches Wiedersehen mit ihrer einstigen Liebhaberin weicht jedoch schnell dem Frust. Die schüchterne Voichita scheint im orthodoxen Kloster ihre Bestimmung gefunden zu haben und diese lässt natürlich keine Gefühle gegenüber einer anderen Frau zu. Voichita sorgt sich um ihre Freundin, für die der rigoros durchstrukturierte Alltag im Kloster so fremd ist wie das Leben auf einem anderen Planeten. Doch an Weggehen ist für Voichita nicht zu denken, insbesondere nachdem der Pater (Valeriu Andriuţă), von den Nonnen ehrfurchtvoll "Tati" genannt (Rumänisch für "Papa"), ihr klargemacht hat, dass es keinen Weg zurück gibt, sollte sie das Kloster einmal verlassen. Von den Zurückweisungen ihrer Freundin enttäuscht, lehnt sich die emotional labile Alina verbal und physisch gegen die autoritäre Ordnung auf. Nach einem kurzen Klinikaufenthalt darf sie ins Kloster zurückkehren. Überzeugt, dass nur der Weg zu Gott ihr helfen kann, greift der Pater letztlich zu drastischen Mitteln und beschwört eine Tragödie herauf.

Kritik

Eine Frage im Fragenkatalog zur Interventionsprüfung in meinem Psychologiestudium war, den Unterschied zwischen Psychotherapie und Exorzismus zu erklären. Lässt man das jeweils zugrunde liegende wissenschaftliche bzw. Glaubenskonstrukt außen vor, gibt es zwischen den beiden erstaunlich viele Ähnlichkeiten. Bei beiden wird versucht, durch eine festgelegte Vorgehensweise eine Person von einem geistigen Leiden zu erlösen. Teil der richtigen Antwort war jedoch, dass eine Psychotherapie in der Regel nicht zu Qualen und körperlichen Schäden an der behandelten Person führt. Welche Ausmaße dies bei einem Exorzismus annehmen kann und dass dahinter dennoch der aufrichtige Wunsch liegt, einer Person zu helfen, zeigt Cristian Mungius bei den 65. Filmfestspielen in Cannes mehrfach ausgezeichnetes Drama Jenseits der Hügel. Darin dramatisiert Mungiu lose einen wahren Fall des Exorzismus in einem abgelegenen Kloster in Rumänien im Jahr 2005, der international Schlagzeilen machte und ins Bewusstsein rief, dass diese Praktiken nicht nur Stoff von Hollywood-Horrorfilmen sind, sondern in weniger aufgeklärten Gegenden bis heute Anwendung finden.

Jenseits der Hügel (2012) Filmbild 1Jede Geschichte hat zwei Seiten. Diese Ansicht hat sich die Filmindustrie schon lange zu Herzen genommen. So beruhten sowohl der erfolgreiche US-Horrorfilm Der Exorzismus von Emily Rose als auch Hans-Christian Schmids deutsches Drama Requiem lose auf dem Fall der an Epilepsie leidenden, religiösen Studentin Annelise Michel, die 1976 in Bayern zu Tode exorziert wurde. Während die US-Version die Möglichkeit übernatürlicher Mächte in den Vordergrund stellte, war Requiem eine Auseinandersetzung mit dem Religionswahn, der letztlich zum Tod der jungen Frau führte. Letztes Jahr erschien Xavier Gens' generischer und spannungsarmer Exorzismushorror The Crucifixion, der sich vom eingangs genannten rumänischen Fall inspirieren ließ, daraus jedoch eine Geschichte mit echten Dämonen machte. Bereits vier Jahre zuvor kam jedoch schon Jenseits der Hügel in unsere Kinos, dessen nüchterne und sehr realistische Darstellung des fehlgeleiteten Glaubens deutlich erschreckender ist als jegliche Effekthascherei, die The Crucifixion aufgetischt hat.

Jenseits der Hügel (2012) Filmbild 2Mungiu wählt nicht den einfachen Weg in seinem Film, indem er die Kirche und ihre Rituale verteufelt. Sein Drehbuch zeigt Verständnis, gar gewisse Sympathie für alle Figuren, auch wenn sie Dinge tun, die auf Außenstehende befremdlich oder falsch wirken. Der Pater, der den Exorzismus letztlich durchführt, wird nicht als ein irrer, unvernünftiger Fanatiker gezeigt, sondern als ein Mann, der seiner Berufung voll und ganz ergeben und in seinem Glauben fest verankert ist. Als Alina ihren ersten Anfall bekommt, greift er nicht direkt zum Rosenkranz und Weihwasser, sondern lässt gleich den Krankenwagen rufen, und wenn die anderen Nonnen anfangen, diverse Vorkommnisse wie einen hohlen Holzscheit oder ausbleibende Eier bei den Hühnern als Zeichen einer bösen Präsenz zu deuten, weist er das als albernen Aberglauben zurück. Weder er noch die Nonnen in dem Film sind böswillig, sondern geleitet von ihrem (Irr)Glauben, nur Gutes tun zu vollen. Wie man so schön sagt: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.

Die Schuld wird im Film nicht einseitig auf das Kloster und die Religion abgeladen. Mungius Fokus ist viel weitreichender. Auf der Anklagebank sitzen die maroden gesellschaftlichen Strukturen, die die tragische Situation wenn nicht herbeigeführen, dann zumindest begünstigen. Voichita und Alina hatten schon keinen guten Start ins Leben. Dass die Zustände in einem rumänischen Waisenhaus nicht optimal sind, kann man sich gut vorstellen. Systematische Misshandlung, körperlich wie möglicherweise sexuell, wird im Film angedeutet. Ebenso wie Alinas wahrscheinliche psychische Erkrankung (in der Klinik gibt sie zu, gelegentlich Stimmen zu hören). Für den richtigen Umgang mit dieser fehlen aber offenbar die Kapazitäten und vielleicht auch die richtige Aufklärung. Das Kloster wiederum erfüllt als Versorger der Armen im Nachbarsdorf die Funktion, die eigentlich vom Staat getragen werden sollte.

Jenseits der Hügel (2012) Filmbild 3Die schüchterne, weitäugige Voichita ist genau so eine tragische Figur wie Alina. Erst wurde sie von der Gesellschaft alleingelassen, dann verließ auch ihre Freundin sie, auf der Suche nach einem besseren Leben im Westen. Im Kloster fühlt sie sich erstmals in ihrem Leben zugehörig; in der Gemeinschaft der Gleichgesinnten findet sie endlich eine Familie und eine Berufung. Ein Umstand, den die nach ihrer Rückkehr verschmähte Alina nicht glauben kann oder will. Die in Cannes mit dem Darstellerpreis prämierten Cosmina Stratan und Cristina Flutur sind herausragend in ihren Rollen. Obwohl der Film auf jegliche expliziten Darstellungen ihrer einstigen Zuneigung verzichtet (von einer zweckdienlichen Massageszene abgesehen), spürt man noch die Chemie, die sie teilen, die aber die neue Barriere zwischen ihnen nicht überwinden kann. Die Rettung scheint für beide so nah und doch so fern zu sein.

Jenseits der Hügel (2012) Filmbild 4Als vermutlich bekanntester Vertreter der rumänischen Nouvelle Vague bleibt Mungiu seinem kühlen naturalistischen Stil in Jenseits der Hügel treu, wie man ihn schon in seinem bekanntesten Film, dem mit einer Goldenen Palme ausgezeichneten Abtreibungsdrama 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage, gesehen hat. Lange Einstellungen mit statischer Kamera, die den ungeschönten Alltag in rauen Bildern einfangen, und die Abwesenheit von jeglicher Filmmusik machen Jenseits der Hügel mit seinen 150 Minuten Laufzeit zu einem fordernden, jedoch bereichernden Erlebnis. Das langsame Erzähltempo, einschließlich vieler Wiederholungen (Alina will dass Voichita mit ihr mitkommt, Voichita lehnt ab, Alina rebelliert, soll aus dem Kloster geworfen werden, darf nach Voichitas Bitten doch bleiben, und noch mal von vorne), ist zugegebenermaßen anstrengend und man hätte den Mittelteil straffen können, ohne viel von der Kernaussage zu verlieren. Die Redundanz unterstreicht jedoch die Monotonie des Alltags der Nonnen. Die Tristesse des Lebens im heruntergekommenen Kloster ist in jeder Aufnahme zu spüren. In ihrem Trainingsanzug und Sportschuhen ist Alina darin ein Fremdkörper. Kleine Details, die auf den ersten Blick vielleicht überflüssig erscheinen, weil sie nichts zur Haupthandlung beitragen – ein mitgehörtes Telefonat oder das Gespräch zweier Polizisten miteinander – tragen zur Erschaffung eines authentischen, in sich stimmigen Mikrokosmos bei, in dem sich der Film befindet.

Wie seinen beiden Protagonistinnen macht es Mungiu den Zuschauern auf nicht einfach, weder mit seiner nüchternen Darbietung noch mit der Suche nach den Schuldigen. Wer sich auf diesen Film einlässt, muss mitdenken und mitleiden.

Fazit

Im Geiste von Ken Loach malt Cristian Mungui mit Jenseits der Hügel erneut ein unschmeichelhaftes, sozialkritisches Portrait seines Heimatlandes am Beispiel zweier verlorener junger Seelen. Dabei verzichtet er auf explizite Religionskritik, sondern nähert sich allen seinen Figuren mit ausgewogenem Verständnis. Der dokumentarische Filmstil und die ausufernde Laufzeit sind fordernd, das Gesamterlebnis jedoch bereichernd.

Trailer

Box-Office USA: Pacific Rim 2 entthront Black Panther, startet aber deutlich unter Teil 1

Pacific Rim Uprising Box Office

Links: Pacific Rim: Uprising © 2018 Universal Pictures
Rechts: Black Panther © 2018 Walt Disney Pictures

Quelle: Boxofficemojo

Während der Februar uns dieses Jahr mit Black Panther einen Megahit sondergleichen bescherte und die Umsatzzahlen in nordamerikanischen Kinos in astronomische Höhen trieb, konnte der März leider nicht mit dem letzten Jahr mithalten. Logan – The Wolverine ($226,3 Mio), Die Schöne und das Biest ($504 Mio) und Kong: Skull Island ($168,1 Mio) dominierten den März 2017. Keiner der bisherigen März-Neustarts aus diesem Jahr wird sogar die $100-Mio-Marke knacken. Aus diesem Grund sind die Umsätze der Top 12 seit dem Start von Black Panther im Februar bereits fünfmal in Folge zurückgegangen. Vergangenes Wochenende erwirtschafteten die Top-12-Filme insgesamt $115 Mio – 3% unter der letzten Woche sowie 41% unter dem gleichen Wochenende im Vorjahr, als Die Schöne und das Biest zum zweiten Mal in Folge die Spitze belegte. Jetzt liegt die Hoffnung auf Steven Spielbergs Ready Player One, der den Abwärtstrend kommendes Wochenende umkehren sollte.

Nach fünf Wochen gab es endlich einen Wachwechsel in der Pole Position der Charts. Das Krawall-Sequel Pacific Rim: Uprising startete mit $28,1 Mio von 3708 Kinos ($7552 im Schnitt pro Kino) zwar 25% unter seinem Vorgänger vor fünf Jahren, jedoch absolut im Rahmen der recht niedrigen Erwartungen. Das reichte auch, um Black Panther von Platz 1 zu verdrängen. Dass Pacific Rim: Uprising nicht an die Zahlen des ersten Teils in Nordamerika herankommen würde, war schon lange abzusehen. Die lange Wartezeit, ein fast komplett neuer Cast und der Ausstieg des Regisseurs Guillermo del Toro sprachen allesamt nicht für die Erfolgsaussichten des Films. Außerdem hat bereits der erste Teil kein Feuer der Begeisterung in den USA und in Kanada entfacht. Der Film spielte seinerzeit knapp $102 Mio ein, bei einem gigantischen Budget von $190 Mio (ohne Marketingausgaben). Lediglich seine Einnahmen aus der Übersee, allen voran aus China, retteten ihn und ermöglichten eine Fortsetzung. So wurde Pacific Rim: Uprising auch ganz klar vor allem für den internationalen Markt produziert und das US-Einspiel bleibt nebensächlich. Am Wochenende spielte Uprising bereits $122,5 Mio außerhalb von Nordamerika ein, davon $65 Mio alleine in China. Es ist also denkbar, dass obwohl er in den USA und in Kanada das Einspielergebnis seines Vorgängers nicht erreichen wird, er dessen $411 Mio weltweit toppen wird.

Universal hat in weiser Voraussicht auch etwas weniger für den Film ausgegeben, als sich Warner Bros. den ersten Teil kosten ließ. Das Produktionsbudget von Pacific Rim: Uprising betrug $155 Mio, $35 Mio weniger als bei Pacific Rim. Bei den Zuschauern kamen beide Filme scheinbar ähnlich an. Sie vergaben Uprising, genau so wie dem ersten Teil, einen "B"-CinemaScore (äquivalent einer "2"), was für einen großen Blockbuster eher mittelmäßig ist. Etwa 62% der Zuschauer am Startwochenende waren Männer und 53% waren über dem Alter von 25. Diese Publikumssegmente werden kommendes Wochenende auch von Spielbergs Ready Player One bedient werden, sodass ein steiler Drop in Woche 2 nicht zu vermeiden sein wird. Sollte Uprising in den nächsten Wochen eine ähnliche Performance wie der erste Film hinlegen, würde er knapp $77 Mio in Nordamerika erreichen. Ich gehe allerdings von höherer Frontlastigkeit für as Sequel aus. Außerdem werden Ready Player One und Dwayne Johnsons Rampage sein Zielpublikum direkt treffen. Daher erwarte ich nicht mehr als $65-70 Mio insgesamt. Sollte der Film jedoch weltweit über $400 Mio hinauskommen, könnte dennoch ein dritter Teil folgen.

