Bring Her Back (2025) Kritik

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Bring Her Back, AUS 2025 • 106 Min • Regie: Danny Philippou, Michael Philippou • Drehbuch: Danny Philippou, Bill Hinzman • Mit: Sally Hawkins, Billy Barratt, Sora Wong, Jonah Wren Phillips, Sally-Anne Upton • Kamera: Aaron McLisky • Musik: Cornel Wilczek • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Sony Pictures • Kinostart: 14.08.2025 • Deutsche Website

Das Thema „Trauer“ nimmt häufig einen zentralen Platz im Horrorgenre ein. Der Verlust von geliebten Angehörigen setzt viele Schaudergeschichten überhaupt erst in Gang. Literarische Beispiele sind etwa William Wymark Jacobs' Kurzerzählung „Die Affenpfote“ oder Stephen Kings Kultroman „Friedhof der Kuscheltiere“. Im Kino hat Ari Aster mit „Hereditary“ auf meisterhafte Weise den inneren Tumult nach einer Familientragödie mit einer dämonischen Verschwörung verwoben und jüngst hat auch Body-Horror-Urgestein David Cronenberg in seinem Techno-Thriller „The Shrouds“ die Thematik sehr eigenwillig aufgegriffen.

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In ihrem Überraschungshit „Talk to Me“ haben die australischen Zwillingsbrüder Danny und Michael Philippou (durch ihren Youtube-Kanal besser als RackaRacka bekannt) bereits ihre Heldin Mia ein morbides Artefakt nutzen lassen, damit diese noch einmal mit ihrer verstobenen Mutter in Kontakt treten konnte. Wie so oft, nahm auch diese Geschichte kein gutes Ende. Im Nachfolger „Bring Her Back“ bleiben die hyperaktiven Jungregisseure der Trauerverarbeitung treu, drehen den schrillen und wilden Ton ihres Debüts aber spürbar zurück und präsentieren einen reichlich klaustrophobischen Schocker. Wer „Talk to Me“ vor allem für die ungezügelte Energie geliebt hat, könnte von dem vergleichsweise schleichenden Aufbau der neuen Arbeit enttäuscht sein. Was ausdrücklich nicht bedeutet, dass darin der Horror zu kurz kommt. Im Gegenteil.

„Dies ist kein Kult“ teilt zu Beginn ein Schriftzug kryptisch mit, bevor wir in beunruhigenden Bildern Zeugen eines mysteriösen Rituals werden. Oder zumindest von etwas, das sehr stark wie ein Ritual anmutet. Nach diesem Auftakt lernen wir direkt die jungen Protagonisten des Films kennen. Die Stiefgeschwister Piper (Sora Wong) und Andy (Billy Barratt) finden ihren Vater tot in der Dusche auf, doch noch bevor der Schock sich gelegt hat und der Erzeuger unter der Erde ist, werden die beiden der Pflegemutter Laura (Sally Hawkins) zugewiesen. Zumindest bis Andy die baldige Volljährigkeit erreicht hat und dann selbst die Erziehungsberechtigung für die sehbehinderte Piper erhalten kann. Andy ist ein Troublemaker, doch das scheint nicht der eigentliche Grund zu sein, warum er der oberflächlich etwas zu herzlichen Laura spürbar ein Dorn im Auge ist.

Neben einer Katze und einem ausgestopften Hund beherbergt das neue, reichlich abgelegene Heim noch ein weiteres Kind: An dem stummen und intensiv starrenden Oliver (Jonah Wren Phillips) ist irgendetwas sehr sonderbar und unheimlich. Wenn er sich etwa den felinen Streuner schnappt und mit diesem aggressiv im leeren Gartenpool hantiert, kommt einem vielleicht eine Schreckensversion von Kuschelalien „Alf“ in den Sinn. Das Anwesen ist außerdem vollständig von einem Kalkkreis umgeben und wie wir bald erfahren, hat auch Laura vor nicht allzu langer Zeit einen schweren Verlust erlitten, als ihre blinde Tochter Cathy in besagtem Pool ertrunken ist. Unter der überfreundlichen Fassade scheint die Ziehmutter nicht nur mit ihren Nerven am Ende zu sein, auch kommt sie bisweilen reichlich creepy rüber. Etwa wenn sie Andy auf der Beerdigung auffordert, den Mund der väterlichen Leiche zu küssen, damit die Seele den Körper verlassen könne. Zusammen mit Oliver schaut Laura nachts Videos, die das Ritual vom Anfang zeigen. Dass hier so einiges nicht mit rechten Dingen vorgeht und sie in großer Gefahr schweben, wird Piper und Andy viel zu spät klar …

