Bilder: © 2020 20th Century Studios/Walt Disney Pictures
The New Mutants, USA 2020 • 94 Min • Regie: Josh Boone • Mit: Blu Hunt, Maisie Williams, Anya Taylor-Joy, Charlie Heaton, Henry Zaga, Alice Braga • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 10.09.2020 • Website
Handlung
Danielle "Dani" Moonstar (Blu Hunt) ist eine junge Cheyenne-Indianerin und, ohne es zu ahnen, eine Mutantin, die mit ihrer Familie im Reservat lebt. Eines Nachts wird ihre Welt aus den Angeln gehoben, als eine unerklärliche, unaufhaltsame Macht das Reservat dem Erdboden gleichmacht. Dani verliert auf der Flucht das Bewusstsein und wacht an ein Bett gefesselt an einem fremden Ort auf. Dr. Cecilia Reyes (Alice Braga) erklärt, sie sei die einzige Überlebende eines gewaltigen Tornados und befinde sich nun in einer Einrichtung für junge Mutanten wie sie, die ihre Kräfte kürzlich erst entdeckt haben. Ihre vier jugendlichen Mitinsassen sind die schüchterne religiöse Schottin Rahne (Maisie Williams), der traumatisierte, verschlossene Südstaatler Sam (Charlie Heaton), der brasilianische Schnösel und Aufreißer Bobby (Henry Zaga) und die impulsive, gemeine Russin Illiyana (Anya Taylor-Joy), die Dani zu ihrer Mobbing-Zielscheibe macht. Sie alle sind aus unterschiedlichen Gründen in Reyes' Obhut gelandet, haben aber gemeinsam, dass die Manifestationen ihrer Superkräfte Menschenleben gekostet haben. Rund um die Uhr werden sie von Reyes überwacht und analysiert. In therapeutischen Sitzungen unter ihrer strengen Aufsicht sollen die neuen Mutanten lernen, ihre Kräfte zu kontrollieren, um keine Gefahr für sich oder andere darzustellen. Gelingt ihnen das, dürfen sie die Anstalt verlassen und vielleicht sogar für Reyes' mysteriösen Auftraggeber arbeiten, um ihre Kräfte für einen höheren Zweck einzusetzen. Doch unheimliche Dinge gehen in der Anstalt vor sich. Einer nach dem anderen werden die Teenager von ihren tiefsten Ängsten heimgesucht, die immer realer und gefährlicher werden. Allmählich zweifeln sie an Reyes' Motiven, ihnen zu helfen.
Kritik
Wir schreiben das Jahr 2029. In den Ruinen der Zivilisation suche ich seit nunmehr drei Tagen nach Toilettenpapier. Vielleicht finde ich sogar genug, um mit der benachbarten Siedlung gegen Trockenhefe zu tauschen. Doch auf dem verwüsteten Gelände von Disneys 20th Century Studios, vormals 20th Century Fox, stolpere ich über etwas noch viel Selteneres, ein sagenumwobenes Artefakt aus einer alten Welt, dessen Existenz vermutet, aber auch bezweifelt wurde: eine Festplatte mit der Aufschrift TNM2017. Kann es denn wirklich sein? Habe ich eine Kopie von The New Mutants entdeckt, des im Limbo verschollenen letzten X-Men-Films, der noch unter Fox vor dem Aufkauf durch Disney entstanden ist?! Ich muss sicher sein. Das Klopapier kann warten. Ich kehre zu meinem Unterschlupf zurück, schmeiße meine Dynamo-Maschine an, die mein Notebook und meinen Beamer mit Strom versorgt, koche mir, wie jeden Abend seit Jahren, eine Schüssel Nudeln, und mache mich bereit, herauszufinden, was sich nun hinter dem Film verbirgt, den das Schicksal uns so lange vorenthalten hat.
So jedenfalls habe ich mir vor einigen Monaten vorgestellt, wie ich eines Tages den vor fast genau drei Jahren abgedrehten Film zu sehen bekommen könnte, der erst von Fox, später von Disney, und zuletzt im Zuge der Corona-Krise immer wieder verschoben wurde. Der erste Teaser-Trailer wurde bereits im Oktober 2017 veröffentlicht. Seitdem wurden die Fans immer wieder vertröstet, bis sie alle fünf Phasen der Trauer durchgemacht haben und aus Vorfreude erst Verärgerung und inzwischen Gleichgültigkeit wurde. Und jetzt kommt The New Mutants doch noch in die Kinos. Dass Disney den Premium-Blockbusterkandidaten Mulan experimentell gegen Aufpreis über Disney+ auswertet, die anderen großen Filme weit nach hinten und größtenteils ins nächste Jahr verschoben hat, diese Marvel-Verfilmung aber mit minimalem Werbeaufwand und ohne großes Aufsehen mitten während der Corona-Zeit in die Kinos bringt, sagt alles darüber aus, was das Studio von dem Potenzial des Films hält.