Black Panther verbrachte fünf Wochen auf Platz 1 der US-Kinocharts, länger als jeder andere Film seit Avatar. Doch obwohl er den Spitzenplatz an seinem sechsten Wochenende einbüßte, erreichte er dennoch einen neuen Meilenstein in der US-Box-Office-Geschichte. Mit $16,7 Mio (-37,5%) gelang ihm das viertbeste sechste Wochenendergebnis überhaupt, lediglich hinter Avatar ($34,9 Mio), Titanic (25,2 Mio) und Die Eiskönigin ($19,6 Mio). Sein vorläufiges Gesamteinspielergebnis brachte Black Panther damit auf phänomenale $630,9 Mio. Das bedeutet zweierlei. Black Panther belegt inzwischen Platz 5 unter den umsatzstärksten Filmen aller Zeiten in Nordamerika und er hat Marvel’s The Avengers ($623,4 Mio) als erfolgreichste Comicverfilmung in Nordamerika überholt. Damit hätte vor zwei Monaten wirklich niemand gerechnet. Nur noch Star Wars – Das Erwachen der Macht, Avatar, Titanic und Jurassic World haben in Nordamerika mehr eingenommen als Black Panther und die letzten zwei wird der Superheldenfilm auch mit Sicherheit übertreffen. In spätestens drei Wochen wird Black Panther auf Platz 3 der größten Kinohits überhaupt in den USA und in Kanada aufsteigen. Die Frage ist jetzt, ob er noch genug im Tank hat, um $700 Mio zu knacken. Das wird auf jeden Fall schwierig, insbesondere mit dem nahenden Start von Avengers: Infinity War, der Konkurrenz aus eigenem Hause bieten wird. Aktuell sieht es eher nach einem finalen Einspiel von $680-690 Mio aus, doch Black Panther hat in Vergangenheit schon mehrfach überrascht.

Wie in der Vorwoche ging Platz 3 an den christlichen Überraschungshit I Can Only Imagine, der 624 zusätzliche Kinos erhielt und nur um 19,1% nachgab. Von Freitag bis Sonntag spielte der Film über die glaubensbasierte Band MercyMe und deren bekanntesten Song $13,8 Mio ein und steht bei $38,3 Mio nach zehn Tagen. Der Film wurde für lediglich $7 Mio produziert (exkl. Werbekosten) und ist jetzt schon ein echter Erfolg für das Studio Roadside Attractions. Deren bislang größter Erfolg war der Oscarfilm Manchester by the Sea mit $47,7 Mio, doch I Can Only Imagine wird diesen noch kommendes Wochenende überholen. Gerade von Ostern wird der Film profitieren, der vom christlichen Publikum zum Erfolg gebracht wurde. Insgesamt könnte I Can Only Imagine $85-90 Mio einnehmen und wäre damit nicht nur eins der erfolgreichsten christlichen Dramen überhaupt, sondern auch der dritterfolgreichste Musiker-Biopic nach Straight Outta Compton und Walk the Line.

Auf Seite 2 erfahrt Ihr, wie das Animations-Sequel Sherlock Gnomes angelaufen ist, wie sich Tomb Raider in Woche 2 hielt und welche neuen Meilensteine Greatest Showman und Fifty Shades of Grey – Befreite Lust erreichten.

Tomb Raider (2018) Kritik

Tomb Raider 2018 Filmkritik

Tomb Raider, USA/GB 2018 • 118 Min • Regie: Roar Uthaug • Mit: Alicia Vikander, Walton Goggins, Dominic West, Daniel Wu, Kristin Scott Thomas • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 15.03.2018 • Deutsche Website

Handlung

Als Tochter des wohlhabenden britischen Geschäftsmannes und Aristokrats Richard Croft (Dominic West) genoss Lara Croft (Alicia Vikander) eine vielseitige Ausbildung und alle Türen standen ihr offen. Doch seit ihr Vater sieben Jahre zuvor spurlos verschwunden ist, lebt sie ziellos in den Tag hinein, verdient ihr mageres Einkommen als Fahrradkurierin und weigert sich, das Imperium ihres Vaters zu übernehmen. Denn das würde bedeuten, seinen Tod offiziell anzuerkennen. Erst ein Zwischenfall mit der Polizei rüttelt sie wach. Bei der Unterzeichnung der entsprechenden Papiere überreicht ein ehemaliger Geschäftspartner (Derek Jacobi) ihres Vaters ihr ein Puzzle, das eine Nachricht an sie enthält. Diese führt Lara in ein Geheimversteck in der Gruft des Croft-Anwesens und offenbart das Doppelleben von Lord Croft. Als Hobby-Archäologe war er auf der Suche nach dem Grab der sagenumwobenen, mächtigen japanischen Hexe Himiko. Diese vermutete er auf einer Insel im Teufelsmeer, wohin er sich aufmachte, um einer böswilligen Organisation namens Trinity zuvorzukommen, die Himikos vermeintliche Kräfte zu eigenen finsteren Zwecken einsetzen möchte. Anstatt seine Recherchen zu vernichten, damit sie nicht in die falschen Hände fallen, folgt Lara der Spur ihres Vaters und reist über Hongkong mit Hilfe des trinkfesten Kutterkapitäns Lu Ren (Daniel Wu) zur Insel. Dort haben sich jedoch Trinitys skrupellose Söldner, angeführt von Mathias Vogel (Walton Goggins), breitgemacht und bereiten Lara nicht gerade einen warmherzigen Empfang. Auf sich und ihre noch unerprobten Überlebenskünste alleine gestellt, muss Lara ihren Gegnern entweichen und das Rätsel um Himikos Grab lösen.

Kritik

In der allerersten Szene von Lara Croft: Tomb Raider sehen wir Angelina Jolie als titelgebende Heldin, wie sie kopfüber an einem Seil in einem ägyptischen Grab hängt. Sie springt runter, landet elegant und kämpft dann mit knappen Shorts bekleidet und mit zwei an Hüften angebrachten Wummen bewaffnet gegen einen tödlichen Roboter, um an ein Artefakt in der Mitte des Raumes zu gelangen. Wie sich dann herausstellt, ist das Ganze eine Trainingseinheit und das Grab eine Simulation in den Tiefen des gigantischen Croft-Anwesens. Der Vergleich zwischen dieser Szene und Alicia Vikanders Einführung als Lara Croft im Reboot 17 Jahre später stellt wirkungsvoll den Kontrast zwischen den beiden Tomb-Raider-Verfilmungen heraus. Vikanders erster Auftritt ist deutlich weniger spektakulär, wenn auch mit gleich viel Körpereinsatz. Im Boxring kämpft sie gegen eine überlegene Gegnerin – und verliert. Ihre Sportkleidung ist auch schon das freizügigste Outfit, das Lara im neuen Film trägt, denn enge Tops und Shorts, die an Hot Pants grenzen, weichen hier praktischerer Kleidung für die junge Abenteurerin.

In der kurzen Szene lernen wir gleich mehrere Aspekte von Vikanders Lara kennen. Sie ist stur und gibt bis zuletzt nicht auf. Aber sie ist auch (noch) nicht unbesiegbar. Außerdem erfahren wir, dass diese Lara völlig pleite ist und nicht einmal das Geld hat, um für die Nutzung des Trainingsraumes zu zahlen. Doch das größte Takeaway der Szene ist die physische Verwandlung von Alicia Vikander. Die hauptsächlich für Kostümdramen (Tulpenfieber, Die Königin und ihr Leibarzt, The Danish Girl) bekannte, oscarprämierte, zierliche Schwedin hat sich einen gestählten Körper für die Rolle antrainiert und beim Kickboxen macht sie eine verdammt überzeugende und zugleich realistische Figur. Sollte es mit dem Tomb-Raider-Franchise nicht klappen, hätte sie auf jeden Fall Potenzial für künftige Actionrollen, in denen sie Scarlett Johansson und Kate Beckinsale Konkurrenz machen könnte.

Der Vergleich soll jedoch nicht Angelina Jolies Darstellung der Grabräuberin herabwürdigen. Die beiden Laras kommen aus unterschiedlichen Ären, und zwar nicht nur für Filme, sondern auch für Videospiele. Denn der neue Tomb Raider ist kein Reboot der alten Reihe, sondern vielmehr eine ordentliche Adaption des Spiele-Reboots von 2013, das Lara Croft und ihre Hintergründe neu erfunden hat. Die neue Lara war darin keine unbezwingbare Männerphantasie in knappen Klamotten und mit Riesentitten (Angelina Jolies Brüste mussten für die ersten Verfilmungen zusätzlich gepolstert werden, um die den Spielen angemessene Größe zu erreichen), sondern eine abenteuerlustige, junge Frau, deren Überlebenskünste auf eine harte Probe gestellt wurden. Wer also in den neuen Film geht und eine Lara erwartet, die beidhändig herumballert, wird enttäuscht sein (auch wenn dies, wie der Film andeutet, die Zukunft der Reihe werden könnte, sollte eine Fortsetzung kommen).

Während Jolie in der Rolle für die damalige Zeit gut besetzt war, ließen die beiden Filme um sie herum zu wünschen übrig. Die Actionszenen waren uninspiriert, die Plots hanebüchen und einfach zu albern, während der Film dennoch Anstalten machte, ernst genommen zu werden. Der neue Film schneidet da schon etwas besser ab, auch wenn es immer noch ein weiter Weg ist, um als würdiger Nachfolger der Indiana-Jones-Reihe bezeichnet zu werden, bei der sich die Filme und die Spiele frei bedienen. Die Handlung bleibt sehr dünn und die vermeintlichen Twists sind so unglaublich vorhersehbar, dass deren dramatischen Enthüllungen im Film völlig überzogen erscheinen. Außerdem wären die Macher vermutlich besser beraten, näher an der Handlung des Spiels zu bleiben, anstatt die Beziehung zwischen Lara und ihrem Vater zum emotionalen Kern des Films zu machen, die jedoch zu unausgereift und schablonenhaft ist, um zu funktionieren.

Was jedoch wirklich gut funktioniert, sind die Actionsequenzen, und sobald wir auf der Insel ankommen, gibt es davon zum Glück auch reichlich. Fans dürfte es erfreuen, dass einige direkt aus dem Spiel von 2013 stammen. Zu den Highlights gehören Laras Überlebenskampf in einem verrosteten Flugzeug, das über einem Wasserfall hängt (tolles Setpiece!) und die tödlichen Fallen in Himikos Grab, die natürlich an das Finale von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug erinnern. Der Norweger Roar Uthaug, der schon in Cold Prey und Escape – Vermächtnis der Wikinger Frauen inszenierte, die über sich selbst hinauswachsen müssen, um unter widrigen Umständen zu überleben, scheint bei geradliniger, schnörkelloser, rauer Action in seinem Element zu sein. Natürlich werden hin und wieder die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt, aber im Großen und Ganzen bleibt der neue Film bodenständig (auch indem er sich der übernatürlichen Elemente des Spiels entledigt) und selten übertrieben – solange man die ganze Geschichte nicht zu sehr hinterfragt. Man ist auch eher geneigt, über die Handlungsschwächen hinwegzusehen, weil Alicia Vikander als Lara durchweg glaubhaft bleibt. Sie macht das Beste aus dem, was das Drehbuch für sie hergibt (und das ist nicht viel). Wenn sie sich verletzt, fühlt man mit ihr mit, und wenn sie zum ersten Mal in Notwehr jemanden umbringen muss, merkt man, dass sie das mitnimmt.

Der starke Fokus auf Lara geht im Film auf die Kosten der anderen Schauspieler, wobei es besonders schade um den großartigen Walton Goggins ist, der in Serien wie "The Shield" und "Justified" hochkomplexe Antagonisten gespielt hat. Tomb Raider unternimmt zwar den halbherzigen Versuch, ihn von klassischen Bösewichten zu trennen, indem er zunächst als ein Mann dargestellt wird, der seine Arbeit erledigen muss, um zu seinen Töchtern zurückzukommen. Doch dann besteht der Film darauf, zu zeigen, wie böse er ist, indem er einen schwachen Gefangenen kaltblütig erschießt – und wirft damit jede Komplexität über Bord. Die anderen Schauspieler, von Dominic West über Daniel Wu bis zu einem eher bizarr unlustigen Cameo von Nick Frost, kommen auch nicht viel besser weg.

Es bleibt Alicia Vikanders One-Woman-Show und ihre ernste Hingabe an die Rolle wirkt sehr sympathisch. Auch wenn ihr Film Videospielverfilmungen als solche nicht revolutioniert, ist er nach bitteren Enttäuschungen wie Warcraft und Assassin’s Creed dennoch eine erfreuliche Überraschung. Zugegeben, die Messlatte ist nicht hoch und ich kann an einer Hand Spieladaptionen abzählen, die nicht schlecht sind, doch jetzt brauche ich dafür einen Finger mehr als zuvor.

