Triple 9 (2016) Kritik

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Triple 9, USA 2016 • 115 Min • Regie: John Hillcoat • Drehbuch: Matt Cook • Mit: Casey Affleck, Kate Winslet, Woody Harrelson, Aaron Paul, Chiwetel Ejiofor, Anthony Mackie, Norman Reedus, Gal Gadot • Kamera: Nicolas Karakatsanis • Musik: Atticus Ross, Claudia Sarne, Leopold Ross, Bobby Krlic • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Wild Bunch Germany • Kinostart: 5.05.2016 • Website

Triple 9 (2016) Filmbild 1John Hillcoat interessiert sich für die Entwicklung von Zivilisationen. In seinem grimmigen Aussie-Western "The Proposition" (2005) betrachtete der Regisseur die Entstehung einer solchen, während er in der bedrückenden Cormac McCarthy-Adaption "The Road" (2009) die Endzeit heraufbeschwor. Seine jüngsten Arbeiten, das Prohibitions-Drama "Lawless" und aktuell "Triple 9", widmen sich Zeiträumen zwischen diesen zwei Zuständen. Es geht um Gesellschaften, in denen auf dem Papier zwar klare Regeln herrschen, die sich aber dennoch nicht sauber in weiss und schwarz oder gut und böse einteilen lassen. Die Schwarzbrenner-Brüder in „Lawless“ verstoßen selbstverständlich gegen bestehende Gesetze, stellen sich jedoch als moralisch gefestigter als der sadistische Deputy heraus. Auch in "Triple 9" liegen Chaos und Ordnung nah beieinander, wenn Cops für das Recht einstehen und zugleich schwere Straftaten begehen.

Triple 9 (2016) Filmbild 2Es ist der erste Einsatz für den Gesetzeshüter Chris Allen (Casey Affleck) in einem der gefährlichsten Bezirke Atlantas. Abgehackte Köpfe und ständige Bandenkriege stehen auf der Tagesordnung. Der idealistische Frischling wird dem mürrischen Marcus Belmont (Anthony Mackie) als Partner aufgedrückt – ohne dass Chris etwas von der sinistren Nebentätigkeit seines neuen Anleiters ahnt: Zusammen mit einer Gruppe weiterer Cops begeht Marcus im Auftrag der russischen Mafiabraut Irina Vlaslov (so hat man Oscar-Preisträgerin Kate Winslet noch nie gesehen) riskante Banküberfälle. Erst als der Crew als Ablenkungsmanöver bei einem besonders brenzligen Raubzug die Begehung eines "999" – in den USA der Code für einen Polizistenmord – vorschwebt, soll sich der korrupte Untergrund frontal mit den sauberen Dienstmarken kreuzen. Ein Opfer wird gefordert, und lediglich Polizeisergeant und Chris' Onkel Jeffrey Allen (Woody Harrelson) kommt dem teuflischen Plan auf die Schliche. Doch nicht nur die unbefleckten Cops geraten unter Feuer – auch zwischen dem organisierten Verbrechen und seinen Handlangern kommt es zu Spannungen mit tödlichen Folgen. Wem kann man noch vertrauen?

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Triple 9 (2016) Filmbild 3In nur knapp zweistündiger Laufzeit entwirft John Hillcoat hier ein bemerkenswert komplexes Gerüst, das nicht nur einen primären Crimeplot beinhaltet, sondern auch eine Vielzahl an Figuren mit zum Teil weitreichenden Beziehungskonstellationen vorstellt. So vollführt der von Oscar-Nominee Chiwetel Ejiofor verkörperte Kopf der kriminellen Cops sein schmutziges Handwerk nicht etwa, weil ihm die Mafia ein Vermögen anbietet, sondern weil er familiär an die Organisation gebunden ist und sich sein kleiner Sohn in deren Fängen befindet. Deshalb mag man als Zuschauer seine Entscheidungen zunächst noch nachvollziehen können, bis mit der Ausarbeitung des titelgebenden "999" eine abscheuliche Grenzüberschreitung stattfindet. Der Gesetzes-Kompass wird lediglich von Chris und dessen Onkel Jeffrey gehalten. Letzterer wirkt dann wie die abgewrackte und verbrauchte Version seines noch von frischem Tatendrang erfüllten Neffen – auch der aufrechte Weg fordert scheinbar seinen Tribut. Obwohl die toughe Action und nervenzerrende Spannung von Beginn an auf einem hohen Niveau gehalten werden, lässt sich Hillcoat genügend Zeit für eine soziale Bestandaufnahme der Charaktere und ein Kurzportrait des brutalen Milieus: Die Großstadt ist ein Dschungel, und wenn man an den falschen Ecken nicht vorsichtig ist, kann jeder Tag der letzte sein.

Triple 9 (2016) Filmbild 4"Triple 9" ist John Hillcoats bislang modernster Blick in die Abgründe unserer Gesellschaft. Der tatsächlich weitgehend unvorhersehbare und atmosphärisch dicht inszenierte Thriller mag zunächst wie ein Mix aus zwei Dekaden Genrekost anmuten. Doch irgendwo zwischen Michael Manns Heist-Epos "Heat" (1995), dem South-Central-Straßentrip "Training Day" (2001) und Martin Scorseses oscarprämierten Undercover-Thriller "Departed – Unter Feinden" (2006) findet der Regisseur die richtige Ballance und fügt der eigentlich altvertrauten Ballade von guten und schlechten Cops interessante Akzente hinzu. Seine Vision ist düster, dreckig und absolut kompromisslos. Für Erholung sorgen dagegen einige überraschend skurrile Zutaten (Stichwort: La Koscher Nostra), die den zynisch-brutalen Schlag in die Magengrube erträglicher machen. So ist "Triple 9" sicher keine x-beliebige Kost für den entspannten Actionabend, doch die Eintrittskarte lohnt sich. Auch wenn am Ende doch wieder etwas stoisch Standards abgehandelt werden.

Hillcoats Film ist ein besserer Crime-Reißer als beispielsweise Ben Afflecks zu glatter und zahmer "The Town" (2010): Er romantisiert seine Antihelden und deren Taten keinesfalls, sondern stellt sie als ambivalente Individuen mit gewaltbereitem Naturell heraus. Ohne zu den Größen des Genres aufsteigen zu können, macht der wuchtige und mit einem absolut hochkarätigen Cast aufwartende "Triple 9" vieles richtig. Ein intensives Gefühl von Bedrohung packt kräftig zu und hält einen bis zum Schluss im Schwitzkasten.


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