Wird ein Film erst Jahre nach seiner Fertigstellung veröffentlicht und werden ihm dann auch noch Pressevorführungen weitgehend versagt, wie in den USA, oder hier in Köln, stimmt das erfahrungsgemäß kaum optimistisch. Doch The New Mutants ist weder ein grotesker Totalausfall noch das versteckte Juwel unter X-Men-Verfilmungen, sondern vor allem eine recht durchschnittliche Teenie-Horrorklamotte mit guten, aber unausgeschöpften Charakteren und gelegentlichem CGI-Overkill. So beschwerlich der Weg von The New Mutants auf die Leinwände war, so in jeder Hinsicht antiklimatisch und unspektakulär ist das Endergebnis.
Tatsächlich wirkte sich Disneys Desinteresse an dem bei der Fox-Übernahme geerbten Film möglicherweise sogar zu seinem Vorteil aus. Die geplanten umfassenden Nachdrehs, die Fox ursprünglich veranlassen wollte, wurden verworfen, da man nicht noch mehr Geld in ein Projekt pumpen wollte, das sowieso keine Zukunft in Disneys Marvel-Universum hat. Deshalb wirkt der Film im Gegensatz zu Comicverfilmungen wie X-Men: Dark Phoenix, Justice League, oder Suicide Squad, die stark unter der Einmischung der Studios gelitten haben, immerhin nicht inkohärent, zerfahren oder tonal uneinheitlich. Er kommt in der ursprünglichen und unveränderten Vision des Regisseurs Josh Boone in die Kinos, eine #ReleaseTheBooneCut-Kampagne wird nicht nötig sein. Leider ist Boones Vision trotz guter Ansätze auch nicht besonders aufregend oder originell.
The New Mutants wurde als erster waschechter Horrorfilm aus dem X-Men-Universum angekündigt und dieses Versprechen hält er auch. Nach Logan erst es der zweite X-Men-Film, der mit einer FSK ab 16 Jahren in unsere Kinos kommt. Der Streifen ist jedoch harmloser als die Altersfreigabe vielleicht vermuten lässt und bewegt sich voll und ganz im vertrauten Rahmen des PG-13-Teenie-Horrors, einschließlich dessen Klischees. Bisherige X-Men-Filme oder gar andere Marvel-Verfilmungen sind bei The New Mutants daher nicht die beste Vergleichsbasis. Beschreiben lässt sich der Film wie eine Kreuzung aus dem Psychiatrie-Klassiker Einer flog über das Kuckucksnest auf John Hughes' The Breakfast Club, versetzt mit übernatürlichen Elementen. Oder einfacher ausgedrückt: Der Film ist eine modernisierte Version von Nightmare III – Freddy Krueger lebt. Folterte darin Freddy Krueger junge Menschen in einer Nervenheilanstalt mit ihren Urängsten und Geheimnissen, sind es die eigenen Kräfte der Jugendlichen, die die Bedrohung heraufbeschwören.
Josh Boone, dessen Miniserien-Adaption von Stephen Kings "The Stand" dieses Jahr erscheinen wird, entpuppt sich mit The New Mutants als ein Liebhaber des Horrorkinos. Genrefans werden darin viele Verweise auf Genreklassiker wie Carrie oder Psycho finden. Es ist auch kein Zufall, dass Boone den genreerfahrenen Kameramann Peter Deming engagierte, der seine Karriere mit Sam Raimis Tanz der Teufel II begonnen und auch an Drag Me to Hell, The Cabin in the Woods und allen Scream-Sequels gearbeitet hat. Die beklemmenden, heruntergekommenen Gänge und kargen Zellen der Anstalt, die bereits als Haupt-Drehort von Martin Scorseses Shutter Island diente, komplementieren die unheimliche Horror-Ästhetik. Doch während die Einzelelemente stimmig sind, kommen sie nicht zu etwas Eigenständigem zusammen.
