Interstellar, USA/GB 2014 • 170 Min • Regie: Christopher Nolan • Drehbuch: Jonathan Nolan, Christopher Nolan • Mit: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica Chastain, Ellen Burstyn, Michael Caine, Wes Bentley, Casey Affleck, Bill Irwin • Kamera: Hoyte Van Hoytema • Musik: Hans Zimmer • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: Warner Bros. • Kinostart: 06.11.2014 • Deutsche Website
Mit sowohl schwerstem Erwartungsdruck auf den Schultern als auch vermeintlich wenig Luft nach oben wagt Christopher Nolan, seines Zeichens Regisseur des meisterhaft-futuristischen Heist-Thrillers „Inception“ (2010), Schöpfer der Dark Knight-Trilogie (2005 bis 2012) und aktuell wohl gefragtester Magier in der Traumfabrik Hollywood, mit seinem neuesten Werk „Interstellar“ einen mutigen Kraftsprung aus seiner paradoxen Situation hinauf zu den Sternen. „Wir finden einen Weg. Wir haben immer einen gefunden.“ – diesem Credo folgt also nicht nur der Astronaut Cooper in der Geschichte, sondern auch Nolan selbst will hier einen Pfad beschreiten, der ihn von seinem bisherigen, sowohl kommerziell erfolgreichen wie auch hervorragend rezipierten Schaffen als Filmpionier noch weiter nach vorn treibt. Dabei nimmt er es sogar in Kauf dass er mit dem rund 170 Millionen Dollar teuren Epos sein Publikum stark polarisieren könnte. Mit Stanley Kubricks Klassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968) als großem Vorbild mutet „Interstellar“ nur während seiner sorgfältigen, emotional geladenen Exposition wie ein Steven Spielberg-Film aus der goldenen Ära der Blockbuster an und stellt sonst das vielleicht sperrigste – aber zugleich auch ambitionierteste – Output des ehemaligen britischen Geheimtipps dar. Aber erstmal langsam.
In der nahen Zukunft ist unser Planet hoffnungslos verloren. Die Nahrungsquellen gehen dem Ende zu und unheilvolle Stürme begraben Natur und Mensch unter Massen von Dreck. Auch der verwittwete Farmer und frühere Shuttle-Pilot Cooper (dargestellt von Oscarpreisträger Matthew McConaughey, „Dallas Buyers Club“) muss mitansehen wie um ihn herum alles vor die Hunde geht und für seine zwei Kinder kaum eine andere Zukunft besteht als in seine wenig vielversprechenden Fußstapfen zu treten – bis seine aufgeweckte Tochter Murph (Mackenzie Foy) beginnt, durch mysteriöse Vorfälle in ihrem Zimmer Zeichen zu deuten und ihren zunächst skeptischen Vater mit ihren Beobachtungen anzustecken. Zusammen kommen die beiden so einem streng geheimen NASA-Projekt auf die Spur, welches sich kein niedrigeres Ziel gesteckt hat, als entfernte Galaxien nach neuen Lebensräumen für die gefährdete Menschheit zu erkunden. Cooper wird daraufhin von dem Wissenschaftler Professor Brand (Nolan-Regular Michael Caine) gebeten, die riskante Mission anzuführen und dafür seine bereits zerrissene Familie auf unbegrenzte Zeit zu verlassen …
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Der weitere Verlauf des knapp dreistündigen Science Fiction-Abenteuers dehnt das Familiendrama im Kern weiter aus und verbindet die Schicksale der Charaktere, die aus der Crew an Bord des Raumschiffs und den verbliebenden Angehörigen auf der Erde bestehen, auf eine innovative Weise, die Raum und Zeit trotzt. Erst der Flug durch ein scheinbar künstlich erschaffenes Wurmloch versetzt die Forscher in die Lage, ihr Ziel zu erreichen. Allerdings auf Kosten eines rapiden Zeitdrucks bei der Expedition: Während für die Besatzung bei der Erkundung der Welten nur Minuten vergehen, verstreichen auf der Heimat Jahre und Jahrzehnte und Leben neigen sich dem Ende zu. „Interstellar“ schöpft seine Kraft zum einen aus den majestätischen Bildern (dieses Mal nicht von Nolans gewohntem Hauskameramann Wally Pfister sondern von „Dame König As Spion“-DP Hoyte Van Hoytema), einem prominenten Cast aus nicht weniger als fünf Oscarpreisträgern sowie zwei Nominees (neben McConaughey gehen die tragendsten Rollen an „The Dark Knight Rises“-Catwoman Anne Hathaway als Brands Tochter und „Zero Dark Thirty“-Star Jessica Chastain in der Rolle der erwachsenen Murph) und einer emotionalen Erdung der Handlung. Zum anderen ist es aber natürlich genau der aufregende Plot, dessen Verlauf einen im Gegensatz zu den wohl meisten aktuellen Großproduktionen wirklich ins Ungewisse wirft, der Abenteuerlust und Aufbruchsstimmung auf die Zuschauer überträgt. Nicht umsonst hat Christopher Nolan seinem Team vor Beginn der Dreharbeiten Philip Kaufmans grandiose Pionierballade „Der Stoff aus dem die Helden sind“ (1983) vorgeführt – neben „2001 – Odyssee im Weltraum“ ein weiteres Werk, das sehr deutlich zu „Interstellar“ inspiriert hat.
