Captain Marvel (2019) Kritik

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Captain Marvel, USA 2019 • 124 Min • Regie: Ryan Fleck & Anna Boden • Mit: Brie Larson, Jude Law, Samuel L. Jackson, Ben Mendelsohn, Annette Bening, Gemma Chan, Djimon Hounsou, Lee Pace • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 7.03.2019 • Deutsche Website

Handlung

Carol Danvers (Brie Larson) ist eine furchtlose Air-Force-Pilotin, die 1989 nach einem mysteriösen Unfall von den Kree, einer technologisch weit fortgeschrittenen, kriegerischen Alien-Rasse, gerettet wird. Die Rettung verleiht ihr unglaubliche Kräfte, die sie nur jedoch nur schwer kontrollieren kann. Fortan heißt sie Vers und wird zum Mitglied der Kree-Eliteeinheit Starforce, angeführt von ihrem Mentor Yon-Rogg (Jude Law). Jegliche Erinnerungen an ihr früheres Leben, einschließlich ihres echten Namens, hat sie verloren, und wird von diesen nur in Albträumen heimgesucht. Gemeinsam mit der Starforce kämpft sie gegen die Skrulls, eine Rasse von Gestaltwandlern und Krees Erzfeinde. Nachdem ein Einsatz gegen die Skrulls schief läuft, gerät Vers in deren Gefangenschaft. Skrulls' Anführer Talos (Ben Mendelsohn) interessiert sich besonders für ihre verlorenen Erinnerungen, die er zu extrahieren versucht. Vers kann knapp entkommen und landet eher unsanft auf der Erde im Jahr 1995. Der unerfahrene S.H.I.E.L.D.-Agent Nick Fury (Samuel L. Jackson) wird zur Stelle ihrer Bruchlandung gerufen und staunt nicht schlecht, als Vers behauptet, eine außerirdische Kriegerin zu sein. Für Erklärungen bleibt nicht viel Zeit, denn die Skrulls sind dicht an ihren Fersen und können dank ihren Fähigkeiten überall sein. Währenddessen intensivieren sich Vers' Erinnerungs-Flashbacks und ihr wird klar, dass sie nicht zum ersten Mal auf diesem Planeten ist. Mit Fury im Schlepptau, macht sie sich auf die Suche nach ihrer Herkunft auf und kommt dabei zu überraschenden Erkenntnissen.

Kritik

In diversen Belangen mögen die Filme des Marvel Cinematic Universe ihren bisherigen DC-Konkurrenten von Warner voraus sein, doch in einem Punkt mussten sie sich geschlagen geben. Mit Wonder Woman rückte Warner erstmals in einem Superhelden-Blockbuster der Moderne eine weibliche Hauptfigur in den Mittelpunkt und landete damit einen Volltreffer, der Zuschauer und Kinogänger gleichermaßen begeisterte. Jetzt wird mit Captain Marvel diese Lücke auch seitens Disneys geschlossen, und mit Brie Larson als Titelfigur ist eine neue beeindruckende Kinoheldin geboren.

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Wohl wissend, dass es nicht immer weise ist, DC- und Marvel-Filme zu vergleichen, kommt man aufgrund der bisherigen Alleinstellung der Filme dennoch nur schwer umhin. Wie Wonder Woman ist auch Captain Marvel nicht makellos, jedoch sind die Probleme der Filme ganz unterschiedlich verteilt. Ist es bei Wonder Woman der enttäuschende Showdown im dritten Akt, der einen schlechten Nachgeschmack bei einem ansonsten durchweg gelungenen Film hinterlässt, blüht Captain Marvel in seinem Finale erst so richtig auf, hat aber mit einigen Tempo- und Logikschwierigkeiten auf dem Weg dorthin zu kämpfen. In beiden Filmen ist es jedoch die starke Heldin bzw. ihre Darstellerin, die über etwaige Mängel hinwegsehen lässt. Obwohl große Teile von Captain Marvel wie eine klassische Buddy-Actionkomödie mit Brie Larson und Samuel L. Jackson aufgebaut sind, bestehen nie Zweifel daran, dass die Oscarpreisträgerin der Star des Films ist. Gewitzt, frech, fesch und um einen gelegentlichen coolen Spruch nicht verlegen, ist Carol eine Heldin, mit der man sehr gerne mitfiebert. Wenn sie dann das volle Potenzial ihrer Kräfte freisetzt und sich dabei sichtlich wohl fühlt, ist das ein Moment, der zum Mitjubeln einlädt, nicht unähnlich der großartigen Szene im Niemandsland aus Wonder Woman.

