Liebe Filmfutter-Fans,
kommenden Donnerstag, am 15. Januar, werden Chris Pine, Alfonso Cuarón und J.J. Abrams die Nominierungen für die 87. Academy Awards, umgangssprachlich bekannt als die Oscars, verkünden. Wir nehmen das wieder zum Anlass, um wie schon in den vergangenen beiden Jahren unsere Nominierungstipps in die Waagschale zu werfen und Euch einen Ausblick auf die potenziellen Kandidaten und mögliche Überraschungen zu bieten. Überraschungen wird es selbstverständlich wieder geben und ich bin sicher, dass auch ich nicht alle davon kommen sehen werde. Gerade darin liegt ja auch der Spaß. Mittlerweile habe ich 15 Jahre lang die Oscars mitverfolgt und unter Einbeziehung dieses Wissens sowie der Statistik aus über 80 Jahren Oscargeschichte fühle ich mich in der Lage, fundierte Vorhersagen zu treffen (und zu hoffen, dass zumindest zwei Drittel davon in Erfüllung gehen werden).
Als wichtigste Indikatoren für meine Vorhersagen dienen immer die großen Industriepreise (wie SAG, WGA, PGA und DGA), die BAFTAS, die Golden Globes und die Broadcast Film Critics Association Awards. Ich berücksichtige aber auch die Preise diverser Filmkritikerverbände, auch wenn sie keinerlei direkte Auswirkungen auf die Oscars haben. Sie können einem trotzdem verraten, wo die eine oder andere Überraschung lauern kann.
Im ersten Teil der dreiteiligen Serie wende ich mich den beiden Drehbuchkategorien zu. Hier sind für die Vorhersagen primär die Nominierungen der Autorengewerkschaft Writers Guild of America relevant. Diese fielen dieses Jahr so aus:
Bestes Originaldrehbuch
Boyhood
Grand Budapest Hotel
Foxcatcher
Nightcrawler
Whiplash
Bestes adaptiertes Drehbuch
Gone Girl
Der Scharfschütze
The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben
Guardians of the Galaxy
Wild – Der große Trip
Zu beachten gilt aber zweierlei. Einerseits hat die Academy in einer seltsamen Entwicklung der Ereignisse Damiem Chazelles Whiplash als adaptiertes Drehbuch klassifiziert (da als "Vorlage" der eigene Kurzfilm des Regisseurs genutzt wurde). Andererseits waren zahlreiche potenzielle Kandidaten für WGA-Nominierungen nicht zulässig, darunter Die Entdeckung der Unendlichkeit, Martin Luther King – Der Marsch von Selma und Birdman, sodass die WGA-Mitglieder bei der Abstimmung teilweise auch schwächere Kandidaten zurückgreifen mussten.
Also legen wir los mit den potenziellen Kandidaten und deren Stärken und Schwächen:
Bestes Originaldrehbuch
Wie schon letztes Jahr, sind die Favoriten in dieser Kategorie recht deutlich, da die drei stärksten Filme im diesjährigen Oscar-Rennen allesamt auf Originaldrehbüchern beruhen und sich somit einer Oscarnominierung in der Kategorie sicher sein dürfen. Etwas schwammiger wird es nach den Top 3, doch große Überraschungen erwarte ich in der Kategorie trotzdem nicht.
Sichere Kandidaten

Richard Linklater (Boyhood) – Für gewöhnlich wird der größte Favorit im Oscar-Rennen für sein Drehbuch zumindest nominiert – und machen wir uns nichts vor, Boyhood ist der unumstrittene Favorit dieses Jahr. Zwar befindet er sich im Rennen um das "Beste Originaldrehbuch" auf dem dritten Platz, denn das über 12 Jahre immer wieder ergänzte Skript gehört nicht zu den größten Stärken des Films, doch eine Nominierung ist ihm dennoch sicher. Die Golden Globes, die WGA, die BAFTAs und die BFCA haben das Drehbuch bereits nominiert und Richard Linklater wird damit seine dritte Nom als Drehbuchautor einheimsen (neben der sicheren Nomonierung als Regisseur).