Die X-Men-Filmreihe, wie Bryan Singer sie anfangs konzipiert hat, war eine Allegorie auf Menschen, die von der Gesellschaft nicht akzeptiert und diskriminiert werden. In Boones Film sind es die jungen Menschen selbst, die erst lernen müssen, sich selbst zu akzeptieren und so ihre inneren Dämonen zu überwinden – manchmal symbolisch und manchmal wortwörtlich. Der Horror äußert sich vordergründig in grausigen Visionen, wie einem dämonischen CGI-Bären, wandelnden verkohlten Leichen, oder grotesken grinsenden Kreaturen mit scharfen Zähnen. Doch sie sind letztlich eine Manifestation des realen Ballasts, den diese tragischen Figuren mit sich schleppen, sei es Robertos Angst vor Intimität (Rogue aus den X-Men-Filmen lässt grüßen!), Kindesmissbrauch bei Illiyana, religiöser Wahn aus Rahnes Gemeinde oder Danis Schuldgefühle, als Einzige überlebt zu haben.
Wie bei seinem Tränendrüsen-Drücker Das Schicksal ist ein mieser Verräter, findet Boone guten Zugang zu seinen jugendlichen Protagonisten und ihren Problemen. Die zarte Liebe zwischen Dani und Rahne entwickelt sich natürlich, ohne dass aus ihre eine große Sache gemacht wird. Newcomerin Blu Hunt und "Game of Thrones"-Star Maisie Williams haben lockere, ungezwungene Chemie miteinander. Doch es ist The-Witch-Darstellerin Anya Taylor-Joy, die aus dem Ensemble als echter Star herausragt. Als zickige, aber eigentlich zutiefst traumatisierte Illiyana, die einen Schutzwall aus Herablassung und Abweisung um sich gebaut hat und wortwörtlich in eine andere Welt flüchten kann, um sich der Realität zu entziehen, überstrahlt sie ihre Co-Stars und holt sie trotz eines etwas inkonsistenten russischen Akzents alles aus einer Rolle heraus, die schnell hätte albern oder karikaturhaft werden können.
Die guten Anlagen der Figuren und ihre Chemie in den wenigen gemeinsamen ruhigen Momenten treten in der zweiten Hälfte des nur knapp 90-minütigen Films leider in den Hintergrund. Stattdessen wird das Horror- und Actionpedal durchgedrückt, bis spätestens im Finale jegliche Spannung, Atmosphäre und Tiefe in Computereffekten ertränkt werden. Das ist schade, denn damit wurde Potenzial für einen wirklich guten Coming-Of-Age-Superheldenfilm mit düsteren Elementen vergeudet.
Die guten Schauspieler haben zudem immer wieder mit steifen bis hin zu bescheuerten Dialogen zu kämpfen. Wenn Illiyana von ihren Mitstreitern vor ihrem Kampf gegen einen übernatürlichen Gegner mit "This is magic" gewarnt wird und mit "So am I" antwortet, soll das natürlich ein Verweis auf ihr Comic-Alter-Ego Magik sein, klingt aber nicht cool, sondern einfach erzwungen. Dass Reyes es immer wieder nötig hat, von "neuen Mutanten" zu sprechen, damit der Titel eine Rechtfertigung hat, kommt ebenfalls nicht organisch rüber. Alice Bragas Talent steht spätestens seit "Queen of the South" außer Frage, doch leider ist sie in dem Film im Gegensatz zu ihren jungen Co-Stars mit einer öden, eindimensionalen Rolle belastet.
Weniger die Schuld des Films selbst als der Gesamtsituation ist auch der Umstand, dass er zwar in sich geschlossen, dennoch aber eindeutig in ein größeres X-Men-Universum eingebettet ist, ohne dass dies irgendwohin führen wird. Die ganz expliziten Querverweise sollen im Vorfeld entfernt worden sein, dennoch bestehen keine Zweifel daran, in welcher Welt der Film spielt. Die Idee von Mutanten ist hier niemandem neu, die X-Men sind bekannt, Professor X wird zwar nie namentlich erwähnt (ursprünglich war mal ein Gastauftritt von James McAvoy in der Rolle sogar geplant), ist aber in Dialogen eindeutig gemeint, und für Comic-Kenner gibt es einen ganz großes Easter Egg, auf dem die von Boone geplanten Fortsetzungen mit Sicherheit aufbauen sollten.