Fazit

Die Neuauflage von Tomb Raider rettet nicht eigenhändig die Verfilmungen von Videospielen, gehört jedoch trotz des dürftigen Drehbuchs und der eindimensionalen Figuren zu den besseren Vertretern ihrer Art. Durch die bodenständige, geradlinige Inszenierung macht der Streifen mehr Spaß als die beiden Vorgänger mit Angelina Jolie. Insbesondere Alicia Vikander empfiehlt sich mit sympathischer Hingabe und vollem Körpereinsatz als überzeugende Actionheldin.

Trailer

"Jessica Jones" Staffel 2: Unsere Kritik zu Folgen 1-5

Jessica Jones Staffel 2 Kritik

Marvel’s Jessica Jones, USA 2018 • Laufzeit: 13 Folgen à 48-60 Min • Regie: Anna Foerster, Minkie Spiro, Mairzee Almas, Deborah Chow, Millicent Shelton u. a. • Mit: Krysten Ritter, Rachael Taylor, Janet McTeer, Eka Darville, Carrie-Anne Moss, Leah Gibson • Anbieter: Netflix • Veröffentlichungstermin: 8.03.2018

Diese Rezension basiert auf den ersten fünf Folgen der 2. "Jessica Jones"-Staffel!

Marvels kaputteste Netflix-Heldin ist endlich zurück und wenn die von Netflix nicht zur Vorabsichtung bereitgestellten letzten acht Folgen halten, was die ersten fünf versprechen, könnte die zweite Staffel ihres Alleingangs die beste Marvel/Netflix-Kollaboration seit, nun ja, der ersten "Jessica Jones"-Staffel werden.

Als "Marvel’s Jessica Jones" vor zweieinhalb Jahren vom Stapel lief, hatte sich die Serie an der hohen Messlatte zu messen, die die erste "Daredevil"-Staffel kurz zuvor aufgestellt hat. Trotz der deutlich geringeren Bekanntheit ihrer Comicvorlage hat "Jessica Jones" diese Prüfung mit Bravour bestanden. Ich würde sogar so weit gehen, die erste "Jessica Jones"-Staffel als das bislang beste Einzelwerk des gesamten Marvel Cinematic Universe zu bezeichnen. Nicht nur konnte die traumatisierte, aber taffe Protagonistin, hervorragend gespielt von Krysten Ritter, mit Matt Murdocks von katholischer Schuld zerrissenem Teufel aus Hell’s Kitchen gut mithalten, David Tennant erweckte mit Kilgrave einen der bis heute besten und widerwärtigsten Schurken des gesamten MCU zum Leben. Was Kilgrave im Vergleich zu Vincent D’Onofrios Fisk an Komplexität fehlte, machte er durch pure Hassenswertigkeit wieder wett. Als Jessica sein Genick im Finale der ersten Staffel brach, wollte ich applaudieren.

Jessica Jones Staffel 2 Kritik Bild 1Doch Kilgraves Tod hat auch eine Lücke hinterlassen, die zu füllen eine der größten Herausforderungen der zweiten Season werden dürfte. Die gesamte erste Staffel wurde vom Psychoduell zwischen Jessica und Kilgrave angetrieben. Während es vordergründig darum ging, einen hochgefährlichen, narzisstischen Kriminellen, mit der Macht, alle seinem Willen folgen zu lassen, aufzuhalten, widmete sich die erste Staffel auch der posttraumatischen Belastungsstörung bei Missbrauchsopfern – nicht gerade ein Thema, das man bei einer Superheldenserie erwarten würde. Denn nichts Anderes tat Kilgrave seinen Marionetten an, indem er sie ihres Willens beraubte. Für Jessica war der Kampf gegen ihn auch ihre Art der Traumaverarbeitung. Dieser rote Faden zog sich von der ersten bis zur letzten Folge durch und auch wenn Kilgrave nicht zu sehen war, war er durch seine Kraft stets omnipräsent. Am besten wurde dies durch eine der letzten Szenen der ersten Folge veranschaulicht, in der die durch Kilgrave manipulierte Hope nach der vermeintlichen Rettung durch Jessica ihre Eltern erschießt. Auf diese Weise hat die Serie die hohen Einsätze und die Gefahr für die Protagonistin und alle anderen Charakteren etabliert, noch bevor Kilgrave selbst sichtbar in Aktion trat.

Ein solcher Handlungsmotor scheint in der zweiten Staffel zunächst zu fehlen. Während viele Fortsetzungen, ob im Kino oder Fernsehen, auf das Motto "schneller, größer, heftiger" setzen, wählt "Jessica Jones" in Staffel 2 den entgegengesetzten Ansatz. Dadurch erscheint die erste Folge anfangs noch etwas orientierungslos, doch ein klein wenig Geduld wird schnell belohnt. Zu Beginn von Staffel 2 treffen wir auf eine Jessica, deren Leben nur unwesentlich besser erscheint als in der ersten. Der Tod ihres Peinigers hat sie zwar endgültig von seiner Einflussnahme auf ihr Leben erlöst, doch auch wenn Bruce Willis im aktuellen Death-Wish-Remake widersprechen würde, hat er ihr keinen Seelenfrieden gebracht. Sie trinkt immer noch viel zu viel, ist meistens mies gelaunt (aber ganz ehrlich, anders wollen wir Jessica ja auch nicht sehen) und das Detektivgeschäft läuft eher schlecht als recht. Ein aufdringlicher Konkurrent (Terry Chen) möchte ihre Detektei aufkaufen und tut sich mit der Ablehnung seines Angebots schwer. Zudem muss sich Jessica noch mit ihrer neu gewonnenen Bekanntheit als superstarke Verbrechensbekämpferin herumschlagen – nicht zuletzt dank ihrer besten Freundin und Radiomoderatorin Trish Walker (Rachael Taylor). Während viele sie dafür bejubeln, dass sie Kilgrave kurzen Prozess gemacht hat, stehen ihr andere sehr skeptisch gegenüber. War es nicht letztlich Selbstjustiz und macht sie das zu einer echten Mörderin? Niemanden quält diese Frage jedoch so sehr, wie Jessica selbst. Haben die ihr ungefragt verliehenen Kräfte sie zu einem Monster gemacht?

Jessica Jones Staffel 2 Kritik Bild 2Wer eine nach den Ereignissen der ersten Staffel weniger kaputte, heldenhaftere und von sich überzeugte Jessica erwartet, wird dadurch vielleicht enttäuscht sein, doch ich muss an dieser Stelle die einfühlsame Charakterarbeit der Autoren hervorheben. Manche Probleme lösen sich nicht in der Luft auf, wenn man deren Ursache (gewaltsam) aus der Welt schafft. Dass Jessica leider auch nicht auf das beste Arsenal an Bewältigungsmethoden zurückgreift – vom flüssigen Allheilmittel aus Whiskey-Flaschen bis zu unbefriedigenden Quickies auf schäbigen Bar-Toiletten – bleibt auch im Einklang mit der Figur.

Während Jessica also immer noch von sich und der ganzen Welt recht abgefuckt ist, läuft es für Trish umso besser. Sie ist mit dem gutaussehenden, gefeierten Journalistin Griffin Sinclair (Hal Oszan) liiert und ihre Reihe über Menschen mit besonderen Fähigkeiten hat ihr neue Hörer eingebracht. Doch die Beziehung zu Griffin, der sich in Kriegsgebieten einen Namen gemacht hat, führt ihr auch vor, wie wenig sie selbst journalistisch erreicht hat. Wenn ihr Chef ihr vorschlägt, zu Lifestyle-Themen in ihrer Sendung zurückzukehren und dabei zugleich vom Griffins Arbeit schwärmt, ist es ein unsubtiler, jedoch treffsicherer Verweis an die unterschiedliche Wahrnehmung von Männern und Frauen im Journalismus (und zig anderen Arbeitsfeldern). Doch Trish will davon nichts wissen, denn sie arbeitet schon längst an einer neuen, potenziell aufsehenerregenden Story. Wenn wir sie in der Staffelpremiere erstmals wiedertreffen, ist sie bei einem Kindergeburtstag zurück in die Rolle von Patsy geschlüpft, der Figur, die sich als Kind und Jugendliche zum Star gemacht haben und deren Image sie seitdem loswerden wollte. Die Selbsterniedrigung hat jedoch einen Zweck. Als Gegenleistung bekommt sie unter Verschluss gehaltene Krankenhausunterlagen von Jessica. Diese sind Teil ihrer Recherche zur mysteriösen Firma IGH, die nicht nur Jessica ihre Kräfte verlieh, sondern auch Trishs Ex Simpson (Wil Traval) durch experimentelle Medikamente zu einem blutrünstigen Killer werden ließ.

Jessica Jones Staffel 2 Kritik Bild 3Es gibt auch ein Wiedersehen mit der skrupellosen Anwältin Jeri Hogarth (Carrie-Anne Moss), deren Beziehung zu Jessica nach ihren selbstsüchtigen Handlungen in der ersten Staffel erkaltet ist. Erneut macht sich Jeri zu Beginn durch weitere Manipulationen nicht gerade sympathisch, doch dann nimmt ihre Geschichte eine weitere Wende, nachdem eine tragische Nachricht sie in eine Existenzkrise stürzt.

Falls sich das alles etwas zerfahren anhört, dann liegt es daran, dass die erste Folge genau so wirkt. Sie ist immer noch sicherem Gespür für Neo-Noir-Atmosphäre (samt souveränem Voiceover von Jessica) inszeniert und vor allem von Ritter und Taylor sehr gut gespielt, doch es fehlt eine klare Bedrohung (lies: Kilgrave) und man hat die Befürchtung, sich abermals auf eine zähflüssige Marvel/Netflix-Serie einstellen zu müssen. Das scheint ja inzwischen ein Markenzeichen der Zusammenarbeit zwischen dem Comic-Riesen und dem Streaming-Anbieter zu sein.

Doch die folgenden vier Folgen beweisen zum Glück das Gegenteil und das Tempo steigert sich von Episode zu Episode allmählich, wenn die einzelnen Handlungsstränge zusammenlaufen. Jessica wird bewusst, dass ihr Trauma noch tiefer sitzt als die Erlebnisse mit Kilgrave und so erklärt sie sich nach anfänglichem Widerwillen bereit, Trish bei ihren Nachforschungen zu unterstützen, was sie jedoch alle in große Gefahr bringt. Allein in den ersten fünf Folgen legt die Staffel mehrere falsche Fährten aus und vollbringt erfolgreich überraschende Wendungen für diverse Figuren. Ein vertrautes Gesicht aus der Vergangenheit kehrt zurück und es gibt dank eines Gastauftritts auch einen kleinen, netten Reminder, dass "Jessica Jones" immer noch im gleichen Universum existiert wie die anderen Marvel/Netflix-Serien. Jeri Hogarths Geschichte scheint noch am längsten vor sich hinzudümpeln, doch auch sie bekommt gegen Ende der ersten fünf Folgen die Kurve und schließt an den Hauptplot an.

Jessica Jones Staffel 2 Kritik Bild 4Es dauert nicht lange, bis wir den neuen Antagonisten kennenlernen (dessen Identität aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht verraten wird). Dieser ist zwar nicht so charismatisch und zugleich ekelerregend wie Kilgrave, strahlt aber dafür enorme Bedrohlichkeit aus und verspricht, ein würdiger Gegenspieler für Jessica zu werden. Trotz der absoluten Skrupellosigkeit des neuen Big Bad, wird auch eine mögliche Komplexität und Verletzlichkeit angedeutet, doch in diese werden hoffentlich die verbleibenden acht Folgen tiefer eintauchen.

Obwohl es in den ersten fünf Folgen Mord und Totschlag gibt und Jessica immer noch große Probleme hat, bietet die Serie auch einen Hoffnungsschimmer. Die zunächst antagonistisch angelegte Beziehung zwischen Jessica und ihrem neuen Hausmeister Oscar (J.R. Ramirez) wird zu einer möglichen Romanze zwischen den beiden. Den Kern der Geschichte bildet jedoch die innige Freundschaft zwischen Jessica und Trish. Auch wenn alles andere in ihrem Leben schiefläuft, bietet sie Jessica den nötigen Rückhalt, während Trish weiß, dass wenn es wirklich darauf ankommt, sie sich immer auf ihre Freundin verlassen kann. Es ist eine sehr glaubwürdige, einfühlsame Beziehung, die nach den Ereignissen der ersten Staffel noch weiter erstarkt ist.

Jessica Jones Staffel 2 Kritik Bild 5Auch in ihren langsameren Momenten am Anfang der neuen Staffel funktioniert "Jessica Jones" dank der perfekt besetzten Krysten Ritter. Schon in der problematischen "Marvel’s The Defenders", deren Ereignisse hier übrigens keinerlei Erwähnung finden und offenbar auch keine Konsequenzen haben (vielleicht ist das nach der lauwarmen Rezeption der Miniserie auch besser so), stahl Ritter allen die Show. Launisch und trinkfest, zynisch und dennoch mit einem großen Herz, an sich zweifelnd und zugleich stark – Ritter durchläuft auch hier wieder eine große Bandbreite an Gefühlen. Wenn sie endlich zur Einsicht gelangt, dass nicht sie das wahre Monster ist, sondern höchstens die Menschen, die an ihr herumexperimentierten, und sie dann mit den Taten ihres neuen gewissenlosen Gegners konfrontiert wird, ist diese Feststellung eine der ergreifendsten Szenen der ersten fünf Folgen – und gänzlich Krysten Ritters Schauspiel zu verdanken. Doch während man es von Ritter auch gar nicht mehr anders erwartet, überrascht Rachael Taylor in der neuen Staffel umso mehr. Die Serie begnügt sich nicht damit, aus Trish lediglich einen Sidekick für die Heldin zu machen. Auch sie erwartet eine sehr interessante, düstere Wendung, die sicherlich noch bis zum Ende der Season Konsequenzen nach sich ziehen wird. Das ermöglicht der Schauspielerin, ganz neue Facetten aufzuziehen.

