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Box-Office USA: Die Unglaublichen 2 legt unglaublichen Rekordstart hin, Avengers überholt Titanic

Die Unglaublichen 2 Box Office

© 2018 Walt Disney Pictures

Quelle: Boxofficemojo

Nach den eher mittelprächtigen Ergebnissen in den letzten Wochen, schossen die Umsatzzahlen an nordamerikanischen Kinokassen vergangenes Wochenende wieder in die Höhe. Dank dem gigantischen Start von Die Unglaublichen 2 sammelten die Top-12-Filme zusammengerechnet $261,9 Mio ein. Das lag 133% über dem vorigen Wochenende und 43% über dem entsprechenden Wochenende aus dem letzten Jahr, als Pixars Cars 3 an der Spitze eröffnete. Insgesamt war es der siebthöchste Wochenendumsatz aller Zeiten für die Top 12 sowie der dritthöchste allein dieses Jahr.

Es dauerte nicht lange, bis sich Disney von der kommerziellen Enttäuschung durch Solo erholte. Und wie sich das Studio erholte! Das ewig lange herbeigesehnte Pixar-Sequel Die Unglaublichen 2 eroberte die Charts im Sturm und erzielte $182,7 Mio von 4410 Kinos. Es war der viertbreiteste Filmstart aller Zeiten in den USA und in Kanada. Der Film schrieb einen phänomenalen Schnitt von $41426 pro Spielstätte. Es ist ein – ich entschuldige mich für den unvermeidlichen Witz – unglaublicher Start. Die Unglaublichen 2 zerschmetterte den bisherigen Animations-Startrekord von Findet Dorie ($135,1 Mio). Es war insgesamt das achtgrößte Startwochenende in der US-amerikanischen Box-Office-Geschichte und hat sogar die Starts der Megablockbuster The First Avenger: Civil War ($179,1 Mio), Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 2 ($169,2 Mio) und Die Schöne und das Biest ($174,8 Mio) übertroffen. Zehn der elf besten Box-Office-Startwochenenden gehören jetzt Disney. Universals Jurassic World ($208,8 Mio) ist die einzige Ausnahme und der einzige Film, der im Juni noch besser angelaufen ist als Die Unglaublichen 2.

Bereits sehr früh zeichnete sich ein Riesenstart für den Film ab, als er die Vorverkaufszahlen von Findet Dorie locker toppte. In den Donnerstags-Previews erzielte Die Unglaublichen 2 $18,5 Mio, identisch zu Jurassic World. An seinem ersten kompletten Starttag spielte der Film $71,3 Mio ein. Das ist mehr, als der erste Teil am gesamten Startwochenende ($70,5 Mio) eingenommen hat. Sogar wenn man Inflation berücksichtigt, startete Die Unglaublichen 2 deutlich besser als sein Vorgänger, dessen inflationsbereinigter Start sich auf $104 Mio beläuft und besser als jeder andere Animationsfilm (Inflation hin oder her). Nach nur drei Tagen hat Die Unglaublichen 2 bereits Pixar-Filme wie Cars 3 ($152,9 Mio) und Das große Krabbeln ($162,8 Mio) nach Gesamteinspiel überholt. Nach seinem zweiten Wochenende werden vermutlich nur noch Findet Dorie und Toy Story 3 vor ihm liegen.

Obwohl es einige Hinweise auf einen gigantischen, rekordträchtigen Start gab, hat Die Unglaublichen 2 die kühnsten Erwartungen des Studios und der Industrie-Beobachter übertroffen. Die Gründe für den Erfolg sind vielfach. Superhelden im Kino sind weiterhin sehr in Mode, viel mehr als es 2004 der Fall war. Der erste Film gehört außerdem zu Pixars beliebtesten Streifen und Fans haben wirklich lange auf die Fortsetzung gewartet. Kein anderer Pixar-Film schrie geradezu nach einem Sequel so sehr wie dieser. Ein sehr wichtiger Faktor ist aber auch, dass Die Unglaublichen 2 der erste große computeranimierte Film in den Kinos seit etwa einem halben Jahr ist. Die Zielgruppe war ausgehungert und der Film kam zur richtigen Zeit.

Die Mundpropaganda sollte den Film noch lange tragen. Die Zuschauer bewerteten ihn mit einem "A+"-CinemaScore, äquivalent einer "1+". Es ist das siebte Mal, dass ein Pixar-Film diese Höchstwertung erhalten hat. Sollte sich Die Unglaublichen 2 so gut halten wie Findet Dorie, wird er mehr als $650 Mio an nordamerikanischen Kinokassen einspielen. Wenn es so gut läuft wie bei Toy Story 3, sind knapp $690 Mio drin. Damit könnte Die Unglaublichen 2 sogar Avengers: Infinity War hinter sich lassen. Wie bei allen Superheldenfilmen erwarte ich jedoch ein höheres Ausmaß an Frontlastigkeit. Da Hotel Transsilvanien 3 erst in einem Monat startet und der einzige Animationsfilm für den Rest des Sommers ist, sind solide Rückgänge für Die Unglaublichen 2 dennoch so gut wie garantiert, insbesondere im August. Es wird wohl kein Weg an einem Gesamteinspiel von $600 Mio vorbeiführen. Damit hätte Disney schon vier $600-Mio-Hits in Nordamerika innerhalb von weniger als zwölf Monaten. Ein Platz unter den zehn umsatzstärksten Filmen aller Zeiten ist Die Unglaublichen 2 nahezu sicher. Ich gehe von einem Gesamteinspiel in Höhe von $620-650 Mio aus.

Als Gegenprogramm hielt sich Ocean’s 8 ganz passabel, konnte jedoch im Gegensatz zu den meisten anderen Filmen nicht vom Vatertag profitieren. Das Spin-Off spielte an seinem zweiten Wochenende knapp $19 Mio ein und gab um 54,4% gegenüber seinem Start nach. Nach dem besten Start des Franchises folgte also auch der steilste Drop am zweiten Wochenende. Dennoch liegt der Ensemble-Heist-Film mit $78,6 Mio nach zehn Tagen vor allen anderen Ocean’s-Teilen im selben Zeitraum. Da er mit $70 Mio Budget auch der mit Abstand günstigste war, ist Warner Bros. mit dem Zwischenergebnis vermutlich sehr zufrieden. In den nächsten Wochen wird sich der Crowd Pleaser stabilisieren und $125-135 Mio in Nordamerika insgesamt einspielen. Dabei sollte er Ocean’s Twelve ($125,5 Mio) und Ocean’s Thirteen ($117,2 Mio) überholen, jedoch deutlich hinter Ocean’s Eleven ($183,4 Mio) bleiben.

Auch Platz 3 der Wochenendcharts ging an Warner. Die R-rated-Komödie Catch Me! mit Jeremy Renner und Ed Helms spielte zum Start $14,9 Mio von 3382 Kinos ein und erreichte einen Schnitt von $4420 pro Kino. Es war ist sicherlich kein spektakulärer Start und die Hoffnung, die Komödie des Sommers zu haben, dürfte Warner ganz schnell vergraben. Doch angesichts des $28-Mio-Budgets und des "B+"-CinemaScores (äquivalent einer "2+") sind die Aussichten gar nicht so schlecht. Catch Me! sollte ohne viel Konkurrenz in den nächsten Wochen etwa $45-55 Mio in den USA und in Kanada einnehmen, bevor er die Kinos verlässt.

Auf Platz 4 rutschte Solo: A Star Wars Story ab, der sich dank Double Features mit Die Unglaublichen 2 und vor allen dank Vatertag ganz gut hielt und lediglich 36,5% abbaute. Weitere $10 Mio brachten das vorläufige Gesamteinspiel des Films auf $193,8 Mio und spätestens kommendes Wochenende wird Solo die $200-Mio-Marke knacken. Für einen Star-Wars-Film ist das dennoch ein extrem enttäuschendes Ergebnis, insbesondere da sich Disney die umfassenden Nachdrehs viel kosten ließ. Mehr als $220 Mio wird Solo in Nordamerika wohl nicht einnehmen. Das ist weniger als die Startwochenenden der letzten beiden Star-Wars-Episoden.

"Marvel’s Luke Cage": Unsere Kritik zu Staffel 2

Marvels Luke Cage Staffel 2

Marvel’s Luke Cage, USA 2018 • Laufzeit: 13 Folgen à 54-69 Min • Regie: Lucy Liu, Andy Goddard, Clark Johnson u. a. • Mit: Mike Colter, Simone Missick, Alfre Woodard, Mustafa Shakir, Theo Rossi, Gabrielle Dennis, Rosario Dawson, Reg E. Cathey • Anbieter: Netflix • Veröffentlichungstermin: 22.06.2018

Enthält leichte Spoiler zu Staffel 2!

Die sozialbewussteste Superheldenserie ist zurück mit ihrer zweiten Staffel, die für mehr als eine Überraschung gut ist.

Was sich vor fast zwei Jahren bei der ersten Staffel von "Marvel’s Luke Cage" zum Nachteil ausgewirkt hat, davon profitiert jetzt die zweite Staffel: die Erwartungshaltung. "Luke Cage" war nach "Daredevil" und "Jessica Jones" die dritte Serie aus dem Marvel-Deal, die Netflix veröffentlicht hat, und obwohl die zweite "Daredevil"-Staffel bereits erste leichte Schwächen zeigte, lag die Messlatte noch sehr hoch. "Daredevil" und "Jessica Jones" begeisterten Kritiker und Zuschauer gleichermaßen mit komplexen Helden, kinotauglicher Inszenierung und zwei der besten Bösewichte aus dem gesamten Marvel Cinematic Universe. Entsprechend waren die Erwartungen an den Nachfolger hoch, erst Recht, weil es auch noch die erste "schwarze" Marvel-Serie werden sollte. Und in gewisser Hinsicht wurden diese auch erfüllt. Wie schon die beiden Vorgänger, hatte "Luke Cage" einen ganz eigenen Stil. In dem von Rassenspannungen immer noch geprägten Land, positionierte sich "Luke Cage" stolz als eine Milieustudie mit reichlich Neo-Blaxploitation-Flair und einem der besten Serien-Soundtracks der jüngsten Fernsehgeschichte. Nachdem er bereits bei "Jessica Jones" seinen Einstand feierte, machte Mike Colter als Luke in seiner eigenen Serie als widerwilliger Straßenheld eine gute Figur.

Marvels Luke Cage Staffel 2 (2018) Bild 1Doch je länger die Staffel ging, desto mehr offenbarte sie ihre Probleme und Schwächen. Es war kein Zufall, dass Netflix den Kritikern im Vorfeld nur die ersten sieben Folgen bereitgestellt hat. Die Entscheidung, den vermeintlichen Hauptschurken Cornell "Cottonmouth" Stokes (Mahershala Ali) mittendrin sterben zu lassen, war zwar für einen echten Schockmoment gut, raubte der Serie aber einen ihrer besten Charaktere und machte den Weg frei für Willis Stryker alias Diamondback. Dessen eindimensionale Motivation, das Overacting des Darstellers Erik LaRay Harvey und der Power-Ranger-Outfit machten ihn prompt zu einem der schwächsten Marvel-Bösewichte im Kino oder Fernsehen. Die letzten Folgen zogen sich wie Kaugummi und gipfelten in einem Finale, dessen bester Aspekt es war, dass es die Zuschauer endlich von dem Elend erlöste. Nahezu alle Marvel/Netflix-Serien haben ihre Längen, doch bei keinem traten sie so sehr zutage, wie bei "Luke Cage", deren erste Staffel vielleicht genug Handlung für einen zweieinhalbstündigen Film, jedoch nicht für 13 Folgen enthielt.

Konnte man damals noch hoffen, dass diese zweite Staffelhälfte nur ein Ausrutscher war, wurde man leider eines Besseren belehrt. Die Marvel-Serien von Netflix haben nie wieder zu ihrer anfänglichen Größe zurückgefunden. "Iron Fist" hat zwar nicht den ganzen Hass verdient, der auf die Serie niederprasselte, und war zumindest kurzweiliger (wenn auch technisch schwächer) als "Luke Cage", doch besonders gut war die Serie auch nicht. "The Defenders" folgte dem "Luke Cage"-Muster und implodierte in der zweiten Hälfte. "The Punisher" litt ebenfalls unter enormen Längen und die Rückkehr von Jessica Jones war zwar definitiv sehenswert, erreichte aber auch nie die Vorgängerstaffel. Daher ist es nur gut nachvollziehbar, dass sich meine Vorfreude auf die Fortführung der zähesten Serie des Netflix-Subuniversums von Marvel in Grenzen hielt. Umso erfreulicher ist es zu berichten, dass meine Erwartungen nicht nur übertroffen wurden, sondern dass Showrunner Cheo Hodari Coker mich mit der Entwicklung, die die Staffel einschlägt und konsequent zu Ende führt, aufrichtig überrascht hat.

