Miss Bala, MEX 2011 • 113 Min • Regie: Gerardo Naranjo • Mit: Stephanie Sigman, Juan Carlos Galván, Noé Hernández • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 18.10.2012 • Deutsche Website
Handlung
Das Leben im mexikanischen Tijuana ist nicht leicht, der Alltag wird häufig beherrscht von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Drogenbanden und der Polizei. Inmitten des Chaos versuchen die unbeteiligten Menschen ein normales Leben zu führen. So auch Laura Guerrero (Stephanie Sigman), deren sehnlichster Wunsch ist, am Schönheitswettbewerb Miss Baja California teilzunehmen. Doch durch einen verhängnisvollen Zufall, bei dem sie unfreiwillige Zeugin eines Massakers wird, gerät Laura in die Hände der Bande La Estrella. Ihr skrupelloser Anführer Lino (Noé Hernández) lässt Laura aber am Leben, denn er hat eine bessere Verwendung für sie. Sie wird als ein Geld- und Informationskurier zwischen Tijuana und den USA benutzt. Um ihre Tarnung zu perfektionieren, wird sie von Lino sogar in den Miss Baja California Contest eingeschleust. Völlig machtlos rutscht Laura unaufhaltsam in den Strudel aus Gewalt, Korruption und Verrat.
Kritik
Der Drogenkrieg in Mexiko hat seit 2006 über 45000 Menschenleben gefordert. Auch wenn der Großteil der Betroffenen Angehörige der Kartelle oder Bandenmitglieder sind, so sind es aber auch immer wieder unschuldige Zivilisten, die bloß zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Stephanie Sigmans Laura Guerrero ist eine davon. Wie eine Marionette wird sie von allen Seiten durch die Ereignisse des Films geführt, benutzt und dann zur Seite geworfen. Wer mit Laura eine schlagkräftige und souveräne Frau erwartet, die nach dem anfänglichen Schock das Schicksal in die eigene Hand nimmt, der wird enttäuscht sein. Dies bleibt wohl doch meist Hollywood-Filmen vorbehalten. Die Heldin hier ist völlig machtlos und hilflos gegen die Macht der Kriminalität, aber auch gegen die polizeiliche Gewalt. Sie bestimmt das Geschehen nicht, sondern wird dadurch bestimmt. Dabei entfaltet sich die größte Stärke des Films (was allerdings einige auch als einen Schwachpunkt werten können). Miss Bala ist eine Übung in restriktivem Blickwinken. Der Zuschauer erlebt alles nur aus der Sicht von Laura. Wir wissen nur das, was sie weiß und viel ist das nicht. Sobald Lauras Leben aus den Fugen gerät, erlebt der Zuschauer ihre Angst und ihre Verwirrung hautnah mit. Erst langsam setzt für Laura die Einsicht ein, was mit ihr geschieht und dass es keinen Ausweg gibt. Sie kann das Netz aus korrupten Machenschaften und Brutalität nicht durchblicken und der Zuschauer ebenso nicht. Am Ende bleiben ebenso viele Fragen offen, wie beantwortet. Viele Vorgänge und Motive bleiben dem Zuschauer unklar und offen für Interpretationen. Manch einer wird das sicherlich als ein Manko sehen, doch es ist lediglich die konsequente Folge des vom Anfang an eingeschlagenen Weges, den Zuschauer die Ereignisse durch Lauras Augen erleben zu lassen.
In ausgeblichene Farben getaucht, ist Miss Balas Atmosphäre stocknüchtern. Humor ist sehr spärlich und von der schwärzesten Art, aber auch überspitzte Actionszenen oder elaborierte dramatische Höhepunkte stehen hier nicht hoch im Kurs. Gewalt wird insgesamt sparsam, aber dann zugleich auch sehr effektvoll eingesetzt, insbesondere in einer Szene, in der sich La Estrella und die Polizei eine Schießerei liefern, auf die auch Steven Spielberg zu den Zeiten von Der Soldat James Ryan stolz gewesen wäre. Auch in diese Szene stolpert Laura plötzlich hinein, kann und will es kaum begreifen, während um sie herum aus Autos und Menschen Schweizer Käse gemacht wird. Dabei wird das Ganze als so banal dargestellt, dass es dem Zuschauer nicht schwer fällt, dies als Teil eines absurden Alltags zu akzeptieren. Auch, dass Laura durch die Staatsgewalt und den amerikanischen DEA nur marginal besser behandelt wird als von Lino und seinen Handlangern, präsentiert der Film glaubwürdig und zu keinem Zeitpunkt überzogen. Laura wird als das benutzt, was von ihr jeweils im Moment benötigt wird – mal als Sexspielzeug, mal als Kurier, mal als Schönheitskönigin.