„Bring Her Back“ baut langsam aber stetig Unbehagen auf. So beginnen die Philippous ihre düstere Geschichte bei trügerischem Sonnenschein und lassen das Geschehen im Verlauf bei zunehmend tristem Regenwetter stattfinden. Wasser ist, ähnlich wie in der J-Horror-Reihe „Ringu“, das Element, das hier eine große Rolle spielt. Unangenehm wird es nicht nur draußen, auch die ständig beschlagenen Fensterscheiben erzeugen in dem isolierten und engen Haus ein zusätzliches Gefühl der Beklemmung. Piper kann nur Licht und Schatten wahrnehmen und in Bezug auf ihre Figur nutzen die Regisseure diese Einschränkung außerdem, um auch dem Publikum Details vorzuenthalten. Es gibt eine lebendige Party nach der Beerdigung von Pipers und Andys Vater, doch ansonsten bleibt das Werk in seiner ersten Hälfte – im Gegensatz zum hyperkinetischen „Talk to Me“ – weitgend ruhig und vertraut auf das insgesamt subtile aber durchgehend großartige Spiel des Hauptcasts.

Oscar-Nominee Sally Hawkins („The Shape of Water“) verleiht Laura eine undurchsichtige Mischung aus Wärme und Verzweiflung, in die zunehmend mehr Hinterhältigkeit und purer Wahnsinn fließen. Der britische Jungschauspieler Billy Barratt („Responsible Child“) zeigt Andy als nach außen stark auftretenden aber innerlich verletzlichen Teenager, der unter den gegebenen Umständen zu früh Erwachsen werden muss, während sich sein Co-Star Sora Wong als Piper nicht von ihrer Behinderung geschlagen gibt (die Newcomerin ist tatsächlich mit schwerer Mikrophthalmie zur Welt gekommen) und letztlich im Mittelpunkt der Handlung steht. Nicht unterschlagen sollte man den speziellen Part, den Jonah Wren Phillips als Oliver einnimmt – der viszerale Horrorfaktor wird weitgehend von seiner lauernden Performance bestimmt.

Dies ist kein Film, in dessen Verlauf viele weitere Figuren zur Story stoßen. Die Spannung zwischen Laura, Andy, Piper und Oliver schaukelt sich hoch, bis „Bring Her Back“ urplötzlich in einer expliziten Gewalteruption mündet, die den heftigen Vorgänger noch übersteigt. Der Film mutiert zwar nicht zum absoluten Blutbad, aber die gezeigten Verstümmelungen (insbesondere im Mundbereich) könnten einem zartbesaiteten Publikum zu viel sein. Und zugegeben: Einige dieser Szenen sind unnötig drastisch und einfach nur dazu da, um zu schockieren und zu ekeln. Schließlich war das australische Genrekino (oder besser: Ozploitation) selten zimperlich. Die geduldigen Gorehounds wird’s freuen.

Auch wenn den Philippou-Brüdern noch die inszenatorische Klasse eines Ari Asters fehlt und ihr Stoff nicht ganz so tief wie vermutlich gewünscht reicht, ist es ein mutiger Schritt, mit einem deutlich intimeren Nachfolger auf ein derart hippes und rastloses Erstwerk zu antworten. Während „Talk to Me“ mehr „Tanz der Teufel“ war, kommt „Bring Her Back“ mit seinem gothischen Ansatz dem bereits erwähnten „Friedhof der Kuscheltiere“ (und seinen Adaptionen) näher. Lediglich eine Prise pechschwarzem Humors hebt leicht die erdrückende Stimmung. Wer sich im Genre auskennt, wird vom Plot vermutlich nicht unglaublich überrascht werden (allein der Titel verrät genug). Das fällt jedoch schon aufgrund der starken Umsetzung und frischen Spins nicht wirklich negativ ins Gewicht – selten wird das Filmrad neu erfunden.

Eine Schwäche weist das Werk allerdings schon auf, nämlich wenn es um die Hintergründe des Grauens geht. Sicher ist es im Horror oft so, dass ungeklärte Details den Grusel noch steigern können, da das Unbekannte in den Köpfen des Publikums automatisch mit schlimmen Fantasien ausgefüllt wird. Hier bleibt man aber zum Teil – z.B. mit sowohl Inhalt als auch Ursprung der Videobänder – so abstrakt, dass die innere Logik bis zum Abspann nie richtig klar wird. Der Spannung schadet dieser Umstand nicht, doch bei der Rekapitulation bleiben Lücken.

„Bring Her Back“ ist ein würdiger, stimmungslastiger Nachfolger auf den Riesenerfolg „Talk to Me“. In Anbetracht der abschließenden Brachialität und bitteren Traurigkeit wird man den Kinosaal wohl eher niedergeschlagen verlassen – was für die Intensität des Films spricht. Selten war Abschiednehmen im Schauderkino so plastisch und grauenerregend. Die morbide-melancholische letzte Einstellung spukt noch immer in meinem Kopf herum.


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