Inherent Vice – Natürliche Mängel (2014)

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Inherent Vice, USA 2014 • 148 Min • Regie & Drehbuch: Paul Thomas Anderson • Mit: Joaquin Phoenix, Josh Brolin, Owen Wilson, Katherine Waterston, Reese Witherspoon, Benicio Del Toro • Kamera: Robert Elswit • Musik: Jonny Greenwood • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Warner Bros. • Kinostart: 12.02.2015 • Website

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Inherentvice1Nach seinen zwei gefeierten düsteren Charakterstudien „There Will Be Blood“ (2007) und „The Master“ (2012) öffnet Paul Thomas Anderson mit seiner neuen Arbeit die schweren Vorhänge ein wenig. Allerdings nicht zu weit, denn schließlich sollen doch die anständigen Nachbarn nicht mitbekommen wie hemmungslos dieses Mal der Cannabis- oder generell Drogenkonsum sowie nackte Körper auf der Leinwand zelebriert werden. Dementsprechend ist unsere Geschichte im L.A. der Siebziger angesiedelt, in dem freie Liebe und kiffende Hippiehorden zwar verpönt aber keinesfalls ungewöhnlich gewesen sind. Anderson filmt mit „Inherent Vice“ übrigens keine selbstgebastelte Story ab, sondern nimmt sich den hierzulande unter dem Titel Natürliche Mängel veröffentlichten Roman der Postmodernenikone Thomas Pynchon (u.a. Die Enden der Parabel und Mason & Dixon) zur Brust. Das Resultat ist ein vor abstrusen Ideen, schillernden Figuren und paranoidem Dunst überschießender Kinospaß der kryptischten Sorte, sprich: Take it or leave it! „Inherent Vice“ ist nicht für jeden Kinogänger gemacht. Dafür aber für Anhänger solcher Kultwerke wie „The Big Lebowski“ der Coens oder „Fear and Loathing in Las Vegas“ von Terry Gilliam (beide 1998) ganz besonders.

Inherentvice3Der Inhalt ist dabei fast nebensächlich – oder zumindest durch die dauerzugedröhnten Augen des Privatschnüfflers Doc Sportello (Joaquin Phoenix gibt eine äußerst einprägsame Performance), durch die wir das Treiben wahrnehmen, so verschleiert, dass wir mit unserem Helden fast ebenso verpeilt durch den Crimeplot stapfen. Es geht darin um zwei vermisste Personen – ein Milliardär und Sportellos sexy Ex Shasta Fay (von Katherine Waterston wollen wir in Zukunft mehr sehen) – , einen Mord, einen besessenen Detective (grandios: Josh Brolin), einen koksenden, sexgeilen Zahnarzt (Martin Short, jawohl!), den Untergang des friedlichen Hippietums unter dem Schrecken der Manson-Familie, Kommunistenjagd, Nazis und vieles vieles mehr …

Inherentvice2Was macht also „Inherent Vice“ so unwiderstehlich, wenn man doch der Kerngeschichte (zumindest bei der ersten Sichtung) so schwer folgen kann? Die Antwort: Alles andere! Die Darstellerriege (neben den bereits genannten Stars geben sich außerdem unter anderem noch Reese Witherspoon, Owen Wilson und Benicio Del Toro die Ehre) ist durch die Bank so fantastisch spielfreudig dass man bei ihr den Spaß am Projekt und nicht etwa den Studioscheck förmlich in den Augen aufblitzen sieht. Aber nicht nur vor der Kamera gibt man sich unverkrampft, auch PT Anderson lässt ein wenig den streng-detaillierten Perfektionismus (das soll übrigens absolut nicht als Vorwurf verstanden werden!) der zwei Vorgänger zurück und begibt sich in ein flüchtigeres Territorium aus Lust und krankem Irrsinn, das er zuvor bereits mit „Boogie Nights“ (1997) und „Punch-Drunk Love“ (2002) beschritten hat. Wenn man die gewohnt ausgeklügelte Kameraarbeit von Oscarpreisträger Robert Elswit (aktuell auch bei „Nightcrawler“ zu bewundern) und die innovative Musikuntermalung von Jonny Greenwood dazurechnet, treffen hier unter Dialogen zum Notizbuchzücken Old school-Anderson und New school-Anderson zusammen. Man könnte auch die Kirche mal im Dorf lassen, sich die Spucke, Tinte oder wilde Tipperei sparen und die große Gaudi einfach mit einer dicken Empfehlung an die Leserschaft weiterreichen. Fünf volle, hell erleuchtete Sterne sollten dafür reichen. Wofür nochmal? Ganz einfach für das Maximum an verschrobenem Kinospaß mit raffinierter Note.

Natürliche Mängel lassen sich selbstverständlich auch bei dieser herausragend-groovygen Arbeit festmachen. Aber die machen ja letztlich auch die Ecken und Kanten aus, die man bei so manch glattgebügeltem, hochdekoriertem Oscarkandidaten sträflichst vermisst …

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Trailer