Hitchcock (2012)

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Hitchcock, USA 2012 • 98 Min • Regie: Sacha Gervasi • Mit: Anthony Hopkins, Helen Mirren, Scarlett Johansson, Toni Collette, Danny Huston, Jessica Biel, James D’Arcy • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 14.03.2013Deutsche Website

Handlung

Es ist 1959 und der Meisterregisseur Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) feiert gerade mit Der unsichtbare Dritte erneut einen Riesenerfolg beim Publikum und den Kritikern. Dennoch beschäftigt den 60-jähirgen die Frage, gestellt durch einen Journalisten bei der Premiere seines neusten Films, ob er nach mehr als 35 Jahren im Geschäft nicht seinen Zenit erreicht hat. Auch wenn es hochkarätige Filmangebote nach Der unsichtbare Dritte nur hagelt (unter anderem die James-Bond-Verfilmung Casino Royale), kann sich Hitchcock für nichts begeistern. Der  „Meister des Suspense“ möchte nicht etwas Altbewährtes machen, sondern der Welt beweisen, dass noch mehr in ihm steckt und dass er nach all den Jahren immer noch überraschen und schockieren kann. Die Wahl für sein neustes Projekt fällt auf Robert Blochs gerade erschienenen Roman Psycho, dessen zentrale Figur dem Serienmörder Ed Gein nachempfunden ist. Die Studiobosse von Paramount zeigen sich von der reißerischen Geschichte wenig begeistert und auch bei der Zensurbehörde stößt das Projekt mit seinerzeit „ungeheuerlichen“ Darstellungen von Gewalt und Nacktheit auf großen Widerstand. Unterstützt in jeder Hinsicht von seiner Frau Alma (Helen Mirren), hält Hitchcock beharrlich an dem Film fest und riskiert schließlich alles, wenn er in die eigene Tasche greift, um den ihn zu finanzieren. Anfangs noch verständnisvoll und aufopfernd, kann Alma die Marotten ihres Ehemannes, seine Versessenheit auf diesen Film und seine Obsession mit den jungen blonden Darstellerinnen seiner Filme nicht mehr ertragen und flüchtet immer mehr in die gemeinsame Arbeit mit dem befreundeten Autor Whitfield Cook (Danny Huston). Doch dieser ist möglicherweise an mehr als nur Almas professioneller Unterstützung interessiert.

Kritik

Hitchcock Kritik 4Filmbiografien (im Hollywood-Jargon „Biopics“) sind seit jeher ein beliebtes Untergenre des historischen Films in Hollywood. Wenn man eine Filmgattung nennen könnte, die bei den Oscars generell die besten Chancen hat, so wären das Filme, die auf realen Persönlichkeiten basieren. Ganze 14 der letzten 40 Oscargewinner in den vier Schauspielkategorien spielten reale Menschen. Das Leben schreibt nun mal die besten Geschichten. Allerdings steht jeder Film, in dem eine reale Person einen zentralen Part einnimmt vor zwei großen Herausforderungen: wie verpackt man ein interessantes Leben in einem einzigen Film und kann der Zuschauer dazu gebracht werden, einem berühmten Schauspieler die Person abzukaufen, die sie spielt? Insbesondere der letzte Punkt ist heikel und entscheidet häufig darüber, ob der Film als Ganzes funktioniert. Bei Streifen wie A Beautiful Mind oder Kinsey, bei denen die breite Öffentlichkeit die dargestellten Personen nicht direkt vor dem inneren Auge parat hat und wenig über sie weiß, ist es deutlich weniger ein Problem. Auch bei historischen Figuren, die häufig nur auf bestimmte Merkmale reduziert werden (siehe Lincoln) ist es leichter, den Zuschauer zu überzeugen. Deutlich schwieriger gestaltet es sich, wenn es um eine berühmte Persönlichkeit handelt, die das Massenpublikum gut kennt – betreffend das Aussehen, die Sprache und die Manierismen. Einen Sonderfall stellt hier wiederum die Situation dar, in der Hollywoodstars andere Hollywoodstars darstellen sollen.