Stattdessen wird es aber bei diesem einen Film bleiben, weniger ein krönender Abschluss der X-Men-Ära von Fox als eine kuriose, kleine Randnotiz in der rasant wachsenden Welt von Comicverfilmungen.
Fazit
Mit interessanten Charakteren und einem harmonischen Ensemble – allen voran die herausragende Anya Taylor-Joy – bildet The New Mutants in der ersten Filmhälfte ein solides Fundament für einen Coming-Of-Age-Horrorfilm, schafft es aber nicht, auf diesem aufzubauen. Übrig bleibt passabler, effekthascherischer und letztlich belangloser PG-13-Teenie-Grusel mit guten Ideen, aber einer uninspirierten Ausführung. Die lange Wartezeit steht hier in keinem Verhältnis zum unspektakulären Ergebnis.


Ein Kollege von mir hat mal die Behauptung aufgestellt, dass ein guter Film ein guter Film bleibt, egal über welches Medium er konsumiert wird. Was die Schauspieler und das Drehbuch betrifft, ist das natürlich auch wahr. Doch Film ist ein visuelles Medium, und ob man Christopher Nolans
Die Fantasyelemente sind in der neuen Version nicht ganz weg, sondern etwas dezenter umgesetzt. Gong Lis Figur ist eine Gestaltwandlerin und kann auch die Form eines Falken annehmen, der den Fans des Zeichentricks vertraut sein dürfte. Außerdem wird Mulan anstelle eines Drachens von einem Phönix begleitet. Ob dieser jedoch real ist oder lediglich ein Symbol von Mulans innerer Kraft und der Wiedergeburt nach zahlreichen Rückschlägen, bleibt der Interpretation der Zuschauer überlassen.
Mulan ist natürlich weiterhin eine Geschichte der Emanzipation einer jungen, selbstbewussten Frau in einer in alten Traditionen und Sitten verharrten Gesellschaft. Traditionen sind in der chinesischen Kultur sehr wichtig, doch noch wichtiger ist die Familie. Mulan rebelliert gegen die Norm nicht, weil sie diese ungerecht findet, sondern einzig und allein für das Leben ihres Vaters. Die Zerrissenheit der Figur zwischen dem Pflichtgefühl gegenüber den bestehenden Werten und der Liebe für ihre Familie spielt die zentrale Rolle hier, und Newcomerin Liu Yifei verkörpert die Rolle mit der nötigen Anmut, Würde und Kraft, mag aber nicht so recht die Emotionen heraufbeschwören, die der Part mit sich bringt. In den aufwendig choreografierten Kampfszenen macht die grazile Mimin dafür eine verdammt tolle Figur.
Einen interessanteren und komplexeren Charakter des Films spielt die stets atemberaubende Gong Li. Als Xian Lang stellt sie die Kehrseite von Mulan dar. Auch sie ist eine starke Frau, die von der Gesellschaft nicht dafür akzeptiert wird, was sie ist. Das macht sie jedoch verbittert und lässt sie einen anderen, dunklen Pfad gehen. Neben ihr verblasst der recht eindimensionale Hauptbösewicht, gespielt von Jason Scott Lee. Bei Donnie Yen und Jet Li, die jeweils von ihren Töchtern überredet wurden, ihre Rollen überhaupt anzunehmen, ist es eine eigentlich eine Schande, dass sie ausgerechnet in einem Martial-Arts-Epos kaum die Gelegenheit bekommen, ihre eigenen Fähigkeiten, mit denen sie in dem Genre groß geworden sind, unter Beweis zu stellen.