Neue Einsichten in die Hoffnungslosigkeit des kriminellen Alltags in Mexiko verschafft uns der Regisseur Gerardo Naranjo nicht. Dass der Drogenkrieg schlimm ist, ihm viele Unbeteiligte zum Opfer fallen und es häufig schwer ist, die beiden Seiten (die des Staates und die der Kartelle) hinsichtlich der Skrupellosigkeit und der Brutalität zu unterscheiden – das wissen wir alle schon lange. Doch wenige Filme lassen die Seiten letztlich so nebensächlich erscheinen und stellen einzig und alleine das Schicksal einer anfangs völlig unbeteiligten Person in den Mittelpunkt des Films. Stephanie Sigmans eher passive Darbietung bietet nicht sehr viele Möglichkeiten zur Entfaltung. Nur in ihren Augen sieht man noch einen Funken Widerstand und Resilienz, der im Laufe des Films langsam erlischt. Durch die unauffällige und in sich gekehrte Performance bietet Sigman aber auch eine gute Projektionsfläche. Der Film basiert zwar lose auf der wahren Geschichte von Laura Zúñiga, Miss Sinaloa 2008, die mit diversen Gangmitgliedern bei einem Waffen- und Geldtransport erwischt wurde, doch Sigmans Laura ist mehr als nur ein Abbild von Zúñiga. Sie könnte Jedermann und Jedefrau in Mexiko sein, die von einem Moment auf den anderen alles verlieren können und völlig machtlos sind gegen die Ereignisse um sie herum. Sigman verkörpert die Hoffnungslosigkeit, der viele Menschen in Mexiko Tag für Tag ausgeliefert sind. Die neutrale Darstellung ihres Charakters und die nüchterne und fast teilnahmslose Art, mit der die Ereignisse in Szene gesetzt werden, machen dem Zuschauer eine direkte emotionale Reaktion nicht immer leicht. Viel eher setzt das Gefühl der emotionalen Betäubung ein, aber so ergeht es ja auch unserer Heldin.
Fazit
Miss Bala zeigt die Auswirkungen des Drogenkriegs in Mexiko auf die Durchschnittsbevölkerung. In ungeschönten Bildern verfolgen wir den graduellen Abstieg einer jungen Frau in die Hölle mit, bis es weh tut.
Trailer
Einen interessanten Überblick über den mexikanischen Drogenkrieg und das Land an sich bietet übrigens dieses sehr kreative britische Filmposter zu dem Film – eine Art "Mexiko für Anfänger"



Manche Menschen werden vom Morbiden scheinbar angezogen wie Motten vom Licht. Horrorschriftsteller wie Stephen King zum Beispiel. Oder wie Ellison Oswalt, der Protagonist in Scott Derricksons neuem Schocker „Sinister“. Oswalt (Ethan Hawke) verdient seinen Lebensunterhalt damit, Bücher über reale Verbrechen zu verfassen. Für die Recherchen reist er quer durch die USA – seine geplagte Kleinfamilie stets im Schlepptau. Den Erfolg seines Megasellers „Kentucky Blood“ hat er allerdings nie wiederholen können, weshalb sein nächstes Werk ein Hit werden und ihn zurück an die Spitze bringen muss. Die Materialsuche führt ihn nun in eine Kleinstadt in Pennsylvania, wo eine Familie von einem Unbekannten bestialisch hingerichtet worden ist. Nur die junge Tochter der Ermordeten ist bislang spurlos verschwunden. Der Schreiber verheimlicht seiner Frau Tracy (Juliet Rylance) die Wahrheit über ihr neues Domizil – es handelt sich dabei nämlich um den direkten Schauplatz der grausigen Tat. Mysteriöse Vorfälle ereignen sich schließlich im Haus und Oswalt entdeckt auf dem Dachboden eine Kiste, in welcher sich ein Super 8-Projektor mit diversen Filmen befindet. Die harmlosen Titel der Rollen täuschen: „Pool Party“ etwa dokumentiert nicht einen idyllischen Nachmittag, sondern zeigt die groteske Tötung einer weiteren Familie. Und so geht es weiter. Bei genauerer Betrachtung der Snuff-Filme macht der Autor dann eine unheimliche Entdeckung: Ein geisterhaftes Phantom, das sich im Hintergrund aller Aufnahmen zeigt …
„Sinister“, ein weiteres Output der erfolgreichen Genreschmiede Blumhouse Productions („Paranormal Activity“), besticht zunächst durch seine effektive, spukhafte Atmosphäre. Ein unangenehmes Gefühl der Klaustrophobie und Paranoia breitet sich aus, wenn der Vater hoffnungslos in seiner abgründigen Arbeit versinkt und das Grauen offenbar aus den Wänden und Bildschirmen auf ihn und seine Familie übergreift. Es sind nicht Blutfontänen oder teure Spezialeffekte, mit denen Regisseur Scott Derrickson („Der Exorzismus von Emily Rose“) seine Schaudermär ausfüttert, sondern ein Spiel mit Ängsten, die uns selbst innewohnen. Der Angst vor der Dunkelheit. Der Angst vor dem Unfassbaren. Der Angst um die eigene Familie. Der Angst vor dem Versagen. Und der Angst davor, von persönlichen Dämonen verschlungen zu werden. Getragen wird die Geschichte fast gänzlich von Ethan Hawke, der in seiner Rolle als nahezu besessener Ellison Oswalt dieses Mal auch seine dunkle Seite zeigen darf. Der Schreiber entpuppt sich nur auf den ersten Blick als perfektes Familienoberhaupt, denn unter der Oberfläche lauert ein unstillbarer Hunger auf das Verbotene, das ihm erneuten Ruhm bescheren soll.
Während der Film seine Zuschauer anfangs mit der Faszination seiner Hauptfigur förmlich ansteckt und so mitten in den immer seltsamer erscheinenden Fall hineinzieht, bricht er leider im weiteren Verlauf an diversen Stellen mit der dichten Spannung, wenn sich schließlich allzu offensichtliche Schreckmomente dazugesellen. Das fühlt sich dann manchmal wie ein bemühter Versuch an, einen originalen J-Horror im Stil von „The Ring“ oder „The Grudge“ made in USA zu starten. Diese Assoziation drängt sich erneut mit der arg in die Länge gezogenen, leider nicht so besonders überraschenden Auflösung des Mysteriums auf. Einen eher subtilen Grusel in der Tradition eines Roman Polanski oder William Friedkin sollte man hier keineswegs erwarten und auch der von James Wan inszenierte Kassenhit „

