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Hitchcock Kritik 1Die erste Herausforderung umgeht Sacha Gervasis Hichcock, indem er sich trotz seines sehr „allgemeinen“ Titels nicht sonderlich ambitioniert gibt und statt des ganzen Lebens des Regiemeisters (was mit einem Film kaum denkbar wäre), sich nur auf einen sehr kurzen Abschnitt davon konzentriert. Basierend auf Stephen Rebellos Tatsachenbuch „Alfred Hitchcock and the Making of Psycho“ wäre dies auch der passendere Titel für den Film, marketingtechnisch jedoch weniger wirkungsvoll. Anstatt sich auf die Person Hitchcocks selbst zu konzentrieren und sich womöglich auf dünnes Eis zu begeben (schließlich ist Alfred Hitchcock bekanntermaßen ein komplexer Mensch gewesen), gibt man sich damit zufrieden, seinen Kampf um Psycho darzustellen und die Zuschauer daran zu erinnern, wie wichtig Alma Revilles Rolle in seinem Leben und seinen Werken war. Die Filmemacher machen es sich dadurch deutlich leichter, vermeiden mögliche Kontroversen oder gewagte Spekulationen und verlassen nie ein sicheres Terrain. Der Film wandert ständig auf dem dünnen Grat zwischen Drama und Komödie, mit ausreichend Elementen von beiden und dennoch nicht genug, um einem der beiden Genres wirklich gerecht zu werden. Diese Entscheidung macht Hitchcock zu einem federleichten Erlebnis und zugänglich für das Massenpublikum, zugleich aber auch einen Tick langweilig, weil man selten das Gefühl bekommt, hinter den (Dusch)Vorhang zu blicken.

Hitchcock Kritik 3Es ist aber die zweite Herausforderung eines Biopics, bei der sich der Film schwer tut. Mit Anthony Hopkins hat man bei Hitchcock einen Schauspieler an Bord, der mehr reale Persönlichkeiten in seiner Karriere gespielt hat als kaum ein anderer Mime. Adolf Hitler, Pablo Picasso, Richard Löwenherz, C.S. Lewis, Richard Nixon und Yitzhak Rabin – sie alle hat Hopkins bereits verkörpert und wird demnächst als Ernest Hemingway zu sehen sein. Den Dreh hat der Hannibal-Lecter-Darsteller also raus. Dennoch, wenn man Hitchcock im Film ansieht, sieht man nicht Alfred Hitchcock, sondern Anthony Hopkins in einem Fettanzug und mit einem künstlichen Doppelkinn. Das Problem ist hier einfach, dass Hitchcock selbst die Öffentlichkeit nie gescheut hat und sich selbst in den Median blendend vermarktet hat. Daher haben viele ein ziemlich deutliches Bild von ihm. Vor einem ähnlichen (wenn auch noch weitaus größeren) Problem stand vor einigen Jahren auch Josh Brolin mit seiner Verkörperung von George W. Bush in Oliver Stones W. Hopkins imitiert Hitchcocks Sprache, seine Bewegungen und einige seiner bekannten Eigenarten, doch er verschwindet nicht in seinem Charakter wie Daniel Day-Lewis es in Lincoln und Jamie Foxx es in Ray gelang. Es ist eine tolle Imitation, keine Frage, doch es bleibt eine Imitation. Ich bezweifle allerdings, dass ein anderer Schauspieler hier Besseres geleistet hätte.