Manche würden Nolan in dieser Sache Snobismus unterstellen,
Es sind bestimmte Themen, die Nolan faszinieren, wie Paradoxa und die subjektive Wahrnehmung der Zeit. Nolans Stil ist so speziell, dass es nicht umsonst inzwischen einen eigenen
Wenn es das Konzept des Hirn-aus-Kinos gibt, dann ist Nolans Tenet das exakte Gegenteil davon. Der Film erfordert die volle, ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuschauer und von Toilettenpausen im Kino würde ich abraten, denn auch nur wenige Minuten aus dem Film zu verpassen, wäre hinderlich beim Verständnis. Der Mechanismus, die Nutzung und die Tücken der Inversion werden im halsbrecherischen Tempo dargelegt, während der Film von einer internationalen Location zur nächsten springt. Das ist manchmal chaotisch, aber immer packend. Der Film hält sich nie lange mit Erklärungen auf und entfaltet sein verschachteltes und präzise durchdachtes Gebilde von der ersten bis zur letzten Szene ohne auch nur eine Sekunde Leerlauf. Es ist sicherlich Nolans komplexester Film und noch mehr als bei allen seinen Filmen seit Memento sind wiederholte Sichtungen ein Muss, um alle Feinheiten zu begreifen. Zwar wurde Tenet im Vorfeld immer wieder mit Nolans Inception verglichen (nein, es ist kein Sequel oder Spin-Off), seine quantenphysikalischen Ideen und philosophischen Überlegungen haben jedoch mindestens genauso viel mit Nolans Weltraum-Epos
Obwohl Nolan und seine Darsteller versessen darauf sind, dass Tenet auf keinen Fall ein Zeitreisefilm ist, sollte man sich nichts vormachen, denn genau das ist er. Ja, die Methode hier heißt Inversion und sie ist in echter theoretischer Physik begründet, in der es um die Umkehr der Entropie eines Objekts geht (und an dieser Stelle steigen bereits viele gedanklich aus). Aber wenn etwas wie ein Fisch aussieht, riecht und schmeckt, dann ist es in den allermeisten Fällen ein Fisch. So verhält es sich auch mit Tenet und Zeitreisen. Sogar das klassische Beispiel des Großvater-Paradoxons wird von den Charakteren in dem Film direkt angesprochen und diskutiert. Und wie jeder Zeitreisefilm, wirft auch Tenet viele Fragen auf, ob sich das Ganze auch wirklich logisch und schlüssig zusammenfügt, denn die meisten (auch sehr guten) Zeitreisefilme tun es nicht. Ob es Tenet gelingt, werden erst wiederholte Sichtungen des Films verraten.
Schauspielerisch hat Nolan natürlich wieder ein exquisites Ensemble vor der Kamera versammelt, emotional bleibt der Streifen jedoch, wie der Großteil von Nolans Œuvre, weitgehend kalt und distanziert. Das gehört inzwischen genauso zu den Markenzeichen des Regisseurs wie der audiovisuelle Bombast und die komplexen, twistreichen Geschichten. Als namenloser Protagonist behauptet sich BlacKkKlansman-Star John David Washington fantastisch in einer actionreichen, körperlich fordernden Rolle, doch als Figur bleibt er ohne Ecken, Kanten oder Tiefe. Ob in Memento, Insomnia, Inception, Prestige oder den Batman-Filmen: Nolans männliche Hauptfiguren waren früher in der Regel gequälte Seelen mit einer traumatischen Vergangenheit, die nach Erlösung strebten. Nicht jedoch Tenets Protagonist, der vom Anfang bis zum Ende eine blanke Schablone bleibt. Das ist sicherlich eine bewusste Entscheidung gewesen, wie auch die, seinen Namen nie zu enthüllen (wie viele Blockbuster haben das zuvor getan?!). Er besitzt feste moralische Prinzipien, entsprechend der deutschen Übersetzung des Filmtitels, und lässt seine Menschlichkeit immer wieder mit subtilem lockerem Humor durchblicken, doch ansonsten repräsentiert er die undurchdringliche schattige Welt der Geheimdienste, in der Menschen nur Werkzeuge im Dienste eines höheren Zwecks sind. Nicht viel mehr erfährt man auch über seinen Partner Neil, gespielt von Robert Pattinson, der noch mehr dem Stereotyp eines Bond-esken Geheimagenten entspricht: er ist Brite, charmant, draufgängerisch und trinkt gerne und während der Arbeit. Obwohl ihre Charakterzeichnung denkbar vage bleibt, ist das Partner-Zusammenspiel von Washington und Pattinson auf Anhieb harmonisch und die Chemie stimmt.
Ihnen gegenüber steht Kenneth Branagh, einerseits der klare Antagonist des Films, andererseits aber gewissermaßen ebenfalls nur ein Werkzeug in dem Plan eines unsichtbaren Gegners. Ich weiß, es klingt konfus, doch mehr soll natürlich nicht gespoilert werden. Branaghs Figur ist sehr, sehr böse, mit ausgefallenen, sadistischen Ideen, wie er seine Widersacher am liebsten umbringt; ein Charakter, den man gerne hasst und definitiv der interessantere der beiden bösen russischen Oligarchen (neben seiner Rolle in Jack Ryan: Shadow Recruit), die Branagh in seiner Karriere verkörpert hat. In einer interessanten Umkehr der Konventionen erfährt man als Zuschauer tatsächlich mehr über seine Hintergründe und Beweggründe als bei den eigentlichen Hauptfiguren und Protagonisten des Films.