Marvels Luke Cage Staffel 2 (2018) Bild 2Einige Zeit nach dem Showdown in Midland Circle hat Luke Cage seine Schwierigkeiten damit, in ein normales Leben zurückzufinden. Weder so anonym wie Matt Murdock (Daredevil) oder Danny Rand (Iron Fist) noch so öffentlichkeitsscheu wie Jessica Jones, wird er als Harlems Held gefeiert, insbesondere nachdem er das Viertel in einem sehr öffentlich ausgetragenen Kampf von Diamondback erlöst hat. Durch die Harlem Hero App, in der alle Nutzer ihre Sichtungen von Luke eintragen können, ist er jederzeit auffindbar und bleibt wohl oder übel im Rampenlicht. Als ein Charakter ihm vorschlägt, bei seinen Streifzügen vielleicht eine Maske zu tragen, entgegnet er: "Ich bin 1,90 m groß, schwarz und trage einen Hoodie. Es wird nicht schwer zu erkennen sein, wer ich bin." Luke sieht sich selbst nicht als Held, kann es jedoch nicht lassen, einzuschreiten, wenn er irgendwo Unrecht wittert – sehr zum Ärger seiner Freundin Claire (Rosario Dawson). Auch weigert er sich, aus seinen Kräften Kapital zu schlagen, obwohl er knapp bei Kasse ist. Derweil herrscht Mariah (Alfre Woodard) gemeinsam mit ihrem Lover und Komplizen Shades (Theo Rossi) über Harlem, plant jedoch, sich aus kriminellen Geschäften zurückzuziehen. Um sich mittels Insiderhandel in ein lukratives Hi-Tech-Unternehmen einkaufen zu können, muss sie jedoch zunächst ihr Waffengeschäft an eine von drei konkurrierenden Gangs verkaufen. Ein mysteriöser jamaikanischer Gangster namens Bushmaster (Mustafa Shakir) mit einer persönlichen Vendetta gegen Mariah durchkreuzt ihre Pläne, indem er beginnt, die Bieter aus dem Weg zu räumen. Harlem droht ein Bandenkrieg, bei dem Luke Cage zwischen die Fronten gerät. Er wird gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen und zu hinterfragen, was für eine Art Held Harlem braucht und ob er dieser Held sein kann.

Marvels Luke Cage Staffel 2 (2018) Bild 3Die zweite "Luke Cage"-Staffel ist eine mutige, komplexe und teilweise unerwartete Weiterentwicklung des Titelhelden, aber auch nahezu aller weiteren Hauptfiguren, die die erste Staffel überstanden haben. Anstatt nach gemischten Reaktionen zu versuchen, die Serie neu zu erfinden, besinnen sich die Macher viel mehr auf die Stärken der ersten Staffel, während sie viele ihrer Schwächen ausmerzen. Staffel 2 ist eine sehr direkte Fortsetzung der ersten, insofern als dass Luke, Mariah, Shades und Misty Knight (Simone Missick) weiterhin die zentralen Figuren im Spiel um Harlems Seele und Zukunft bleiben. Mit Bushmaster kommt ein weiterer Spieler hinzu, dessen Schicksal jedoch untrennbar mit Mariahs und Harlems verknüpft ist. Mit deftigem jamaikanischem Akzent, unbändigem Charisma, natürlicher Lässigkeit und knapp unter der Oberfläche brodelnder Wut ist Mustafa Shakir ein großartiger Neuzugang und wird sich nach diesem Auftritt hoffentlich kaum vor Film- und Serienangeboten retten können. Im Gegensatz zu Mahershala Ali in der ersten Staffel oder Sigourney Weaver bei "The Defenders", verheizen die Macher seine Figur zum Glück nicht, sondern ermöglichen ihr eine interessante Entwicklung. Ähnlich wie Michael B. Jordans Killmonger bei Black Panther hat er jeden Grund, wütend zu sein und sich hintergangen zu fühlen. Dass man mit einem Schurken sympathisiert, der eine Affinität dafür zeigt, seinen Gegnern die Köpfe abzuschlagen und sie öffentlich aufzuspießen, spricht für sich.

Marvels Luke Cage Staffel 2 (2018) Bild 4Noch erstaunlicher ist jedoch, dass Bushmaster sich letztlich nicht als bester Charakter der Staffel (und der gesamten Serie) entpuppt. Diese Ehre gebührt Alfre Woodard als Mariah Dillard (bzw. Stokes, wie Bushmaster im Laufe der Staffel so häufig korrigiert, dass daraus ein Trinkspiel werden könnte), die hier auch endlich ihren Comic-Beinamen erhält. Die Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte, ihrer Vergangenheit und der Beziehung zu ihrer Tochter (Gabrielle Dennis und Woodard spielen gemeinsam die emotional erschütterndste Szene der Staffel) verleiht der Figur ungeahnte Tiefe, für die die erste Staffel die Weichen gestellt hat. Ihre Figur ähnelt Vincent D’Onofrios Fisk, denn auch sie muss sich eingestehen, dass die Person, die sie sein will, und die Person, die sie ist, möglicherweise nicht miteinander vereinbar sind. Doch es sind die Tragik ihrer Figur, das unbeirrbare Bestreben danach, Herrin ihres eigenen Schicksals zu sein, und das furchtlose, Emmy-reife Spiel von Woodard, die zwischen Kaltblütigkeit, Verletzlichkeit und Verführung wechselt, die Mariah zu einem fabelhaften eigenständigen Charakter und zu einer der besten weiblichen Serien-Antagonistinnen der letzten Jahre machen. In der ersten Staffel zeigte sie bereits Potenzial, die zweite hebt sie in etwa auf eine Stufe mit Kilgrave und Fisk als eine der besten Marvel-Schurken.

Marvels Luke Cage Staffel 2 (2018) Bild 5Während Mariah und Bushmaster um die Kontrolle über Harlem ringen, geht es für Luke um die Rettung seines Viertels. Auch wenn die beiden Naturgewalten den Titelhelden manchmal überschatten, verliert die Serie ihn dennoch nie aus dem Fokus und lässt ihn schleichend eine Entwicklung durchmachen, die eindrucksvoll, überraschend und dennoch konsequent ist. Auch Luke wird von seiner Familie eingeholt, in Form seines Prediger-Vaters (mit Coolness, Feuer und Fürsorge vom kürzlich verstorbenen Reg E. Cathey verkörpert), der seine früheren Fehlern bereut und nach Nähe zu seinem Sohn sucht, jedoch seiner Vigilanten-Tour kritisch entgegensteht.

Er ist nicht der Einzige. Der Polizei ist Luke trotz seiner vielen Heldentaten ein Dorn im Auge, denn er untergräbt ihre Autorität und agiert ohne jegliche Befugnis außerhalb des Gesetzes. Als Zuschauer von Superheldenfilmen oder -Serien ist man daran längst gewöhnt und hinterfragt es selten, doch "Luke Cage" unternimmt ernsthafte Bemühungen, sich damit auseinanderzusetzen, was es bedeutet, diese Kraft zu haben und sie eigenmächtig einzusetzen. Luke muss sich diese Frage selbst stellen und die Antworten, die er und die Zuschauer dabei finden, sind nicht unbedingt die, die man erwartet. Von Versuchungen der Macht, die ihr ihre Position erlaubt, bleibt auch Misty nicht unberührt. Für alle Hauptfiguren der Staffel gilt letztlich das Fazit, dass der Pfad zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist. Manche verschließen davor die Augen, andere akzeptieren es und machen weiter.

Marvels Luke Cage Staffel 2 (2018) Bild 6Faszinierend ist auch Theo Rossi als Hernan Alvarez alias Shades. Ein unberechenbarer Manipulator in der ersten Staffel, zeigt er in Staffel 2 immer mehr seine menschliche Seite (lässt aber den Psychopathen gelegentlich durchscheinen), insbesondere in seiner Beziehung zu seinem besten Freund und Knastbruder Comanche (Thomas Q. Jones), die überraschende Facetten offenbart. Sogar kleinere Figuren wie Mariahs Bodyguard Sugar (Sean Ringgold) und Ron Cephas Jones als Bobby, ehemaliger Stammkunde in Pos Friseursalon, bekommen überraschend einfühlsame Momente.

So viel Charakterarbeit geht selbstverständlich auf Kosten des Tempos, und wer sich bei "Luke Cage" ein Action-Feuerwerk erhofft, wird enttäuscht sein. Geduld wird jedoch belohnt. Noch viel mehr als bei "Daredevil" oder "Jessica Jones" haben kleinere und größere Ereignisse aus der ersten Staffel unmittelbare Auswirkungen auf die zweite und lassen die erste rückblickend etwas besser aussehen, indem man sie als nötiges Fundament ansieht. Andererseits schafft es die zweite Staffel, in ihrer Struktur ganz anders zu sein als die erste. Diesmal fängt es sehr langsam an und nach den ersten Folgen befürchtete ich noch das Schneckentempo der ersten Staffel. Doch ohne den missratenen Bruch in der Staffelmitte, nimmt die neue Season ab Folge 7 deutlich an Fahrt auf und legt einen fantastischen, mitreißenden Sprint auf ein regelrecht episches Finale hin. Nachdem alle Spielfiguren sorgfältig in Position gebracht wurden, entlädt sich die gesamte Vorarbeit in der zweiten Staffelhälfte in einem Strudel der Gewalt, Vergeltung und unerwarteten Bündnisse. "Luke Cage" wird dann zu einem reinblütigen Gangsterepos, das im dritten Akt zur wahren Größe findet. Ohne zu viel zu verraten: die letzte Einstellung der Staffel ist perfekt und wirkt bei vielen Fans lange nachwirken.

Die meisten der Actionsequenzen sind allerdings nicht sehr aufregend, da Luke durch die Natur seiner Kräfte keine besondere Kampftechnik braucht, sondern einfach wie ein Bulldozer über seine Gegner hinwegrollt. Eine Ausnahme bilden jedoch die zahlreichen Konfrontationen zwischen Luke und Bushmaster. Mit imposant durchtrainiertem Körper, Capoeira und etwas Doping-Hilfe ist er ein würdiger Gegner, und unser kugelsicherer Held muss lernen, richtig einzustecken.

In puncto Atmosphäre, Flair und Musik steht die zweite Staffel der ersten in nichts nach und kann sie sogar teilweise übertreffen. Cheo Hodari Cokers Vergangenheit als Musikjournalist kommt stark zur Geltung. Nicht nur ist jede Folge nach einem Song des Hip-Hop-Duos Pete Rock & CL Smooth benannt, die Staffel umfasst eine großartige Auswahl an Rapsongs, aber auch Jazz und Reggae. Gerade letztere tragen mit Songs von Max Romeo, Gregory Isaacs ("Night Nurse" im perfekten Moment!) und einem Live-Auftritt von Stephen Marley sehr viel zur Atmosphäre bei, die stark durch die jamaikanische Präsenz in der Staffel geprägt ist. Die jamaikanische Kreolsprache, die von Bushmaster und seinen Leuten (zumindest in der Originalfassung) gesprochen wird, spielt auch eine große Rolle. Um Untertitel werden sogar Muttersprachler nicht herumkommen, doch die Sprache macht so viel von diesen Figuren aus, dass die Originalversion ein Muss ist. Außerdem habe ich jetzt mit "rassclaat" ein neues Lieblings-Schimpfwort!

Marvels Luke Cage Staffel 2 (2018) Bild 7Wie es die Kenner der Marvel/Netflix-Serien schon gewohnt sind, hat "Luke Cage" weiterhin herzlich wenig mit dem restlichen Marvel-Universum zu tun. Immerhin wird "das grüne Monster" einmal erwähnt. Die anderen Netflix-Serien werden jedoch mit zahlreichen Verweisen und Gastauftritten eingebunden. Sowohl Jessica als auch Matt finden mehrfach Erwähnung. Es ist kein Geheimnis, dass sowohl Jessica Henwick als auch Finn Jones als Colleen Wing bzw. Danny Rand aus "Iron Fist" vorbeischauen, um den Comicfans einen kleinen Vorgeschmack auf die möglichen Paarungen von Colleen/Misty und Luke/Danny zu geben. Leider klingt Danny immer noch wie ein Collegestudent, der mal ein Buch mit Zen-Weisheiten gelesen hat, aus dem er ständig zitiert. Gute Chemie mit Luke hat er dennoch, auch wenn sein Auftritt im Großen und Ganzen keine sonderliche Relevanz hat.

Diverse Längen in der ersten Staffelhälfte halten mich davon ab, der Staffel das Meisterwerk-Label zu verpassen, auch wenn es ihre letzten Folgen definitiv verdienen. In der Bemühung, weiterhin die mit Abstand zeitgemäßeste Superheldenserie zu bleiben ("Ich bin ein schwarzer Mann in einem Hoodie. Menschen hatten schon immer Angst vor mir," sagt Luke in einer Schlüsselszene), macht Luke Cage sehr viele Fässer auf – Rassismus, Immigration, Ausgrenzung, Sexualität, Missbrauch, Korruption, Traumaverarbeitung und Familienkonflikte. Es ist ein nobles Unterfangen und Vieles davon wird auch passend untergebracht, doch es ist auch zu viel des Guten. Einige Handlungsstränge, wie beispielsweise Mistys Rivalität mit einer neuen Kollegin, hätte die Staffel problemlos verlieren können. Auch verlässt sich die Serie immer wieder auf Zufälle und bequeme Geografie. Klar, Harlem ist nicht so groß wie Manhattan, dass Luke Cage jedoch immer in letzter Sekunde dort auftaucht, wo es gerade brenzlig wird, und den Tag rettet, lässt einen hinterfragen, ob man Superschnelligkeit als Kraft unterschlagen hat. Außerdem wundert man sich, weshalb Mariahs Klub Harlem’s Paradise immer wieder rappelvoll ist, obwohl dort augenscheinlich mehr Morde geschehen als in brasilianischen Favelas.

