Es: Kapitel 2 (2019) Kritik

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Es Kapitel 2 (2019) Filmkritik

It: Chapter Two, USA/CA 2019 • 170 Min • Regie: Andy Muschietti • Mit: James McAvoy, Jessica Chastain, Bill Hader, Isaiah Mustafa, Jay Ryan, James Ransone, Bill Skarsgård, Sophia Lillis, Jaeden Martell • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 5.09.2019 • Deutsche Website

Handlung

Als Kinder stellten sich die sieben Freunde Bill, Beverly, Ben, Mike, Richie, Eddie und Stan gemeinsam einem gestaltwandelnden Monster in der Kanalisation ihrer Heimatstadt Derry. Nach ihrem augenscheinlichen Triumph legten sie einen Blutschwur ab, zurückzukehren und das Wesen endgültig zu vernichten, sollte es jemals wieder auftauchen. In den Jahren darauf verließen alle, bis auf Mike (Isaiah Mustafa), Derry und drifteten auseinander. 27 Jahre später führen die einstigen Verlierer tolle Karrieren, sind im Privatleben jedoch etwas weniger erfolgreich. Bill (James McAvoy) ist ein erfolgreicher Schriftsteller mit Eheproblemen; Beverly (Jessica Chastain) hat sich als Modedesignerin einen Namen gemacht, ist jedoch mit einem gewalttätigen Ehemann verheiratet; Richie (Bill Hader) ist ein Standup-Comedian mit ausverkauften Bühnenshows; Ben (Jay Ryan) wurde vom übergewichtigen Außenseiter zu einem gutaussehenden durchtrainierten Mann mit einem eigenen Architekturbüro; Eddie (James Ransone) arbeitet als Risikobewerter; Stan (Andy Bean) ist ein Buchhalter. Ihre Erinnerungen an jenen schicksalhaften Sommer 1989 und aneinander sind völlig verblasst, bis ein Anruf von Mike sie wachrüttelt. Der Clown Pennywise (Bill Skarsgård) ist wieder da und zieht eine blutige Schneise durch Derry! An ihren Schwur erinnert, kehren die Verlierer widerwillig in die Kleinstadt zurück, wo Mike als Bibliothekar die Geschichte des Monsters studierte und möglicherweise einen Weg fand, es ein für alle Mal zu besiegen. Dazu müssen sie erst ihre Erinnerungen wiedererlangen und ihre Freundschaftsbande wieder aufleben lassen. Denn nur gemeinsam sind sie stark.

Kritik

Eine Verfilmung von Stephen Kings möglicherweise berühmtestem Roman "Es", der (gemeinsam mit seiner Miniserienadaption von 1990) massenhafte Coulrophobie in einer ganzen Generation von Kindern und Jugendlichen auslöste, konnte nie ein leichtes Unterfangen werden. Mit über 1000 Seiten, mehreren Hauptfiguren, einer komplexen Mythologie und zwei ineinander verwobenen Zeitsträngen, die 27 Jahre auseinanderliegen, ist er eine Herausforderung an jeden Drehbuchautor. Es ist nicht ohne Grund, dass die erste Adaption ein TV-Zweiteiler wurde. Auch der ursprüngliche Regisseur und Autor der Kinofassung, Cary Joji Fukunaga, entschied sich für eine Aufteilung in zwei Filme. Fukunaga ging nach unüberbrückbaren kreativen Differenzen mit Warner Bros., seine Idee wurde jedoch beibehalten und vom Regisseur Andy Muschietti und Autor Gary Dauberman umgesetzt. Die natürliche Aufteilung bot sich durch die zwei Timelines im Roman an. Während der erste Film einzig und alleine den Kindern bei ihrem Kampf gegen Pennywise folgte, konzentriert sich Es: Kapitel 2 auf die erwachsenen Verlierer 27 Jahre später. Dabei nähert sich der zweite Film der Erzählstruktur des Romans mehr an, indem er die gegenwärtige Handlung mit den Flashbacks verbindet.