Tenet ist ein Film, der in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren sehr viel analysiert, diskutiert und auseinandergepflückt werden wird, und ich will an dieser Stelle keineswegs behaupten, dass ich nach der ersten Sichtung bereits jedes Detail von Nolans Zeit-Puzzle verstanden habe. Als er zu Ende war, hätte ich ihn am liebsten sofort von Anfang an geschaut. Der letzte Film, bei dem ich dieses Bedürfnis hatte, war Donnie Darko. Er fordert die Zuschauer, und wenn man sich beim Schauen darauf versteift, jede Wendung sofort nachzuvollziehen und Ordnung im Chaos zu finden, kann der Film anstrengend und bisweilen frustrierend sein. Am besten ist man beim ersten Mal damit beraten, zwar gut aufzupassen, sich aber vor allem auf diese Zeitreise mit Nolan einzulassen, und sich von den Eindrücken berauschen und überwältigen zu lassen. Das ist Kino!
Der Originaltitel des Independent-Horrorfilms der Brüder Brett und Drew Pierce und lautet The Wretched, und das Wort lässt sich ins Deutsche als "elend", "scheußlich", "miserabel" oder "erbärmlich" übersetzen. Das wären allesamt treffende Bezeichnungen für das bisherige Jahr 2020, zum Glück aber nicht für diesen Film, der sich als grundsolider, angenehm ernster und geradliniger Horrorfilm mit handgemachten Kreatureneffekten entpuppt. Hier wird nicht lange um den heißen Brei herumgeredet. Bereits in der allerersten Szene, die in der Vergangenheit spielt und für die restliche Handlung unerheblich ist, macht der Film klar, womit wir es zu tun haben.
Auch wenn der Film seine Geschichte und seine Charaktere sehr ernst nimmt, ist es den Machern jederzeit bewusst, in welchem Genre sie sich aufhalten. Dabei bedient sich der Film auch einiger gängiger Klischees wie knarzender Türen, Jump Scares und unvernünftiger Handlungen von Charakteren, sprengt aber den Rahmen dabei nie so sehr, dass es das Filmvergnügen stört. Vielmehr passt es hier zum sehr klassischen Ansatz des Horrors. Wenn beispielsweise die Hauptfiguren auf einer Website namens Witchopedia (ja, wirklich) suchen, mit wem sie es zu tun haben und wie sie die Hexe besiegen können, ist es definitiv etwas albern, aber auch irgendwie sympathisch.
Trotz des besagten Ausflugs auf Witchopedia, belässt der Film die Mythologie und die Ursprünge der Hexe vage und lässt die Zuschauer gemeinsam mit den Protagonisten nach und nach die Kräfte des Wesens entdecken, die sich u. a. in der Manipulation anderer Menschen manifestieren. Außerdem kann die Hexe ihre Opfer quasi aus der Existenz löschen, indem sie bei anderen Familienmitgliedern jegliche Erinnerungen an sie tilgt. Diesen Kniff gab es kurioserweise bereits im russischen Baba Yaga dieses Jahr zu sehen, funktioniert aber auch hier gut, verleiht der Geschichte zusätzliche Dramatik und macht die Hexe noch perfider, denn es sind letztlich Erinnerungen, in denen geliebte Menschen weiterleben, wenn sie von uns gegangen sind.
The Witch Next Door hegt keine Arthouse-Ambitionen wie Gretel & Hänsel, sondern ist vor allen Dingen traditionsbewusster Horror alter Schule, der in eine ähnliche, von Volksmärchen inspirierte Kerbe schlägt wie The Hole in the Ground und 
Nach einer Eröffnungssequenz, die Crowes Charakter einerseits als ernstzunehmende Bedrohung etabliert, noch bevor er auf sein Hauptopfer trifft, ihn andererseits jedoch jedes potenziellen Hauchs des Mysteriösen beraubt, folgt ein Vorspann, der sich überraschend und fast schon unangenehm aktuell anfühlt. Er besteht aus Nachrichten-Zusammenschnitten über zunehmende Gewaltakte von Menschen im Straßenverkehr, und impliziert, dass die wachsenden Ungerechtigkeiten auf der Welt immer mehr Menschen dazu bringen, auszurasten. Spätestens als nebenbei auch erwähnt wird, dass es unklar sei, wann die Polizei wieder neue Kräfte einstellen könne, um mit den wachsenden Unruhen und Gewaltakten fertigzuwerden, wird einem bewusst, dass der Film zwar erst letzten Sommer, gefühlt aber in einer anderen Ära gedreht wurde.