Hitchcock Kritik 2Es klingt allerdings schwerwiegender als es sich eigentlich darstellt und ruiniert den Film mit Sicherheit nicht. Das liegt auch daran, dass Helen Mirren hier erneut eine Top-Leistung als Hitchcocks leidende Frau Alma Reville abliefert. Ein von Hitchcock überliefertes Zitat wird hier sehr zu Herzen genommen: Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich nur vier Menschen namentlich nennen, die mir die größte Zuneigung, Wertschätzung, Ermutigung und die ständige Bereitschaft, mit mir zusammenzuarbeiten, zuteilwerden ließen. Die erste dieser Personen ist eine Cutterin, die zweite eine Drehbuchautorin, die dritte ist die Mutter meiner Tochter Pat [Patricia Hitchcock] und die vierte eine grandiose Köchin wie eh und je, […]. Und all diese Personen heißen Alma Reville.“. Mirren und dem Drehbuch geling es, diese enorme Wichtigkeit, die Reville in Hitchcocks Leben einnahm, überzeugend rüberzubringen. Mirren hat natürlich den großen Vorteil, dass im Gegensatz zu Hitchcock die meisten kein klares Bild von seiner Ehefrau haben, was ironischerweise wiederum darauf hindeutet, warum es wichtig ist, ihre Rolle zu betonen. Hin und wieder hat man das Gefühl, diese Performance von Mirren bereits gesehen zu haben, beispielsweise als Tolstois Gattin in Ein russischer Sommer, aber es ändert dennoch nichts daran, dass es einfach Spaß macht ihrer leidenschaftlichen und zugleich verletzlichen Performance und ihrem Schlagabtausch mit Anthony Hopkins zuzusehen. Nach Ein russischer Sommer und Hitchcock, kann man nur hoffen, dass Mirren ab jetzt nicht in die Schublade der leidenden Ehefrau eines großen Künstlers gesteckt wird.

Der Rest der Besetzung kann sich auch sehen lassen. Scarlett Johansson mag Janet Leigh nicht sonderlich ähneln, doch ihre charmante Darbietung, ihre Ausstrahlung und ihr kokettes Spiel mit Hopkins‘ Hitch lässt es den Zuschauer schnell vergessen. Toni Collette als Hitchcocks belastbare Assistentin, Michael Stuhlbarg als sein Agent und Danny Huston als die potenzielle Affäre für Alma machen ihre Sache auf erstklassigen Niveau, während James D’Arcy eine beinahe unheimliche und definitiv unheimlich gute Imitation von Anthony Perkins (oder eher Norman Bates?) gelingt.

Hitchcock Kritik 5Wer allerdings den Film sieht, um mehr über Hirchcocks Genie und Wahnsinn zu erfahren, wird enttäuscht sein. Im Gegensatz zur letztjährigen HBO-Produktion The Girl (um den Dreh von Hitchcocks Die Vögel) mit Toby Jones und Sienna Miller in den Hauptrollen, werden nahezu alle dunklen Seiten des Filmemachers ausgelassen. Überhaupt erfährt man wenig darüber, wie Hitchcock tickt und wie er auf die vielen seiner großartigen Ideen kam (die ihm nicht von Reville empfohlen wurden). Es ist amüsant hinter die Kulissen der berühmten Duschszene von Psycho zu blicken, doch man erfährt dadurch nichts über den Künstler. In dieser Hinsicht beschränkt sich der Film nur auf einige kleine Momente (Hitchcock bespannt seine Blondinen durch ein Guckloch in der Garderobe, isst heimlich viel Foie Gras und wird schnell ungeduldig). Den einzigen vertieften Einblick bieten Hitchcocks imaginäre Unterhaltungen mit Ed Gein (Michael Wincott), die von Publikum mit Sicherheit gespalten aufgenommen werden. Am Ende ist Psycho im Kasten, wird ein großer Erfolg und die Wogen mit Alma sind geglättet (hoffentlich fühlt sich nun niemand gespoilert), doch Hitch bleibt nach wie vor ein Mysterium. Aber vielleicht würde das ja auch dem echten Hitchcock gefallen.

Vergleicht man Hitchcock mit den Filmen der Regielegende selbst, so kann man wohl sagen, dass viele davon (deutlich) besser sind, es aber auch durchaus schlechtere gibt (Hitchcock hat nicht nur Juwelen produziert). Genau so verhält es sich mit diesem Film, wenn man ihn gegen andere Biopics hält – er haut nicht um, aber man hat auch schon diverse schlechtere gesehen.

Fazit

Das schauspielerische Ensemble von Hitchcock macht den Film durchaus sehenswert, wobei Helen Mirren sogar Anthony Hopkins häufig die Show stiehlt. Wer sich aber tiefere Einblicke in das Leben und Schaffen des Meisterregisseurs erhofft, wird enttäuscht sein.

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