Oscars 2019: Abschließende Analyse und Tipps

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Oscars 2019 Tipps

Links: John David Washington in BlacKkKlansman © 2018 Focus Features
Mitte: Yalitza Aparicio in Roma © 2018 Netflix
Rechts: Mahershala Ali in Green Book © 2018 Universal Pictures

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Die Stimmzettel sind ausgezählt und die Gewinner stehen fest. Heute Nacht werden in Los Angeles zum 91. Mal die Oscars verliehen – nach dem Kevin-Hart-Debakel erstmals seit über 30 Jahren ohne einen designierten Moderator. Wenn ich mir aber die teilweise zum Fremdschämen fürchterliche Moderation in den letzten zehn Jahren anschaue, ist das vielleicht auch gar nicht schlimm. Viele andere Veränderungen wollte die Academy zur Verleihung forcieren und dadurch den sinkenden Einschaltquoten entgegenwirken. Eine "Bester populärer Film"-Kategorie sollte eingeführt werden, vier Kategorien sollten während der Werbepausen verliehen werden und nur zwei der fünf nominierten Songs sollten auch aufgeführt werden. Die letzten beiden Maßnahmen sollten dazu dienen, die Laufzeit der Veranstaltung zu straffen. Als ob jemand, der bislang kein Interesse an den Oscars hatte, dadurch plötzlich einschaltet.

Erwartungsgemäß gab es bei allen diesen Veränderungen massiven Gegenwind innerhalb der Filmindustrie und die Academy hat nach und nach klein beigegeben. Im Großen und Ganzen wird also alles verlaufen wie immer. Wie jedes Jahr seit 2000 werde ich die Verleihung live mitverfolgen und hoffe auf einige Überraschungen. Die Chancen stehen ganz gut, denn in vielen wichtigen Kategorien ist das Rennen bis zum Schluss offen und unvorhersehbar geblieben. Natürlich gibt es auch klare Favoriten, die ihre Rede aus gutem Grund heute Nacht schon bereithalten dürfen, doch die Frage, welcher Film als der beste von 2018 gekürt werden wird, ist definitiv noch nicht so eindeutig beantwortet, wie sie es zu diesem Zeitpunkt vor einem Jahr war, als Shape of Water als klarer Favorit in die Nacht ging.

In der folgenden Analyse werfe ich einen kurzen Blick auf jede Kategorie und versuche mich mit meinen Tipps. Diese beruhen auf dem gesamten Verlauf der Oscar-Saison, einschließlich bewährter Prädiktoren wie der BAFTAs, der Golden Globes, aber vor allem der unterschiedlichen Auszeichnungen der Industrieverbände und -gewerkschaften, denn letztlich sind es auch zum Teil diese Leute, die bei den Oscars abstimmen. Was dieses Jahr jedoch noch weniger vorhersehbar macht als sonst, ist die Tatsache, dass die Academy vergangenes Jahr ihre Mitgliederzahl um knapp 1000 neue Filmschaffende ausgeweitet hat, um für größere Diversität zu sorgen. Dieser Ausweitung sind auch, so bin ich überzeugt, einige Überraschungen bei den Nominierungen zu verdanken, wie beispielsweise Pawel Pawlikowkis Nominierung als "Bester Regisseur" für Cold War.

Alle Nominierungen zum Vergleich findet Ihr hier.

Bester Film

Vertraut man den Statistiken, so gibt es jedes Jahr im Vorfeld schon Hinweise darauf, welche Filme in dieser Kategorie gut aufgestellt sind. Das Problem ist: Dieses Jahr ist kein Film ein klarer Favorit. Seit 1996 haben nur zwei Filme den "Bester Film"-Oscar gewonnen, ohne zuvor von der Schauspielergewerkschaft für ihr Ensemble nominiert worden zu sein – Braveheart und Shape of Water. Allerdings sind Black Panther, BlacKkKlansman und A Star Is Born die einzigen Nominees dieses Jahr, die von der Screen Actors Guild zuvor nominiert wurden, und keiner von ihnen hat im Vorfeld viele "Bester Film"-Preise abgeräumt. Roma ist der eindeutige Kritikerliebling. Der Film gewann den Hauptpreis der britischen Oscars (BAFTAs), den Critics' Choice Award, den Preis der Regiegewerkschaft DGA und den Regiepreis der Golden Globes. Doch Roma hat auch viele Handicaps. Es ist ein schwarzweißer, nicht-englischsprachiger Film, der von Netflix veröffentlicht wurde.