Crowes Schurke ist sehr simpel gestrickt und bietet keinerlei Dimensionen, die der talentierte Schauspieler ausloten kann. Der Film macht früh klar, dass sein Charakter ein jähzorniger, gewaltbereiter Psychopath ist, und mehr Entwicklung folgt auch nicht. Nichtsdestotrotz ist der Schauspieler perfekt in der Rolle besetzt, denn obwohl er nicht in die Tiefe gehen kann, kostet er vergnügt die reuelose Boshaftigkeit der Figur aus. Es ist die fieseste Rolle, die Crowe seit Romper Stomper gespielt hat. Der einst durchtrainierte Neuseeländer hat seit Gladiator einige Pfunde zugelegt, doch Regisseur Derrick Borte nutzt das zum Vorteil und weiß Crowes massigen Körper gut in Szene zu setzen. Dieser füllt immer wieder das Bild aus und lässt die Figur wie eine wandelnde Naturgewalt wirken, die mit seinem wuchtigen Truck harmoniert und einen Kontrast zu seiner zierlichen Gegnerin und ihrem Volvo darstellt. Während Spielbergs Duell komplett darauf verzichtete, den Lastwagenfahrer zu zeigen, geht Unhinged in die entgegengesetzte Richtung und verharrt von Anfang an lange in Nahaufnahmen auf Crowes vor Wut brodelndem Gesicht.
Die Bedrohung durch Crowes Figur und seine Bosheit kommen vor allem zur Geltung, weil der Film mit Caren Pistorius als Rachel eine Protagonistin hat, mit der man schnell sympathisiert und mitfiebert. Als Gabriel Batemans Mutter ist die nur 14 Jahre ältere Schauspielerin jedoch eindeutig zu jung besetzt, was inzwischen ein kurioser Trend ist. Bereits in
Wie clever und übermächtig der Bösewicht in Unhinged ist, variiert der Film, wie es ihm gerade zur Handlungsentwicklung passt. Logiklücken und einige fragwürdige Handlungen der Charaktere bleiben dabei nicht aus. Weil der Film mit seiner knackigen 90-minütigen Laufzeit die Geduld der Zuschauer jedoch nicht überstrapaziert und das Tempo durchgehend hoch hält, fallen seine Unzulänglichkeiten nicht so sehr ins Gewicht. Zudem punktet er mit einigen fiesen Gewaltspitzen und überraschend viel Karosserieschaden bei spektakulären Autocrashs ohne CGI-Einsatz.
Mit seiner tiefen Stimme und imposantem Auftreten hat Vin Diesel seine gesamte Karriere inzwischen darauf aufgebaut, stoische, grimmig dreinblickende, auf ultracool getrimmte Actionhelden zu spielen. Ob als Dominic Torreto, Xander Cage oder Richard B. Riddick – Vin Diesel spielt vor allem Vin Diesel. Er ist zu einer eigenen Marke geworden, wie einst Arnold Schwarzenegger, und solange er bei seinen etablierten Franchises bleibt, funktioniert es für ihn auch ganz gut. Bloodshot fordert sein Schauspiel nicht über die üblichen Parameter hinaus. Die Rolle reiht sich direkt neben dem erwähnten Trio ein. Doch während Fast & Furious mit einem gut eingespielten Ensemble und augenzwinkernder Selbstironie punktet, und die Riddick-Filme eine faszinierende Welt rund um die Hauptfigur aufbauen, hat Bloodshot leider nichts davon zu bieten. Mit seiner Vorlage hat der Film, abgesehen von der Hauptfigur und ihren grundlegenden Fähigkeiten, wenig gemeinsam. Stattdessen ist Bloodshot lieblos aus Versatzstücken anderer, besserer Genrefilme zusammengesetzt. Das offensichtliche Vorbild ist RoboCop, minus die Satire, die Figurentiefe und Paul Verhoevens virtuose Regie. Es finden sich auch Anklänge von Memento in dem Film, nicht zuletzt verdeutlicht durch die Besetzung von Guy Pearce, der Michael Sheen in der Rolle kurzfristig ersetzte.
