Köln führt Maskenpflicht am Sitzplatz in Kinos ein

Quelle: Kölnische Rundschau

Meine Güte. Es ist tatsächlich so weit, dass ich hier über Lokalpolitik berichte. Wer hätte das vor einem Jahr noch gedacht? Aber andererseits, wer hätte vor einem Jahr irgendwas von dem Irrsinn gedacht, der sich 2020 bislang abgespielt hat?

Nachdem die Corona-Infektionszahlen in Deutschlands viertgrößter Stadt Köln in den letzten Wochen einen besorgniserregenden Aufwärts-Verlauf genommen haben, wurde gestern die Indizienzahl von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner überschritten, woraufhin der Krisenstab der Stadt tagte und mehrere neue Maßnahmen beschlossen hat, um die Ausbreitung der Infektionen zu unterbinden. Viele davon sind definitiv sinnvoll, wie die Einschränkung von privaten Treffen auf 25 Personen sowie auf 50 Personen bei Feiern zu besonderen Anlässen. Mit diesen und diversen anderen Restriktionen werde ich mich an dieser Stelle nicht genauer befassen, sondern mit der einen neuen Regel, die uns thematisch betrifft.

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Der Krisenstab hat beschlossen, dass die Maskenpflicht ab jetzt auch am Sitzplatz während der gesamten Vorstellung im Kino gilt. Gleiches gilt auch für andere Kulturveranstaltungen wie Theater und Konzerte. Bislang war die Regel, dass man den Mund-Nasen-Schutz immer tragen musste, wenn man den Sitzplatz verlassen hat (also im Foyer, auf dem Weg zur Toilette usw.), nicht jedoch während der Vorführung am eigenen Platz. Dort sollten vielmehr die Abstände zwischen den Sitzplätzen sowie die genaue Erfassung der Kontaktdaten einschließlich Sitzplatz zur späteren Nachverfolgung greifen. Das ist der Stadt aber jetzt nicht mehr genug. Jetzt muss die Maske am Platz an bleiben. Wie die Website des Kölner Multiplex Cinedom schreibt, gilt diese Maßnahme erst einmal eine Woche lang. Sollte die Indizienzahl danach sinken, würde sie wiederrufen werden.

Popcorn, Nachos, Getränke und andere Kino-Snacks dürfen jedoch weiter verkauft und im Saal konsumiert werden. Danach muss man die Maske wieder aufsetzen. In vielen US-amerikanischen Kinos läuft es schon länger so.

Tja, so viel zu der faktischen Info. Da die neue Regel mehr als eine Million Menschen sowie mich persönlich als sehr häufigen Kinogänger in Köln betrifft, und ich darüber hinaus auch eine Plattform habe, auf der ich mich dazu äußern kann, nutze ich das auch.

Den Sinn und den wirklichen Nutzen dieser neuen Regel, insbesondere in den Kinos, muss ich an dieser Stelle doch hinterfragen. Es geht mir keineswegs darum, hier gegen Corona-Maßnahmen zu wettern und mich auf die Seite der Covidioten zu stellen. Sie sind mitverantwortlich dafür, dass wir alle die aktuelle Situation noch länger ausbaden dürfen, als es uns allen lieb ist, und Kinos wie Kinogänger Däumchen drehen dürfen, bis die großen Blockbuster irgendwann 2021 zurückkehren. Aber Maskenpflicht am Sitzplatz im Kino scheint mir weniger eine zielführende Maßnahme zu sein und mehr purer Aktionismus im Angesicht der Machtlosigkeit dort durchzugreifen, wo Infektionsherde wirklich entstehen.

Ich weiß, auf den ersten Blick scheint der Kinosaal der perfekte Ort zu sein, sich das Virus einzufangen. Man sitzt schließlich rund zwei Stunden (oder länger) mit vielen anderen fremden Menschen in einem geschlossenen Raum ohne Fenster. Doch die Wahrheit ist, dass viele, insbesondere moderne Kinos über sehr leistungsstarke Klima- bzw. Lüftungsanlagen in den Sälen verfügen, die die komplette Luft in dem Saal innerhalb von Minuten austauschen. Immer mehr Kinos setzen außerdem auf Hepa-Filter in ihren Lüftungen, die die überwältigende Mehrheit aller Viren aus der Luft filtern und sie inaktivieren.

Außerdem werden Viren natürlich neben Husten und Niesen vor allem beim Reden ausgestoßen, und auch wenn es natürlich immer wieder Leute gibt, die sich an die Kino-Etiquette nicht halten wollen, wird in einem Kinosaal doch deutlich weniger geredet (und besser belüftet) als in einem Restaurant oder einer Bar.

Und dann gibt es nach mehr als einem halben Jahr Pandemie schlicht und ergreifend Erfahrungswerte, und mehrere Untersuchungen fanden bislang keine nennenswerten Corona-Infektionscluster, die auf Kinovorstellungen zurückzuführen waren. Ich möchte damit nicht sagen, dass sich bei fast 35 Millionen Corona-Fällen weltweit noch niemand in einem Kino infiziert hat. Aber die großen Ausbrüche, über die man immer wieder nach Hochzeiten, Partys, Chorauftritten, Gottesdiensten oder in der Fleischverarbeitungsindustrie liest, gab es in den Kinos bislang nicht. Eine im Juni von chinesischen und japanischen Forschern durchgeführte Studie (hier) an 61 Corona-Clustern wies kein einziges Kino, Theater oder Opernhaus auf. Seitdem gab es im Juli in Tokio tatsächlich einen Corona-Ausbruch nach einer Theatervorstellung, weitere vergleichbare Cluster konnte ich bislang jedoch nicht finden.

Es sieht also nicht danach aus, als würde man die aktuelle Situation damit in den Griff kriegen, indem man die Leute an Sitzplatz Maske tragen lässt. Stattdessen werden die bereits angeschlagenen Kinos der Stadt ggf. weitere Besucher verlieren, denn nicht alle sind willens oder fühlen sich wohl damit, eine Maske stundenlang bei einem Freizeitvergnügen zu tragen. Es gibt viele Orte und Gelegenheiten, in denen ich Maskenpflicht für sinnvoll halte (darunter in allen Verkehrsmitteln), und eine Maske zu tragen ist bei richtigem Umgang weder gesundheitsschädlich, wie einige Spinner behaupten, noch ein enormer Umstand. Aber wirklich angenehm ist sie sicher nicht. Ich habe schon versuchsweise die Maske im Kino während des gesamten Films anbehalten. Ja, das geht, und nein, ich bin weder umgekippt noch hatte ich Luftnot. Aber den Filmgenuss und die Konzentration hat es trotzdem etwas eingeschränkt. Für Brillenträger (bzw. in 3D-Vorstellungen) gibt es zudem das Problem der beschlagenen Gläser.

Seit der Wiedereröffnung im Juni war ich inzwischen weit über 100 Mal im Kino – ohne mich unsicher oder unwohl zu fühlen – und ob mit Maskenpflicht am Platz oder ohne, werde ich weiter ins Kino gehen, solange es geht. Aber wenn ich die Maske am Platz tragen muss, werde ich vielleicht doch genauer abwägen, wie häufig ich hingehe. Für Leute, die nicht so kino- und filmverrückt sind wie ich, könnte dies aber eine echte Abschreckung sein. Und wofür?

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