Jessica Jones Staffel 2 Kritik Bild 6Carrie-Anne Moss schlägt erfolgreich den Spagat zwischen einer kaltblütigen Bitch und einer bemitleidenswerten Figur, wobei die gesehenen Folgen es noch offen lassen, wie sich der Charakter weiterentwickeln wird. Einen guten Eindruck macht in ihren wenigen Szenen auch Neuzugang Janet McTeer, wobei gerade für sie der Rest der Staffel das größte Potenzial bereithält.

Neben weiterer Traumaverarbeitung, Schuld und Verantwortung, ist Emanzipation ein übergeordnetes Thema in der zweiten Staffel. Es ist kein Zufall, dass alle neuen dreizehn Folgen von Frauen inszeniert wurden und die Staffel am internationalen Frauentag veröffentlicht wird. Jessica, Trish und Jeri wehren sich vehement dagegen, in die Schranken gewiesen zu werden. Zu den einschlägigen Themen gehört nicht nur der Vergleich von Trishs Karriere mit dem ihres Freundes, sondern auch Trishs Besuch bei einem Filmregisseur, mit dem sie einst als Jugendliche zusammengearbeitet hat. Die Begegnung könnte kaum besser zum aktuellen #meetoo-Klima passen. Bemerkenswert ist daran, dass die Staffel bereits im Kasten war, bevor die Vorwürfe gegenüber Harvey Weinstein die gesamte Bewegung losgetreten haben. Nichts davon wirkt aufgesetzt, sondern fügt sich in den natürlichen Handlungsverlauf ein.

Nach einem schwierigen Auftakt findet "Jessica Jones" in der zweiten Staffel schnell zu ihrem Groove zurück. Natürlich kann in den verbleibenden acht Folgen noch sehr viel passieren. Gerade bei "The Defenders" und "Luke Cage" wendeten sich die zweiten Staffelhälften eindeutig zum Schlechteren. Doch bislang überzeugt Jessicas Jones’ zweiter Alleingang mit toller Figurenentwicklung, großartigen Schauspielerinnen und einem sorgfältig angelegten, sich langsam entfaltenden, spannenden Mysterium, das am Ende von Folge 5 noch einige Fragen aufwirft, deren Antworten ich kaum abwarten kann.

https://youtu.be/nAIEaBFrNjs

 

Oscars 2018: Abschließende Gedanken und Tipps

Oscars 2018 Tipps

In wenigen Stunden findet in Los Angeles die 90. Verleihung der Academy Awards, gemeinhin als Oscars bekannt, statt. Für mich bedeutet das, wie jedes Jahr seit 2000, dass ich die Nacht mit Pizza, Energy-Drinks und Bier (okay, letzteres vielleicht nicht bereits seit 2000) vor dem Fernseher verbringen werde, um den Glanz Hollywoods (oder auch Selbstbeweihräucherung, wenn man so will) mitzuerleben. Was soll ich sagen, mir machen die Oscars immer noch großen Spaß.

Bevor es jedoch so weit ist, wollte ich noch einen ausführlichen Blick auf alle 24 Kategorien werfen und meine Tipps abgeben sowie meine persönlichen Favoriten benennen. Die Vorhersagen basieren hauptsächlich auf den zahlreichen im Vorfeld verliehenen Industriepreise wie denen der Schauspieler-, der Regie-, der Autoren– und der Produzentengewerkschaft sowie auf den Golden Globes und den Auszeichnungen der BAFTA (die "britischen Oscars"). Aber auch Intuition und Bauchgefühl spielen natürlich immer eine Rolle, denn die Oscars sind häufig für eine Überraschung gut. Hier findet Ihr die Nominierungen.

Los geht’s:

BESTES MAKEUP & HAIRSTYLING

Habt Ihr Die dunkelste Stunde oder zumindest einen Trailer zu dem Film gesehen? Gary Oldman als Winston Churchill? Das dürfte eigentlich schon alles aussagen.

Tipp: Die dunkelste Stunde
Persönlicher Favorit
: Die dunkelste Stunde

BESTE VISUELLE EFFEKTE

Zweimal zogen die herausragenden Effekte der neuen Planet-der-Affen-Filme bereits den Kürzeren – einmal gegen Hugo Cabret und einmal gegen Interstellar. Blade Runner 2049 dürfte ein starker Konkurrent sein, doch es ist möglicherweise die letzte Chance, Andy Serkis' herausragende Arbeit an dem Film zu würdigen und die meisten bisherigen Effekte-Auszeichnungen im diesjährigen Oscar-Rennen gingen auch an Planet der Affen – Survival.

Tipp: Planet der Affen – Survival
Persönlicher Favorit
: Planet der Affen – Survival

BESTER TONSCHNITT

Die beiden Ton-Kategorien sind fast immer diejenigen Oscars, in denen sich besonders technikstarke Filme profilieren, die zugleich als als "Bester Film" nominiert sind. In diesem Jahr wären das Dunkirk oder Shape of Water. Da es jedoch danach aussieht, als würde Dunkirk in den großen Kategorien leer ausgehen, werden die Wähler ihn vermutlich zumindest für die technischen Leistungen prämieren. Man denke an Inception, der Oscars für die Kamera, die Effekte und in beiden Ton-Kategorien gewonnen hat.

Tipp: Dunkirk
Persönlicher Favorit
: Dunkirk

BESTER TON

Dieses Jahr stimmen die Nominees in beide Ton-Kategorien exakt überein und häufig ist es bei den Siegern genau so. Deshalb setze ich auch hier auf Dunkirk, was absolut verdient wäre.

Tipp: Dunkirk
Persönlicher Favorit
: Dunkirk

BESTE FILMMUSIK

Hans Zimmers nervenaufreibender Score zu Dunkirk ist für mich der einprägsamste des Jahres, doch sowohl die BAFTAs als auch die Golden Globes prämierten Alexandre Desplats märchenhafte Musik zu Shape of Water. Das wird bei den Oscars vermutlich nicht anders sein. Ein Außenseiter und möglicher Kandidat für einen Überraschungssieg ist jedoch Jonny Greenwood mit seinem verspielten Score zu Der seidene Faden.

Tipp: Alexandre Desplat (Shape of Water – Das Flüstern des Wassers)
Persönlicher Favorit
: Hans Zimmer (Dunkirk)

BESTES FILMLIED

Das wird eine wirklich knappe Sache. "This Is Me" aus Greatest Showman gewann den Golden Globe, der Song macht wirklich Spaß und der Film ist ein gigantischer Crowd Pleaser. "Mystery of Love" stammt allerdings aus einem prestigeträchtigeren Film (Call Me By Your Name). Doch ich denke, dass sich Cocos rührendes Lied "Remember Me" überraschend durchsetzen wird.

Tipp: "Remember Me" (Coco)
Persönlicher Favorit
: "Remember Me" (Coco)

BESTE KOSTÜME

Historische und Fantasyfilme haben in dieser Kategorie immer einen klaren Vorteil. Allerdings trifft das dieses Jahr auf alle fünf nominierten Filme zu. Shape of Water wurde vom Verband der Kostümbildner ausgezeichnet, doch Der Seidene Faden wurde von der BAFTA prämiert. Ich tendiere dazu, den Film, in dem es explizit um Mode und Kleider geht, auch als Favoriten in dieser Kategorie anzugeben. Offensichtlich mochte die Academy Der seidene Faden, denn er hat schon bei den Nominierungen besser abgeschnitten als erwartet. Dies ist die wahrscheinlichste Kategorie, um den Film auszuzeichnen.

Tipp: Der seidene Faden
Persönlicher Favorit
: Der seidene Faden

BESTES SZENENBILD

Shape of Water ist dieses Jahr für 13 Oscars nominiert und wird mit Sicherheit in einigen technischen Kategorien gewinnen. "Bestes Szenenbild" scheint eine der wahrscheinlichsten zu sein. Bei den BAFTA Awards war er gegen exakt die gleichen Filme nominiert, wie bei den Oscars (Die Schöne und das Biest, Dunkirk, Die dunkelste Stunde und Blade Runner 2049) und hat gewonnen. Der Verband der Szenenbildner zeichnete den Film ebenfalls aus.

Tipp: Shape of Water – Das Flüstern des Wassers
Persönlicher Favorit
: Blade Runner 2049

BESTE KAMERA

Dreizehnmal ist Roger Deakins bereits bei den Oscars leer ausgegangen. Für seine Arbeiten an Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford oder Skyfall hätte er die Auszeichnung verdient gehabt. Auch in Blade Runner 2049 zauberte er wieder atemberaubende Bilder auf die Leinwand und wird dieses Mal höchstwahrscheinlich endlich die Anerkennung bekommen, die ihm schon längst zusteht. Gerade in diesem Jahr hätte ich allerdings Hoyte van Hoytemas 65mm-Aufnahmen aus Dunkirk vorgezogen, doch über Deakins' wahrscheinlichen Sieg (er räumte bereits den BAFTA und den Preis der American Society of Cinematographers ab) kann ich mich nicht beklagen.

Tipp: Roger Deakins (Blade Runner 2049)
Persönlicher Favorit
: Hoyte van Hoytema (Dunkirk)

BESTER SCHNITT

Der Schnitt ist dieses Jahr eine heiß umkämpfte Kategorie, in der es keinen klaren Favoriten gibt. In der Regel haben Filme, die zusätzlich noch als "Bester Film" nominiert sind, hier einen Vorteil. Das wären dieses Jahr Dunkirk, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri und Shape of Water. Doch es gab in Vergangenheit bei besonders technikstarken Filmen auch Ausnahmen. So gewannen Matrix und Das Bourne Ultimatum den Schnitt-Oscar, ohne in irgendwelchen nicht-technischen Kategorien nominiert gewesen zu sein. David Finchers Verblendung ist übrigens bis heute der einzige Film in der Oscargeschichte, der "Bester Schnitt" und keinen weiteren Oscar gewann. Im Vorfeld hat Baby Driver bei den Kritikerpreisen die meisten Auszeichnungen für seinen Schnitt bekommen und auch die British Academy of Film and Television Arts verlieh ihm den Preis in der Kategorie. Beim Editoren-Verband setzte sich jedoch I, Tonya in der "Komödie/Musical"-Subkategorie gegen Baby Driver durch. In der "Drama"-Kategorie gewann Dunkirk. Alle diese drei Filmen haben gute Chancen auf den Oscar, doch als "Bester Film"-Nominee und ein technisches Wunderwerk sondergleichen hat Dunkirk einen leichten Vorteil.

Tipp: Dunkirk
Persönlicher Favorit
: Dunkirk

Auf Seite 2 gehe ich u. a. auf die Drehbuch- und Kurzfilm-Kategorien ein.

Death Wish (2018) Kritik

Death Wish (2018) Filmkritik

Death Wish, USA 2018 • 107 Min • Regie: Eli Roth • Mit: Bruce Willis, Vincent D’Onofrio, Dean Norris, Kimberly Elise, Camila Morrone, Elisabeth Shue • FSK: ab 18 Jahren • Kinostart: 8.03.2018 • Website

Handlung

Paul Kersey (Bruce Willis) ist ein erfolgreicher Chirurg in Chicago, der tagtäglich Opfer von Gewaltverbrechen auf seinem OP-Tisch vorfindet. Dabei erlebt er auch die Machtlosigkeit der Polizei mit, die selbst Opfer von bewaffneten Kriminellen wird. Pauls eigene Familienidylle wird eines Abends schlagartig zerstört, wenn ein Einbrecher-Trio Pauls Ehefrau Lucy Rose (Elisabeth Shue) ermordet und seine Tochter Jordan (Camila Morrone) schwer verletzt. Er versinkt in Depression und die Hoffnung, die Täter dingfest zu machen, schwindet mit jedem Tag, wenn die völlig überarbeiteten Polizeiermittler (Dean Norris und Kimberly Elise) keinerlei Fortschritte machen. Nachdem der desillusionierte Paul durch einen Zufall in Besitz einer Pistole gelangt, startet er einen Rachefeldzug gegen die Kriminellen der Stadt und bekommt dabei den Beinamen "Sensenmann". Während sich die Geister darüber scheiden, ob der einsame Rächer ein Schutzengel oder ein Verbrecher ist, findet Paul Hinweise auf die Identität der Täter, die sein Leben ruiniert haben.

Kritik

Kann man einen Film eigentlich besprechen, ohne die Zeit und die Umstände, unter denen er veröffentlicht wird, zu berücksichtigen? Lässt man diese außer Acht, ist Death Wish, die Neuverfilmung von Ein Mann sieht rot aus dem Jahr 1974, ein gelegentlich unterhaltsamer, völlig unrealistischer und leidenschaftslos gemachter Racheactioner, dessen sämtlichen Höhepunkte in den Trailern verraten werden. Wer sich bereits damit zufrieden gibt, Bruce Willis endlich wieder in einem halbwegs hochwertig produzierten Kinofilm zu sehen, in dem er bösen Buben den Garaus macht, wird bei Death Wish auf seine Kosten kommen.