Die größte Leistung der Staffel ist es, wie sie das Beste aus der ersten Season mit den neuen Geschichten zusammenbringt, nach einem langsamen Start die Kurve bekommt und auf ein furioses Ende hin aufbaut, das einerseits geradezu nach einer neuen Staffel bettelt, mich andererseits befürchten lässt, dass es ab jetzt nur noch schwächer werden kann. Aber ich lasse mich gerne (wieder) überraschen.

https://youtu.be/EQUji6EkZCY

 

Jurassic World: Das gefallene Königreich (2018) Kritik

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Jurassic World 3

Jurassic World: Fallen Kingdom, USA 2018 • 128 Min • Regie: J.A. Bayona • Mit: Bryce Dallas Howard, Chris Pratt, Rafe Spall, Ted Levine, Jeff Goldblum, James Cromwell • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 06.06.2018

Drei Jahre nach der Zerstörung des Freizeitparks Jurassic World wird in der Öffentlichkeit darüber debattiert, wie man mit den verbleibenden Sauriern auf der Isla Nublar umgehen soll, deren Existenz von einem Vulkanausbruch bedroht wird: die Tiere von der Insel evakuieren oder der Natur ihren Lauf lassen? Der US-Senat fällt schließlich in letzter Instanz den Entschluss, keine Finanzmittel für die Rettung der Dinosaurier zur Verfügung zu stellen. Das lassen Claire (Bryce Dallas Howard) und Owen (Chris Pratt) nicht auf sich beruhen und reisen kurzerhand selber auf die Insel, im Schlepptau ein Söldnertrupp, der von einem wohlhabenden Mäzen gestellt wird, um die Urzeittiere doch noch vor dem Untergang zu retten. Doch allmählich stellt sich heraus, dass die Absichten der Söldner keine guten sind…

Nach der äußerst erfolgreichen Wiederbelebung der Dinosaurier-Franchise im Jahr 2015 war die Spannung groß, in welche Richtung der Nachfolger Jurassic World: Das gefallene Königreich gehen wird. Obwohl Jurassic World ein Megahit an den Kinokassen wurde, mehrten sich die Stimmen, die nach innovativen Einfällen riefen. Das haben sich Autor Colin Trevorrow und Regisseur J.A. Bayona zu Herzen genommen und den Ort der Handlung von der Isla Nublar aufs Festland verlegt. Die Parallelen zum zweiten Jurassic Park-Film Vergessene Welt sind dabei unverkennbar, dennoch ist der Film in der zweiten Hälfte sehr darum bemüht, eine ganz andere, originelle Richtung einzuschlagen, die es in der Form in der Filmreihe noch nicht zu sehen gab. Geglückt ist dieses Wagnis jedoch nicht, denn nach Verlassen der Insel übt sich der Film zwar in einer Art Horrorfilm, der ein bisschen an Camerons Alien erinnert: Raptoren die in den dunkelsten Winkeln lauern und die orientierungslosen Opfer jederzeit angreifen könnten – doch die ansteigende Spannungskurve wird torpediert durch den ständigen Griff in die Klischeekiste, sodass der filmerprobte Zuschauer nur noch gelangweilt abwinken möchte. Der negative Eindruck setzt sich fort mit zu vielen "gerade-noch-geschafft"-Situationen, in denen die Protagonisten in allerletzter Sekunde dem Tod von der Schippe springen. Diese schlechte Angewohnheit haben heutzutage alle Action-Blockbuster, könnte der Leser dieser Kritik nun erwidern. Das ist nicht abstreitbar, aber in dieser Vielzahl wie hier bekommt man derlei Szenen nicht oft aufgetischt. Ein Ärgernis, das für mich immer ein starkes Symptom für Einfallslosigkeit ist.

Schade, da wurde Potenzial verschenkt, denn die Idee, wie man die Saurier glaubwürdig aus dem Urwald holt und das Ganze auch noch effektvoll inszeniert, ist den Filmemachern durchaus gelungen. Die Massenszenen auf Isla Nublar sind eindrucksvoll gefilmt und münden in eine überragende und emotionale Schlussszene, die zu Tränen rühren kann. Hiernach geht’s aber nur noch bergab. Das, was viele nach Sichtung der Filmtrailer erwartet haben, hat sich Universal ganz offensichtlich für Teil drei aufgehoben, und so wirkt die Story in der zweiten Filmhälfte, als hätte Colin Trevorrow auf einer Toilettensitzung irgendwas zusammengeschrieben. Die schablonenhaften Figuren – eine Schwäche, die sich durch die gesamte Franchise zieht wie ein roter Faden – haben sich im Vergleich zum Vorgänger nicht weiterentwickelt und können das Ruder erst recht nicht herumreißen, selbst die lockeren Sprüche von Lebemann Owen, der von Chris Pratt gespielt wird, verfehlen ihre Wirkung viel zu oft und erweisen sich als Rohrkrepierer.

Soundtrack, Atmosphäre, Bildgewalt, Kamera sind – gerade in der ersten Stunde – auf allerhöchstem Niveau, können den Film aber garade noch ins Mittelmaß manövrieren. Da war mehr drin!

Die Rocky-Reihe – Eine Liebeserklärung an Qualität, Trash, Charme und Nostalgie

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ROCKY IV, Sylvester Stallone, 1985, © MGM / Courtesy: Everett Collection

Auf der Oscarverleihung im Jahre 1977 gewann Rocky (1976) die zwei wichtigsten Oscar für die beste Regie und den besten Film. Überraschenderweise hatte sich das Sportdrama damit gegen die starke Konkurrenz durchgesetzt, bestehend aus den heutigen Klassikern Network, Die Unbestechlichen, Carrie – Des Satans jüngste Tochter, Flucht ins 23. Jahrhundert, Das Omen und Scorseses Sozialdrama Taxi Driver (allesamt 1976).

Der Sieg von Rocky war thematisch die perfekte Parallele zu seinem Drehbuch, schließlich muss sich in diesem auch ein Underdog überraschenderweise gegen den Champion im Boxring behaupten. Die Geschichte von Rocky Balboa, der gegen den farbigen Titelträger Apollo Creed boxt, ist das Paradebeispiel  für David gegen Goliath. Dieses Konzept ist oftmals wieder aufgegriffen worden, unter anderem in Karate Kid (1984) und Die 36 Kammern der Shaolin (1978). In keinem anderen Genre wie in dem des Sportfilms ist die Inszenierung des kleinen, hart trainierenden Kämpfers gegen den großen und überheblichen Champion so beliebt und selbst heute weißt nahezu jeder Box-, bzw. Sportfilm Merkmale auf, die auf Rocky zurückzuverfolgen sind. Zwar mag die Inszenierung der Boxkämpfe in der Rocky-Saga eher an eine Art Zirkusboxen erinnern, unterhaltsam sind die Auseinandersetzungen aber dennoch. Warrior (2011), Southpaw (2015) und Undisputed – Sieg ohne Ruhm (2002), Filme mit einer Box- oder Kampfsportthematik können nicht die starke Beeinflussung des Sportfilmklassikers abstreiten.

Doch oftmals wird in Diskussionen, Foren oder Fachzeitschriften eben nur Rocky erwähnt und nur selten sein Sequel Rocky II (1979). Dieses setzt die Geschichte des aus den Slums Philadelphias stammenden amerikanisch-italienischen Schwergewichtsboxer Rocky Balboa gekonnt fort, entwickelt Stallones eigens kreierten Charakter weiter und liefert wie schon im ersten Teil den Kampf zwischen Underdog und Champion. Zugegeben, die Fortsetzung mag nicht dieselben starken sozialkritischen Töne anschlagen wie noch der ursprüngliche Film und auch der Aspekt der Milieustudie ist reduziert worden, dennoch ist Rocky II das optimale Sequel. Während Balboa den ersten Kampf gegen Creed noch verloren hat, konnte er sich der Boxwelt gegenüber dennoch beweisen und einen Namen für sich machen. Im Sequel schafft er es letztendlich, in einem zermürbenden Kampf den Sieg an sich zu reißen, was natürlich den offensichtlichen Finalkampf darstellt.

Rocky II macht das, was ein herausragendes Sequel machen muss, bzw. machen sollte. Es entwickelt seine Charaktere sinnvoll weiter, setzt Ereignisse aus dem Vorgänger gekonnt fort und verbindet Fortsetzung und Ursprung miteinander. Es ist sicherlich keine Übertreibung, wenn man den zweiten Teil der Rocky-Reihe zu den besten Sequels zählt, die ein Filmuniversum haben kann, darunter auch Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück (1980), Terminator 2 – Tag der Abrechnung (1991), The Raid 2 (2014) und Zurück in die Zukunft II (1989). Qualitativ möchte ich die Filme untereinander gar nicht erst miteinander vergleichen, doch sind sie zusammen mit Rocky II ein Beispiel dafür, wie gekonnt ein Sequel seinen Vorgänger weiterentwickelt und das Universum darum erweitert.

ROCKY IV (US1985) DOLPH LUNDGREN, SYLVESTER STALLONE PICTURE FORM THE RONALD GRANT

Während Rocky und Rocky II einen durchaus ernsten Ton anschlagen und Themen wie Sozialkritik und Hautfarbe behandelt, wirft Rocky III – Das Auge des Tigers (1982) solche Thematiken vollkommen aus dem sprichwörtlichen Ring. Die Milieustudie, die noch in den vorherigen beiden Filmen subtil angedeutet wurde, sucht man hier vergebens, stattdessen findet man im dritten Teil der Reihe den allerfeinsten 80er Jahre Trash. Vom ikonischen Survivor Titelsong „The Eye of the Tiger“, bis hin zu einem Wrestlingmatch mit keinem geringeren als Hulk Hogan, der dritte Teil quillt über vor Trash und skurrilen Einfällen. Balboas Kontrahent in diesem Teil ist der farbige und muskelbepackte James „Clubber“ Lang, gespielt von Mr. T, der in den berühmten Schnittmontagen als wild trainierender und brutal kämpfender Boxer dargestellt wird, dessen Erscheinungsbild an einen frühen Mike Tyson erinnert.

Doch trotz des Trashs und der für die Filmgeschichte typische 80er Jahre Verrücktheit schafft es der dritte Teil, auch emotionale Töne anzuschlagen. Rockys langjähriger Trainer Mickey verstirbt, was ihm natürlich nahe geht und unter seinem Erfolg leidet seine Motivation, was zur Folge hat, dass ein demoralisierter Rocky gegen Lang verliert. Nun muss ihn sein ehemaliger Kontrahent und mittlerweile befreundeter Ex-Gegner Apollo Creed wieder aufbauen, was in glorreichen Trainingsmontagen zelebriert wird. In bester 80er Jahre Manier rennen die beiden am sonnigen Strand gegeneinander, trainieren im maroden Gym miteinander um fallen sich in Zeitlupe im Meer in die Arme, als Balboa sein Trainingsziel erreicht hat. Ein Schelm, wer hier homoerotische Untertöne erkennen mag. Doch besonders die Montagen, die mit passender Popmusik der damaligen Zeit unterlegt sind, sind die Erkennungsmerkmale der Rocky-Saga. Unterhaltsam, energiegeladen und motivierend für das Publikum.

Rocky III – Das Auge des Tigers ist ein Konglomerat aus feinstem Trash, unerreichten Trainingssequenzen und dem Versuch, eine emotionale Geschichte zu erzählen. Vergleichen kann man die dritte Instanz der Reihe kaum mit den vorherigen beiden Filmen. Tonal sind sie zu verschieden und während Rocky und Rocky II ihren noch Fokus auf ernsthaftere Themen legen, schlägt deren Sequel eine Richtung ein, die jegliche Bodenhaftung verloren hat.
Qualitativ spalten sich am Auge des Tigers die Geister, schließlich sieht die eine Seite ihn als schlechten Trash an, der nicht weiß, was er erzählen will, während die andere Seite ihn gerade für seine abgehobene Inszenierung hochhält. Nach meiner Auffassung haben beide Parteien Punkte, die man dem dritten Rocky-Film sowohl negativ, als auch positiv anrechnen kann, doch Fakt ist, dass kaum ein anderer Film eine bessere Zeitkapsel ist, um die 80er Jahre wiederaufleben zu lassen.

Während das zweite Sequel nach dem Release des ersten Rocky-Films eine stark überzeichnete Richtung nimmt, schafft es Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts (1985) jeglichen Rahmen zu sprengen. Auch wenn der Kalte Krieg 1985 bereits auf sein vermeidliches Ende zusteuerte, war das nächste Sequel das womöglich perfekte Beispiel eines US-amerikanischen Propagandafilms gegen die UdSSR. Rocky Balboa, der Boxer, der sich aus dem Slums an die Spitze gekämpft hatte, gegen Ivan Drago, einen russischen Zerstörer, der mehr an einen Superhelden erinnert, als an einen Athleten. Natürlich wird Drago als unbesiegbar anmutender Antagonist aufgebaut, der seine Gegner zermürbt und eine Schlagkraft jenseits von Gut und Böse besitzt. Doch gleichzeitig konzentriert sich der vierte Rocky-Film auf die Freundschaft zwischen Apollo und Rocky, zumindest versucht der Film dies.