Es Kapitel 2 (2019) Filmbild 1Insofern ist Kapitel 2 einerseits keine klassische Fortsetzung, sondern vielmehr eine organische Fortführung und der Abschluss einer sehr ambitionierten Adaption eines Monumentalwerks der Horrorliteratur. Andererseits folgt der Film aber auch dem typischen Sequel-Motto Hollywoods: größer, länger, härter. Schaut man sich viele Horrorklassiker an, dann merkt man, dass sich gerade in dem Genre der Ansatz "weniger ist mehr" bewährt hat. Andy Muschietti hält offenbar nicht viel davon. Bei ihm heißt es: "Viel, viel mehr ist mehr." Nach dem durchschlagenden Kassenerfolg des ersten Films erhielt er ein deutlich größeres Budget für das zweite Kapitel und das lässt er die Zuschauer nie vergessen, indem er ein Tsunami an groß angelegten Monster- und Horroreffekten auf der Leinwand entfesselt. Seine Vorliebe dafür, das Grauen in all seiner ekelerregenden Schaurigkeit explizit zu zeigen, merkte man bereits seinem Debüt Mama und dem ersten Es an, doch in Es: Kapitel 2 darf er sich wirklich nach Herzenslust austoben. Er flutet die Leinwand buchstäblichen mit Blut, lässt Pennywise alle möglichen, zum Teil überdimensionalen Formen annehmen (auch der berühmt-berüchtigten Spinne wird Tribut gezollt) und schafft einige bemerkenswerte Szenen, allen voran in einem Spiegelkabinett auf dem Jahrmarkt des Horrors. Die Gruselmomente sind noch böser und zuweilen auch deutlich härter als im ersten Film, doch nach einer Weile wirkt die Effekthascherei auch ein wenig redundant und ermüdend, und man sehnt sich nach Grusel und Atmosphäre, die unter die Haut geht. Diese lässt der Film leider zugunsten der teuersten Geisterbahn der Filmgeschichte vermissen.

Es Kapitel 2 (2019) Filmbild 2Auf eine gewisse Weise ist der Film gerade in dieser Hinsicht einzigartig, denn er beantwortet die Frage, wie ein Horrorfilm aussehen würde, wenn die Macher ein riesengroßes Budget und kaum Einschränkungen auferlegt bekommen. Stellt Euch einen Nightmare-on-Elm-Street-Film vor, wenn sein Regisseur ein Blockbuster-Budget für die Umsetzung von Freddy Kruegers Albtraumszenarien hätte. An Wes Cravens Traum-Killer erinnern die Auswüchse des Pennywise-Horrors am meisten, denn auch der Clown konfrontiert seine Opfer mit ihren größten Ängsten und Unsicherheiten, und ernährt sich von deren Angst, bevor er sie umbringt.

Die Zweiteilung der Verfilmung war wahrscheinlich der einzige sinnvolle Weg einer Umsetzung für die Leinwand, bringt aber auch einen Nachteil für den zweiten Film mit sich. Die Coming-of-Age-Geschichte der Kinder ist inhärent interessanter und für viele Zuschauer nachempfindbarer als die Geschichte der Erwachsenen. Das war schon in der Romanvorlage der Fall. Filme wie Die Goonies und Stand By Me, oder auch die von ihnen aber auch von Stephen Kings inspirierte Netflix-Serie "Stranger Things" erfreuen sich anhaltender Beliebtheit und eines Kultstatus, weil die Zuschauer sich dadurch in die eigene Kindheit zurückversetzt fühlen, eine Zeit unkomplizierter Freundschaften, Abenteuer und Herausforderungen des echten Lebens, die man gemeinsam bewältigte und an denen man wuchs. Seit jeher finden diese Geschichten großen Anklang. Es: Kapitel 2 bringt zwar die jungen Darsteller des Vorgängerfilms in clever eingebundenen Flashbacks zurück, sie spielen jedoch eine deutlich untergeordnete Rolle. War der erste Film nur vordergründig Horror, funktionierte jedoch noch besser als Coming-Of-Age-Drama, beschäftigt sich das zweite Kapitel mit Traumabewältigung und -aufarbeitung, tendiert aber dabei noch mehr zum echten Genrekino. Das wird sicherlich die Zuschauer freuen, denen Kapitel 1 zu zahm war. Der neue Film ist in jeder Hinsicht erwachsener, fieser und härter, lässt jedoch die verträumte Magie von Teil 1 schmerzlich vermissen.

