Once Upon a Time in Hollywood (2019) Kritik

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Once Upon a Time … in Hollywood, USA/GB 2019 • 161 Min • Regie & Drehbuch: Quentin Tarantino • Mit: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Timothy Olyphant, Margaret Qualley, Emile Hirsch, Al Pacino • Kamera: Robert Richardson • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Sony Pictures • Kinostart: 15.08.2019 • Deutsche Website

Mit seinem Retro-Epos „Once Upon a Time in Hollywood“ möchte Quentin Tarantino der Traumfabrik sein ganz persönliches Denkmal setzen und wählt dafür einen sehr spezifischen Zeitpunkt aus: Im Jahre 1969 befindet sich die Filmindustrie, wie auch die Gesellschaft, im Wandel. Die Goldene Ära der pompösen Monumentalfilme ist vorbei und auf den Straßen tummeln sich junge Menschen, die lauthals gegen die Ideale der Elterngeneration aufbegehren. Während sich das neue Hollywood um frische Konzepte bemüht, erreicht die einst friedliche Hippiebewegung in der Gestalt von Charles Manson und dessen Anhängern einen tragischen Tiefpunkt. Am Morgen des 9. August 1969 ermordeten Mitglieder der Manson-Familie die damals hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate, Ehefrau des Regisseurs Roman Polanski, und ihre Freunde auf bestialische Weise. Tarantino schielt in seinem ansonsten überaus leichtfüßigen (die Betonung liegt auf Füße) Mix aus Hang-Out- und Buddy-Movie auf dieses Datum und lässt es wie ein Damoklesschwert über den Protagonisten schweben.

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Als Anker in dem schillernden Geschehen dienen der Schauspieler Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) und dessen treuer Kumpel und Stunt-Double Cliff Booth (Brad Pitt). Daltons Karriere befindet sich nach dem Aus seiner TV-Serie auf dem Abstieg und um den Kopf über Wasser zu halten, gibt er in diversen Einzel-Episoden den flink eliminierten Schurken. Während er mit der Möglichkeit, bald in Italien Spaghetti-Western zu drehen, bitter hadert, nimmt Booth sein eigenes Schicksal eher gelassen und lebt in den Tag hinein. Beim Cruisen sammelt der einstige Kriegsheld und mutmaßliche Mörder seiner Ehefrau das aufdringliche Hippie-Mädchen Pussycat (Margaret Qualley) auf, das eine Mitfahrgelegenheit zur Spahn-Ranch, einer verkommenen Filmkulisse, sucht. Dort gerät Booth schnell an eine ansässige und ihm feindlich gesinnte Kommune. Noch im gleichen Jahr soll es ein Wiedersehen mit einigen der aggressiven Kids geben, denn zu Daltons Freude haben just Sharon Tate (Margot Robbie) und Roman Polanski (Rafal Zawierucha) das Nachbarhaus bezogen – könnte sich so vielleicht bald eine lukrative Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Starregisseur ergeben … ?

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Quentin Tarantino ist zweifellos eine Marke für sich – oft kopiert, nie erreicht. Auf Genre-Grenzen pfeifend, gibt der aus allen möglichen und unmöglichen Streifen zitierende Auteur und Filmgeek seit inzwischen 27 Jahren den Rockstar der Traumfabrik. Was läge für den zweifachen Oscar-Preisträger also näher, als seinen sehr individuellen Blick auf Hollywood schließlich auch einmal im breitesten Tarantino-Scope einzufangen? Das bedeutet freilich, dass alles erlaubt ist und selbst reale Personen vom Meister wie Spielzeugfiguren in ein nur teils wahres Geschehen gestürzt werden. So entstehen dann haarsträubende Momente, etwa wenn Booth einem arg geschwätzigen Bruce Lee (Mike Moh) den Hintern versohlt oder Steve McQueen (Damian Lewis) seine Chancenlosigkeit bei Sharon Tate darauf zurückführt, dass er nicht wie ein 12-jähriger Knabe aussieht. An jeder Einstellung, jedem Dialog und jedem Ohrwurm-Popsong merkt man, dass Tarantinos (angeblich) vorletzter Film erneut einer tiefen Passion entspringt, die auch – aber nicht nur – den Anblick von Frauenfüßen einschließt. Würde man „Once Upon a Time in Hollywood“ nur nach diesem Aspekt betrachten, so wäre er schonmal sein Fuß-Meisterwerk. Besonders deutlich wird das in einer Szene, in der sich Tate einen ihrer Filme im Kino anschaut und dabei Margot Robbies Sohlen minutenlang einen Großteil der Leinwand einnehmen. Fußgegner seien also vorgewarnt!