Apollo möchte seine Karriere wieder aufleben lassen und plant sein Comeback gegen den russischen Hünen, obwohl sich Balboa dagegen ausspricht. Doch Creed setzt seinen Plan in die Tat um und tritt gegen Drago in das Seilgeviert. Doch das Match endet nicht mit einem Sieg des farbigen Amerikaner. In einer dramatischen Szene bittet Apollo in der Ringecke seinen Freund darum, nicht das Handtuch zu werfen und in der darauffolgenden Runde stirbt Apollo Creed im Versuch sich gegen Drago zu behaupten. Rocky macht sich daraufhin natürlich schwere Vorwürfe und schwört Rache gegenüber dem Russen. Das Match zwischen den Beiden kommt schnell zustande und soll natürlich in Russland stattfinden.

Der Plot der Rocky-Filme ist seit jeher weit davon entfernt gewesen, innovativ zu sein, doch besonders Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts ist handlungstechnisch äußerst formelhaft und platt erzählt. Worin der vierte Teil jedoch der bis dato Beste ist, ist die Inszenierung des Trainings. Rocky bekommt in Russland selbstverständlich keine richtige Trainingseinrichtung, um sich auf den bevorstehenden Kampf gegen Drago vorzubereiten, sondern wird in einem heruntergekommenen und alten Bauernhof abgeladen und wird auch noch von russischen Spionen auf Schritt und Tritt verfolgt. Während Dragos Vorbereitung mit den neusten Trainingsgeräten und Methoden aufwartet, muss Rocky mit altertümlichen Handwerksgeräten trainieren, wobei er unter anderem eine komplette Kutsche stemmt. Scheinbar nebenbei läuft Balboa auch noch dem Auto der russischen Beschatter davon, während in Dragos Training suggeriert wird, dass er auf leistungsfördernde Mittel zurückgreift.

Die Absicht, den Kampf zwischen den beiden Boxern als einen Nationenkampf zwischen den USA und UdSSR zu inszenieren, liegt natürlich auf der Hand, ebenso wie die Parteilichkeit des Films. Während Balboa mit den einfachsten Mittel hart und ehrlich trainiert, wird Drago als willenlose Maschine dargestellt, die auch auf unsportliche Tricks zurückgreift, um zu siegen.
Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts ist ähnlich wie sein Vorgänger eine Zeitkapsel, die den Zuschauer in den perfekten US-Propagandafilm gegen die UdSSR hineinzieht. Auch hier prallen wieder Trash und 80er Jahre Stilistik aufeinander, was teilweise äußerst amüsant ist und manchmal eher zum Fremdschämen einlädt. Mit dem vierten Teil entfernt sich die Filmreihe allerdings endgültig von jeglichem entfernten Realismus und wirkt um einiges stärker überzeichnet wie noch sein vergleichsweise realistischer Vorgänger.

Während Rocky, als auch Rocky II jeweils klare Sportdramen sind, entwickeln sich Rocky III – Das Auge des Tigers und Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts in eine fast schon komödiantische Richtung, die kaum mehr etwas mit den vorrangegangenen Filmen zu tun hat. Zwar mag man den dritten und vierten Teil in gewissen Aspekten qualitativ nicht auf dieselbe Stufe stellen wie die ersten Beiden, eine Art Grundqualität teilen sich aber die ersten vier Rocky-Filme definitiv. Und dann kommt Rocky V (1992).

Der fünfte und zweifelsohne schlechteste Teil der Reihe zeigt, wie der italienisch-amerikanische Boxer dem Bankrott gegenüber steht und versucht, seinen neuen Schützling Tommy „The Machine“ Gun in der Boxwelt aufzubauen. Durch die finanziellen Schwierigkeiten muss Rocky wieder in die Slums Philadelphias ziehen und zu allem Unglück verrät ihn auch noch sein junger Protegé. Der Film endet mit einem Straßenkampf zwischen dem „Italian Stallion“ und der Maschine, in dem Balboa seinen ehemaligen Schützling ausknockt.

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Box-Office USA: Deadpool 2 entthront Infinity War, startet aber knapp unter Teil 1

Deadpool 2 Box Office

Links: Deadpool 2 © 2018 20th Century Fox
Rechts: Avengers: Infinity War © 2018 Walt Disney Pictures

Quelle: Boxofficemojo

Zum dritten Mal dieses Jahr haben die Umsätze der Top 12 an den nordamerikanischen Kinokassen die $200-Mio-Marke überschritten. Kein Zufall ist, dass an allen diesen drei Wochenenden neue Marvel-Verfilmungen angelaufen sind, denen nun auch die drei besten Startwochenenden des Jahres gehören. Der tolle Start von Deadpool 2 hat der Konkurrenz viele Leinwände und Zuschauer gekostet, sodass die meisten Filme am Wochenende um mehr als die Hälfte eingebrochen sind. Insgesamt nahm die Top 12 $200,3 Mio ein, 55% mehr als in der Vorwoche und 71% mehr als am gleichen Wochenende vor einem Jahr, als Alien: Covenant an der Spitze war.

Deadpool 2 verdrängte Avengers: Infinity War nach 21 Tagen Box-Office-Herrschaft spielend von der Chartspitze und legte mit $125 Mio in den ersten drei Tagen das drittbeste Startwochenende des Jahres hin, nach Infinity War ($257,7 Mio) und Black Panther ($202 Mio). In 4349 Kinos erzielte der Streifen einen Schnitt von $28742 pro Spielstätte. Es war der breiteste Start aller Zeiten für einen Film mit einem R-Rating, dennoch verpasste Deadpool 2 knapp den Startrekord für R-rated-Filme. Dieser gehört weiterhin seinem Vorgänger mit $132,4 Mio, dessen Startergebnis Deadpool 2 um etwa 6% verfehlte. Allerdings schrieb das Sequel mit $18,6 Mio einen neuen Preview-Rekord für R-rated-Filme und erzielte auch den erfolgreichsten R-rated-Starttag in Nordamerika mit $53,3 Mio, 6% vor dem bisherigen Rekord ($50,4 Mio für Es). Der Starttag lag auch 12% vor dem des ersten Deadpool-Films, doch jener hatte einen besseren Samstag und vor allem einen deutlich besseren Sonntag. Grund dafür war der zweifache Bonus, den Deadpool 2 nicht hatte: Der erste Montag von Deadpool war Presidents' Day, ein nationaler Fiertag, der dem Film einen erfolgreicheren Sonntag ermöglichte. Hinzu kam, dass der Sonntag auch Valentinstag war, traditionell ein starker Tag für die Kinos. Deadpool wurde auch als Valentinstag-Film vermarktet und es hat definitiv funktioniert.

Außerdem ist es normal, dass Fortsetzungen deutlich frontlastiger sind als Originalfilme. Beim ersten Deadpool machten Donnerstags-Previews etwa 27% des gesamten Starttags aus. Bei Deadpool 2 waren es schon knapp 35%. Es hat außerdem sicherlich nicht geholfen, dass mit Avengers: Infinity War ein weiterer extrem erfolgreicher Marvel-Blockbuster noch in den Kinos läuft. Die Mundpropaganda von Deadpool 2 ist in etwa auf dem gleichen Level wie beim ersten Film. Im Schnitt vergaben die Zuschauer ihm einen "A"-CinemaScore (äquivalent einer "1"), wie schon beim Erstling. Männer machten 59% der Zuschauer aus, 71% waren älter als 25 (beim ersten Film waren es "nur" 55%). Diese Zielgruppe wird Deadpool 2 kommendes Wochenende in heftige direkte Konkurrenz zu Solo: A Star Wars Story bringen, der ebenfalls vor allem ein älteres, männliches Publikum anspricht.

Sollte Deadpool 2 fortan dem gleichen Verlauf folgen wie der erste Teil, wird er $342 Mio in den USA und in Kanada einnehmen. Doch größere Sequel-Frontlastigkeit und Konkurrenz von Solo und Jurassic World: Das gefallene Königreich in den nächsten Wochen werden es ihm schwer machen. Deshalb erwarte ich viel eher ein finales Ergebnis in Höhe von $300-320 Mio, was für eine $110-Mio-Produktion mit einem R-Rating immer noch großartig ist. Deadpool 2 wäre erst der fünfte R-rated-Film in der nordamerikanischen Box-Office-Geschichte mit mehr als $300 Mio Einspiel.

Blendend läuft es für den Film auch außerhalb von Nordamerika, wo er am ersten Wochenende $176,3 Mio einspielte. Der erste Deadpool nahm etwa $420 Mio außerhalb von USA und Kanada ein. Die Fortsetzung könnte dies noch übertreffen, da der Film noch nicht einmal in einigen großen Märkten wie Japan oder Mexiko angelaufen ist.

Avengers: Infinity War landete an seinem vierten Wochenende weit abgeschlagen auf Platz 2 und spielte weitere $28,7 Mio ein. Direkte Konkurrenz von Deadpool 2 kostete dem Film viele Zuschauer und er sank um 53,8% gegenüber dem vorigen Wochenende. Nach 24 Tagen steht Infinity War in den USA und in Kanada bei stolzen $595 Mio und belegt dort bereits Rang 8 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Noch besser sieht es weltweit aus. Dank fast $1,22 Mrd außerhalb von Nordamerika beläuft sich das weltweite Einspiel des Films auf mehr als $1,8 Mrd. Nur Avatar, Titanic und Star Wars – Das Erwachen der Macht haben weltweit noch mehr eingenommen. Alle drei überquerten die $2-Milliarden-Marke und das wird Infinity War in den nächsten Wochen ebenfalls gelingen. Mit etwas Glück könnte der Film sogar Platz 2 der weltweit umsatzstärksten Filme aller Zeiten vor Titanic ($2,19 Mrd) einnehmen.

In Nordamerika liegt Infinity War aktuell 16% vor The Avengers und 6% vor Black Panther im selben Zeitraum. Allerdings wird sich sein Abstand besonders zum letzteren schnell schrumpfen, da sich Black Panther in den Wochen nach dem Start deutlich besser gehalten hat. Aktuell erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass Infinity War Black Panther, der auf mehr als $700 Mio zusteuert, als erfolgreichsten Film des Jahres in den USA und in Kanada ablösen wird. Infinity War wird höchstwahrscheinlich mit etwa $660-680 Mio die Kinos verlassen, was immer noch für das viertbeste Einspielergebnis aller Zeiten in Nordamerika ausreicht.

Auf Seite 2 findet Ihr Updates zum Einspielergebnis des Horror-Megahits A Quiet Place sowie die neusten Zahlen von Rampage und dem Komödien-Remake Overboard.

Solo: A Star Wars Story (2018) Kritik

Solo A Star Wars Story (2018) Filmkritik

Solo: A Star Wars Story, USA 2018 •135 Min • Regie: Ron Howard • Mit: Alden Ehrenreich, Emilia Clarke, Woody Harrelson, Donald Glover, Paul Bettany, Thandie Newton • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 24.05.2018 • Deutsche Website

Handlung

Während das Imperium seine Vormachtstellung durch erbarmungslosen Krieg sichert, herrscht Gesetzlosigkeit in weiten Teilen der Galaxie. So auch auf dem Planeten Corellia, wo die furchterregende Lady Proxima (Linda Hunt) Ausreißer und Waisenkinder um sich schart und sie für ihre kriminellen Machenschaften einspannt. Unter ihnen ist auch der junge Han (Alden Ehrenreich), ein talentierter Pilot und Straßendieb, dessen größter Traum es ist, sich ein eigenes Schiff zu kaufen und gemeinsam mit seiner Freundin Qi’ra (Emilia Clarke) von Corellia abzuhauen. Als er in Besitz des höchst wertvollen Supertreibstoffs Coaxium gelangt, wittern sie ihre Chance. Doch auf der Flucht wird Han von Qi’ra getrennt. Er kann entkommen, sie bleibt zurück. Han schwört, für sie zurückzukehren, und verpflichtet sich bei der imperialen Armee, in der Hoffnung, dort zum Piloten zu werden. Drei Jahre später ist er jedoch ein desillusionierter, kriegsmüder Fußsoldat auf einem tristen, schlammigen Planeten. Sein Schicksal wendet sich, als er dort eine Diebestruppe trifft, angeführt von Tobias Beckett (Woody Harrelson). Trotz vehementer Proteste von Tobias' Partnerin und Gefährtin Val (Thandie Newton) werden Han und sein neuer Kumpel, der Wookie Chewbacca (Joonas Suotamo), im Team aufgenommen, um bei einem gewagten Überfall zu helfen. Diesen führen Tobias und seine Crew im Auftrag des gefürchteten intergalaktischen Gangsters Drydon Vos (Paul Bettany) aus. Han ist eifrig darauf, sich endlich zu beweisen, doch die Mission führt ihn unerwartet wieder mit Qi’ra zusammen, die inzwischen zu Vos' Syndikat gehört. Haben die beiden dennoch eine Zukunft?