Wahrscheinliche Kandidaten
Dan Gilroy (Nightcrawler) – Lange Zeit habe ich nicht daran geglaubt (obwohl ich es gehofft habe), dass Dan Gilroys bitterböses Drehbuch zu seinem Regiedebüt Nightcrawler eine reelle Chance bei den Oscars haben würde, doch es sieht so aus, als hätte ich den Film unterschätzt, der es sowohl unter die Top-Filme des letzten Jahres auf der AFI-Liste als auch auf der Liste der National Board of Review geschafft hat. Die Produzentengewerkschaft nominierte den Film ebenfalls und eine Oscarnominierung als "Bester Film" erscheint nicht länger unwahrscheinlich. Noch viel sicherer sollte jedoch die Nominierung für das Drehbuch des Films sein, das auch von der WGA, der BAFTA und der BFCA nominiert wurde. Auch zahlreiche Kritikerverbände nominierten das Drehbuch und die Kritiker von San Diego zeichneten es aus, auch wenn dies natürlich für die Oscars kaum relevant ist. Da die Konkurrenz nach den ersten drei in der Kategorie aber nicht sonderlich stark ist, wird Nightcrawler sich hier vermutlich durchsetzen können.
Weitere Anwärter

Dan Futterman und Max E. Frye (Foxcatcher) – Die letzten beiden Filme von Bennett Miller, Capote und Moneyball, wurden von der Academy anerkannt und für zusammengenommen mehr als zehn Academy Awards nominiert. Foxcatcher erhielt zwar auch viel Lob und brachte Miller den Regiepreis beim Filmfestival von Cannes ein, scheint jedoch schwächer im Rennen zu sein als seine letzten Filme und das gilt auch für sein Drehbuch. Die Autorengewerkschaft WGA nominierte den Film zwar, doch dazu muss man auch sagen, dass Selma und Birdman dort für eine Nominierung nicht zulässig waren und womöglich Foxcatcher seinen Platz weggeschnappt hätten. Weder die Golden Globes, noch die BFCA oder die BAFTAs haben das Drehbuch des Films nominiert, sodass seine Chancen auf wackeligen Beinen stehen.


Außenseitertipp
Christopher Miller und Phil Lord (The LEGO Movie) – Dass Animationsfilme für ihre Drehbücher nominiert werden, kommt selten vor und war bislang fast ausschließlich Pixar-Filmen vorbehalten (beispielsweise Toy Story, Oben und WALL-E). Eine seltene Ausnahme stellte Shrek dar und er hat sogar den BAFTA für sein Drehbuch gewonnen. Chris Millers und Phil Lords Drehbuch zu The LEGO Movie ist eins der cleversten Drehbücher des vergangenen Jahres, doch die Tatsache, dass es zu einem Animationsfilm gehört, wirkt sich hier zum Nachteil aus. Immerhin hat die National Board of Review die Brillanz des Skripts erkannt und zeichnete es auch. Ich drücke dem Film die Daumen bei den Oscars, glaube aber, dass er sich mit dem Animationsoscar begnügen müssen wird.
Vorhersage:
Birdman
Boyhood
Grand Budapest Hotel
Selma
Nightcrawler
Bestes adaptiertes Drehbuch
Das Feld der möglichen Kandidaten ist hier etwas unsicherer als beim "Besten Originaldrehbuch", jedoch trotzdem klarer als es letztes Jahr der Fall war. Generell sind die Oscarkandidaten in dieser Kategorie im Gesamt-Rennen deutlich schwächer als die potenziellen Originaldrehbuch-Nominees.
Sichere Kandidaten
Graham Moore (The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben) – Der Gewinner des Publikumspreises beim Toronto Filmfestival, neunfacher BAFTA-nominierter Film und fünffacher Golden-Globes-Nominee – The mitation Game ist zweifelsohne einer der größten Oscarkandidaten dieses Jahres und würde es vermutlich auch unter die "Bester Film"-Auswahl schaffen, wenn wir immer noch fünf Slots hätten. Auch das Drehbuch von Graham Moore ist deshalb sicher im Spiel, auch wenn es bislang an konkreten Auszeichnungen gemangelt hat. Nominierungen gab es jedoch seitens der Golden Globes, der BAFTA, der WGA, der BFCA und zahlreicher Kritikerverbände.
Gillian Flynn (Gone Girl) – Gillian Flynn ist eine erfolgreiche Bestseller-Autorin und bald vielleicht auch eine Oscargewinnerin. Ihr Drehbuch zu ihrem eigenen Thriller-Roman Gone Girl hat bereits die Preise der Kritikerverbände von Washington D.C., Chicago, San Diego und Phoenix eingeheimst und wurde von der BAFTA, den Golden Globes, der WGA und der BFCA nominiert. Die Chancen des Films selbst bei den Oscars sind immer noch etwas wackelig, doch Flynns Drehbuch kämpft hier nicht um eine Nominierung, es kämpft um eine Trophäe. Neben der Nominierung für die Hauptdarstellerin Rosamund Pike ist die Nominierung für das "Beste adaptierte Drehbuch" dem Film am sichersten.
Wahrscheinliche Kandidaten
Anthony McCarten (Die Entdeckung der Unendlichkeit) – Eigentlich ist McCartens Drehbuch für den Film ein nahezu sicherer Kandidat, doch wenn diese Film eine Schwachstelle bei den Oscars hat, die zu einer überraschenden Auslassung führen könnten, dann ist es das recht generische 08/15-Biopic-Drehbuch des Films. Nichtsdestotrotz wurde es von der BAFTA und der BFCA nominiert, jedoch nicht von den Golden Globes. Bei der WGA war es für eine Nominierung nicht zulässig, sodass mir dieser wichtige Indikator fehlt. Ich gehe davon aus, dass es nominiert werden wird, würde jedoch keine hohe Summe darauf verwetten.
Nick Hornby (Wild – Der große Trip) – Der berühmte Romanautor Nick Hornby wurde vor einigen Jahren bereits für sein Drehbuch zu An Education für einen Oscar nominiert. Auch bei Wild – Der große Trip stehen seine Chancen gut, hat er doch bereits Nominierungen von der WGA und der BFCA erhalten. Auch zahlreiche Filmkritikerverbände (z.B. von Phoenix, Washington, und Chicago) haben es nominiert. Überraschenderweise ließ das Drehbuch die BAFTA aber kalt – dort gab es für Hornby keine Nennung.
Weitere Anwärter
Jason Hall (American Sniper) – Letztes Jahr hatte ich Lone Survivor auf dieser Liste, weil er sich unter die WGA-nominierten Filme eingeschlichen hat – wie auch American Sniper. Die Position von Clint Eastwoods American Sniper ist dank der zusätzlichen BAFTA-Nominierung etwas stärker, doch ich bin trotzdem nicht wirklich davon überzeugt, das das Drehbuch des Films viele Anhänger finden wird.

