Goldenes Gift (1947)

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Out of the Past, USA 1947 • 97 Min • Regie: Jacques Tourneur • Mit: Robert Mitchum, Jane Greer, Kirk Douglas, Rhonda Fleming • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 14.05.1954

Handlung

Bridgeport, ein verschlafenes kleines Örtchen in Kalifornien, gelegen am U.S. Highway US-395. Halt machen hier nur Fahrer, denen der Sprit ausgeht, oder flüchtige Großstädter, die sich auf dem Land zur Ruhe setzen wollen. Als eines Tages ein mysteriöser, kettenrauchender Mann in schwarzem Mantel und Hut auf der Hauptstraße parkt und sich nach dem Tankstellenbetreiber Jeff Bailey (Robert Mitchum) erkundigt, wird dessen taubstummer Gehilfe (Dickie Moore) auch gleich misstrauisch. Hat sein Arbeitgeber doch eine bewegte Vergangenheit in New York zurückgelassen, von der Jeffs ländlich-brave Freundin und zukünftige Braut Ann Miller (Virginia Huston) nichts wissen soll. Doch mit dem Besuch des Fremden, der sich als Joe Stephanos (Paul Valentine), ein Handlanger von Jeffs früherem Auftraggeber Whit Sterling (Kirk Douglas), herausstellt, fühlt sich Bailey genötigt, Ann von seinem einstigen Leben als Privatdetektiv zu erzählen. Beauftragt vom reichen Gangster Sterling, dessen samt 40.000 Dollar entflohene Freundin Kathie Moffat (Jane Greer) aufzuspüren, verliebte sich Jeff in die gefährliche Schöne an ihrem Fluchtort Acapulco, nur um durch eine Kette von Ereignissen als Mordverdächtiger in Bridgeport unterzutauchen. Und jetzt soll Jeff erneut einen Auftrag für Sterling übernehmen…

Kritik

Goldenes Gift (1947)Berlinale 2013. Es ist ein kalter Sonntag, dieser letzte offizielle Tag des Filmfestivals. Am Abend zuvor gab es goldene und silberne Bären für einige unbequeme, sozialkritische Beiträge aus Rumänien, Bosnien und Herzegowina, Kanada und der US-Independentszene. Auf dem Programm steht noch die letzte Publikumsvorstellung von Gus Van Sants nicht minder gesellschaftspolitisch motiviertem Öko-Drama Promised Land mit Hollywood-Star Matt Damon in der Hauptrolle. Problem: Die Vorstellung im geradezu majestätischen Friedrichstadt-Palast ist ausverkauft. Ticketlose Besucher bequatschen noch auf Freunde wartende Ticketinhaber, ihnen doch bitte eine der Karten abzugeben. Die Türen schließen sich und damit stirbt auch die letzte Hoffnung. Schnell rüber zum Potsdamer Platz, wo es vielleicht noch Karten für weniger nachgefragte Festivalbeiträge geben mag. Und tatsächlich gibt es noch Tickets – für eine japanische Doku über einen alten Holzfäller, der dem Tsunami Widerstand leistet, und einen thailändischen Episodenfilm über die Bangkoker Jugend. Die Unentschlossenheit hat ein glückliches Ende, als die Frau an der Kasse in einem Nebensatz die goldenen Worte „Retrospektive“, „Weimar Touch“, „Robert Mitchum“ und „Jacques Tourneur“ fallen lässt. Das Hollywood alter Schule kommt uns in dem Arthouse-Dschungel zur Rettung.

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Robert Mitchum und Jane Greer in Goldenes Gift (1947)Die 2013er Ausgabe der filmhistorischen Retrospektive der Berlinale, seit 1977 betreut von der Deutschen Kinemathek, befasste sich unter dem Titel „The Weimar Touch“ mit dem beachtlichen Wirkungsgrad des Weimarer Kinos auf die internationale Filmlandschaft zwischen den Dreißiger und Fünfziger Jahren. Die 31 Filme auf dem Programm sollten belegen, wie die deutschen Filmemacher, die im Zuge der Machtergreifung durch das NS-Regime das Land verließen, ihre thematischen Steckenpferde und stilistischen Vorlieben in andere Kulturen transponierten. Da dürfen herausragende Exemplare der Schwarzen Serie, des Film noirs, die gemeinhin als visuelle Nachfahren der expressionistischen Horror- und Kriminalfilme der 1910er und 20er Jahre gelten, natürlich nicht fehlen. Doch obwohl Jacques Tourneurs Kriminalfilm Out of the Past (1947), der bei seiner sieben Jahre späteren Premiere hierzulande den Titel Goldenes Gift trug, gemeinhin als Klassiker des brutalen Noir-Films gilt, zeichnet ihn doch einiges mehr aus – nicht zuletzt eine grandios gespielte Beziehungsfarce in bester Screwball-Manier.