Kritik

Den Aufschrei zahlreicher Star-Wars-Fans im Angesicht einiger überraschender Entscheidungen, die Regisseur und Autor Rian Johnson bei Star Wars – Die letzten Jedi getroffen hat, konnte man am anderen Ende der Galaxie vernehmen. Oder zumindest auf jeder einschlägigen Internet-Plattform, auf der die Fans ihrer Wut freien Lauf lassen durften. Das neuste Abenteuer aus der Star-Wars-Welt dürfte ihre Gemüter wieder besänftigen, denn während Kylo Ren in Die letzten Jedi dazu aufrief, die Vergangenheit sterben zu lassen, fühlt sich Solo: A Star Wars Story in dieser pudelwohl.

Disney ließ Johnson freie Hand, doch die beiden ursprünglich angeheuerten Solo-Regisseure Christopher Miller und Phil Lord waren in ihrer auf viel Improvisation setzenden Arbeitsweise der Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy zu gewagt, weshalb sie fünf Monate nach Drehstart entlassen und durch Ron Howard ersetzt wurden. Wer mit Howards Filmografie vertraut ist, kann sich in etwa ausmalen, was einen erwartet und Solo ist ein klassischer Ron-Howard-Film. Als erfahrener, routinierter Handwerker inszenierte Howard die zweite Star Wars Story als ein gut durchkalkuliertes, temporeiches Popcorn-Abenteuer, das keine Risiken eingeht und keine anderen Ambitionen hegt, als Fans des Universums mit Altbekanntem zufriedenzustellen. Kann man machen und viele Jünger von George Lucas' Schöpfung werden ihm auch dafür auch danken, denn er zeigt definitiv viel Respekt und Ehrfurcht vor der Vorlage.

Solo A Star Wars Story (2018) Filmbild 1Man kommt natürlich nicht umhin, die Frage direkt zu adressieren, die sich vermutlich die meisten Fans stellen: Wie macht sich Alden Ehrenreich als Han Solo? Der lakonische Weltraumschmuggler gehört zu den ikonischsten Figuren der Filmgeschichte, was hauptsächlich Harrison Fords ultracooler Darbietung zu verdanken ist. In diese Fußstapfen zu treten, ist eine monumentale Herausforderung für jeden Darsteller und Berichte über einen Schauspielcoach für Ehrenreich am Set haben nicht gerade für Zuversicht gesorgt. Wenn er denn tatsächlich gecoacht werden musste, hat es funktioniert. Optisch zwar nur bedingt passend (insbesondere was Körpergröße betrifft), hat Ehrenreich die Lässigkeit, das Grinsen und die unbekümmerte Attitüde von Fords Solo nahezu perfekt drauf. Fords Coolness war natürlich, Ehrenreichs ist gespielt, aber gut gespielt. Die Performance fängt als gelungene Imitation ein, doch es dauert nicht lange, bis man aufhört, die beiden Schauspieler zu vergleichen, und stattdessen anfängt, Ehrenreich in der Rolle zu genießen, der sichtlich das Zeug zum Leading Man hat.

Solo A Star Wars Story (2018) Filmbild 2Er wird jedoch in den Schatten gestellt, sobald Donald Glover als Lando Calrissian die Bühne betritt. Multitalent Glover ist als überlebensgroßer, prahlerischer und modisch interessierter Schmuggler und Glücksspieler mit unheimlich viel Spaß bei der Sache. Nicht nur macht er Billy Dee Williams' Performance alle Ehre, sondern es gelingt ihm, die Figur zu Eigen zu machen. Trotz begrenzter Screentime bekommt er mehr zu tun als Williams jemals in der Original-Trilogie hatte. Großartig ist auch Phoebe Waller-Bridge als die Stimme seines emanzipierten weiblichen Droiden L-37, der eine interessante Beziehung zu Lando pflegt und eine eigene rebellische Agenda hat. Wie schon im letzten Star-Wars-Spin-Off, Rogue One, stiehlt also wieder ein Droide den Menschen die Show.

Obwohl als Origin-Story konzipiert, bleibt nennenswerte Charakterentwicklung in Solo zweitrangig. Im Fernsehen macht "Better Call Saul" aktuell eindrucksvoll vor, wie man die Entwicklung von Figuren, deren endgültiges Schicksal man bereits kennt, dennoch spannend gestalten kann. Solo begnügt sich damit, die wichtigsten Stationen von Hans Weg zum Outlaw abzuarbeiten, ohne dass die Figur dabei Tiefgang bekommt oder eine Veränderung durchmacht. Als wir ihn das erste Mal treffen, ist er bereits der gleiche liebenswerte Halunke, den die Zuschauer vor 41 Jahren erstmals kennengelernt haben. Wir erfahren natürlich, wie er Chewie trifft, was es mit seinem Namen auf sich hat, sowohl der legendäre Kessel-Lauf als auch ein Sabacc-Spiel werden thematisiert und Han schießt ganz definitiv zuerst. Wer in Die letzten Jedi also Fanservice vermisste, wird in Solo mehr als entschädigt. Das ist letztlich, was den Film ausmacht: Fanservice und solide Unterhaltung, was insgesamt für guten Zeitvertreib im Kino und einen bestenfalls peripheren Beitrag zum Star-Wars-Universum reicht. Fügte sich Rogue One noch wie ein fehlendes Puzzlestück nahezu perfekt in eine Lücke ein, erzählt Solo eine Geschichte fernab der Macht, der Jedi und der Sith. Das ist an sich erfrischend, doch durch die Überbetonung von Bekanntem auch irgendwie sehr vertraut.

Solo A Star Wars Story (2018) Filmbild 3Der Ton des Films ist eine Mischung aus Western, Heist-Movie und Film noir. Während die ersten beiden Genres recht offensichtlich sind, merkt man die Noir-Einflüsse an Paul Bettanys skrupellosem, entstelltem Gangster und vor allem an Emilia Clarke, deren Qi’ra eine klassische Femme Fatale ist. Diese Rolle, der es ebenfalls stark an Entwicklung mangelt, bringt den "Game of Thrones"-Star immerhin nicht an die Grenzen ihres schauspielerischen Könnens wie beispielsweise ihre Rolle in Ein ganzes halbes Jahr. Die restliche Besetzung holt das meiste aus ihren eindimensionalen Figuren. Woody Harrelson kann die Rolle des abgebrühten, coolen Gauners vermutlich im Schlaf spielen, aber er kann das eben wirklich gut. Paul Bettany ist ein überzeugender Schurke und "Westworld"-Star Thandie Newton ist unterfordert, jedoch in ihren Szenen als Badass-Räuberin wirkungsvoll.

Solo A Star Wars Story (2018) Filmbild 4Was Solo: A Star Wars Story an Vision und Ambition fehlt, macht er mit flotter Action, gut dosiertem Humor, tollen Effekten und mal mehr, mal weniger überraschenden Wendungen wieder wett, von denen insbesondere eine Star-Wars-Fans in helle Freude versetzen sollte. Wer mit dem Kanon nicht vertraut ist, dürfte jedoch ein wenig verwirrt sein, was ich unmittelbar nach der Pressevorführung bereits bei einigen Kollegen erleben durfte.

In vielerlei Hinsicht erinnert Solo: A Star Wars Story an Ant-Man: Regiewechsel, nachdem die Vorstellungen kreativer, unkonventioneller Filmemacher mit denen ihrer Auftraggeber auseinandergingen, und als Ergebnis ein unaufregender, unterhaltsamer Film, dem seine turbulente Produktionsgeschichte glücklicherweise nicht anzumerken ist. Dadurch, dass Ron Howard große Teile des Streifens nachdrehte, fühlt sich Solo wie aus einem Guss an, auch wenn in einigen Dialogszenen Millers und Lords Einflüsse noch leicht zu spüren sind.

Solo A Star Wars Story (2018) Filmbild 5Solo stellt das exakte Gegenteil von Die letzten Jedi dar, indem der Film genau das macht, was viele von ihm erwarten und nicht mehr. Die letzte Star-Wars-Episode war sicher nicht makellos und ihre Probleme waren deutlich markanter als alle von Solo, doch der Mut und die Bereitschaft, Alteingesessenes zu verwerfen und neue Pfade zu betreten, war sehr lobenswert. Letztendlich muss man dankbar sein, dass Lucasfilm sowohl die eine als auch die andere Herangehensweise ermöglicht hat. War Rogue One noch so abgeschlossen, wie ein Film nur sein kann, lässt Solo, der etwa zehn Jahre vor Eine neue Hoffnung spielt, reichlich Raum für Fortsetzungen. Nachdem sich der Film von der Last der oben erwähnten Han-Solo-Checkliste befreit hat, bleibt die Hoffnung, dass der Nachfolger eigenständiger sein wird.

Fazit

Solo: A Star Wars Story ist keine Offenbarung, aber auch nicht annähernd das Desaster, das die problematische Produktionsgeschichte befürchten ließ. Mit Versatzstücken aus Western, Heist-Movies und Film noir hat Regisseur Ron Howard ein kompetentes, unambitioniertes Popcorn-Abenteuer gestrickt, in dem Action, Twists und Fanservice vor Charakterentwicklung stehen. Alden Ehrenreich behauptet sich gut in der ikonischen Titelrolle, doch Donald Glover als Lando und Phoebe Waller-Bridge als sein treuer Droide stehlen ihm locker die Show.

Trailer

Deadpool 2 (2018) Kritik

Deadpool 2 (2018) Filmkriitk

Deadpool 2, USA 2018 •119 Min • Regie: David Leitch • Mit: Ryan Reynolds, Josh Brolin, Zazie Beetz, Julian Dennison, Morena Baccarin, T.J. Miller, Brianna Hildebrand, Karan Soni • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 17.05.2018 • Deutsche Website

Handlung

Wade Wilson alias Deadpool (Ryan Reynolds) lebt sein Antihelden-Dasein in vollen Zügen aus. Wenn er nicht gerade das traute Zweisein mit seiner Frau Vanessa (Morena Baccarin) genießt, lässt er sich vom ihn anhimmelnden Taxifahrer Dopinder (Karai Soni) von einem kriminellen Unterschlupf zum nächsten kutschieren und räumt kompromisslos mit dem Abschaum dieser Welt auf. Nachdem jedoch einer seiner Einsätze schiefläuft, versinkt Deadpool in einer Existenzkrise. Um ihn aus dieser herauszuholen, versucht Colossus (Stefan Kapičić), ihn wieder als Mitglied der X-Men zu rekrutieren. Doch bereits bei seiner ersten Mission als X-Men-Trainee verliert Deadpool die Kontrolle und landet gemeinsam mit dem jungen Russell (Julian Dennison) in einem Gefängnis für Mutanten. Dort werden ihre Superkräfte mittels besonderer Halskragen unterdrückt. Ohne seine Heilungskräfte ist Deadpool wieder seiner tödlichen Krebserkrankung ausgeliefert. Gerade als er sich damit abgefunden hat, stürmt ein schwerbewaffneter Soldat mit Roboterarm namens Cable (Josh Brolin) das Gefängnis und hat es auf den Jungen abgesehen. Mit knapper Not kann Deadpool ihn davon abhalten, Russell zu töten, und entkommt dabei selbst dem Superknast. Da er jedoch inzwischen Verantwortung für Russell verspürt und weiß, dass Cable nicht aufhören wird, ihn zu jagen, versammelt er mit Hilfe seines Kumpels Weasel (T.J. Miller) andere Individuen mit besonderen Fähigkeiten, um den Jungen zu retten. Jedoch wartet eine wortwörtlich größere Gefahr als Cable auf sie.

Kritik

Als der erste Deadpool vor zwei Jahren in die Kinos kam, war der Film so erfrischend anders wie kein andere Comicverfilmung seit Guardians of the Galaxy und stach aus der Masse vergleichbarer Filme heraus. Frech, lustig, vergnügt blutig, sehr meta und vor allem herrlich comichaft war der Streifen eine Adaption seines Titelhelden, wie sie sich die Fans nur erträumen konnten. Anstatt sich zu bemühen, möglichst massentauglich zu sein, ist Deadpool seiner eindeutig nicht-jugendfreien Vorlage treu geblieben. Gerade dadurch vereinte er jedoch sowohl die Comicnerds als auch das Massenpublikum in ihrer Begeisterung und wurde zu einem Riesenhit an den Kinokassen, der hierzulande trotz der FSK16-Freigabe mehr Tickets verkauft hat als jede andere Marvel-Verfilmung der vorangegangenen zehn Jahre.

Der äußerst kreative Vorspann zu Deadpool bezeichnete die beiden Drehbuchautoren des Films, Rhett Reese und Paul Wernick, als die echten Helden des Films. Doch der eigentliche Held hier war Hauptdarsteller und Produzent Ryan Reynolds. Nicht nur, weil er den Part mit absoluter Hingabe, Leidenschaft und spürbarer Begeisterung spielte, die ihm später eine Golden-Globe-Nominierung einbrachte, sondern auch weil sein unermüdlicher Einsatz letztlich dafür verantwortlich war, dass Fox nach viel Zögern einen R-rated Deadpool-Film bewilligte, nachdem das Studio den Charakter zuvor in X-Men Origins: Wolverine verhunzte. Reynolds hat bei jedem erdenklichen Marketing-Stunt zum Film mitgemacht und letztlich prägte er den Film genau so sehr, wie sein Regisseur und die beiden Autoren.