Doch es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Zeitpunkt für diesen Film, der am aktuellen Zeitgeist vorbeischießt wie ein Blinder mit zwei linken Händen, kaum ungünstiger sein könnte. Zwei Wochen nach dem Schulmassaker von Parkland ist die Debatte um die Waffengesetze in den USA akuter denn je und lässt auch nicht nach. In diesem Kontext fühlt sich ein Film, in dem Waffenfetischismus im großen Stil betrieben wird, äußerst deplatziert an. Nicht dass es zu einem anderen Zeitpunkt viel vertretbarer gewesen wäre, doch vielleicht wäre man dann einfach nicht so sehr auf das Thema sensibilisiert. Es wird natürlich auch gewisse Schichten der US-Bevölkerung geben, die die Idee eines einfachen Mannes, der das Gesetz in die eigene Hand nimmt und seine Probleme mit Schnellfeuerwaffen löst, feiern werden. Nicht zuletzt US-Präsident Donald Trump, der kürzlich vorgeschlagen hat, Lehrer zu bewaffnen, um künftige Schulmassaker zu verhindern. Für ihn ist Willis’ Paul Kersey vermutlich das Musterbeispiel für einen gut angepassten Bürger.

Death Wish (218) Filmbild 1Auch ohne die Glorifizierung der Feuerwaffen und der völlig ironiefreien Darlegung, wie einfach es ist, als Durchschnittsbürger in den USA an diese zu kommen, ist Selbstjustiz an sich schon ein heikles Thema. Als Ein Mann sieht rot mit Charles Bronson 1974 in die Kinos kam, sorgte der Film für Kontroverse. Brian Garfield, der Autor des Romans, der dem Film zugrunde lag, hat zu Recht bemängelt, dass der Film die Intention des Romans völlig verfehlte. Lag es Garfield noch sehr daran, zu zeigen, dass Selbstjustiz dumm ist und ins Verderben führt (sein Romanheld begeht seinen ersten Mord erst in den letzten Seiten des Buchs), wurde der Film zu einem Reißer, der aber zu seiner Zeit den Nerv der US-Bevölkerung traf, als diese eine der schwersten Verbrechens- und Mordwellen in der Geschichte des Landes erlebte. Ein Mann sieht rot wurde zu einer Katharsis für viele, einer Wunscherfüllung.

Es ist kein Zufall, dass Joe Carnahans Drehbuch die Handlung des Remakes von New York nach Chicago verlegte. Die windige Stadt erlebte 2016 mit über 700 Morden ihr tödlichstes Jahr seit knapp zwei Jahrzehnten. Auftritt Bruce Willis, der als schießwütiger Chirurg mit Autoräubern und Drogendealern aufräumt und so Furcht und Schrecken unter den Kriminellen der Stadt verbreitet, indem er zum Richter und Henker wird. Wieder einmal versucht der Film, die Rachefantasien der Zuschauer zu erfüllen, doch die Zeiten haben sich verändert. Die Schwarz-Weiß-Malerei sowie die Verehrung der Waffengewalt als Allheilmittel gegen Kriminalität aber auch offenbar gegen Trauer (Paul fühlt sich sofort besser, nachdem er seine ersten Morde begangen hat) wirken einfach unangebracht. Rachefilme und Selbstjustizthemen haben durchaus Daseinsberechtigung im Kino, sei es zum Beispiel im karikaturhaft überzeichneten, satirischen Kick-Ass oder in James Wans ultradüsterem, pessimistischem Death Sentence. Beide Filme zeigen auf ihre Weise eindrucksvoll die Konsequenzen, die die entsprechenden Handlungen der Protagonisten auf ihr Leben haben. Doch Death Wish bleibt bierernst und zugleich völlig realitätsfremd.

Der Film unternimmt halbherzige Versuche, das Richtig oder Falsch von Pauls Handlungen als "Sensenmann" zu thematisieren (gibt es da wirklich einen Spielraum?!), indem er diverse Radiomoderatoren zu Wort kommen lässt, die unterschiedliche Positionen einnehmen. Auch sehen wir einmal eine Meldung von einem Nachahmer, der jedoch bei seinem Versuch, einen Kriminellen aufzuhalten, ums Leben kommt. Doch all das bleibt ohne jegliche Konsequenz und fühlt sich reingezwängt an, um ja keinen Zorn auf sich zu ziehen.

Death Wish (2018) Filmbild 2

Während Paul Kersey weder im Roman noch im Originalfilm jemals die Täter findet, die seiner Familie großes Leid angetan haben, müssen die Zuschauer heutzutage natürlich diese Genugtuung erfahren. Da die Polizisten im Film völlig inkompetent sind, muss Paul die Sache eben in die eigene Hand nehmen. Dass er sich innerhalb kurzer Zeit von einem völligen Waffen-Amateur zu einem abgebrühten Actionhelden der Marke Bruce Willis wandelt, ist nur einer von vielen weit hergeholten Aspekten des Films. Als Chirurg, der augenscheinlich keine einzige seiner Operationen zu Ende bringt (achtet mal genau darauf!), ist Bruce Willis leider so unglaubwürdig besetzt, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn auch noch Jason Statham als Onkologe und Steven Seagal als Chefarzt in Gastauftritten aufgetaucht wären. Die Kriminellen im Film sind dafür allesamt furchtbare Schützen, völlig blöd und lassen sich fast bereitwillig von Willis abknallen, sodass bei keiner der Konfrontationen echte Spannung aufkommen mag.

Death Wish (2018) Filmbild 3Viel wohler als im Ärztekittel fühlt sich Bruce Willis im Hoodie, wenn er durch die Straßen Chicagos streift, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Nachdem er in letzter Zeit von einer Direct-to-DVD-Produktion zur nächsten auf Autopilot schlafwandelte und augenscheinlich nur am Set auftauchte, um seinen Scheck zu kassieren, zeigt Willis in Death Wish erfreulicherweise, dass er nicht vergessen hat, wie man schauspielert. Tatsächlich scheint er insbesondere in der zweiten Filmhälfte Spaß zu haben. Leider ist er auch der einzige Schauspieler in diesem Film, der einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlässt. Für andere ist im Drehbuch einfach kein Platz. Völlig verschwendet ist vor allem der großartige Vincent D’Onofrio ("Marvel’s Daredevil") in der Rolle von Pauls Bruder Frank, einem ehemaligen Kriminellen, der zum rechten Pfad zurückgefunden hat. Er soll als moralische Kompass des Films fungieren, taucht dafür jedoch zu beliebig und unregelmäßig auf. Undankbar ist auch der Part von Elisabeth Shue (Leaving Las Vegas) als Pauls totgeweihte Frau.

Death Wish (2018) Filmbild 4Wird Death Wish also für große Kontroverse sorgen? Mit ziemlicher Sicherheit nicht, denn der Film ist einfach viel zu belanglos und nach Schema F inszeniert. Als eine Fantasie, die in ihrer eigenen Blase existiert, hätte Death Wish immer noch ein Guilty Pleasure werden können. Dafür ist er einfach viel zu unaufregend und überraschungsfrei gemacht. Als Eli Roth als Regisseur des Films angekündigt wurde, war es eigentlich glasklar, dass er sich mit dem Thema nicht sonderlich kritisch auseinandersetzen würde. Aber bei einem der Vorreiter des Torture-Porn-Subgenres konnte man sich zumindest auf einen vergnügt brutalen, politisch inkorrekten Exploitation-Film hoffen. Auch das ist Death Wish jedoch nicht. Die Umsetzung bleibt weitgehend banal, zu den besten Szenen gehört eine Split-Screen-Montage, die Pauls lebensrettende Arbeit im Krankenhaus mit seiner todbringenden Doppelleben kontrastiert. Nur in einigen wenigen Momenten, wie zum Beispiel einer längeren Szene in einer Autowerkstatt, die dem Film sicherlich seine FSK18-Freigabe eingebracht hat, scheint Roths Handschrift wirklich durch. Nicht nur ist der Angriff auf Pauls Familie im Film deutlich weniger brutal als im Original, Roth schneidet auch im entscheidenden Moment weg. Das ist an und für sich nicht verkehrt, erscheint jedoch in einem Film, der sich ansonsten wenig um Anstand kümmert, seltsam. Ob mit Cabin Fever, Hostel oder The Green Inferno, Eli Roth hat die Zuschauer schon immer gespalten, doch selten so kalt gelassen wie mit Death Wish.

Fazit

Ein falscher Film zur falschen Zeit: Eli Roths Neuauflage von Death Wish ist eine leidlich unterhaltsame, jedoch fragwürdige Rachefantasie mit wenigen Höhepunkten, die den aktuellen Zeitgeist gänzlich verfehlt. Immerhin darf Bruce Willis endlich wieder richtig schauspielern.

Trailer

Box-Office USA: Phänomenaler Rekordstart für Black Panther

Black Panther Box Office

© 2018 Walt Disney Pictures

Quelle: Boxofficemojo

Marvel eilt wieder zur Rettung herbei. Nach mehreren Wochenenden in Folge, an denen die Einspielergebnisse an den nordamerikanischen Kinokassen unter der Vorwoche lagen, hat der Start des neuen Comic-Blockbusters Black Panther für einen kräftigen Zuwachs der Umsätze gesorgt. Am Wochenende vor dem nationalen Feiertag Presidents Day erzielte die Top 12 insgesamt satte $271 Mio. Es war der dritthöchste Gesamtumsatz der Top 12 an einem Wochenende in der nordamerikanischen Box-Office-Geschichte und mit Abstand ein neuer Rekord für ein Februar-Wochenende. Dieser gehörte zuvor dem Wochenende, an dem Deadpool vor zwei Jahren gestartet ist, mit $221,2 Mio. Zudem wurde das Wochenende zum umsatzstärksten überhaupt außerhalb der Weihnachtszeit. Der Rekord gehörte zuletzt dem Wochenende vom 17. bis 19. März letzten Jahres, an dem Die Schöne und das Biest gestartet ist. Der Top-12-Umsatz lag stolze 127% über dem vorigen und 100% über dem gleichen Wochenende aus dem letzten Jahr, als The LEGO Batman Movie an seinem zweiten Wochenende die Charts anführte.

Black Panther eroberte die Chartspitze mit einem der beeindruckendsten Starts in der gesamten Box-Office-Geschichte. Von Freitag bis Sonntag spielte die Comicverfilmung $102 Mio von 4020 Kinos in den USA und in Kanada ein und erzielte einen phänomenalen Schnitt von $50250 pro Spielstätte. Am Freitag erzielte Black Panther mit $75,9 Mio (davon $25,2 Mio in Donnerstagspreviews) den achtbesten Starttag aller Zeiten, woraufhin mit $66 Mio sogar der viertgrößte Samstag überhaupt folgte, noch vor Die letzten Jedi, und der zweitbeste Sonntag ($60,1 Mio), lediglich hinter Das Erwachen der Macht. Insgesamt gelang Black Panther das fünfthöchste Startwochenende aller Zeiten in Nordamerika, sogar vor Marvels Ensemble-Blockbustern Avengers: Age of Ultron ($191,3 Mio) und The First Avenger: Civil War ($179,1 Mio). Die einzigen Filme, die in Vergangenheit noch erfolgreicher angelaufen sind, waren Star Wars – Das Erwachen der Macht ($248 Mio), Star Wars – Die letzten Jedi ($220 Mio), Jurassic World ($208,8 Mio) und Marvel’s The Avengers ($207,4 Mio). Es ist wirklich erstaunlich, dass Black Panther, der Solo-Einstand des titelgebenden Superhelden, es geschafft hat, sich in diesen elitären Kreis von Megablockbustern vorzuarbeiten. Disney gehören jetzt übrigens acht der zehn erfolgreichsten Startwochenenden in Nordamerika.

Natürlich schlug Black Panther auch den bisherigen Februar-Startrekord um 45%, der zuvor Deadpool mit $132,4 Mio gehörte. Kaum zu glauben, dass Die Passion Christi den Rekord bis 2015 elf Jahre lang mit $83,8 Mio hielt. Die Riesenstarts von Black Panther und Deadpool sollten den Studios das Vertrauen geben, mehr potenzielle Tophits in dem lange Zeit als "ruhig" bekannten Monat zu starten. Wenn ein Film wirklich interessant aussieht, dann kommen auch die Zuschauer, egal welcher Monat es ist.

Auch wenn beide Filme kaum weiter auseinanderliegen könnten, erinnert mich der Überraschungserfolg von Black Panther an Es vom letzten September. In beiden Fällen braute sich schon im Vorfeld zum Start der perfekte Sturm aus zahlreichen begünstigenden Faktoren zusammen, der sich in einem gigantischen Startwochenende entlud. Im Falle von Es waren es $123,4 Mio für einen R-rated Horrorfilm im September, ebenfalls eine davor kaum vorstellbare Zahl für einen solchen Film. Dass Black Panther sehr erfolgreich anlaufen würde, hat sich schon vor Monaten abgezeichnet, als die Reaktionen auf Marvels Marketingkampagne extrem positiv ausgefallen sind und der Film angefangen hat, erste Vorverkaufsrekorde zu brechen. Dass er jedoch so gigantisch werden könnte, wurde erst unmittelbar vor dem Start klar.