Sicherlich verfügt der luftdicht und schnörkellos durchdachte, in einer atemberaubenden Kürze packend erzählte Film über all die augenfälligen Merkmale eines paradigmatischen Noirs. So wartet die Verfilmung des Romans „Build My Gallows High“ von Autor Daniel Mainwaring, der sowohl Buch als auch Skript unter dem Pseudonym Geoffrey Homes verfasste, mit einem abgebrühten Privatdetektiven, einem brutalen, gierigen Gangster, dessen unbeholfenem Handlanger und einer opportunistischen Femme fatale auf. Zu finden ist auch die trügerische, doppelbödige Dialektik zwischen düsterer, verkommener Urbanität und sonniger, unschuldiger Ländlichkeit. Und nicht zu vergessen das traumwandlerisch vorzügliche Spiel mit Licht und Schatten, die diese Figuren und ihr Umfeld so raffiniert umspielen, dass man aus der Lichtgebung ganze Innenwelten oder gar versteckte Hinweise auf die traurigen Schicksale der jeweiligen Figuren abzulesen meint. Selbst die Handlung in der etwas verworrenen und ob des hohen Tempos und der Frequenz der Wendungen nur schwer nachvollziehbaren zweiten Hälfte des Films schickt sich an, an die so virtuose wie frustrierende Komplexität von dem vielleicht besten Film noir seiner Art, an Howard Hawks‘ The Big Sleep (1946) mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall anzuschließen.

Kirk Douglas und Jane Greer in Goldenes Gift (1947)Nicht ohne Grund war es Humphrey Bogart auch an der Hauptrolle in Goldenes Gift gelegen, doch als Vertragsspieler für Warner Bros. konnte er nur hilflos zusehen, als das rivalisierende Studio RKO das Skript aufkaufte. Anstatt aber das Material als eins seiner B-Film-Produktionen zu verheizen, vertraute RKO es dem hauseigenen Regisseur Jacques Tourneur und dessen Stammkameramann Nicholas Musuraca an (beide zeichneten für den Erfolg des Schwarzweiß-Kulturhorrorfilms Cat People, 1942, verantwortlich), samt einem höheren Budget und den Stars Robert Mitchum und Janet Greer. Nach einer Drehbuchüberarbeitung von u.a. dem Hard-Boiled-Crime-Fiction-Schreiber James M. Cain („The Postman Always Rings Twice“, 1934), ging die Geschichte um die mal romantisch, mal monetär motivierten Irrungen und Wirrungen eines faszinierenden Figurenensembles vor die Kamera. Der enorme Schauwert des Endresultats besteht denn auch nicht so sehr am Miterleben der unmoralischen kriminellen Handlungen der beständig neue Allianzen untereinander bildenden Figuren, sondern an dem flotten, aberwitzigen Dialogfeuerwerk, das sie dabei entfachen. Ganz gleich ob sie dabei mit einer Zigarette im Mundwinkel kämpfen müssen oder nicht, der kreative, clevere Wortschwall der durchweg famosen Besetzung sucht in seiner atemberaubenden Dichte seinesgleichen.

Vor allem der breitschultrige, kaltschnäuzige Robert Mitchum, der damals nur die vierte Wahl für die Rolle war, erweist sich mit seiner einnehmenden Leinwandpräsenz und charmanten Gelassenheit als kompetenter Spieler in der ironisch-brutalen Beziehungsfarce, in das er von dem „goldenen Gift“ des Films, der Femme fatale gelockt wird. Als ebenbürtige Kontrahentin steht ihm die unschuldig blickende, aber durchtrieben agierende Jane Greer als herrlich dämonische Versuchung gegenüber (Greer erklärte sich auch als einzige Darstellerin bereit, sich auch im angeblich mittelprächtigen 1984er Remake, Taylor Hackfords Against All Odds mit Jeff Bridges, Rachel Ward und James Woods in den drei Hauptrollen, blicken zu lassen). Die weitere Darstellerriege setzt nicht minder eindrucksvolle Glanzlichter, von einem beängstigend beherrschten Kirk Douglas als nicht ausreichend wortgewandten Gentleman-Gangster bis hin zu der wunderbaren Rhonda Fleming in einem Kurzauftritt als zweite, geheime Femme fatale des Films, die bei ihrem ersten Auftritt bis oben hin zugeknöpft anhand von Gestik, Mimik und Rhetorik mehr Erotik zu versprühen vermag, als man es für möglich halten mag. Es sind denn auch die Darsteller, die durch ihre souveräne Darbietung der ausgefeilten Dialoge aus Tourneurs bald von melodramatischem Pathos durchtränktem Noir oft auch eine pfiffige, irrsinnig spaßige Screwball Comedy mit Biss machen.

 von Asokan Nirmalarajah

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