Deadpool 2 (2018) Filmbild 1Im zweiten Teil ging Reynolds' Beitrag offenbar noch weiter, denn nun wird er neben Reese und Wernick als dritter Drehbuchautor des Films angeführt. Zwar gab es hinter der Kamera einen Regiewechsel von Tim Miller zu David Leitch (Atomic Blonde), doch das Autoren-Trio sorgte dafür, dass der zweite Film die klare Linie des ersten Teils nahtlos fortführt. Nur eben größer, teuerer und explosiver, wie es sich für ein Blockbuster-Sequel eben gehört. Wurde der erste Film im Vorfeld noch als kommerzielles Risiko gesehen, ist der Nachfolger eine sichere Nummer. Doch trotz des sichtlich größeren Aufwands und einer größeren Besetzung fehlt Deadpool 2 der unersetzliche Überraschungseffekt der Andersartigkeit, mit dem der Vorgänger punktete. Bereits bei wiederholten Sichtungen des ersten Teils nutzte sich dieser ab, wobei natürlich immer noch ein äußerst unterhaltsamer, flotter Film übrigblieb. Das ist auch beim zweiten Film weitgehend der Fall, nur dass er diesmal von vorneherein nicht mehr so sehr hervorsticht.

Meine Kritik zu Teil 1 hatte im ersten Absatz die folgende Beschreibung: "Superhelden retten die Welt mittlerweile mehrmals im Jahr auf der Leinwand, reisen durch die Zeit, erleben intergalaktische Abenteuer und versammeln sich zu großen Super-Ensembles, die übermächtigen Bösewichten das Handwerk legen. Deadpool ist nicht so ein Film." Deadpool 2 ist so ein Film. Es wird durch die Zeit gereist, ein Superhelden-Ensemble versammelt (auch wenn dies erfreulich anders abläuft als in vergleichbaren Filmen) und möglicherweise die Welt gerettet. Das Sequel beugt sich also selbst zum Teil den Konventionen, über die sich sein Vorgänger noch lustig gemacht hat. Akzeptiert man allerdings, dass auch Deadpool mit der Zeit unausweichlich zu einem generischeren, konventionelleren, aber weiterhin extrem unterhaltsamen Superhelden-Franchise wird, dann stört das auch nicht sonderlich.

Deadpool 2 (2018) Filmbild 2Während der erste Film noch davon lebte, dass die Figur Deadpool und ihre Meta-Qualitäten für die meisten Zuschauer noch eine Neuheit waren, wissen jetzt schon die meisten Mainstream-Kinogänger, was sie erwartet. Genau das wird ihnen dann auch serviert, jedoch mit einem Nachschlag aus neuen Super- bzw. Antihelden. Damit Reynolds' Deadpool den Film nicht mehr alleine auf seinen Schultern tragen muss, werden ihm zwei neue Mutanten an die Seite gestellt: Domino (Zazie Beetz) und Cable (Josh Brolin).

Nach seinem grandiosen Auftritt als Thanos in Avengers: Infinity War ist Brolin als zeitreisender Supersoldat Cable in kürzester Zeit schon wieder in einer tragenden Rolle in einem Marvel-Blockbuster hier zu sehen. Sein Auftritt in Deadpool 2 entspricht exakt den Erwartungen: Brolin ist eine stoische, wortkarge, bierernste, muskelbepackte physische Präsenz und damit ein netter Kontrast zum herumalbernden Deadpool. Von dieser potenziell sehr amüsanten Buddy-Dynamik zwischen den beiden werden wir allerdings vermutlich erst in den künftigen (X-Force-)Filmen mehr zu spüren bekommen, denn in Deadpool 2 verbringen beide den Großteil der Laufzeit als erbitterte Widersacher.

Deadpool 2 (2018) Filmbild 3Als überraschendes Highlight stiehlt die deutsch-amerikanische Schauspielerin Zazie Beetz als Domino ihren Mitspielern die Show. Ihre Superkraft ist Glück. Wie diese auf der Leinwand umgesetzt wird, ist einfach nur großartig. Verspielt, leicht verträumt und mit ultracoolem Look, überwindet Domino lässig jedes Hindernis, weil das Glück stets auf ihrer Seite ist.

Sowohl Beetz als auch Brolin sind willkommene Ergänzungen im Cast, doch auch Reynolds ist wieder in absoluter Hochform. Mit mehr unerschöpflicher Energie als ein Duracellhase und ohne jegliche Schmerzensgrenzen lebt er die Rolle seines Lebens mit so viel Spaß weiter, dass er nach nur zwei Filmen (vergessen wir mal X-Men Origins, auch wenn es Deadpool selbst definitiv nicht tut) noch weniger austauschbar erscheint als Robert Downey Jr. als Tony Stark oder Hugh Jackman als Wolverine. Letzterer wird natürlich wieder mehrfach erwähnt.

Deadpool 2 (2018) Filmbild 6Den Machern war bewusst, dass es schwer sein würde, den besagten Überraschungsfaktor des ersten Films zu wiederholen. Um diesem Verlust entgegenzuwirken, wurde die Gagdichte in Deadpool 2 gegenüber dem ersten Teil deutlich erhöht. Im Maschinengewehrtempo werden Gag-Salven auf die Zuschauer abgefeuert. Der Humor ist mal clever, mal infantil, gelegentlich abgenutzt und manchmal auch wirklich überraschend. Die Trefferquote ist nicht so hoch wie beim ersten Film, auch weil viele der Witze und Referenzen inzwischen etwas redundant wirken, doch allein schon deren Häufigkeit sorgt dafür, dass genug sitzen. Bei manchen schmunzelt man nur leicht amüsiert, bei einigen anderen wird das Zwerchfell ordentlich beansprucht. Sowohl das Marvel- als auch das DC-Universum bekommen ordentlich ihr Fett ab und auch Fox' eigenes X-Men-Franchise kommt nicht leicht davon. Für einige der besten Momente sorgen auch diverse Cameos, die an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden. Den Höhepunkt erreichen die Lacher tatsächlich ganz am Ende mit der den besten Abspannszenen der letzten Jahre. Wie auch immer man den Film davor findet, nach den letzten Szenen geht man garantiert gut amüsiert aus dem Kino. Auch der stylische Vorspann im James-Bond-Stil mit Celine Dions "Ashes" kann sich echt sehen lassen.

Deadpool 2 (2018) Filmbild 4Dass der Film dennoch nicht das gleiche Maß an Begeisterung bei mir ausgelöst hat wie der erste, liegt neben den Abnutzungserscheinungen des Meta-Humors auch daran, dass ihm das Herz des Vorgängers fehlt. Jener war nämlich auch eine tolle Liebesgeschichte zwischen Wade und Vanessa und Deadpools Mission war weniger heldenhaft und vielmehr persönlich: sich rächen und seine Verlobte retten. In der Fortsetzung gerät die wundervolle Morena Baccarin leider deutlich in den Hintergrund. Stattdessen bildet die Freundschaft zwischen Deadpool und Russell den emotionalen Kern des Films, funktioniert aber nicht ganz so gut. Baccarin ist nicht die einzige Schauspielerin, die im Film etwas zu kurz kommt. Auch Brianna Hildebrand als launische Negasonic Teenage Warhead hat leider nur wenig zu tun; ihre Entwicklung besteht hauptsächlich daraus, dass sie mit Shiori Kitsunas Figur diesmal eine Freundin hat (immerhin fortschrittlich!).

Deadpool 2 (2018) Filmbild 5Ein bisschen enttäuschend sind auch die recht unspektakulär inszenierten Action- und Kampfszenen. David Leitch hat mit John Wick und Atomic Blonde immerhin einige der virtuosesten Actionsequenzen der letzten Jahre auf die Leinwand gebannt hat. In Deadpool 2 ist die Action zwar routiniert und handwerklich sehr kompetent umgesetzt, doch insgesamt eher uninspiriert und ohne besonderen Höhepunkte. Wirklich schlecht sind hingegen einige Computereffekte. Gerade die CGI-Umsetzung eines Charakters ist so mies, dass sie auf dem Niveau der frühen 2000er aussieht (man denke beispielsweise an Van Helsing). Das macht den Film zwar nicht kaputt, reißt einen aber dennoch aus dem Geschehen heraus.

Hat man letztlich nur den Anspruch gut unterhalten zu werden, dann kann man seine Zeit sicherlich schlechter verbringen als bei Deadpool 2. Die Macher wissen, was die Zuschauer wollen, und das bekommen sie auch. Vielleicht etwas konventioneller als beim ersten Mal, doch das Tempo bleibt flott, das Blut fließt wieder in Strömen und Reynolds trägt die Rolle weiterhin wie eine zweite Haut.

Fazit

Wer von Deadpool begeistert war, wird auch an Deadpool 2 seine Freude haben. Der Meta-Humor ist zwar nicht mehr ganz so erfrischend neu wie beim ersten Durchgang, dennoch gelingt es den Autoren, mit einigen überraschenden und urkomischen Einfällen zu punkten, die im Abspann ihren Höhepunkt erreichen. Minuspunkte gibt es für zu kurze Einsätze von Morena Baccarin und Brianna Hildebrand sowie für einige erschreckend miese Computereffekte.

Trailer

Box-Office USA: Avengers: Infinity War schafft neuen Startrekord!

Avengers Infinity War Box Office

© 2018 Walt Disney Pictures

Quelle: Boxofficemojo

Kinobetreiber in Nordamerika hatten ein tolles Wochenende. Mit $296,2 Mio für die Top-12-Filme wurde nach Schätzungen das zweitstärkste Wochenende aller Zeiten nach Umsatz erzielt. Die Zahl, die bereits 165% über der Vorwoche und 248% (!) über dem Vorjahr liegt, könnte noch weiter steigen, wenn die offiziellen Zahlen morgen vorliegen, denn aller Wahrscheinlichkeit nach hat Disney den Start von Avengers: Infinity War sehr konservativ eingeschätzt, was den Drop am Sonntag betrifft. Das ist definitiv mehr drin. Der aktuelle Top-12-Rekord liegt bei $305,6 Mio an dem Dezember-Wochenende, an dem Star Wars – Das Erwachen der Macht angelaufen ist. Ob dieser Rekord getoppt werden wird, ist natürlich nicht sicher, doch zumindest $300 Mio sind letztlich wahrscheinlich.

Bombastisch. Nur so lässt sich das Startwochenende von Avengers: Infinity War an der Spitze der nordamerikanischen Kinocharts treffend beschreiben. Unglaublich. Phänomenal. Zehn  Jahre und achtzehn Filme an Vorarbeit und sorgfältiger Planung haben sich mehr als bezahlt gemacht. In den ersten drei Tagen spielte Infinity War $250 Mio in den USA und in Kanada ein und stellte damit einen neuen Startrekord auf. Der bisherige gehörte Star Wars – Das Erwachen der Macht mit $248 Mio und als jener aufgestellt wurde, gingen viele davon aus, dass er lange bestehen bleiben würde. Lange bedeutete in dem Fall nur zweieinhalb Jahre. Es ist schon das vierte Mal, dass eine Marvel-Verfilmung, die kurz vor dem Sommer anläuft, den Startrekord für sich beansprucht. Vor 16 Jahren wurde Spider-Man zum ersten Film, der mehr als $100 Mio am ersten Wochenende eingespielt hat. Spider-Man 3 erreichte 2007 als erster Film $160 Mio zum Start. Marvel’s The Avengers knackte vor sechs Jahren als erster $200 Mio. Und jetzt ist der dritte Avengers-Streifen der erste Film, der mehr als $250 Mio am Wochenende eingenommen hat. In 4474 Kinos (125 mehr als bei The Avengers und 198 mehr als bei Age of Ultron) erzielte er einen unglaublichen Schnitt von $55.878 pro Spielstätte.

Ein genauer Blick auf das Wochenende lohnt sich, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, wie bemerkenswert dieser Start eigentlich ist. Am ersten Tag lag der Film mit $106 Mio noch deutlich hinter Das Erwachen der Macht ($119,1 Mio). Entscheidend war jedoch der Samstag. Während Star Wars am zweiten Tag um fast 43% eingebrochen ist und sogar den Samstags-Rekord von Jurassic World ($69,6 Mio) verfehlte, sank Infinity War um tolle 21,7% auf $83 Mio. Damit zerschmetterte der Film den bisherigen Samstags-Rekord. Er übertraf ihn um stolze 19%! Da Infinity War $39 Mio von seinem Starttag in Previews am Donnerstag eingenommen hat, belieft sich der "reine" Freitag auf knapp $67 Mio. Das bedeutet, dass der Film am Samstag um knapp 23% zugelegt hat. Beim ersten Avengers waren es nur 12%, während Age of Ultron sogar unverändert blieb. Das spricht für fantastische Mundpropaganda und vor allem für viele "Wiederholungstäter" – Fans, die sich den Film mehrmals am Wochenende angeschaut haben. Vor Infinity War hat noch nie ein Film sogar $70 Mio am Samstag geknackt, jetzt segelte er aber locker an $80 Mio vorbei.