Wird die Academy mehrfach Geschichte schreiben , indem sie den Hauptpreis an Roma vergibt? Noch nie hat ein fremdsprachiger Film in der Kategorie gewonnen. Außerdem hat Netflix innerhalb der Industrie auch viele Gegner, da sie das traditionelle Kinogeschäft durch die Streaming-Plattform bedroht sehen und Netflix-Produktionen als TV-Filme betrachten. Ein weiteres Problem von Roma: Der Film wurde nicht für seinen Schnitt nominiert und diese Kategorie ist äußerst entscheidend beim "Bester Film"-Oscar. Birdman ist der einzige Film seit 1982, der ohne eine Schnitt-Nominierung gewonnen hat (aus offensichtlichen Gründen, wenn man den Film kennt). Das ist eine sehr aussagekräftige Statistik.

Andererseits stellt sich die Frage: Wenn nicht Roma, welcher Film dann? Vice, BlacKkKlansman und The Favourite sind die einzigen drei Filme, die bei den Oscars als Filme, für ihre Regie, ihre Drehbücher und ihren Schnitt nominiert sind. Doch Vice ist zu polarisierend und The Favourite konnte sich nicht einmal in seiner Heimat Großbritannien durchsetzen. BlacKkKlansman hat mich am ehesten die Chancen, baute jedoch während der Oscar-Saison wenig Hype auf. Green Book könnte Roma den Hauptpreis streitig machen. Der Film ist ein Crowd Pleaser, ein Kassenerfolg und gewann schon den "Bester Film"-Preis bei den Golden Globes und der Produzentengewerkschaft. Doch auch Green Book hat ein Problem – der Film wurde für seine Regie nicht nominiert. Zwar gab es durchaus schon "Bester Film"-Gewinner ohne eine Regie-Nominierung, wie zuletzt Argo vor sechs Jahren, doch es ist dennoch recht selten.

Letztlich wird sich Roma vermutlich durchsetzen, weil es keine Alternative mit viel Leidenschaft dahinter gibt. Zehn Oscarnominierungen für den Film, darunter die zwei überraschenden Nennungen für die Darstellerinnen aus dem Film, sprechen dafür, dass viele in der Academy hinter ihm stehen. Gerade die veränderte Zusammensetzung der Academy-Mitglieder wird vermutlich für Romas Sieg entscheidend sein.

Mein Tipp: Roma.

Beste Regie

Hier ist die Sache ganz klar. Von den Golden Globes über die Regiegewerkschaft bis zu den BAFTAs – Alfonso Cuarón hat für seinen zutiefst persönlichen Film jeden erdenklichen Preis abgeräumt und wird auch seinen zweiten Regie-Oscar (nach Gravity) holen. Damit wird der Regie-Oscar übrigens zum fünften Mal in sechs Jahren an einen mexikanischen Filmemacher gehen.

Mein Tipp: Alfonso Cuarón (Roma)

Bester Hauptdarsteller

Zu Beginn der Oscar-Saison schien es noch so, als könnte es Bradley Coopers Jahr mit A Star Is Born werden. Doch auch bei seiner vierten Nominierung wird der Schauspieler wohl leer ausgehen. Das Rennen ist zwischen Rami Malek für Bohemian Rhapsody und Christian Bale für Vice. Beide gewannen den Golden Globe. Bale wurde mit dem Critics' Choice Award ausgezeichnet, doch Malek gewann die deutlich wichtigeren Preise der Schauspielergewerkschaft und der BAFTAs. Letztlich ist Bohemian Rhapsody einfach ein deutlich erfolgreicherer und beliebterer Film als Vice und eine Auszeichnung für Malek wird in gewisser Hinsicht auch eine Ehrung von Freddie Mercury sein.

Mein Tipp: Rami Malek (Bohemian Rhapsody)

Beste Hauptdarstellerin

Auch in dieser Kategorie gab es vor einigen Monaten noch viel Hype um Lady Gagas erste Film-Hauptrolle und sie hat ohne Zweifel wunderbar gespielt. Doch Glenn Close hat sich nach und nach als Favoritin herauskristallisiert. Ihr Film Die Frau des Nobelpreisträgers ist zwar im Gegensatz zu den Filmen ihrer Konkurrentinnen nur in dieser einzigen Kategorie nominiert, doch worauf es letztlich ankommt ist, dass Glenn Close bereits sechsmal erfolglos für den Oscar nominiert war. Olivia Colman, die auch den Golden Globe gewonnen hat und mit Heimvorteil auch den BAFTA, könnte ihr den Preis streitig machen, doch die Academy möchte vermutlich nicht, dass Glenn Close zu einem weiblichen Peter O’Toole wird, der mit acht Nominierungen und keinem einzigen Sieg verstarb. Außerdem passt Die Frau des Nobelpreisträgers perfekt in die "Time’s Up"-Ära und Glenn Close hat sich mit ihren leidenschaftlichen Dankesreden viel Aufmerksamkeit verschafft.

Mein Tipp: Glenn Close (Die Frau des Nobelpreisträgers)

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