Mit Sicherheit profitierte Black Panther vom guten Willen gegenüber der Marke Marvel. Mit Guardians of the Galaxy Vol. 2, Spider-Man: Homecoming und Thor – Tag der Entscheidung produzierte Marvel letztes Jahr gleich drei vom Publikum und den Kritikern geliebte Kinohits, die jeweils mehr als $310 Mio in den USA und in Kanada eingespielt haben. Inzwischen wissen die Kinogänger, dass auf Disney/Marvel Verlass ist, wenn sie gute Kinounterhaltung suchen. Auch der erste Auftritt von Black Panther in The First Avemger: Civil War hat einen guten Eindruck hinterlassen. Doch das erklärt den Riesenerfolg nur zum Teil. Der andere wichtige Aspekt ist ein perfektes Timing, das den Zeitgeist erwischte, der letztes Jahr zur gleichen Zeit auch Get Out zum unerwarteten Erfolg verholfen hat. Zu lange vernachlässigten große Hollywood-Filme das afroamerikanische Publikum und ein Film wie Black Panther hat dieses angesprochen wie kein anderer Blockbuster jemals zuvor, wobei er gleichzeitig auch die Probleme der Ausgrenzung und Unterdrückung adressierte. Ein schwarzer Regisseur und ein nahezu komplett schwarzer Cast ist etwas, was bei einem Big-Budget-Blockbuster immer noch sehr ungewohnt ist, sorgten dafür, dass Black Panther sich nicht einfach nur wie der 18. Film aus dem Marvel Cinematic Universe anfühlte, sondern wie eine frische Brise in der Blockbuster-Flut. Es ist ein ähnlicher Effekt wie bei Wonder Woman letztes Jahr, der ersten großen modernen Comicadaption mit einer weiblichen Heldin, jedoch auf einem deutlich größeren Level.

Dass dies keine bloße Vermutung ist, zeigt die demografische Verteilung der Zuschauer am Startwochenende. Von diesen waren 37% Afroamerikaner, ein weitaus größerer Anteil als bei jeder bisherigen Marvel-Verfilmung. Das ist besonders beeindruckend, wenn man sich vor Augen führt, dass nur 12,3% der US-Bevölkerung Afroamerikaner sind. Weitere 35% am Startwochenende waren Weiße und 18% waren Hispanoamerikaner. Es war also ein sehr vielfältiges Publikum, das Black Panther in die Kinos gelockt hat. Die Geschlechterverteilung waren relativ ausgeglichen, mit 55% Männern und 45% Frauen. Knapp 61% der Zuschauer waren älter als 25.

Zu diesen fördernden Umständen gesellten sich die positivsten Kritiken für eine Comicverfilmung seit Christopher Nolans The Dark Knight, eine brillante und intensive Marketing-Kampagne und die Verpflichtung des ultraerfolgreichen Musikers Kendrick Lamar für die Zusammenstellung des Soundtracks. All das ließ den Hype exponentiell anwachsen und in einem überwältigenden Startwochenende resultieren. Wie es nun weitergehen wird, lässt sich bei einem solchen Riesestart schwer abschätzen. Die Kritiken sprechen für sich und die Mundpropaganda sollte sich angesichts des sehr seltenen "A+"-CinemaScores (äquivalent einer "1+") wie ein Lauffeuer verbreiten. Black Panther ist erst der zweite Film des MCU, nach The Avengers, der diese Höchstwertung der Zuschauer erhalten hat. Natürlich wird es auch einen gewissen Grad der Frontlastigkeit geben, insofern als dass viele Interessierte bereits am Startwochenende in die Kinos geströmt sind. Doch sogar im schlechtesten Szenario ist es kaum vorstellbar, dass Black Panther $500 Mio in Nordamerika verfehlen wird. Das alleine würde ihn schon in die All-Time Top 10 bringen und zum zweiterfolgreichsten MCU-Film nach The Avengers ($623,4 Mio) machen. Sollte er einem ähnlichen Verlauf folgen wie der am gleichen Wochenende gestartete Deadpool, wird er $553 Mio in Nordamerika einnehmen. Ein ähnliches Ergebnis winkt ihm auch, wenn er in die Fußstapfen des ebenfalls vor dem Sommer gestarteten, positiv aufgenommenen The Return of the First Avenger folgt. Allerdings ist Black Panther ein kulturelles Phänomen und die Schlagzeilen zu seinem Sensationsstart könnten sogar Kinogänger anlocken, die ansonsten an dem Film wenig interessiert gewesen wären. Deshalb gehe ich momentan von einem Gesamteinspiel in Höhe von $550-575 Mio aus, würde aber auch $600 Mio noch nicht ausschließen.

Auch international schlug Black Panther ein wie eine Bombe und nahm $169 Mio von 48 Ländern außerhalb von Nordamerika ein. Die ertragreichsten Märkte waren dabei Südkorea mit $25,3 Mio und Großbritannien mit $24,8 Mio. Starts in China, Japan und Russland stehen dem Film noch bevor, der weltweit die Milliardenmarke knacken könnte.

Auf Seite 2 findet Ihr die neusten Updates zu den Einspielergebnissen von Fifty Shades of Grey – Befreite Lust, Shape of Water sowie den unermüdlichen Langläufern Jumanji und Greatest Showman.

Black Panther (2018) Kritik

Black Panther (2018) Filmkritik

Black Panther, USA 2018 • 135 Min • Regie: Ryan Coogler • Mit: Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong’o, Danai Gurira, Forest Whitaker, Angela Bassett, Andy Serkis, Martin Freeman • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 15.02.2018 • Website

Handlung

Nach dem Tod seines Vaters beim Terroranschlag durch Helmut Zemo, muss Prinz T’Challa (Chadwick Boseman) unvermittelt die Rolle übernehmen, auf die er sein Leben lang vorbereitet wurde. Als neuer König des von der Außenwelt völlig abgeschotteten, hochentwickelten afrikanischen Landes Wakanda, wird er auch zum neuen Black Panther, dem Beschützer seines aus mehreren Stämmen zusammengesetzten Volkes. Viel Eingewöhnungszeit bekommt T’Challa als Herrscher nicht. Kurz nachdem er den Thron bestiegen hat, taucht ein alter Staatsfeind Wakandas, der skrupellose Waffenhändler Ulysses Klaue (Andy Serkis), wieder auf dem Radar auf. Klaue gehört zu den wenigen Außenseitern, die die Wahrheit über Wakandas technologische Fortschritte und Reichtümer wissen und hat außerdem das Leben vieler Wakander auf dem Gewissen. Fest entschlossen reist T’Challa in Begleitung seiner toughen Ex-Freundin Nakia (Lupita Nyong’o) und Okoye (Danai Gurira), der Anführerin der königlichen Leibgarde Dora Milaje, nach Südkorea, wo Klaue gestohlenes Vibranium verkaufen möchte. Trotz diverser Komplikationen verläuft der Einsatz zunächst erfolgreich, doch T’Challa muss feststellen, dass jemand weitaus Gefährlicheres als Klaue im Hintergrund die Strippen zieht. Getrieben von seinen festen Prinzipien, Idealen und einem sehr persönlichen Groll gegen den Black Panther, wird der ehemalige Elitesoldat Erik Stevens (Michael B. Jordan) nicht nur zu einer Bedrohung für die Zukunft Wakandas, sondern auch der gesamten Welt.

Kritik

Es grenzt schon fast an Hexerei, doch Marvel hat es wieder einmal geschafft. Mit Black Panther macht das Studio wieder vor, wie ein guter Blockbuster sein kann. Mitreißende Action, fantastische Bilder, coole Gadgets, fantasievolle Welten und Vorlagentreue stehen hier einer intelligenten, bodenständigen und sogar aktuell durchaus gesellschaftlich relevanten Geschichte nicht im Wege, sondern beide ergänzen sich. Black Panther ist die dritte Regiearbeit von Ryan Coogler (nach Nächster Halt: Fruitvale Station und Creed – Rocky’s Legacy) und sein dritter Volltreffer auf ganzer Linie, der zeigt, dass er seine Sensibilität für wichtige Themen gleichermaßen gut in kleinen Indies wie in großem Hollywood-Kino unterbringen kann, ohne damit aufdringlich zu werden. Coogler, der hier aus als Co-Autor des Drehbuchs fungierte, weiß, was die meisten Marvel-Fans und Kinogänger sehen wollen und er geizt nicht mit Effekten, visueller Opulenz und zahlreichen Verweisen auf die Comicvorlage. Doch er schafft das, ohne sein Publikum für dumm zu verkaufen oder sein Ziel jemals aus den Augen zu verlieren. Wie schon einst bei Guardians of the Galaxy, The Return of the First Avenger und Thor – Tag der Entscheidung, muss ich auch hier wieder einmal feststellen: Black Panther ist ein Marvel-Film wie kein anderer.

Black Panther (2018) Filmbild 1

Es ist wirklich bemerkenswert, dass man sich bei Marvel nicht in Versuchung führen lässt, bewährte Erfolgsrezepte immer wieder aufzuwärmen. Natürlich merkt man auch bei Marvel, was bei den Zuschauern funktioniert, was nicht und es wird aus Fehlern gelernt. Doch diese verleiten nicht dazu, auf Nummer sicher zu gehen. Immer wieder werden große Marvel-Produktionen Filmemachern anvertraut, die noch nie in dieser Budgetklasse gearbeitet haben. Es sind Taika Waitits, James Gunns und nun auch Ryan Cooglers einzigartige Visionen, die ihre Marvel-Beiträge zu Kritiker- und Publikumslieblingen und Kassenschlagern gleichermaßen gemacht haben.

Dabei könnte der Kontrast zwischen dem dritten Thor-Abenteuer und Black Panther kaum größer sein. Natürlich dürfen auch im 18. MCU-Film ein wenig Situationskomik und der eine oder andere One-Liner (vor allem dank Andy Serkis) nicht fehlen, doch nach dem albernen, bunten, intergalaktischen Treiben des Donnergottes, werden in Black Panther überwiegend ernste Töne angeschlagen. In dieser Hinsicht ähnelt sich der Film vor allem dem zweiten Captain-America-Einsatz. Nur mit berittenen, gepanzerten Riesennashörnern. Warum auch nicht, sie sehen verdammt cool aus!

Black Panther (2018) Filmbild 2

Der in Civil War bereits eingeführte Titelheld hat keine Zeit für Späße, denn es ist eine Tragödie, die die Handlung des Films in Gang setzt und ihn zum König macht. Und die harten Zeiten stehen dann noch bevor. Chadwick Boseman streift sich die Black-Panther-Rolle wie eine zweite Haut über und damit meine ich nicht nur sein schnittiges Vibranium-Kostüm. Er strahlt Autorität, leichte Überlegenheit und pure, ungefilterte Coolness aus. In den zahlreichen Kampfszenen zeigt er auch bemerkenswerte physische Präsenz, sodass man ihm den gestandenen Krieger abkauft. Mit seinem zweiten Auftritt in der Rolle zementiert er den Status von Black Panther als einen der größten Badass-Helden aus Marvels Kinouniversum.

Doch sein Black Panther ist auch nicht frei von (durchaus berechtigten) Selbstzweifeln. Diese schleichen sich bei ihm langsam ein, als er vor die Frage gestellt wird, wie er sein Land und sein Volk führen möchte. Wakanda ist durch große Vibranium-Vorkommen reich und technologisch weiter entwickelt als jedes andere Land der Welt. Doch aus Angst, wie andere afrikanische Länder in der Menschheitsgeschichte ausgebeutet oder von verarmten Nachbarn überrannt zu werden, werden alle Errungenschaften vor der Außenwelt geheim gehalten und Wakanda präsentiert sich als ein armes Entwicklungsland, das jedoch keinerlei Hilfe akzeptiert. Während viele in Wakanda darauf bestehen, den Status Quo aufrechtzuerhalten, gibt es auch Stimmen, darunter auch T’Challas junge Schwester Shuri (Letitia Wright), die für eine Öffnung der Grenzen und die Bereitstellung des Know-Hows an bedürftige Länder plädieren. Es geht um den Konflikt zwischen Traditionen und Zukunftsblick, und die Frage, ob es moralisch vertretbar ist, die Augen vor dem Leid und der Benachteiligung anderer zu verschließen, um sich selbst zu schützen.

Black Panther (2018) Filmbild 3

Coogler greift in Black Panther hochaktuelle und heikle Themen auf. Auch Flüchtlingsthematik findet im Film Erwähnung, ebenso wie die jahrelange soziale Ausgrenzung von Afroamerikanern in den USA. Der Film nimmt sich ganz schön viel vor für einen Marvel-Blockbuster über einen Athleten im Catsuit, der von Auto zum Auto springt und Bösewichte mit mechanischen Armen verprügelt. Er schafft jedoch das Kunststück, an keiner Stelle wie eine Moralpredigt zu wirken, sondern all diese Elemente in einer spannende und actionreiche Geschichte zu verpacken, die trotz einer mehr als zweistündigen Laufzeit keine Minute zu lang wirkt.

Es geht in Black Panther vor allem um Verantwortungsübernahme, und das auf vielen verschiedenen Ebenen. T’Challa übernimmt die Verantwortung für sein Land, sein Volk, aber wie sieht es mit der Verantwortung für die Sünden seiner Vorgänger oder für in Armut lebende Menschen aus, die nicht das Glück hatten, in einem Land mit dem wertvollsten Metall der Welt geboren worden zu sein? Der Auftritt von Michael B. Jordan als sein Antagonist Erik Stevens alias Killmonger verstärkt diese Fragen. Mit Jordans Figur ist Black Panther etwas gelungen, woran sogar die meisten sehr guten Marvel-Filme in Vergangenheit gescheitert sind: ein interessanter, komplexer Bösewicht. Der Charakter wird von einem nachvollziehbaren Motiv angetrieben, der auch jenseits der üblichen die-Welt-beherrschen/zerstören-Muster vieler vergleichbarer Schurken geht. Es gibt Momente, in denen auch er ins Klischee verfällt, doch er bleibt ein tragischer Charakter, einer den das Leben geprägt hat und der Zeuge dessen wurde, wovor T’challa und seine Landesleute lange Zeit die Augen verschlossen hielten. Die angestaute Wut und Frust sind in jedem von Jordans Sätzen, seiner Mimik und sogar seiner Körpersprache zu spüren.

