Spider-Man: Homecoming (2017) Kritik

0
Spider-Man: Homecoming (2017) Filmkritik

Spider-Man: Homecoming, USA 2017 • 133 Min • Regie: Jon Watts • Mit: Tom Holland, Michael Keaton, Robert Downey Jr., Marisa Tomei, Zendaya, Donald Glover, Logan Marshall-Green, Jon Favreau • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 13.07.2017 • Deutsche Website

Handlung

Einige Monate nachdem er sich beim Kampf der Avengers am Leipziger Flughafen Captain Americas Schild schnappte, ist wieder Routine in den Alltag des übereifrigen 15-jährigen Superhelden Peter Parker alias Spider-Man (Tom Holland) eingekehrt. Während er ungeduldig auf den Anruf seines Mentors Tony Stark (Robert Downey Jr.) und dessen Einladung, offizielles Mitglied der Avengers zu werden, wartet, muss Peter weiterhin die Herausforderungen des Superheldenlebens (unter dem Deckmantel eines Praktikums bei Stark Industries) mit den Irrungen und Wirrungen der Highschool vereinbaren. Kleinkriminelle zu jagen fällt Peter leichter, als seinen hübschen Schwarm Liz (Laura Harrier) um ein Date zum anstehenden Homecoming-Ball zu bitten. Peter wittert endlich seine Chance, sich Tony gegenüber zu beweisen, als er einer Verbrecherbande auf die Schliche kommt, die mit gefährlichen Superwaffen handelt. Angeführt wird diese von Adrian Toomes (Michael Keaton), der ganz persönliche Antipathie gegen Tony Stark hegt. Seine Bergungsfirma wurde acht Jahre zuvor mit den Aufräumarbeiten nach der Schlacht von New York beauftragt, doch Starks Unternehmen übernahm stattdessen und ruinierte dadurch Toomes' Geschäft. Frustriert, schlug er einen kriminellen Weg ein und rüstete gemeinsam mit seinen Mitarbeitern die geborgene Chitauri-Technologie zu Waffen mit immenser Zerstörungskraft um. Peter widersetzt sich Tonys direkten Anweisungen und nimmt den alleinigen Kampf gegen Toomes und seine Handlanger auf. Doch er muss feststellen, dass er der Sache möglicherweise nicht gewachsen ist und seine Handlungen nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Kritik

Spider Man Homecoming (2017) Filmbild 1Als Sony Pictures vor zweieinhalb Jahren die einzigartige Zusammenarbeit mit Marvel Studios angekündigt hat, im Rahmen welcher Spider-Man von Sony an Marvel "ausgeliehen" wird, um ihn ins Marvel Cinematic Universe an der Seite von Iron Man und anderen Avengers einzuführen, teilten sich die Reaktionen in Freude, Enttäuschung und Skepsis. Viele Comicfans freuten sich, weil Marvels berühmteste und beliebteste Schöpfung endlich Teil des umfassenden Film-Universums werden konnte, das durch anderweitig verkaufte Lizenzen bis dahin auf viele Helden der A-Riege verzichten musste (darunter auch die X-Men und die Fantastic Four). Enttäuschung machte sich hingegen unter den Fans der erst drei Jahre zuvor gestarteten Amazing-Spider-Man-Reihe mit Andrew Garfield breit, die nach einem für mindestens ein weiteres Sequel angelegten zweiten Film keinen Abschluss bekommen sollte. Doch gerade unter weniger direkt in die Materie involvierten Zuschauern war Skepsis das vorherrschende Gefühl: Ist nach fünf (größtenteils sehr erfolgreichen) Spider-Man-Filmen und zwei Darstellern von Peter Parker in nur 15 Jahren ein weiterer Franchise-Neustart gerechtfertigt?

Der Testlauf für den neuen Spider-Man verlief hervorragend. Kaum jemand verließ nach The First Avenger: Civil War das Kino und war nicht begeistert von Tom Hollands spritzigem Auftritt als neue freundliche Spinne aus der Nachbarschaft. Die ersten Vorbehalte waren überwunden, doch die wahre Bewährungsprobe kommt jetzt in Form von Spider-Man: Homecoming (ein in mehrfacher Hinsicht treffender Titel) in die Kinos. Kann der Film Spider-Man aus einem neuen Blickwinkel zeigen, der sich nicht redundant anfühlt, nachdem Sam Raimi und Marc Webb bereits mit unterschiedlicher Herangehensweise die Anfänge des Helden, die Bürde seines Doppellebens und die Opfer, die es mit sich bringt, ausführlich ausgelotet haben? Es ist eine berechtigte Frage und die kreativen Köpfe bei Marvel waren fest entschlossen, diese mit einem lautstarken "Ja" zu beantworten.

