Wonder Woman 1984: Internationaler Kinostart vorgezogen, Parallelstart auf HBO Max und im Kino in den USA

© 2020 Warner Bros. Pictures

Quelle: Deadline

Warner, die letzte Bastion der Kinobetreiber, das einzige Studio, das während der Corona-Zeit gewagt hat, mit Tenet einen großen Blockbuster in die Kinos zu bringen und damit kommerziell leider gescheitert ist, wird seinen nächsten großen Film nicht noch einmal nach hinten verschieben. Wonder Woman 1984 wird entgegen den Erwartungen der letzten Wochen, in denen immer mehr Kinos weltweit und in Nordamerika angesichts steigender Infektionszahlen wieder geschlossen wurden, tatsächlich nächsten Monat erscheinen, und Konsumenten in den USA werden entscheiden können, wie sie ihn sehen wollen.

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In einer präzedenzlosen Strategie hat Warner angekündigt, den Film am 25. Dezember in den USA zeitgleich in den offenen Kinos und über den eigenen, noch blutjungen Streaming-Dienst HBO Max zu veröffentlichen – ohne jeglichen Aufpreis für die Abonnenten, im Gegensatz zu Disneys MulanVeröffentlichung. Allerdings wird der Film nicht unbegrenzt lange auf HBO Max für die Nutzer bereitstehen, sondern nur die ersten 30 Tage. Von Tag 31 bis Tag 60 wird er dann nur noch exklusiv im Kino zu sehen sein, und ab Tag 61 wird Warner ihn außerhalb von HBO Max zum digitalen kostenpflichtigen Verleih (Premium-Video-On-Demand) bereitstellen, ähnlich wie Universal es beispielsweise mit Trolls World Tour und The King of Staten Island tat. Im Prinzip ist es eine bunte experimentelle Mischung aus unterschiedlichen Strategien, die dieses Jahr Anwendung fanden.

Für die deutschen und anderen internationalen Fans hat die Entwicklung tatsächlich sogar etwas Positives. Der Parallelstart auf HBO Max und im Kino gilt nur für die USA. In anderen Ländern soll der Film bereits ab dem 16. Dezember regulär im Kino starten, also eine Woche früher als bislang geplant, insofern in den Ländern die Kinos offen sind. Damit soll vermutlich zumindest ein wenig vorgebeugt werden, dass sich hochwertige Raubkopien durch HBO Max weltweit vorher verbreiten. Wenn Deutschland die Kinos vor Mitte Dezember wiedereröffnet, dann müssen wir ab jetzt weniger als einen Monat auf die Rückkehr von Gal Gadot in ihrer Paraderolle als Diana Prince warten. In China, wo sich der Kinomarkt nach Corona nahezu komplett wieder erholt hat, hat das Sequel einen Kinostart am 25. Dezember bekommen. Der erste Teil spielte dort rund $91 Mio ein, sodass es ein sehr wichtiger Markt für die Fortsetzung bleibt.

Doch richten wir unseren Blick noch mal auf die USA, den bis zu diesem Jahr wichtigsten und größten Kinomarkt der Welt. Der erste Wonder Woman hat dort mehr als $410 Mio eingespielt und ist bis heute die kommerziell erfolgreichste DC-Verfilmung überhaupt. Nach der sehr positiven Mundpropaganda für den ersten Film hätte das Sequel unter normalen Umständen das Potenzial gehabt, den Erfolg seines Vorgängers zu wiederholen oder gar zu übertreffen. Es sollte einer der größten Filme des Jahres werden, und im Gegensatz zum unerprobten Tenet gab es hier ganz klare Erwartungshaltungen und Vorstellungen hinsichtlich der erhofften Einnahmen.

Doch die Umstände sind natürlich alles andere als normal. Monatelang haben Warner und Wonder-Woman-Regisseurin Patty Jenkins versichert, dass der Film auf jeden Fall einen richtigen Kinostart bekommen würde und dass ein verkürztes Fenster zwischen Kino- und Streaming-Veröffentlichung außer Frage sei. Doch in den letzten Wochen hat die Realität das Studio eingeholt und vor eine harte Wahl gestellt. Es musste entweder eine Verschiebung bis zum Sommer 2021 erfolgen, in eine ungewisse Zukunft, oder eben eine Variante, bei der der Film auf HBO Max erscheinen würde. Die endgültige Entscheidung kam von ganz oben, von Warners Mutterkonzern AT&T. Jason Kilar, der Präsident von WarnerMedia unter AT&T, gab in einer ausführlichen Pressemitteilung an, dass die Entscheidung einer parallelen Kinoveröffentlichung zugunsten der Kinos getroffen wurde, und ließ es so klingen, als sei diese Strategie eine Wohltat gegenüber den angeschlagenen Lichtspielhäusern.