In jeder Hinsicht wandelt Bloodshot auf ausgetretenen Pfaden. Das Drehbuch von Jeff Wadlow (
Es gibt hier und da einige coole visuelle Einfälle, wie beispielsweise die Umsetzung von Rays Unverwundbarkeit in Aktion oder eine Szene, in der eine virtuelle Umgebung in seinem Kopf aufgebaut wird – letztere erinnert an eine vergleichbare Sequenz aus 
Familienbande
Friss oder stirb
Evolution und Mutationen
Wer ist jetzt der Apex Predator?





Auch Fantasy-Island-Regisseur Jeff Wadlow hat vor zwei Jahren für Blumhouse den unsäglichen Horrorstreifen Wahrheit oder Pflicht verbrochen, in dem ebenfalls "Pretty Little Liars"-Star Lucy Hale die Hauptrolle gespielt hat. Sein zweiter Anlauf ist zwar noch keine vollwertige Wiedergutmachung dieser vergeudeten Lebenszeit und leidet zum Teil immer noch unter gleichen Problemen, stellt aber insgesamt eine deutliche Verbesserung dar. Fantasy Island nimmt das grobe Grundgerüst der Serie und trimmt es auf Grusel. Seine horrorlastigen Elemente, wie die entstellten, geisterhaften Erscheinungen, die auf der Suche nach einem billigen Jump Scare immer wieder hinter den Protagonisten auftauchen, wirken abgedroschen. Viel besser funktioniert der Film, wenn er die Fantasien der Inselgäste getreu dem Spruch "Sei vorsichtig, was du dir wünschst" ausspielt. Durch vier verschiedene solcher Traumszenarien bietet er in der ersten Filmhälfte viel Abwechslung und sorgt für reichlich Neugier, denn man fragt sich zwangsläufig, wann und wie es für jeden jeweils schiefgehen wird. Und das tut es natürlich, denn wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es das üblicherweise auch nicht. Diese Weisheit kennen die Inselgäste, bis auf die skeptische Gwen, die als einzige von Anfang an ihren Verstand einzusetzen scheint, offenbar nicht. Roarke lullt die anderen in ein falsches Gefühl der Sicherheit und Aufregung ein, obwohl sogar ein kurzer Blick auf seine Helfer verrät, dass sie offenbar als Statisten für einen Horrorfilm besetzt worden sind.
Der Film wandelt auf dem schmalen Grat der Absurdität zwischen kurzweiliger Unterhaltung und ungläubigem Augenverdrehen. Tatsächlich schafft er es lange Zeit, auf der richtigen Seite zu bleiben. Im dritten Akt macht er jedoch den Fehler, einen weiteren haarsträubenden Twist draufzusetzen und dann zu versuchen, alles zu erklären. Er müht sich so redlich ab, keine Fragen offen zu lassen, dass man beinahe erwartet, dass die Drehbuchautoren gleich für eine Frage-Antwort-Runde auf der Leinwand erscheinen. Stattdessen taucht im Film ein leicht dubios wirkender Michael Rooker als Erklärbär auf. Ich bin der Letzte, der sich über Rookers Präsenz in irgendeinem Film beschweren würde, doch sein Charakter ist hier lediglich auf Deus-ex-Machina und Exposition reduziert. Dennoch macht es mehr Spaß, ihm zuzuschauen als den meisten anderen Darstellern des Films. Lucy Hale scheint mit ihrer Rolle zuweilen überfordert zu sein, Maggie Q wechselt nur zwischen wehmütigen und besorgten Blicken, und Ryan Hansen spielt auch 13 Jahre nach dem (ersten) Ende von "Veronica Mars" immer noch Dick Casablancas.
Der Film zerrt gegen Ende immer weiter an jeglicher marginaler Glaubwürdigkeit, die er zumindest innerhalb seines irrwitzigen Konstrukts noch hatte. Die flotte, unbeschwerte Leichtfüßigkeit wird unter dieser Erklärungsnot und dem Bestreben, den Zuschauern immer wieder den Boden unter den Füßen wegziehen, von Schwerfälligkeit verdrängt.
Der Fluch von Black Hills
Der beste Freund des Menschen
Alles nur in deinem Kopf?
Fazit