Black Panther (2018) Filmbild 4

Doch Black Panther ist kein sozialkritisches Gesellschaftsdrama von Ken Loach, sondern ein packender Blockbuster und das vergisst Coogler auch nicht. Die Action gehört vielleicht nicht zu den besten in Marvels Filmen, doch die sehr körperbetonten Mann-gegen-Mann-Kämpfe sind erfrischend anders und bodenständig, während die Autoverfolgungsjagd in Busan zwar die Gesetze der Physik aushebelt, aber verdammt viel Spaß macht.

Für Spaß sorgt auch Andy Serkis, der seine Rolle aus Avengers: Age of Ultron wieder aufnimmt und in jeder Szene absolut Over-the-Top agiert. Es macht einfach Spaß, ihm dabei zuzusehen, auch wenn es mit dem ansonsten ernsten Ton kontrastiert.

In Black Panther wird nicht nur Black Power groß geschrieben, sondern auch Frauenpower. Von Oscarpreisträgerin Lupita Nyong’o als selbstbestimmte, idealistische Agentin Nakia über "The Walking Dead"-Star Danai Gurira als Wakandas größte Kriegerin Okoye, die zwischen ihrer Pflicht und ihrem Gewissen hin- und hergerissen ist, bis Letitia Wright als hochintelligente, freche Shuri, ist der Film voll mit tollen weiblichen Charakteren, die sich alle auf sich alleine gestellt gut behaupten können und tragende Rollen in der Geschichte haben. Veteranenunterstützung bekommt der Film durch die Auftritte von Forest Whitaker und Angela Bassett als T’Challas Mentor bzw. seine Mutter.

Black Panther (2018) Filmbild 5

Nicht nur durch seine Themen unterscheidet sich Black Panther von seinen Marvel-Vorgängern, sondern auch durch sein exotisches Flair, das mit dem Setting einhergeht. In der Darstellung von Wakanda fand Coogler eine faszinierende Balance zwischen stereotypen Vorstellungen einer ostafrikanischen Gesellschaft und einer hochmodernen Gesellschaft. Hier prallen traditionelle Stammestrachten und Speere auf futuristische Hovercrafts und unterirdische magnetisch betriebene Hochgeschwindigkeitszüge. Auch die bunte Farbpalette, die in der Darstellung der einzelnen Stämme gewählt wurde, ist eine echte Augenweide, während die Musik, die moderne Hip-Hop-Beats mit afrikanischen Drums vermischt, zu den einprägsamsten des MCU gehört.

Black Panther (2018) Filmbild 6

Black Panther geht auch nicht der Versuchung nach, den Film als Vorbereitung von Avengers: Infinity War zu nutzen. Im Gegenteil, der Streifen wirkt, abgesehen von den Rückkehrern Chadwick Boseman, Andy Serkis und Martin Freeman, weitgehend autonom im Marvel-Universum (haltet natürlich auch Ausschau nach den Abspannszenen). Davon profitiert der Film ebenfalls, denn Coogler war nicht an vorgegebene Punkte einer Checkliste gebunden, sondern konnte einen Film erschaffen, der auf eigenen Beinen stehen kann.

Wenn es eine Schwachstelle im Film zu nennen gibt, dann höchstens die bewährte, aber auch etwas langweilige Entscheidung, den Schurken irgendwann mit nahezu identischen Kräften auszustatten wie den Helden. So wie Iron Mans Gegner in seinen ersten beiden Solo-Filmen im Prinzip alternative Iron-Man-Versionen waren, steht auch hier Black Panther irgendwann seinem Ebenbild gegenüber.

Aber wenn man ganz ehrlich ist, ist das ein irrelevantes Manko, denn letztlich bleibt die Tatsache, dass Black Panther fantastische Unterhaltung mit Anspruch und einem obercoolen Helden ist.

Fazit

Regisseur und Drehbuchautor Ryan Coogler landet mit seinem dritten Werk einen weiteren Volltreffer und erschafft einen Film wie aus einem Guss. Marvels neuster Streich gehört zu den besten des nahezu unfehlbaren Studios. Vor dem Hintergrund gewohnt spektakulärer Bilder, virtuos inszenierter Action und fetziger Filmmusik entfaltet sich in Black Panther eine hochaktuelle und mitreißende Geschichte über Verantwortungsübernahme, Selbstbestimmung, Empowerment und Bruch mit Traditionen. So muss gutes Blockbuster-Kino sein!

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Wonder Wheel (2017) Kritik

Wonder Wheel (2017) Filmkritik

Wonder Wheel, USA 2017 • 101 Min • Regie: Woody Allen • Mit: Kate Winslet Justin Tmberlake, Jim Belushi, Juno Temple • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 11.01.2018 • Deutsche Website

Handlung

Ginny (Kate Winslet) geht schnell auf die 40 zu und arbeitet als Kellnerin in einem Restaurant in einem Vergnügungspark auf Coney Island der fünfziger Jahre. Gemeinsam mit ihrem Sohn aus erster Ehe (Jack Gore) und ihrem ungebildeten, prolligen Ex-Alkoholiker-Ehemann Humpty (Jim Belushi) wohnt sie in einer schäbigen Wohnung inmitten des andauernden Lärms des Freizeitparks. Mit einem Mann unglücklich verheiratet, mit dem sie keinerlei Gemeinsamkeiten hat, und mit einem pyromanisch veranlagten Sohn, trauert Ginny ihrer ersten Ehe, die aufgrund ihres Seitensprungs in die Brüche ging, und ihren zerbrochenen Träumen von einer Karriere als Theaterschauspielerin hinterher. Wenn sie den deutlich jüngeren Kriegsveteranen, Rettungsschwimmer und aufstrebenden Bühnenautor Mickey (Justin Timberlake) trifft, stürzt sie sich Hals über Kopf in eine Affäre. Plötzlich schöpft Ginny neuen Lebenswillen und Hoffnung auf ein besseres Leben. Als jedoch Humptys entfremdete Tochter Carolina (Juno Temple) aus erster Ehe plötzlich vor ihrer Tür steht, auf der Flucht vor ihrem Mafioso Ex-Mann, den sie beim FBI angeschwärzt hat, sieht Ginny ihr neu gefundenes Glück in Gefahr. Mickey macht der jüngeren, bildhübschen und etwas naiven Carolina schöne Augen und Humpty schenkt seiner heimgekehrten Tochter seine ganze Aufmerksamkeit. Ihre Bemühungen, Mickeys Zuneigung zu bewahren, treiben Ginny an den Rand des Nervenzusammenbruchs.

Kritik

Wie ein Uhrwerk produziert das inzwischen 82-jährige New Yorker Multitalent Woody Allen jedes Jahr einen neuen Film (und fand sogar nebenbei Zeit für eine Amazon-Miniserie). Wenn man das seit fast 50 Jahren macht und nicht gerade der wandlungsfähigste Filmemacher der Welt ist, ist es nur natürlich, dass die Quote der wirklich sehenswerten Filme mit der Zeit sinkt. Sogar die eingefleischten Allen-Fans stellen sich vor jedem seiner neuen Filme mittlerweile die übliche Frage: "Wird es wieder einer von den guten?". Für jeden Match Point, Vicky Cristina Barcelona und Midnight in Paris gibt es leider auch einen To Rome with Love, Irrational Man, Magic in the Moonlight und Ich sehe den Mann deiner Träume. Während Café Society letztes Jahr an den Höhen von Allens besten Werken der letzten Jahre vorbeischlitterte, dank der tollen Chemie zwischen Jesse Eisenberg und Kristen Stewart aber auch weit von den Tiefen seines schwächsten Outputs entfernt war, fällt Wonder Wheel leider in die letzte Kategorie.

Wonder Wheel (2017) Filmbild 1Es ist nichts Neues, dass Woody Allen immer wieder ähnliche Themen aufgreift und in einer leicht abgewandelten Form aufarbeitet. Gerade in den letzten 10-15 Jahren arbeitet er immer mehr mit Versatzstücken seiner früheren (häufig besseren) Filme. Dass das Ganze dennoch fabelhaft funktionieren kann, zeigte beispielsweise Vicky Cristina Barcelona. Ungewöhnlich ist bei Wonder Wheel jedoch, dass Allen nur vier Jahre nach Blue Jasmine eine weitere Huldigung an Tennessee Williams’ Endstation Sehnsucht und dessen tragische Heldin Blanche DuBois aufgezogen hat. Winslets Ginny wirkt wie ein Arbeiterklasse-Abziehbild von Cate Blanchetts verzweifelter Ex-Millionärsgattin Jasmine. Die Figur wird in Wonder Wheel lediglich durch den Aspekt ihrer schauspielerischen Vergangenheit erweitert, was Winslet auch einen Touch von Gloria Swanson aus Boulevard der Dämmerung verleiht, einschließlich eines wahnhaften Monologs vor ihrem Spiegelbild.

Eine solche Rolle bietet einer großartigen Schauspielerin wie Winslet natürlich die Bühne für eine ausschweifende, facettenreiche Performance. Die Oscarpreisträgerin tritt groß auf, trägt dick auf, spielt theatralisch und gibt in der Rolle wirklich alles. Vielleicht etwas zu viel, denn während Blanchetts ähnlich überengagierte Performance von einem starken Drehbuch getragen wurde und sich deshalb bei aller Theatralik nicht wie Overacting anfühlte, sondern sich natürlich ins Geschehen fügte, bekommt Winslet hier wenig Unterstützung. Sie scheint gelegentlich gar in einem anderen Film zu sein als der Rest der Besetzung.

Wonder Wheel (2017) Filmbild 2Jim Belushi, der hier kaum wiederzuerkennen ist, zeigt Potenzial als zwischen Liebe und Gleichgültigkeit schwankender Ehemann, wird aber zu wenig eingesetzt. Fehl am Platze wirkt Justin Timberlake, der natürlich als Woody-Allen-Ersatz auftritt. Im Gegensatz zu perfekt gewählten Jesse Eisenberg oder Owen Wilson in ähnlichen Rollen, wirkt Timberlake einfach viel zu souverän für den Part und die pseudophilosophischen Floskeln, die er als Erzähler im Film von sich gibt, sind ebenso wenig glaubwürdig wie die Tatsache, dass er ein angehender Autor sein soll. Nichts gegen Timberlake, der als listiger Sean Parker in The Social Network eine tolle Leistung an den Tag gelegt hat, doch vielleicht umfasst seine Bandbreite (noch) nicht alle Rollen. Doch während sich Timberlake in seinem Schauspiel von Allen unterscheidet, sind die Ähnlichkeiten seiner Figur im Film zu Allens echtem Leben schwer zu übersehen. Schließlich verliebt sich Mickey in die Stieftochter seiner Freundin. Diese ist von Juno Temple gespielt, die zwar äußerst sympathisch wirkt, als Spielball anderer Figuren im Film jedoch wenig selbst beiträgt. Ein kleiner, unerwarteter Bonus für alle "Sopranos"-Fans ist der Auftritt von Tony "Paulie Walnuts" Sirico und Steve "Bobby Bacala" Schirripa als Gangster auf der Suche nach Caroline.

Wonder Wheel (2017) Filmbild 3Wonder Wheel hat nicht viel zu sagen, was man nicht schon in besseren Allen-Filmen – sogar vor nicht zu langer Zeit – gesehen hat. Jede Pointe wirkt wie ein müder Aufguss. Es ist jedoch sogar mit den meisten schwächeren Filmen von Woody Allen so, wie mit den indischen Restaurants in meiner Umgebung. Es gibt zwar den einen oder anderen wirklich herausragenden, doch in den meisten schmecken die meisten Gerichte von der Karte zum Verwechseln ähnlich, egal was man bestellt. Schlecht schmeckt es jedoch nie. An Allens Filmen lässt sich eigentlich auch fast immer etwas Positives finden und neben Winslets wuchtiger Performance ist es bei Wonder Wheel die prächtige Kameraarbeit des italienischen Altmeisters Vittorio Storaro, der schon Apocalypse Now für Francis Ford Coppola, Reds für Warren Beatty und Der letzte Kaiser für Bernardo Bertolucci auf Film bannte (und für jeden der drei einen Oscar gewann). Storaro war auch  bei Café Society für die Kamera zuständig, doch hier ist sie noch viel auffälliger. Er taucht die Szenen abwechselnd in leuchtendes Blau, Rot oder Gelb. Der kitschige Vergnügungspark wird bei ihm zu einer sonnendurchfluteten, goldfarbenen Idylle. Möglicherweise spiegelt das eine nostalgische Erinnerung von Woody Allen an seine Jugend dort wider. Schade, dass er keine bessere Geschichte aus dieser erzählen konnte. Doch natürlich wird der Stadtneurotiker schon bald mit einem neuen Film zurückkehren. Neues Spiel, neues Glück.

Fazit

Weder Kate Winslets überengagierte, theatralische Performance noch Vittorio Storaros wundervolle Kamera, die aus der Hektik von Coney Island der Fünfziger eine farbenprächtige, in Sonnenlicht getauchte Idylle macht, können darüber hinwegtäuschen, dass Wonder Wheel ein weiterer austauschbarer Beitrag aus Woody Allens spätem Œuvre ist.