Auch der Sonntag ist mit $61 Mio ein neuer Rekord, haarscharf vor Das Erwachen der Macht. Diese Zahl wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch steigen. Aktuell projiziert Disney einen Rückgang um 26,5% am Sonntag. The Avengers fiel am ersten Sonntag um 13,9%, Age of Ultron um 11% und Black Panther um 9%. Daher ist es unwahrscheinlich, dass Infinity War um mehr als 15% nachgeben wird. Mit anderen Worten: das Startwochenende wurde möglicherweise um bis zu $10 Mio unterschätzt und könnte sogar $260 Mio knacken. Denkt dran: The Avengers wurde vor sechs Jahren am Sonntagabend ursprünglich um $7 Mio unterschätzt.

Etwa $22,5 Mio spielte Infinity War von 408 IMAX-Kinos ein. Besser haben bei IMAX nur die letzten beiden Star-Wars-Episoden abgeschnitten mit jeweils $30 Mio für Das Erwachen der Macht und $24,7 Mio für Die letzten Jedi. Etwa 66% der Zuschauer waren Männer und 58% älter als 25. So viel also zum unbegründeten aber dennoch häufig geäußerten Vorwurf, Marvel-Filme seien was für Kids.

Nach diesem Megastart gehören Disney übrigens fünf der sechs größten Startwochenenden aller Zeiten in Nordamerika. Das Erwachen der Macht ($249 Mio), Star Wars – Die letzten Jedi ($220 Mio), Marvel’s The Avengers ($207,4 Mio) und Black Panther ($202 Mio) folgen auf Plätzen 2, 3, 5 und 6. Universals Jurassic World ($208,8 Mio) ist die einzige Ausnahme. Es ist außerdem mehr als bemerkenswert, dass auf das Konto der Disney/Marvel-Kollaborationen jetzt drei Startwochenenden oberhalb von $200 Mio gehen sowie drei weitere mit mehr als $170 Mio (Age of Ultron, The First Avenger: Civil War und Iron Man 3).

In seinen ersten drei Tagen hat Avengers: Infinity War bereits mehr eingenommen als sechs MCU-Filme jeweils insgesamt, darunter Doctor Strange und die ersten beiden Thor-Abenteuer. Nach seinem zweiten Wochenende wird er alle hinter sich lassen mit der Ausnahme von Black Panther und den ersten beiden Avengers-Streifen. Wo der Film am Ende landen wird, ist noch sehr schwer vorauszusagen. Die Mundpropaganda ist mit einem "A"-CinemaScore (äquivalent einer "1") sehr positiv, aber das war sie bei Civil War augenscheinlich auch und dennoch ist der Film nach einem starken Start schnell aus den Charts verschwunden. In den nächsten zwei Wochen hat der Film nur wenig Konkurrenz zu befürchten, doch ab dem dritten Mai-Wochenende geht es mit Deadpool 2, Solo: A Star Wars Story, Ocean’s 8, Die Unglaublichen 2 und Jurassic World: Das gefallene Königreich Schlag auf Schlag. Jetzt eine Vorhersage für das finale US-Einspiel des Films zu machen, wäre wenig mehr als bloßes Raten. Man kann jedoch fest davon ausgehen, dass $600 Mio sicher sind und der Film höchstwahrscheinlich mehr als $650 Mio einnehmen wird. Es wird jedoch trotz des deutlich größeren Starts nicht einfach sein, an Black Panther in Nordamerika (aktuell bei $688 Mio) heranzukommen.

Weltweit lief es für Infinity War genau so gut, wenn nicht gar besser. Mit $380 Mio außerhalb von USA und Kanada und $630 Mio insgesamt wurde ein neuer weltweiter Startrekord aufgestellt. Der bisherige Rekord gehörte Fast & Furious 8 mit $543 Mio weltweit zum Start. In Südkorea, Thailand, Indonesien, Mexiko, Brasilien, Südafrika, Chile, Malaysia, den Philippinen und diversen anderen Ländern wurden Startrekorde aufgestellt. Auf den Philippinen wurde Infinity War mit $12,5 Mio nach dem Wochenende bereits zum dritterfolgreichsten Film überhaupt. Die erfolgreichsten internationalen Märkte waren Großbritannien ($42,2 Mio, drittbester Start aller Zeiten), Südkorea ($39,2 Mio), Mexiko ($25,1 Mio), Australien ($23 Mio, zweitbester Start aller Zeiten) und Brasilien ($18,8 Mio). Starts in China und Russland stehen noch aus. Es sieht stark danach aus, als könnte Infinity War zum vierten Film werden, der weltweit die $2-Milliarden-Marke knackt. Zuvor haben es lediglich Avatar, Titanic (dank 3D-Wiederaufführung) und Star Wars – Das Erwachen der Macht geschafft.

Auf Seite 2 werfen wir einen Blick auf den Rest der Top 12, darunter A Quiet Place, Black Panther und Ready Player One.

Avengers: Infinity War (2018) Kritik

Avengers Infinity War (2018) Filmkritik

Avengers: Infinity War, USA 2018 •149 Min • Regie: Joe Russo & Anthony Russo • Mit: Josh Brolin, Chris Hemsworth, Robert Downey Jr., Benedict Cumberbatch, Tom Holland, Chris Pratt, Chris Evans, Scarlett Johansson, Zoe Saldana, Elizabeth Olsen, Paul Bettany • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 26.04.2018 • Deutsche Website

Handlung

Besessen von der Idee, das Gleichgewicht im Universum herzustellen, indem er die Hälfte von dessen Bewohnern auslöscht, sucht der hünenhafte Titan Thanos (Josh Brolin) nach den sechs Infinity Stones, machtvollen Relikten aus den Ursprüngen des Universums. Hat er sie erst einmal alle in seinem Handschuh beisammen, kann er den Massengenozid mit einem einfachen Fingerschnipsen verüben. Ohne Rücksicht auf Verluste jagt er den Steinen hinterher und ruft mit seinem verheerenden Feldzug sowohl die Avengers als auch die Guardians of the Galaxy auf den Plan. Nur mit verbündeten Kräften haben sie gegen Thanos auch den Hauch einer Chance. Doch mit jedem neuen Infinity Stone in seinem Besitz wächst Thanos' Macht…

Kritik

Viel ist passiert, seit Samuel L. Jackson vor zehn Jahren im Abspann zu Iron Man Tony Stark daheim besuchte und ihm von der Avengers-Initiative erzählte. Nicht nur innerhalb des sogenannten Marvel Cinematic Universe, das neben 19 Filmen auch zahlreiche Serien umspannt. Marvels ehrgeiziger Schachzug, ein untereinander verbundenes Filmuniversum zu erschaffen, veränderte nachhaltig die Filmindustrie. Plötzlich wollte jedes Studio ein eigenes Filmuniversum haben. Viele scheiterten schon in der Anfangsphase, weil die Pläne einfach nicht durchdacht waren, motiviert lediglich von der Hoffnung, auf einer Trendwelle mitzuschwimmen. Marvel blieb derweil unschlagbar. In weniger als 20 Jahren wurde aus einem einst insolventen Unternehmen eine der weltweit größten Marken im Film und Fernsehen. Während die meisten Marvel-Serien jedoch unabhängig voneinander geblieben sind, arbeitet Marvel mit seinen Filmen seit Jahren auf ein Ziel hin.

Avengers Infinity War (2018) Filmbild 6Ihre Feuerprobe haben die Avengers unter Joss Whedon vor sechs Jahren bestanden. Doch seit der purpurne Weltraum-Titan Thanos in der Abspannszene zu The Avengers aufgetaucht ist und sich als Drahtzieher hinter Lokis Angriff auf die Erde offenbarte, war klar, dass es irgendwann auf eine entscheidende Konfrontation zwischen ihm und Marvels Helden hinauslaufen würde. Damit ließ Marvel sich Zeit, entwickelte sorgfältig das Universum weiter, führte neue Charaktere ein, ließ sie zusammenkommen und wieder auseinanderdriften. Dieses Jahr geht es in den Endspurt, denn Thanos agiert nicht mehr aus dem Verborgenen, sondern nimmt die Dinge in seine eigenen gewaltigen Hände. Das Ergebnis ist sehr befriedigendes, wenn auch weitgehend formelhaftes Popcorn-Kino, das Marvel-Fans einerseits jubeln andererseits aber auch ein wenig die Stirn runzeln lassen sollte.

Avengers Infinity War (2018) Filmbild 1Nach achtzehn Kinohits haben Marvel und Disney die Erfolgsformel für ihre gemeinsamen Filme inzwischen gut raus. Hochkarätige Schauspieler, rasante Action und lockerer Humor sind in jedem der bisherigen Filme zu finden gewesen. Bei den Massen kommen die Streifen gut an, weil sie unterhalten, ohne die Zuschauer für dumm zu verkaufen und auf seelenlose Effektorgien zu setzen. Es ist der unbeirrbare Ernst, mit dem diese Filme auch noch so skurrile und aberwitzige Figuren und Situation angehen, der sie so sympathisch macht.

Auf bestimmte Grundzutaten kann man sich bei den Filmen aus dem Marvel Cinematic Universe verlassen, doch zeitgleich brechen Marvels Filme gerne mit Erwartungen und loten Grenzen aus. Manche Filme weichen von der Formel mehr ab, andere weniger. Mit seinem anarchischen Humor, kunterbunten Bildern und nostalgischem Touch war Guardians of the Galaxy ebenso ein frischer Wind unter Comicverfilmungen wie The Return of the First Avenger, ein altmodischer Politthriller getarnt als Superheldenfilm, oder Black Panther, ein äußerst zeitgemäßer, sozialkritischer Blockbuster. Als es jedoch um die größte Zusammenkunft der Superhelden der Kinogeschichte ging, spielte man auf Nummer sicher. Avengers: Infinity War ist letztlich ganz genau so geworden, wie man es von einem Film mit knapp zwei Dutzend Superhelden erwarten würde. Das ist kein Kritikpunkt an sich, denn das Ergebnis macht immer noch verdammt viel Spaß.

Avengers Infinity War (2018) Filmbild 2Beim ersten Avengers-Film war es erstaunlich, wie viel Platz er trotz seiner vielen Charaktere jeder einzelnen Hauptfigur zur Entfaltung eingeräumt und sie ins Rampenlicht gerückt hat. Auch wenn es am Ende auf eine lange Schlacht gegen gesichtslose Gegnermassen hinauslief, machten die Figuren in dem Film auch eine sichtbare Entwicklung durch. Keine wirkte überflüssig, jede hatte ihre Rolle zu spielen. Bei ihrem dritten Marvel-Regieeinsatz können die Brüder Joe und Anthony Russo, die zuvor das Captain-America-Franchise revolutionierten, über Whedons damaligen Balanceakt vermutlich nur müde lächeln, denn bei Infinity War haben sie nicht nur deutlich mehr Charaktere und damit einhergehende astronomische Fan-Erwartungen, denen sie gerecht werden müssen, sondern die Figuren befinden sich nicht einmal alle auf einem Planeten.

Wie bringt man all diese Charaktere zusammen, bringt ihre jeweiligen Persönlichkeiten zur Geltung und erzählt dabei noch eine kohärente, mitreißende Geschichte? Die Lösung der Russo-Brüder ist es, aufs Gaspedal zu drücken und das Tempo über weite Strecken auf 180 beizubehalten. Auf lange Exposition und Aufbau wird verzichtet, schließlich dienten ja schon die vorherigen 18 Filme gewissermaßen diesem Zweck. Stattdessen wird ein Feuerwerk an toll inszenierter Nonstop-Action geboten, bei dem der Film fünf verschiedene Planeten besucht und die Helden in unterschiedlichen Konstellationen gegen Thanos und seine nicht zu unterschätzenden Handlanger (Ebony Maw bleibt besonders in Erinnerung) kämpfen lässt. Dabei werden grimmige, gelegentlich aussichtslos erscheinende Situationen durch Humor aufgelockert, wie man es bei Marvel gewohnt ist, ohne dass der Film jedoch zu einer Gagparade wie Thor – Tag der Entscheidung oder Guardians of the Galaxy wird. Die Stimmung bleibt durchweg ernst – kein Wunder, denn mit Thanos treffen sowohl die irdischen Avengers als auch die Guardians of the Galaxy, die im Film übrigens eine beträchtliche Rolle spielen, auf ihren mächtigsten Gegner.

Avengers Infinity War (2018) Filmbild 3Die Entscheidung der Macher, den Fokus der Geschichte auf Thanos zu legen, zahlt sich aus. Viele sehr gute Marvel-Filme kränkelten in Vergangenheit an eindimensionalen, blassen Widersachern (siehe Guardians of the Galaxy). Das kann Infinity War zum Glück vermeiden. Thanos ist nicht bloß ein austauschbarer Fiesling, der die Avengers zusammenbringt (auch wenn er das natürlich auch tut), sondern ein zentraler Charakter, aus dessen Sicht wir Teile der Handlung erleben. Er ist vielleicht nicht der beste Bösewicht im Marvel-Kinouniversum – er ist nicht einmal der interessanteste Marvel-Schurke aus diesem Jahr (die Ehre geht weiterhin an Michael B. Jordans Kilmonger aus Black Panther) – doch er ist sicherlich der eindruckvollste. Das liegt nicht nur an seiner riesenhaften Statur und den bedachten Bewegungen eines erfahrenen Kämpfers. Thanos ist eine faszinierende Naturgewalt mit einer Agenda, die über die abgedroschene Weltherrschaft hinausgeht. Darüber hinaus ist er endlich ein glaubhaft mächtiger Gegner für die Avengers. Bereits ab seinem allerersten Auftritt in dem Film an Bord des asgardischen Flüchtlingsschiffes wird es klar, dass die Marvel-Helden noch nie mit einem solchen Gegner zu tun hatten. In jeder Kampfszene gegen meist mehrere Superhelden gibt es gar keine Zweifel darüber, dass sie Thanos sogar mit ihrer geballten Kraft deutlich unterlegen sind. Seine wachsende Macht durch die verschiedenen Infinity Steine wird einfallsreich visualisiert und ermöglicht Thanos neue Wege, seine Gegner in die Schranken zu weisen (der Reality Stein ist besonders trippy).