Wer sich gefragt hat, ob die Besetzung der beiden Megastars DiCaprio und Pitt im selben Film wirklich notwendig oder pures Namedropping war, dem sei gesagt, dass die Chemie zwischen dem gebrochenen Darsteller und dem lässigen Stuntman dem Werk erst den besonderen Kick verschafft und beide Schauspieler hier zu absoluten Hochtouren auflaufen. Wenn Tarantino im Abspann den klassischen Batman-Song aus der Kiste kramt, feiert er damit sein ganz persönliches dynamisches Duo, das allerdings eher aus Robin (Dalton) und einer Batman/Alfred-Mutation (Booth) besteht. Beide Protagonisten sind übrigens die einzigen Figuren, die eine gewisse Entwicklung durchmachen – wo wir nun bei den Kritikpunkten des überaus unterhaltsamen Films angekommen wären.

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Tarantino – eigentlich ein Garant für die Kreation und Besetzung überragender Nebenrollen – enttäuscht hier erstmals mit einer recht blassen Bevölkerung seiner Fantasiewelt abseits von Dalton und Booth. Selbst Margot Robbies Sharon Tate, die mit ihrer Screentime an dritter Stelle stehen dürfte, wirkt eher wie ein hübsches Requisit als wie eine sorgfältig ausgearbeitete Figur. Geschweige denn wie ihr reales Vorbild. Während der bereits erwähnte Mike Moh als Bruce Lee in einer für den Verlauf der Geschichte recht überflüssigen Szene zumindest nachhaltig begeistern kann, vergisst man namhafte Gesichter wie Al Pacino, Kurt Russell oder Timothy Olyphant als „Lancer“-Star James Stacy leider schnell nach ihren amüsanten Auftritten wieder. Man könnte es so zusammenfassen, dass „Once Upon a Time in Hollywood“ eine wunderschön fotografierte und mit Auge zum Detail inszenierte Liebeserklärung geworden ist, welche 160 Minuten bemerkenswert schnell verfliegen lässt, sich aber gleichzeitig als Tarantinos erzählerisch flüchtigste Leistung entpuppt. Recht abrupt springt die Handlung hin und her – mal gibt es Dalton am Set, Booth mit nacktem Oberkörper auf dem Dach, Tate im Kino oder eine Party in der Playboy-Villa; dann wieder Interview-Ausschnitte, Rückblenden, Trailer (im Abspann gibt es mehr zur Tarantino-Eigenmarke Red Apple) oder einen Zeitsprung mit Off-Kommentar. Das alles macht Spaß, keine Frage. Doch abgesehen von einer intensiven Szene, in der Booth die Spahn-Ranch inspiziert, und dem garantiert polarisierenden Over-the-Top-Finale, dessen böse Gewalteruption selbst Gaspar Noé stolz machen würde, driftet das Werk ohne besondere Ereignisse von einer Station zur nächsten. Wer mehr als die pure Unterhaltung aus dem Kino mitnehmen möchte, dem bleibt die zarte Message, dass die Magie der Filme sogar die Geschichte zu verändern vermag.

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„Once Upon a Time in Hollywood“ ist sicher eine Platte, die man gern wieder auflegt. Nur handelt es sich hier halt nicht um ein homogenes Album, sondern um eine zum Feiern und Mitsingen zusammengestellte Greatest-Hits-Compilation. Dafür muss man sich nicht schämen.


Trailer