Spider Man Homecoming (2017) Filmbild 2Nach Marc Webb bekommt mit Jon Watts (Cop Car) ein weiterer Independent-Regisseur die Gelegenheit, Spider-Man seinen eigenen Stempel aufzudrücken, und mit Homecoming zeigt er sich der Aufgabe gewachsen. Indem der Film einsteigt, nachdem Spider-Man in New York bereits seit geraumer Zeit aktiv ist, bleiben uns die radioaktive Spinne, der Tod von Onkel Ben und die moralischen Belehrungen von großer Macht und ebensolcher Verantwortung erspart. Zugleich begegnen wir einem Peter Parker, der das Superheldentum noch nicht perfekt beherrscht, häufig Fehler macht und die kompletten Ausmaße seiner Kräfte noch nicht kennt. Dadurch, dass ein Großteil des Films im New Yorker Stadtteil Queens spielt, schwingt sich dieser Spider-Man nicht durch die Hochhaus-Schluchten von Manhattan und bekommt es an einer Stelle sogar mit der Höhenangst zu tun. Auch das haben wir so noch in keinem Spider-Man-Film gesehen. Der Film ist zu gleichen Teilen effektreiches Superheldenkino wie Highschool-Komödie, die sich John Hughes' Filme als Vorbild genommen hat – mal indirekt, mal sehr explizit in einer lustigen Hommage an Ferris macht blau.

Spider Man Homecoming (2017) Filmbild 3Tom Holland zerstreut jegliche Zweifel an seiner Besetzung und behauptet sich auch neben den schauspielerischen Schwergewichten Robert Downey Jr. und Michael Keaton als das konkurrenzlose Highlight des Films. Obwohl seine beiden Vorgänger in der Rolle ihre Sache jeweils gut gemacht und dem Charakter unterschiedliche Aspekte abgewonnen haben, ist Holland (nach Garfield schon der zweite Brite in der Rolle) am glaubwürdigsten als schüchterner, nerdiger, wenn auch unter seinem Shirt sehr durchtrainierter Highschool-Schüler, der zwar in seinem rot-blauen Strampelanzug ein Auto mit bloßen Händen aufhalten kann, in der Schule aber nicht den Mut fassen kann, das Mädchen seiner Träume anzusprechen. Kam der Liebesgeschichte in Spider-Man (2002) und The Amazing Spider-Man (2012) noch eine zentrale Rolle zu, die auch die Entwicklung von Peter Parker zu Spider-Man prägte, spielen romantische Gefühle in Spider-Man: Homecoming eine untergeordnete Rolle und es geht stattdessen um Peters Selbstfindung als Heranwachsender und Held.

Spider Man Homecoming (2017) Filmbild 4Die vielen Schulszenen sind größtenteils so gelungen, dass man sich noch mehr von ihnen wünscht. Wenn sich Peter aufrafft, zur Hausparty seines Schwarms zu gehen, stattdessen jedoch in letzter Sekunde von bösen Buben abgelenkt wird, wünschte ich mir, der Film hätte auf die daraus resultierende, generische Actionszene verzichtet und Peter auf der besagten Party gezeigt. Denn während Watts' Regie in den komödiantischen Momenten aus dem Leben eines typischen Teenagers aufgeht, kann sie bei der Comic-Action weniger punkten. Nicht dass diese schlecht umgesetzt ist oder die Effekte mangelhaft sind, doch es stellt sich nicht mehr das berauschende Gefühl ein, das man als Zuschauer hatte, als man Spider-Man vor 15 Jahren erstmals auf der Leinwand in Aktion sah, und der große Sprung bei den Effekten, der bei The Amazing Spider-Man im Vergleich zu Raimis erstem Film noch sichtbar war, bleibt aus. Den einzelnen Actionsequenzen fehlen die Ambition, der Einfallsreichtum oder die Größe, die man in bisherigen Spider-Man-Filmen schon erlebt hat. Spider-Man: Homecoming ist der Januskopf von einem Film. Sind in Blockbustern häufig die Alltagsszenen bloß Füllmaterial zwischen den Actionsituationen, ist dieses "Füllmaterial" hier interessanter als die eigentliche, obligatorische business-as-usual-Action. Nachdem The Amazing Spider-Man vermehrt auf echte, halsbrecherische Stunts setzte, sind die Spidey-Szenen hier offensichtliches (wenn auch sehr gutes) CGI, und die konvertierten 3D-Effekte von Homecoming können mit dem nativen 3D von Amazing auch nicht mithalten.