Es Kapitel 2 (2019) Filmbild 3Immerhin sind die Hauptrollen der erwachsenen Verlierer extrem passend besetzt. Bei jedem der Darsteller kauft man sofort ab, dass sie die erwachsene Version ihres jeweiligen Charakters sind. Das wird erst recht durch die Rückblenden verdeutlicht, die jede Figur einzeln erlebt. James McAvoy (X-Men) und Jessica Chastain (Interstellar) sind natürlich die ganz großen Stars im Cast, doch die wirklich herausragende und in einer fairen Welt Oscar-würdige Darbietung liefert hier Bill Hader ("Barry") als Richie ab. Er ist der vielschichtigste Charakter des Films, der die größte Entwicklung durchmacht. Er sorgt einerseits für die heiteren Momente des Films, aber auch für seine emotionalsten. Seine Chemie mit James Ransone (Sinister) als Eddie, die möglicherweise über reine Freundschaftsgefühle hinausgeht, ist spürbar. Jessica Chastain, die bereits in Muschiettis Mama mitgespielt hat, hat auch einige sehr kraftvolle Momente, die sich in Bevs Vorgeschichte und Sophia Lillis' brillante Performance im letzten Film gut einfügen. Dafür schwankt die Performance des in der Regel sehr zuverlässigen James McAvoy als Bill etwas gewöhnungsbedürftig zwischen teilnahmslos und manisch, sodass ich als ein Kind in dem Film, das er vor Pennywise zu beschützen versucht, vor ihm noch deutlich mehr Angst gehabt hätte. Dass sein Charakter, der natürlich stellvertretend für King selbst steht, ein Schriftsteller ist, der oft Schwierigkeiten mit den Enden seiner Romane hat, ist eine nette Meta-Note, die jedoch spätestens durch ein Cameo mit Vorschlaghammer ausgereizt wird.

Es Kapitel 2 (2019) Filmbild 4Erfreulich ist, dass Bill Skarsgård in dem Film als Pennywise mehr Screentime und vor allem noch mehr Spaß in der Rolle hat. Dagegen fühlt sich sein Auftritt im ersten Film fast schon zaghaft und zurückhaltend an. Hier darf der Clown herrlich ausgelassen böse sein, wenn er mit den Verlierern spielt, sie verhöhnt und heimsucht. Der erste Kampf hat nicht nur ihnen seine Spuren hinterlassen, sondern auch bei Pennywise, der die Sache sehr persönlich nimmt. Skarsgård schafft gekonnt den Spagat zwischen furchterregend, verspielt, schwarzhumorig und, wenn die Geschichte es verlangt, verängstigt.

Es Kapitel 2 (2019) Filmbild 5Mit knapp 170 Minuten gehört Es: Kapitel 2 zu den längsten Horrorfilmen aller Zeiten und die Laufzeit macht sich gerade im letzten Akt leider bemerkbar. Die Vorlage ist natürlich sehr umfangreich, und das Duo Muschietti/Dauberman versucht, ihr möglichst gerecht zu werden. Ein Film wie dieser kann seine epische Länge durchaus rechtfertigen, es hapert allerdings an dem Flow und der Verteilung des Tempos. Zwar wird es zu keinem Zeitpunkt langweilig, weil der Regisseur in regelmäßigen Abständen in das Gruselkabinett einlädt und die Schauereffekte herabprasseln lässt, doch zugleich zieht sich der knapp einstündige Showdown und zerrt am Geduldsfaden. Viel lieber hätte ich mehr Zeit mit den Verlierern zusammen verbracht, deren bester Moment das Wiedertreffen im chinesischen Restaurant ist. In dieser Szene entfaltet sich die Dynamik der Gruppe, indem alte Freundschaften wie aus einem lange vergessenen Traum wieder erwachen. Leider schickt der Film die Charaktere danach getrennter Wege und bringt sie erst richtig zum überlangen Finale wieder zusammen, das jedoch mehr mit Effekten als mit den Figuren beschäftigt ist. Kurios ist dabei, dass der Film sich zwar als zu lang anfühlt, man zugleich aber auch merkt, dass hier und da etwas fehlt und die Übergänge manchmal holprig sind. So erhalten wir beispielsweise anfangs kurze Einblicke in die privaten Probleme von Bill und Beverly, diese werden jedoch nie wieder aufgegriffen. Vielleicht wird die von Muschietti versprochene Langfassung bzw. der Supercut der beiden Kapitel für das optimale Tempo sorgen.

Fazit

Größer, böser, härter und ambitionierter: Getreu diesem bewährten Sequels-Credo bringt Es: Kapitel 2 die Adaption von Stephen Kings Horrorepos zu einem zufriedenstellenden Abschluss. Doch auch mit einem sichtlich größeren Budget, ausgefallenen Effekten und einem namhaften Cast, aus dem Bill Hader mit einer fantastischen, vielschichtigen Performance herausragt, reicht der Film nicht ganz an seinen magisch verträumten Vorgänger und dessen Sensibilität heran. Insbesondere im letzten Akt seiner fordernden 170-minütigen Laufzeit schleichen sich spürbare Längen ein.

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