Thanos wird als eine unaufhaltsame Mischung aus Intelligenz und roher Brachialgewalt präsentiert. All das wird von Josh Brolin per Motion-Capture glaubwürdig verkörpert, der sowohl die megalomanischen als auch die überraschend emotionalen Aspekte des Charakters überzeugend darstellt. Besonders positiv hervorzuheben sind seine Szenen mit seiner abtrünnigen Ziehtochter Gamora, gespielt von Zoe Saldana, die in wenigen Momenten mehr Innenleben zum Ausdruck bringen, als es den meisten Charakteren in dem Film vergönnt ist.

Avengers Infinity War (2018) Filmbild 4Es gibt jedoch auch einige andere Charaktere, die ihre kleinen besonderen Momente haben. Gerade die Einführung der Guardians ins Geschehen bringt die entspannte Lockerheit mit sich, die man aus deren Filmen gewohnt ist. Chris Hemsworths Thor entwickelt eine tolle Bromance-Chemie mit Rocket und Chris Pratts Peter darf mit ihm um die Zuneigung seiner Freunde wetteifern. Wer sich außerdem schon immer mal gefragt hat, wie Tony Stark und Stephen Strange miteinander auskommen würden, kommt ebenfalls voll auf seine Kosten. Manche andere Interaktionen lassen noch etwas mehr zu wünschen übrig, wie das flüchtige Wiedersehen von Bruce (Mark Ruffalo) und Natasha (Scarlett Johansson). Und dann gibt es auch ansonsten interessante Charaktere, deren einzige Funktion hier darin besteht, sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen. Charakterarbeit und erzählerische Tiefe sind in diesem Spektakel nachrangig. Die dramatischen Ereignisse aus Civil War, die die Avengers auseinandergetrieben haben, werden zwar anerkannt und mehrfach erwähnt, haben jedoch kein richtiges Nachspiel oder Auswirkungen. Hier geht es lediglich um eine fantastische Actionsequenz, die der nächsten folgt, und darum, beliebte Helden, die man in dieser Konstellation zum Teil noch nicht gesehen hat, Seite an Seite kämpfen zu lassen.

Avengers Infinity War (2018) Filmbild 5Zwischendurch schlägt der Film einige überraschende Kurven, wartet mit einem wirklich unerwarteten Rückkehrer auf und traut sich auch, düster zu sein, wenn auch nur in Maßen. Nachhaltiges emotionales Gewicht bleibt jedoch auch, im Wissen, dass Infinity War lediglich nur die Hälfte eines großen Epos ist, das nächstes Jahr beendet werden wird. Denn so sehr die Regisseure auch beteuert haben, dass der dritte und der vierte Avengers-Film separate, eigenständige Werke sind, trifft das schlicht und ergreifend nicht zu.

Rasantes Tempo und schnelle Wechsel von Schauplätzen sorgen für die vermutlich kurzweiligsten zweieinhalb Stunden, die man dieses Jahr im Kino verbringen wird. Das hat natürlich seinen Preis, unterhält aber so gut, dass der Film einem kaum Zeit lässt, darüber nachzudenken. In dieser Hinsicht erinnert der Film ein wenig an den zweiten Teil von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, insofern als dass sich der gesamte Film wie ein langer, atemloser Showdown anfühlt. Wenn es einen zweieinhalbstündigen Film in jüngster Vergangenheit gab, der von einer zusätzlichen halben Stunde wirklich profitiert hätte, um gelegentlich auch etwas zur Ruhe zu kommen und die Charaktere atmen zu lassen, dann ist es dieser.

Fazit

Avengers: Infinity War jagt von einem Höhepunkt zum nächsten und jongliert gekonnt mit seinen unzähligen Charakteren, wobei er den meisten von ihnen zumindest kurze Momente einräumt, in denen sie glänzen dürfen. Das halsbrecherische Tempo, der ungezwungene Humor, einige düstere Überraschungen und atemberaubende Nonstop-Action, die Fanherzen mehrfach höher schlagen lassen wird, sorgen für die vermutlich schnellsten und kurzweiligsten zweieinhalb Stunden, die man dieses Jahr im Kino erleben wird. Allerdings haben der rasante Wechsel der Schauplätze und der Fokus auf den Kampf gegen Thanos und seine Handlanger ihren Preis  – sie gehen auf Kosten der Figuren und ihrer Beziehungen zueinander.

Trailer

The Strangers: Opfernacht (2018) Kritik

The Strangers Opfernacht (2018) Filmkritik

The Strangers: Prey at Night, USA 2018 • 85 Min • Regie: Johannes Roberts • Mit: Bailee Madison, Lewis Pullman, Martin Henderson, Christina Hendricks • FSK: n. n. b. • Kinostart: 21.06.2018 • Website

Handlung

Eine vierköpfige Familie – Papa Mike (Martin Henderson), Mama Cindy (Christina Hendricks), Vorzeigesohn Luke (Lewis Pulman) und mies gelaunte Tochter Kinsey (Bailee Madison) – ist auf dem Weg zu einem Internat, wo Problemkind Kinsey eingeschult werden soll. Die Reise ist lang und die Familie übernachtet unterwegs in einem Trailerpark, der von ihren Verwandten betrieben wird. Die Stimmung ist alles andere als harmonisch, denn Kinsey hat keine Lust, von ihrer Schule und ihren Freunden wegzuziehen. Die interfamiliären Spannungen werden jedoch zweitrangig, als sie feststellen, dass der augenscheinlich verlassene Trailerpark doch nicht ganz leer ist. Drei vermummte Gestalten schleichen um die Gegend. Was mit einem vermeintlich harmlosen Klopfen an der Tür beginnt, wird für die Eltern und ihre Kinder zu einem Kampf ums nackte Überleben.

Kritik

Es ist überraschend, dass zehn Jahre ins Land ziehen mussten, bis wir einen Nachfolger zum Horrorhit The Strangers bekamen. Rein aus kommerzieller Sicht wäre aus jedem vergleichbar erfolgreichen, kostengünstigen Film längst ein Franchise entstanden. Noch überraschender ist jedoch, dass The Strangers: Opfernacht keine lieblos heruntergekurbelte, uninspirierte Fortsetzung geworden ist, sondern auf eigenen Beinen stehen und mit ihrem hochspannenden Vorgänger mühelos mithalten kann, ohne ihn jedoch zu kopieren. Was lange währte, ist tatsächlich endlich gut geworden!

Bryan Bertinos The Strangers war kein Vorreiter des Home-Invasion-Horrorkinos, doch er war einer der erfolgreichsten Vertreter dieser Welle von Psychohorrorfilmen, in denen anonyme, maskierte Gestalten in die Häuser von unbescholtenen Bürgern eindringen und sie terrorisieren. Filme wie Kidnapped, Cherry Tree Lane, You’re Next und der erste The Purge schlugen allesamt mit mehr oder minder großem Erfolg in die gleiche Kerbe. Der Hype zog schnell vorbei und es dauerte nicht lange, bis die Beiträge aus diesem Subgenre mit immer gleichen Schockeffekten redundant wirkten. Die Macher der Purge-Reihe sahen die Trendwende früh genug und entwickelten sich weg von der Prämisse des ersten Films.

The Strangers Opfernacht (2018) Filmbild 1Als später Nachzügler der Welle hatte The Strangers: Opfernacht zunächst einmal keine guten Karten. Zum Glück hat Regisseur Johannes Roberts, der bereits Genrefilme wie The Other Side of the Door und 47 Meters Down inszenierte, die kluge Entscheidung getroffen, seinen Film vom Original stilistisch möglichst abzugrenzen – gänzlich zum Vorteil des Sequels. Hatte der erste Film noch einen recht kühlen Look und zog seine Spannung aus der minimalistischen Inszenierung, dominiert Roberts' auffälliger Stil die Fortsetzung. Wie schon It Follows oder The Guest vor ihm, setzt Roberts mit Opfernacht auf den Trend der Hommage an die Genrefilme der Achtziger und insbesondere an den Altmeister John Carpenter. Der Film wirkt dadurch ein klein wenig unwirklich und wie aus der Zeit gefallen. Zehn Jahre nach The Strangers hatte Teil 2 keine Chance, dessen Überraschungseffekt zu wiederholen. Und obwohl es dem Sequel an Spannung nicht mangelt, erreicht er nur selten die unerbitterliche Intensität des Vorgängers.

The Strangers Opfernacht (2018) Filmbild 2Dafür ist der Film ein echter Schmaus für die Augen und Ohren von Genrefans. Bereits in den ersten Minuten, wenn die drei maskierten Killer mit ihrem alten Pick-up vor ein Haus vorfahren, während Kim Wildes Achtziger-Hit "Kids in America" laut plärrt, legt Roberts den Ton für den Film fest. Die Retro-Musik und der fetzige Soundtrack bestimmen auch die Atmosphäre im Rest des Films. Johannes Roberts und sein Kameramann Ryan Samul ziehen alle Register: Zooms aus weiter Entfernung, lange ruhige Kamerafahrten mit Verzicht auf nervige schnelle Schnitte und gelungenes Spiel mit Licht und Schatten. Das Zusammenspiel von eindrucksvollen Aufnahmen und perfekt gewählter Musik erreicht in einer fantastischen, blutigen Sequenz in einem Swimmingpool ihren Höhepunkt. Dazu sei nur so viel gesagt: noch nie wurde Bonnie Tylers "Total Eclipse of the Heart" in einem Film so gut eingesetzt wie hier.

Mit knapp 80 Minuten Laufzeit ohne Abspann ist The Strangers: Opfernacht eine kurze und knackige Angelegenheit. Statt auf Psychospielchen zu setzen wie der erste Film, in dem die Eindringlinge erst in den letzten Minuten ihre Morde begingen, machen die Strangers im Sequel ihre Intentionen bereits im Prolog deutlich. Danach ist etwas Geduld angesagt, denn der Film lässt dem Zuschauer Zeit, die späteren Opfer halbwegs gut kennenzulernen (so gut es eben in etwa einer halben Stunde geht) und die Familiendynamik zu etablieren, bevor die Hölle losbricht. Wenn es aber endlich so weit ist, folgt im dritten Akt ein extrem temporeicher, wilder Ritt, bei dem der rote Lebenssaft reichlich fließt und der bis zum Schluss nicht nachlässt. Das ist Terrorkino par excellence!

The Strangers Opfernacht (2018) Filmbild 3Bryan Bertino kehrte zwar nicht mehr hinter der Kamera zurück, jedoch als einer der beiden Autoren des Films, und sorgte dafür, dass es hier und da kleine Referenzen an den Originalfilm gibt. "Ist Tamara zu Hause?" ist eine Frage, die der wissende Zuschauer mit gewisser Vorahnung vernehmen wird. Jedoch ist The Strangers: Opfernacht komplett eigenständig und weist, bis auf die drei Killer in Puppenmasken bzw. Jutesack (hinter welchen sich neue Darsteller verbergen), keine direkte Verbindung zum Vorgänger auf. Eine gute Entscheidung war es auch, die Handlung weitgehend ins Offene zu verlagern. Dadurch wirkt der Film weniger wie ein üblicher Home-Invasion-Streifen und mehr wie ein sehr klassischer Slasher.

Leider kommt er auch nicht die üblichen Mankos dieser Filme aus, allen voran Charaktere, die stellenweise entgegen jeder menschlichen Vernunft handeln. Die Familienmitglieder bleiben jedoch trotz einiger fragwürdiger Entscheidungen durchweg sympathisch und man fiebert mit ihnen mit, insbesondere wenn sie anfangen, sich gegen ihre Angreifer zur Wehr zu setzen. Dadurch ist die Stimmung des Films zwar weiterhin sehr düster, jedoch nicht die ganze Zeit von Aussichtslosigkeit und Hoffnungslosigkeit geprägt wie beim ersten Film – und bereitet auf Kosten von etwas Spannung einfach mehr Spaß. Sowohl handwerklich als auch spannungstechnisch ist The Strangers: Opfernacht der bisherige Höhepunkt von Roberts' Regiekarriere.

Fazit

Die lange Wartezeit hat sich gelohnt! Das ausgelutschte Home-Invasion-Subgenre wird hier zwar nicht neu erfunden, doch Regisseur Johannes Roberts setzt in The Strangers: Opfernacht eigene Akzente. Der Film ist schnörkelloses Terrorkino und eine stilsichere Verbeugung vor den Achtziger-Horrorfilmen der Marke John Carpenter, die das Herz des Genrefans höher schlagen lassen sollte.

Trailer (englisch)

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