Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis (2014)

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Nightcrawler (2014) Filmkritik

Nightcrawler, USA 2014 • 119 Min • Regie: Dan Gilroy • Drehbuch: Dan Gilroy • Mit: Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Riz Ahmed, Bill Paxton, Ann Cusack, Kathleen York • Kamera: Robert Elswit • Musik: James Newton Howard • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Concorde Filmverleih GmbH • Kinostart: 13.11.2014 • Deutsche Website

Handlung

Lou Bloom (Jake Gyllenhaal) wohnt in Los Angeles in einem kleinen und unscheinbaren Apartment. Der junge und von sich selbst überzeugte Arbeitslose ist sich seiner Situation mehr als bewusst und auf der Suche nach einer Karriere, in der er Aufstiegschancen hat und sich verwirklichen kann, anstatt wie bisher nur dubiose Geschäfte mit geklauten Baustoffen zu machen. Als er eines Nachts auf der Fahrt nach Hause einen Autounfall beobachtet fällt ihm das Kamerateam ins Auge, welches vor Ort ist, um den Unfall zu filmen, und er glaubt seine Berufung gefunden zu haben: Er will auch ein „Nichtcrawler“ werden, jemand der Bilder von möglichst grausamen Tatorten an die Presse verkauft. Also besorgt sich Lou schnell eigenes Equipment um Übung im Filmen zu bekommen und macht sich auf die Suche nach den ersten guten Möglichkeiten, gute Bilder zu erhaschen. Es dauert nicht lang und seine Arbeit trägt die ersten Früchte. Doch Lou gibt sich keineswegs nur mit dem zufrieden, was ihm erlaubt ist und versucht mit immer fragwürdigeren Methoden an noch bessere Bilder heranzukommen.

Kritik

Nightcrawler (2014) Filmbild 1Mit seinem Regiedebüt Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis liefert uns Dan Gilroy eine interessante Charakterstudie eines modernen Psychopathen, der sich im Verlauf des Films zwar immer mehr der Sympathie der Zuschauer entzieht, einem gleichzeitig aber immer mehr Freude daran bereitet, ihn bei seinen Taten zu beobachten. So bekommen wir mit Lou Bloom einen jungen Mann zu sehen, der vor nichts zurückschreckt, um an sein Ziel zu gelangen und der sich wenig um die Bedürfnisse anderer Menschen schert, sondern egoistisch und streng auf die eigene Zukunft orientiert handelt. Dabei entgeht diese Darstellung einer antisozialen Persönlichkeit glücklicherweise den meisten gängigen Klischees und bildet somit ein bemerkenswertes Porträt eines kaltherzig arbeitsgetriebenen Individuums ab, welches an keiner Stelle unrealistisch erscheint, was das erschreckendste am ganzen Film bleibt: seine scheinbare Nähe zur Realität.

Ein großes Thema des Films ist der schmale Grad zwischen Gesetz und Legalität und der moralische Aspekt, der damit verbunden ist. So arbeiten jene „Nichtcrawler“ stets mit dem Risiko, Tatorte zu verunreinigen oder die Polizei auf andere Art und Weise zu behindern und somit selbst ins Visier der Beamten zu kommen. Auch Lou Bloom wird im Laufe des Films immer ehrgeiziger und riskanter in seinen Aktionen, um an besseres Bildmaterial zu gelangen. Dabei schwingt eine deutliche Sozialkritik mit, adressiert an die grausam authentisch dargestellten Arbeitsweisen des Medienkosmos und seine Mechanismen. Dabei erhalten wir einen tiefen Einblick, welcher nicht ohne nachfolgende Gedanken bleibt, sondern sich festkrallt und für jede Menge Gesprächsstoff nach dem Film sorgt.