Das Hauptziel ist aber natürlich, die Abonnentenzahl von HBO Max in die Höhe zu treiben, und das sollte Warner gelingen. Schließlich kostet der Dienst, der aktuell nur in den USA verfügbar ist, einen Monat im Abo vielerorts nicht mehr als ein einziges Kinoticket. Dazu bekommt man natürlich das komplette HBO-Max-Angebot und man kann den Film innerhalb der ersten 30 Tage beliebig häufig und mit beliebig vielen Leuten schauen. Das Abo wird sicher ein sehr beliebtes Weihnachtsgeschenk sein. Doch wird es ausreichen, um die hohen Kosten des Films zu decken und dafür zu kompensieren, was er theoretisch an Kinoeinnahmen verliert?

Die Frage ist natürlich, welche Kinoketten in den USA sich darauf einlassen werden, den Film trotzdem zu zeigen. Bislang galt die strenge Politik der großen Ketten, Filme, die zeitgleich im Stream erscheinen, nicht zu spielen. Universal änderte das Regelbuch zwar mit dem Abschluss eines Sondervertrags mit zwei Kinoketten, der die Kinos bei verkürztem Fenster zwischen Kino- und Streaming-Releases an den Streaming-Einnahmen beteiligt, doch das hier ist ein ganz anderes Kaliber. Industrie-Portal Deadline berichtet, dass Warner US-Kinos, die Wonder Woman 1984 zeigen werden, besonders günstige Konditionen anbieten wird. So soll der Anteil des Studios an den Kinoeinnahmen von 60% (wie beim ersten Film) auf 40-45% gesenkt werden. Ob das verlockend genug ist, oder ob sich Kinoketten aus Prinzip dagegen stemmen werden, werden wir sehen. Ich befürchte, dass es sich viele Kinos einfach nicht mehr leisten können, nein zu sagen. Nachdem Disney die Fox-Filme Free Guy und Tod auf dem Nil vom Startplan genommen hat, ist Wonder Woman 1984 der einzige Film nennenswerter Größe, der für dieses Jahr noch terminiert ist.

Es ist wirklich ein zweischneidiges Schwert, bei dem es vor allem um Schadensbegrenzung geht. Studios können es sich nicht leisten, unendlich lange auf ihren Blockbustern zu sitzen. Deswegen wandert auch Pixars Soul an Weihnachten zu Disney+. Warner hat zuvor Robert Zemeckis' Hexen Hexen direkt zu HBO Max in den USA geschickt und international in die Kinos, Aufgrund der Kinoschließungen kurz nach seinem Start landete der Fantasyfilm hierzulande nach nur einer Woche schon bei Sky.

Die Kinos verlieren in der Situation so oder so. Würde Warner den zweiten Wonder Woman bis zum Sommer verschieben, hätten sie wieder einmal kaum etwas zum Zeigen. So bekommen sie den Blockbusterkandidaten zwar im Dezember, aber eben mit dem großen HBO-Max-Haken, der viele potenzielle Zuschauer abgraben wird. Es wird spannend sein, zu sehen, wie erfolgreich Wonder Woman 1984 außerhalb von USA und Kanada werden wird. Der erste Film spielte international (also außerhalb Nordamerikas) rund $409 Mio ein. Tenet, der international erfolgreichste nicht-chinesische Film, der während Corona veröffentlicht wurde, zählt bislang fast $300 Mio an internationalen Einnahmen. Er lief seit August nahezu ohne direkte Konkurrenz, das wird bei Wonder Woman 1984 aber auch nicht anders sein.

Ich schätze, wir können dafür dankbar sein, dass der Film bei uns und in anderen Ländern ganz normal in die Kinos kommen wird, doch wenn die Kinos in den USA nach und nach untergehen, wird das auch weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft der gesamten Industrie und auf die Veröffentlichungsstrategie der Studios haben.

Werdet Ihr Euch Wonder Woman 1984 im Kino anschauen? Hättet Ihr es lieber gehabt, wenn er hierzulande ebenfalls parallel im Stream erhältlich wäre?

Hier noch mal der finale Trailer zu dem Film:

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