Thematisch erinnert der Film außerdem sowohl an Danny Boyles Himmelfahrtskommando „Sunshine“ (2007) als auch an Ridley Scotts loses „Alien“-Prequel „Prometheus – Dunkle Zeichen“ (2012), nur dass Nolan im Gegensatz zu den genannten Werken nicht zum Ende hin die Luft ausgeht und zusammengesetzte Genreklischees als Höhepunkt bemüht werden müssen. „Interstellar“ ist ein Original aus einem Guss, trotz der angeführten Referenzen. Mit Sicherheit benötigt man hier für das Verständnis von Wurmlöchern, Schwarzen Löchern und Dimensionen keine physikalischen Vorkenntnisse, denn der Regisseur nimmt sein Publikum, wie schon bereits bei seinem verschachtelten „Inception“, an den Händen und führt es relativ sicher durch sein intelligentes Konstrukt. Im Vergleich zu dem genannten Karriere-Meilenstein vermag seine bis dato größte Vision jedoch einen Deut weniger zu fesseln. Die Ursache dafür liegt in winzigen Details. Beispielsweise in dem diesmal eher subtilen Hans Zimmer-Score, der bei den Vorgängern sonst gleichberechtigt die atemberaubenden Aufnahmen unterstrichen und so für einen noch massiveren Effekt gesorgt hat. Auch wirken einige Figuren, wie Coopers Sohn Tom (Casey Affleck) oder Crewmitglied Rom (David Gyasi), ein wenig zu karg gezeichnet als dass man einen echten Bezug zu ihnen aufbauen könnte. Gefühl ist reichlich vorhanden, wird aber auch zum Teil in kaltem Sci-Fi erdrückt. Wer sich übrigens ein reinrassiges Actionspektakel erster Güte erhofft hat liegt hier trotz sehr intensiver Spannungsspitzen doch daneben. Dies ist ein anspruchsvoller Blockbuster.
Ursprünglich als Projekt für Steven Spielberg konzipiert erweist sich der atemberaubend in Szene gesetzte „Interstellar“ als bisher vermutlich schönste Verbeugung vor dem verstorbenen Kino-Großmeister Kubrick und deutet zugleich einen selbstbewussten Richtungswechsel für Christopher Nolan an. Auch wenn das Werk manchmal raue Töne anschlägt kommt zum Ende hin doch wieder der versöhnliche Optimismus des Regisseurs zum Vorschein: „Ich denke an meine Familie und Millionen andere Familien“, heisst es in einer Szene – that´s the spirit. Wenn man die aktuellen Nachrichten verfolgt und ohnmächtig auf Seuchen, Kriege, Mord und Totschlag blickt, kann man auch erkennen warum das urgewaltige und inspirierende Abenteuer womöglich genau der richtige Film zum richtigen Zeitpunkt ist.
Interstellar, USA/GB 2014 • 170 Min • Regie: Christopher Nolan • Drehbuch: Jonathan Nolan, Christopher Nolan • Mit: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica Chastain, Ellen Burstyn, Michael Caine, Wes Bentley, Casey Affleck, Bill Irwin • Kamera: Hoyte Van Hoytema • Musik: Hans Zimmer •...Interstellar (2014)
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