Nightcrawler (2014) Filmbild 2Dafür ist auch Jake Gyllenhaals zweifelsohne bemerkenswerte Performance verantwortlich, die stark aus dem Thriller hervorsticht. Zwar zeigt er hier darstellungstechnisch sehr wenig Gefühle oder überhaupt menschliche Regungen, doch jagt einem allein sein Blick mit den hervortretenden Augen und der bleichen Gesichtsfarbe schon in so manchen Szenen einen Schauer ein. Gyllenhaal hat für die Rolle einiges an Gewicht verloren und das sieht man ihm deutlich an. So spielt er zwar im Grunde relativ glatt und regungslos, dennoch aber entsetzlich gut und das kommt vor allem in seinen Dialogen zum Vorschein. Überhaupt lebt Nightcrawler von seiner Gesprächsdichte und von einem Hauptcharakter, der einen denkwürdigen Satz nach dem anderen ablässt, keiner davon je kitschig oder gar klischeehaft, sondern beißend und real. Vor allem wie er jedem seiner Gesprächspartner so haushoch überlegen scheint, rückt seinen Charakter in ein so düsteres und doch anziehendes Licht, dass man dieser doch weitestgehend unsympathischen Figur schnell verfallen mag. Zum Beispiel ist es ein Riesenspaß zu sehen, wie Bloom immer wieder ein As aus dem Ärmel zaubert und Dinge ausspricht, die nur ungläubig keuchen lassen, während er die Aufregung gar nicht zu verstehen scheint.

Nicht nur von Gyllenhaals Schauspieltalent mag einem das Blut gefrieren. Der Film bewegt sich in einer fast durchgehend spannenden Spirale auf ein Ende zu, welches geradezu fesselnd ist. So schafft es Nightcrawler nicht unbedingt durchgehend den Zuschauer zu bannen, aber besitzt eben einige wirklich packenden Momente, in denen man einfach nicht wegsehen kann, sei es vor Entsetzen, was gerade geschieht, oder wegen der gut aufgebauten Dramatik des Films. Leider muss man dem Streifen eben genau hier aber auch ankreiden, dass der Schnitt wohl hätte besser sein können. So wirkt zwar keine Szene grundsätzlich deplatziert, doch insgesamt kommt Nightcrawler nicht ganz ohne ein paar Längen, vor allem im Mittelteil, aus.

Nightcrawler (2014) Filmbild 3Die Dialoge sind eigentlich das Beste am ganzen Film, aber auch entsprechend langatmig gestaltet und manchmal dann doch einfach nicht bewegt genug. Im Grunde macht Nightcrawler aus seinem Konzept schon fühlbar das Bestmögliche, so scheint es, aber eine gewisse Kürzung hätte ihm doch sicherlich nicht wehgetan und dem Film etwas mehr Schwung verliehen. Außerdem verläuft er insgesamt etwas zu vorhersehbar und ohne große Verblüffungen, sodass sich wenige Momente oder Szenen wirklich ins Filmgedächtnis eingravieren. Hier sind zu wenige Szenen vorhanden, die am Ende den Charakter des Streifens ausmachen und am Ende des Tages als außergewöhnlich erscheinen.

Doch das hält einen nicht davon ab, Nightcrawler und seine dreckig düstere Atmosphäre zu genießen. Eine milieuhafte und authentisch beängstigende Stimmung durchdringt den gesamten Film. Getragen von einer abgestimmten und doch an vielen Stellen irgendwie kantigen und schrägen Musik, wirkt die Stimmung nie normal oder gar stabil, sondern in vielerlei Hinsicht auch ausgesprochen einzigartig und auch wenn andere Filme, wie zum Beispiel Taxi Driver, noch deutlich tiefer in den Sumpf des Verbrechens einer Großstadt eintauchten, so wird die hier auf eine auffallend andere Weise getan, welche uns die Verbrechen der Stadt nicht unbedingt alle der Reihe nach vor die Nase hält, sondern uns zwingt, in diesen dunklen Abgrund hinabzublicken, der leider gar nicht so weit hergeholt scheint.

Fazit

Vielleicht lag es an zu hoher Erwartungshaltung nach dem sensationellen Trailer, dass der Film sie zwar durchaus erfüllen konnte, sie aber auch leider nicht übertroffen hat. Nichtsdestotrotz bleibt Gilroys erster Film im Regiestuhl ein sehr sehenswerter und spannungsgeladener Thriller mit satirischen Untertönen, der sicherlich auch einen hohen Wiederanschauungswert besitzt und mit einer der besten schauspielerischen Leistungen daherkommt, die man in der aktuellen Oscar-Saison zu Gesicht bekommen durfte.

Trailer