Paul Thomas Anderson (Inherent Vice – Natürliche Mängel) – Dreimal wurde Paul Thomas Anderson bereits für einen Drehbuchoscar nominiert (There Will Be Blood, Magnolia, Boogie Nights). Bis vor Kurzem erschein ein viertes Mal mit Inherent Vice als wahrscheinlich, doch der Film spaltet das Publikum sehr und mit der Meldung, dass Whiplash doch als adaptiertes Drehbuch ins Rennen geht, könnte Inherent Vice den Kampf um den letzten noch freien Platz auf der Nominierungsliste gekostet haben. Zwar wurde das Drehbuch von der NBR als das "Beste adaptierte Drehbuch" von 2014 ausgezeichnet, doch weder die Golden Globes, noch die BAFTA oder die WGA nominierten es.
Joel Coen, Ethan Coen, Richard LaGravenese und William Nicholson (Unbroken) – Eigentlich ist das Drehbuch nur aus zwei Gründen auf dieser Liste: die Coen-Brüder und die überraschende Nominierung der BFCA. Doch auch wenn der Film es unter die Nominees der "Bester Film"-Kategorie schafft, halte ich eine Drehbuchnominierung für sehr unwahrscheinlich.
Außenseitertipp

Vorhersage:
Gone Girl
The Imitation Game – Ein streng geheines Leben
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Whiplash
Wild – Der große Trip
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Seid Ihr mit unseren Ausführungen einverstanden oder sehr Ihr etwas davon anders? Morgen geben wir in unserem zweiten Teil den ausführlichen Ausblick auf die vier Schauspielkategorien.
Weitere Ausgaben:
Teil 2 (Bester Hauptdarsteller/Nebendarsteller, Beste Hauptdarstellerin/Nebendarstellerin)












Inception total vergessen?
Inwiefern?
Falls du dich verschrieben hast und Interstellar meintest, man muss sagen, dass Interstellar zwar bildgewaltig und vor allem auch soundtechnisch super ist, aber in Sachen Bester Film oder Screenplay wohl kaum eine Nominierung zu erwarten braucht