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Star Wars – Die letzten Jedi (2017) Kritik

Star Wars Die letzten Jedi (2017) Filmkritik

Star Wars: The Last Jedi, USA 2017 • 152 Min • Regie: Rian Johnson • Mit: Daisy Ridley, Adam Driver, John Boyega, Mark Hamill, Carrie Fisher, Oscar Isaac, Kelly Marie Tran, Domhnall Gleeson, Andy Serkis, Benicio del Toro • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 14.12.2017 • Deutsche Website

Handlung

In einer entscheidenden Schlacht gegen die Erste Ordnung hat der Widerstand die Superwaffe Starkiller-Basis vernichtet. Der Triumph währt jedoch nicht lange, denn der von General Leia (Carrie Fisher) angeführte Widerstand gerät schnell wieder in große Bedrängnis. Nach dem Versagen seines Lehrlings Kylo Ren (Adam Driver) im Duell gegen Rey (Daisy Ridley) übernimmt der Oberste Anführer Snoke (Andy Serkis) mit seiner weit überlegenen Flotte höchstpersönlich die Jagd auf die Rebellen. Ein Großangriff auf deren Hauptbasis soll den Widerstand endgültig auslöschen. Zwar kann die galaktische Resistance dank mutigen Einsatzes des Piloten-Asses Poe Dameron (Oscar Isaac) mit knapper Not entkommen, doch die Erste Ordnung heftet sich prompt an ihre Fersen. Die letzte Hoffnung des Widerstandes liegt beim Jedi-Meister Luke Skywalker (Mark Hamill). Doch als Rey ihn in seinem Versteck auf einem abgeschiedenen Planeten aufspürt, ist der einsiedlerisch lebende, desillusionierte Luke wenig begeistert von der Ruhestörung. Er weigert sich kategorisch, an dem Konflikt teilzuhaben oder die machtsensible Rey auszubilden. Während dem Widerstand die Zeit davonläuft, unternehmen der bekehrte Stormtrooper Finn (John Boyega) und Mechanikerin Rose (Kelly Marie Tran) einen verzweifelten Rettungsversuch.

Kritik

Als Das Erwachen der Macht vor zwei Jahren anlief, entfachte J.J. Abrams’ Film den Star-Wars-Hype, wie man ihn seit den Achtzigern nicht mehr kannte. Disney und Lucasfilm erfüllten ihr Versprechen, kehrten zu den Wurzeln der Reihe zurück und lieferten eine Fortsetzung, auf die die Fans seit über 30 Jahren gewartet haben. Obwohl die Reaktionen unter Zuschauern und Kritikern zunächst überwältigend positiv waren (siehe auch unsere beiden Kritiken hier und hier), wurden gerade in den Fankreisen kurz nach dem Start enttäuschte Stimmen laut, die Abrams vorwarfen, mit seinem Film die Reihe nicht voranzubringen, sondern stattdessen den allerersten Film, Eine neue Hoffnung, zu kopieren und sich nebenbei bei Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter frei zu bedienen. Es läuft letztlich auf die Frage hinaus, wo eine Hommage bzw. eine Verbeugung endet und ein Plagiat beginnt. Es stimmt, Abrams und seine Autoren borgten sich viele Ideen aus der Original-Trilogie von George Lucas. Vor allem folgten sie jedoch im Geiste den Vorbildern und deren universellem Thema von jungen Träumern, die aus ihrem tristen Alltag ausbrechen, unglaubliche Abenteuer erleben und Heldentaten vollbringen – perfekte Identifikationsfiguren für die jungen Zuschauer der Filme. Durch die Rückbesinnung auf die Stärken der ersten Star-Wars-Filme führte Das Erwachen der Macht neue Charaktere und Handlungsstränge in eine vertraute Welt fließend ein und schaffte damit das notwendige Fundament für weitere Geschichten aus einer weit, weit entfernten Galaxie.

Star Wars Die letzten Jedi (2017) Filmbild 1Auf diesem stabilen Fundament baut Looper-Regisseur Rian Johnson das zweite Kapitel der neuen Star-Wars-Trilogie auf. Auch in Die letzten Jedi finden sich zwar strukturelle Ähnlichkeiten zu Das Imperium schlägt zurück wieder – ein Jedi-Kandidat geht bei einem missmutigen Mentor auf einem abgeschiedenen Planeten in die Lehre, während ein übermächtiger Anführer der bösen Mächte und seine rechte Hand die Rebellen bzw. den Widerstand jagen – doch wie Mark Hamills Luke im Film schon sagt: "Der Weg ist ein anderer, als du ihn dir vorgestellt hast". Die inzwischen 8. Star-Wars-Episode wagt mehr als ihr Vorgänger und zeigt die Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten und sich von ausgetretenen Pfaden zu entfernen. Natürlich erfindet der Film das Rad nicht ganz neu, doch in mehrfacher (an dieser Stelle nicht zu spoilernder) Hinsicht ist Die letzten Jedi ein Star-Wars-Film wie noch kein anderer zuvor. Es ist eine lobenswerte und auch notwendige Weiterentwicklung, wenn die Reihe nicht langfristig in der Nostalgie verharren soll. Doch nicht jedes Risiko, das der Film eingeht, führt nahtlos zum erwünschten Resultat. Die Regie, die technische Umsetzung und die Besetzung sind nahezu makellos. Es ist das Drehbuch, bei dem die größten Schwächen des Films auftauchen, die letztlich das Gesamterlebnis etwas herunterziehen.

Star Wars Die letzten Jedi (2017) Filmbild 2Die letzten Jedi ist ein Film mit einem herausragenden Anfang und einem wirklich starken Schluss, dessen letzte Aufnahme mit dem Schlussbild von Das Erwachen der Macht als beste Schlussszene eines Star-Wars-Films konkurriert. Was dazwischen liegt, ist jedoch stellenweise problematisch. Die Nähte, die verschiedene Handlungselemente zusammenhalten, fallen bei näherer Betrachtung stark auf. Der Handlungsfluss hat nicht die Eleganz von Eine neue Hoffnung, Das Imperium schlägt zurück oder auch Das Erwachen der Macht, sondern wirkt an bestimmten Stellen zerfahren und vom eigentlichen Ziel entfernt.

Dabei ist der Auftakt wirklich phänomenal und vielleicht sogar der beste von allen bisherigen Star-Wars-Filmen. Der Angriff der Ersten Ordnung auf die Rebellenbasis und die daraus resultierende Raumschlacht, bei der Oscar Isaac als Poe Dameron eindrucksvoll unter Beweis stellt, weshalb er als bester X-Wing-Pilot des Widerstands gilt, sind spektakulär und eine Augenweide auf der Leinwand. Diese ersten 15 Minuten enthalten fast alles, was einen guten Star-Wars-Film ausmacht: grandiose Actionsequenzen mit atemberaubenden Effekten, emotionale Heldentaten und überraschender Humor. Letzterer wirkt zum Glück an keiner Stelle erzwungen, sondern zieht sich organisch durch den ganzen Film hindurch, ohne in Konflikt mit dem durchaus düsteren Ton zu geraten.

Star Wars Die letzten Jedi (2017) Filmbild 3Nach dieser rasanten Eröffnung teilt sich die Handlung über weite Strecken in zwei separate Stränge auf. In einem folgen wir Rey und Luke auf Ahch-To, in dem anderen Finn und Rose bei ihrer Mission zu Canto Bight, einer Casino-Stadt, die an eine überhöhte, galaktische Version von Monte-Carlo erinnert. Obwohl insgesamt unaufregender, sind die Szenen zwischen Daisy Ridley und Mark Hamill interessanter, was auch daran liegt, dass Hamill als desillusionierter Luke seine bis dato beste Performance in der Rolle abliefert. Ergraut und mit Bart sieht der gealterte Luke erst einmal unvergleichlich cooler aus als der Jüngling aus den alten Filmen, aber auch schauspielerisch verleiht Hamill der Figur die nötige Gravitas und sichtlichen Lebensüberdruss im Angesicht der Rückschläge, die Luke erleiden musste. Während Han Solo noch ganz der alte war, als wir ihn in Das Erwachen der Macht wiedertrafen, spielt Hamill hier als Luke eine nahezu gänzlich neue Rolle. Daisy Ridley beweist wieder einmal, was für ein Glücksgriff die Newcomerin im Franchise war und beeindruckt mit einer Performance, deren anfängliche Begeisterung über ihr neues Schicksal langsam dem Frust und der Enttäuschung über Lukes Widerwillen, sie zu unterrichten, weicht. Wie schon im ersten Film durchmacht Ridleys Rey auch in Die letzten Jedi die größte Entwicklung durch und diese bleibt zu jedem Zeitpunkt glaubwürdig. Und natürlich enthalten die Ahch-To-Szenen auch einige lustige Momente zwischen Chewie und den ultraknuffigen Porgs.

Star Wars Die letzten Jedi (2017) Filmbild 4Das Erwachen der Macht profitierte jedoch über weite Strecken von der Chemie zwischen Ridley und John Boyega. Die letzten Jedi verliert das, indem der Film die beiden über nahezu die gesamte Laufzeit trennt. Kelly Marie Tran ist als standhafte Mechanikerin Rose eine neue starke weibliche Figur, doch der Funke zwischen Boyegas Finn und ihr springt nicht ganz rüber. Der gesamte ausgedehnte Ausflug der beiden auf Canto Bight hat durchaus seine Momente, wie zum Beispiel Benicio del Toros zwielichtigen, erfinderischen, stotternden Halunken, der zeigt, wie Han Solo hätte sein können, wenn ihm jegliche Moral und Skrupel fehlten. Seine Figur greift sogar die Thematik aus Rogue One auf, dass im Krieg die Abgrenzung zwischen Gut und Böse gar nicht so klar ist, wie man sie sich manchmal wünscht oder ausmalt. Doch dieses zu lange andauernde Plotsegment enthält auch mit meisten Schwächen des Films, wie zum Beispiel eine gewisse Szene mit wie eine Kreuzung aus Kängurus und Pferden anmutenden Wesen, die an einige eher misslungene Einfälle aus den Prequels erinnert.

Star Wars Die letzten Jedi (2017) Filmbild 5Ein übergreifendes Problem des Films ist jedoch, dass er im Rückblick unnötig überkonstruiert wirkt. Eine bestimmte Wendung der Ereignisse erscheint bei näherer Betrachtung sehr unglaubwürdig und lässt das Gefühl aufkommen, dass der Film einen Teil seiner Laufzeit – mit 152 Minuten immerhin der bislang längste Star-Wars-Film – vergeudet hat, indem er einige seiner Charaktere unerklärlicherweise an grundlegender zwischenmenschlicher Kommunikation scheitern lässt. Dadurch erreicht Johnson schlussendlich zwar ein erwünschtes und durchaus sehenswertes Ergebnis, doch der Weg dorthin ist alles andere als elegant und die Denkfehler und Logiklöcher sind zu groß, um einfach über sie hinwegzusehen. Betrachtet man es getreu dem Motto "Ende gut, alles gut", kann man es verschmerzen, doch die Anhänger von "Der Weg ist das Ziel" werden sich vermutlich damit schwer tun.

Star Wars Die letzten Jedi (2017) Filmbild 6Das trübt den Gesamteindruck, macht den Film jedoch keineswegs misslungen. Dafür hat er einfach zu viele fantastische Elemente zu bieten. Nicht zuletzt, neben den bereits genannten, Adam Driver, der als von Konflikten zerfressener, komplexer und unvorhersehbarer Kylo Ren die beste Darbietung des gesamten Films abliefert. Der Charakter wirkt manchmal immer noch wie ein impulsiver, aufmüpfiger Jugendlicher, doch das passt gut zu seiner Geschichte. Es lässt sich auch verschmerzen, dass der Film das Ausmaß seiner Kräfte wieder einmal fluktuieren lässt, wie es der Geschichte gerade passt. Wer einen neuen Darth Vader erwartet, wird enttäuscht sein, doch Driver und sein Charakter fallen gerade durch ihre Andersartigkeit zum ikonischen Star-Wars-Bösewicht positiv auf. Auch Andy Serkis' Snoke, den wir hier erstmals in (computergeneriertem) Fleisch und Blut sehen, macht eine imposante, sehr bedrohlich wirkende Voldemort-eske Figur her. Domhnall Gleesons General Hux ist noch nazihafter im neuen Streifen, was so überspitzt ist, dass die Darstellung für einige Lacher gut ist.

Obwohl die Probleme des Films schnell offensichtlich werden, kriegt er in seinem großen Finale erfolgreich die Kurve und lässt diese angesichts zahlreicher interessanter, teilweise wirklich unerwarteter Wendungen vergessen. Letztlich erinnert Die letzten Jedi einen daran, dass Star Wars ein Leinwandspektakel sondergleichen ist und bereitet das Finale der neuen Trilogie auf eine gelungene Weise vor, die die Fans die nächsten zwei Jahre viel rätseln lassen wird.

Fazit

Die letzten Jedi ist eine visuell spektakuläre Weiterführung der Star-Wars-Saga, in der das Nostalgiegefühl des Vorgängers neuen, teilweise wirklich überraschenden Ideen weicht. Adam Driver, Daisy Ridley und Mark Hamill stechen aus dem starken Ensemble heraus, doch das stellenweise holprige und unnötig überkonstruierte Drehbuch lässt Rian Johnsons große Ambitionen gelegentlich im Stich.

Trailer

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