Captain Marvel (2019) Filmbild 1Natürlich darf die Frauenpower-Botschaft in Captain Marvel auch nicht fehlen. Diese ist etwas expliziter und vielleicht ungeschickter eingebunden als sie es idealerweise hätte sein können, doch sie hat durchaus nicht Unrecht und das Herz am rechten Fleck. Letztlich ist der Film ist weit entfernt von dem Feminismus-Propagandawerk, als welches einige Internet-Trolle ihn (ungesehen) darzustellen versuchen.

Subtilität und Raffinesse sind sowieso nicht die Stärken des Films, was man bei einem $150 Mio teuren, effektreichen Blockbuster über eine intergalaktische Heldin, die mit Lichtgeschwindigkeit fliegen und konzentrierte Energiestrahlen aus ihren Fäusten schießen kann, nicht zwingend erwarten sollte. Das wird spätestens dann klar, als der Film uns nach Carols Landung auf der Erde mit unzähligen Neunziger-Referenzen überschüttet, damit es auch wirklich bei den Zuschauern mit der längsten Leitung ankommt, wann der Film spielt. Wenn Carol durchs Dach einer Videothek der heutzutage nahezu ausgestorbenen "Blockbuster"-Kette crasht und dann prompt einem True-Lies-Standee Arnies Kopf wegschießt, ist ein sehr netter, cleverer Touch, um den Handlungsrahmen zu verankern. Radio Shack, Altavista, schneckenlangsame Modems und Carol in einem Grunge-Outfit folgen, und das anfangs hohe Amüsement-Level nimmt mit jedem Verweis ab. Ja, wir haben es verstanden, es sind die Neunziger.

Sehr positiv ist dafür der Soundtrack hervorzuheben, der die Musik aus der Epoche perfekt einsetzt. Wie in Black Panther und den beiden Guardians-of-the-Galaxy-Filmen, bestimmt auch Captain Marvels Soundtrack, u. a. mit Songs von Nirvana und No Doubt, maßgeblich den Ton des Films.

Captain Marvel (2019) Filmbild 2Einer der größten Hinweise darauf, dass der Film vor den meisten anderen MCU-Beiträgen angesiedelt ist, ist natürlich Samuel L. Jacksons Auftritt als jüngerer und noch zweiäugiger Nick Fury. Jackson hat sichtlich Spaß daran, die Rolle des späteren S.H.I.E.L.D.-Leiters mal ganz anders zu spielen. Das ist noch nicht der obercoole, abgebrühte Nick Fury, den wir kennen. Hier ist er entspannter, begeisterungsfähiger und voller Staunen über die neue Welt, die sich ihm durch Carol offenbart und ihn zuweilen auch überfordert. Zwischen Jackson und Larson entwickelt sich lässig-ungezwungene Chemie, aus der sich etliche humorvolle Szenen ergeben. Wir erfahren auch, wie Fury sein Auge verloren hat, und die (nicht vorlagenkonforme) Antwort darauf werden vermutlich nur die wenigsten erahnen. Außerordentlich gelungen ist digitale Verjüngung um 25 Jahre. Zwar zeigten sich die Fortschritte in dieser Technik bereits in Marvels Ant-Man an Michael Douglas und Guardians oft he Galaxy Vol. 2 an Kurt Russell, doch Captain Marvel besteht die große Feuerprobe, indem der Film Jackson über den gesamte Laufzeit hinweg jünger aussehen lässt, ohne dass es seinem Schauspiel im Weg steht.

Captain Marvel (2019) Filmbild 3Leider ist die entsprechende Verjüngung bei Clark Gregg als Phil Coulson weniger gelungen, der sich irgendwo zwischen Uncanny Valley und einer Botox-Überdosis bewegt. Auch sonst sind die Computereffekte bei Captain Marvel trotz einiger wirklich spektakulärer Bilder im Weltraum nicht ganz auf dem höchsten Niveau vieler anderer Marvel-Filme. Green-Screen-Aufnahmen machen sich gelegentlich bemerkbar. Das ist selbstverständlich Meckern auf hohem Niveau, doch die photorealistischen CGI-Effekte der letzten Jahre bestimmen eben die Erwartungshaltung.

Marvel-Studios-Chef Kevin Feige und die Drehbuchautorinnen des Films haben im Vorfeld betont, dass Captain Marvel keine Origin-Geschichte der Superheldin ist, weil sie schon von Anfang an über ihre Kräfte verfügt. Das stimmt zwar, ist aber auch irreführend, denn im Grunde ist der Streifen die klassische Geschichte der Selbstfindung, in der die Heldin erst ihr altes Ich wiederfinden muss, bevor sie dann die Kraft in sich findet, zur echten Superheldin zu werden. Insofern ist es immer noch ein waschechter Origin-Film, jedoch etwas anders strukturiert und erzählt, als man es sonst gewohnt ist. Larsons authentische, mitreißende Performance sorgt dafür, dass man als Zuschauer jeden Schritt mit ihr mitgeht und mitjubelt, wenn sie allen Widrigkeiten trotzt, die sich ihr in den Weg stellen.