Spider Man Homecoming (2017) Filmbild 5Von allen Filmen aus Marvels Kinouniversum ist Spider-Man: Homecoming am ehesten mit Ant-Man vergleichbar, insofern, als dass der Schwerpunkt auf Comedy liegt, während die Tragweite der Gefahr, die vom Bösewicht ausgeht, eher gering ist. Es ist erfrischend, dass hier zur Abwechslung mal nicht die Stadt, die Welt oder das Universum gerettet werden müssen. Civil War zeigte sehr erfolgreich, dass bei einem Konflikt nicht zwingend Millionen von Menschenleben auf dem Spiel stehen müssen, um diesen spannend und wirkungsvoll zu gestalten, doch den Geplänkeln in Homecoming fehlen neben der visuellen auch die emotionale Wucht. Sie sind immer noch unterhaltsam, doch auch irgendwie beliebig. Die Balance zwischen den tollen Schulszenen und der Action gerät gelegentlich in eine Schieflage. Zum Glück ist jedoch Michael Keaton ein deutlich besserer Antagonist als Corey Stoll in Ant-Man. Es ist schon irgendwie amüsant, dass Tony Stark mal wieder (indirekt) für die Entstehung eines Superbösewichts verantwortlich war. Die Motivationen von Keatons Toomes sind nachvollziehbar und der Charakter wird trotz seiner Schurkerei nie komplett unsympathisch. Er ist kein Psychopath oder Größenwahnsinniger, sondern ein durchschnittlicher Arbeiter, dem der Kapitalismus übel mitgespielt hat, und der, um für seine Familie zu sorgen, aus den Umständen heraus zum Kriminellen wurde, ohne jedoch seine Integrität zu verlieren. Das macht ihn auch zu einem weitaus besseren Bösewicht als Spider-Mans Gegner in den beiden Amazing-Filmen. Dass kostümierte Comicfiguren in Filmen immer nur so gut sind, wie die Schauspieler, die sie verkörpern, zeigt die vermutlich beste Szene des Films, in der es zu einer sehr spannungsgeladenen Begegnung zwischen Toomes und Peter außerhalb ihrer Super-Alter-Egos kommt. Toomes könnte sogar zu den interessantesten MCU-Bösewichten gehören, doch Keatons Screentime ist zu eingeschränkt, um die Figur auszuarbeiten.

Spider Man Homecoming (2017) Filmbild 6Fans können sich in Spider-Man: Homecoming auf zahlreiche Easter Eggs, Cameos und bekannte Charaktere aus den Comics freuen, von denen manche höchstwahrscheinlich noch eine größere Rolle spielen werden. Auch eine ikonische Szene aus den Spider-Man-Comics wird nahezu im Film nahezu 1:1 umgesetzt und sollte bei Kennern für Gänsehaut sorgen. Robert Downey Jr. leistet als Tony Stark väterlichen Beistand auf Autopilot und ist in dem Film keine so große Präsenz, wie das Marketing es nahelegt, während Jon Favreaus Happy Hogan wiederum eine durchaus nennenswerte Rolle hat. Unter allen irdischen Abenteuern des Marvel Cinematic Universe könnte Homecoming tatsächlich das humorvollste sein (den Guardians kann er in dieser Hinsicht nicht das Wasser reichen), auch wenn Jacob Batalon als Peters bester (und einziger?) Freund Ned immer wieder an der Grenze zu nervig entlangschrammt. Es sind die Actionszenen, in denen der Film nicht für ähnliche Begeisterung sorgen kann, wie diverse Spidey-Auftritte zuvor. Unter den Marvel-Filmen der letzten zehn Jahre landet Spider-Man: Homecoming im soliden Mittelfeld (das allgemeine Niveau ist sehr hoch), ist aber ein Anwärter auf die beste finale Filmszene und die beste Abspannszene des bisherigen Universums.

Fazit

Spider-Man: Homecoming ist eine erfrischende Neubelebung des Franchises über den Spinnenmann, in der Tom Hollands bestechend sympathische Performance die Zuschauer daran erinnert, weshalb Spider-Man schon immer der Superheld mit dem größten Identifikationspotenzial war. Während der Film jedoch in seinen Highschool-Szenen aufgeht und ein Anwärter auf das humorvollste irdische Abenteuer im Marvel Cinematic Universe ist, gerät er in seinen effektreichen Actionszenen ins Straucheln und hinterlässt mit diesen keinen bleibenden Eindruck.

Trailer