Captain Marvel (2019) Filmbild 4In seiner ersten Hälfte hat der Film einige Tempo-Durchhänger und die Charaktereinführung lässt etwas zu wünschen übrig. Obwohl Carol bereits Jahre unter den Kree verbracht hat, fehlt ein das Gespür dafür, wo ihr Platz in dieser Welt ist und wie sie sich darin integriert hat. Dieser Teil wird zu schnell abgehandelt, bevor sie auf die Erde kommt. Dann steigert sich der Film jedoch stetig, serviert mehrere mal mehr, mal weniger vorhersehbare Wendungen, und verdient sich dank seines sorgfältigen Aufbaus auch seinen fesselnden, actionreichen Höhepunkt im Finale. Das Regieduo Ryan Fleck und Anna Boden hinterlässt keinen erkennbar eigenen Stempel wie James Gunn in Guardians of the Galaxy, Ryan Coogler in Black Panther oder Taika Waititi in Thor – Tag der Entscheidung, doch sie verstehen ihr Handwerk sowohl in ruhigen Charaktermomenten als auch in rasanten Actionszenen, an denen es dem Film nicht mangelt.

Captain Marvel (2019) Filmbild 6Eine wirklich positive Überraschung im Film ist Ben Mendelsohn als Talos. Der australische Schauspieler ist inzwischen Hollywoods neue erste Wahl für Schurkenrollen, nachdem Javier Bardem und Christoph Waltz diese Funktion in den letzten Jahren erfüllten. Doch obwohl Talos auf dem ersten Blick wie ein weiterer uninspirierter MCU-Bösewicht und eine stereotype Mendelsohn-spielt-böse-Performance à la Ready Player One oder Robin Hood wirkt, täuscht dieser Eindruck genau so wie das Äußere der Skrulls. Der Charakter ist komplexer, nuancierter und feinsinniger als man vermuten würde. Obwohl Mendelsohn den Großteil des Films unter einer dicken Schicht von grünem Makeup verbringt, macht er sehr viel aus seiner Stimme und subtiler Mimik. Über Jude Law und andere Kree-Darsteller des Starforce-Teams, (darunter Gemma Chan und Djimon Hounsou in seiner Rolle aus Guardians of the Galaxy) kann man das leider nicht behaupten. Ihre Figuren bleiben weitgehend eintönig, was gerade bei Laws tragender Rolle schade ist.

Captain Marvel (2019) Filmbild 5Doch während Larson der glänzende Stern des Films, Jackson die Identitätsfigur für die meisten Zuschauer und Mendelsohn ein sympathischer Widersacher ist, stiehlt ein Vierbeiner allen drei die Show. Carols Kater Goose, benannt nach Anthony Edwards' Charakter aus Top Gun, ist für einige der besten Szenen des Films verantwortlich, die sowohl allen Katzenliebhabern die Herzen höher schlagen lassen werden, als auch diejenigen Bestätigung finden lassen, die Katzen für hinterlistige Ausgeburten der Hölle halten. Die Zuschauer dürfen sich außerdem auf eins der cleversten Cameos (genau aufpassen!) der verstorbenen Marvel-Legende Stan Lee freuen. Ihm ist auch das neue Marvel-Studios-Logo gewidmet ist und man kann es einem nicht verübeln, wenn man als Fan in dem Moment nach den Taschentüchern greift.

Captain Marvel ist kein kultureller Meilenstein oder ein Zeitgeist-Phänomen wie Black Panther. Doch das muss er auch nicht sein. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten und gelegentlicher Ungereimtheiten, verpackt er Brie Larson als coole Heldin in genau die Art stimmiges, gut kalibriertes Abenteuer, das man von Disneys Marvel-Filmen gewohnt ist. Es ist gute Unterhaltung mit einem Schuss Empowerment und einer beeindruckenden Zurschaustellung der Kräfte von MCUs mächtigster Heldin.

Fazit

Kein Genre-Meilenstein, aber gewohnt gute Unterhaltung: Als Captain Marvel erhebt sich Brie Larsons fesche Badass-Heldin in ihrem stimmigen, stellenweise mitreißenden Abenteuer bequem ins obere Mittelfeld von Disneys Marvel-Filmen. Wie seine Titelfigur, überwindet auch der Film einige Hürden und Makel, bevor er sich in einem fulminanten Finale entlädt, das die Zuschauer mit einem Hochgefühl und dem Wunsch nach einer Katze wir Goose aus dem Kino entlässt.

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