Cloud Atlas (2012)

0

Cloud Atlas, D/USA/HK/SGP 2012 • 164 Min • Regie & Drehbuch: Tom Tykwer, Andy & Lana Wachowski • Mit: Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Hugo Weaving, Jim Sturgess, Hugh Grant, Xun Zhou • Kamera: John Toll, Frank Griebe • Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek & Tom Tykwer • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: X Verleih AG • Kinostart: 15.11.2012 Website

 

Als ein Werk epischen Formats tut sich „Cloud Atlas“, eine Kooperation der Wachowski-Geschwister („Matrix“) mit dem „Lola rennt“-Regisseur Tom Tykwer, vor seinen Zuschauern auf. Über einen Zeitraum von 500 Jahren verweben sich hier die Leben von sechs Individuen zu einer Geschichte, in deren Zentrum der Kampf gegen die Unterdrückung steht: Der Anwalt Adam Ewing (Jim Sturgess), der sich 1849 auf hoher See mit einem Sklaven (David Gyasi) anfreundet. Der Musiker Robert Frobisher (Ben Whishaw), der unter der Autorität eines ausgebrannten Komponisten (Jim Broadbent) 1936 sein Meisterstück vollendet. Die hartnäckige Journalistin Luisa Rey (Halle Berry), die 1973 mit Hilfe von geheimen Dokumenten einen Skandal aufzudecken versucht. Der erfolgreiche Verleger Timothy Cavendish (Jim Broadbent), der sich 2012 nach einem grausamen Streich seines Bruders (Hugh Grant) in einem Altersheim eingesperrt wiederfindet. Die Klonfrau Sonmi-451 (Doona Bae), die im Neo Seoul des Jahres 2144 für ihre Menschlichkeit kämpft. Und schließlich der Ziegenhirte Zachary (Tom Hanks), der sich auf dem postapokalyptischen Hawaii 2346 gegen ein barbarisches Kannibalenvolk auflehnt.

Während der Pressekonferenz auf dem diesjährigen Toronto International Film Festival stellte ein deutscher Redakteur die Frage, ob „Cloud Atlas“ nun Blockbusterkino sei. „Sure. … we didn´t … think about this so much,“ zögerte Tom Tykwer mit seiner Antwort und fügte hinzu, dass dies vor allem die Art von Film sei, die die drei Verantwortlichen letztlich verbindet – etwas, das zugleich experimentell und populär sein kann. Tatsächlich platziert sich die ambitionierte Arbeit irgendwo zwischen den Spektakel- und Arthousestühlen, möchte das Publikum zugleich mit seinen gigantischen Schauwerten erstaunen und außerdem mit einem sensiblen Thema berühren. Das gelingt der Adaption von David Mitchells 2004 veröffentlichtem Bestseller „Der Wolkenatlas“ allerdings nur bedingt. Wo die betörenden Bilder und der gänsehauterzeugende Soundtrack den Zuschauern Emotionen entlocken können, verliert das Projekt aber ebenso durch die teils ungeschickte Aufstückelung der Handlungsstränge an Kraft. Vor allem der Einstieg erweist sich leider als sperrig, fällt es doch in Anbetracht der plötzlichen Menge an Jahresdaten und Charakteren zunächst schwer, sich überhaupt in das Geschehen einzufinden. Und irgendwie will sich auch im weiteren Verlauf kein wirklich homogenes Bild aus den heterogenen Mosaikstücken ergeben.

Die Berührungen der Protagonisten bestehen aus Überlieferungen: Ein Buch. Briefe. Ein Musikstück. Ein Filmausschnitt. „Cloud Atlas“ nimmt zügig Fahrt auf und verbindet wild die Seefahrtstory mit dem Künstlerdrama, den Verschwörungsthriller mit dem klamauklastigen Seniorenabenteuer und „Blade Runner“-ähnliche Science Fiction mit einer postapokalyptischen Zukunftsvision. Einzeln betrachtet sind diese Elemente durchaus reizvoll; nicht zuletzt deshalb, weil das phänomenale Make Up zum fiebrigen Rätseln einlädt, welcher Mime wohl noch zusätzlich unter welcher Maske aufzufinden ist. Auch an individueller Spannung und zum Teil purer Action mangelt es den verschiedenen Zeitebenen nicht – wo dann aber auch erneut das eigentliche Problem des Films zum Ausdruck kommt: Als Gesamtwerk mag diese bunte Mischung letztlich nicht aufgehen. Die Überleitungen zwischen den Kapiteln wirken oftmals willkürlich gewählt und lediglich das parallele Zusteuern auf den jeweiligen Klimax scheint deutlich. Man wird regelrecht mit Gewalt aus dem aktuellen Abschnitt herausgerissen, und bis man sich wieder mit dem folgenden vertraut gemacht hat, ist der nächste Wechsel meist nicht mehr weit. Unter diesem Umstand leidet dann vor allem die Zuschauerbindung am Schicksal der Helden.

Sechs unterschiedliche Charaktere in sechs unterschiedlichen Szenarios und das in weniger als drei Stunden – das muss man erstmal schlucken. Wie findet man sich hier überhaupt zurecht? Ein mysteriöses Muttermal, das in jeder Episode von einer der Figuren getragen wird, kennzeichnet den Weg einer Seele, die sich für eine bessere Welt einsetzt – hinweg über Grenzen wie Zeit, Geschlecht oder Hautfarbe. Nicht nur die guten, sondern auch die schlechten Taten treiben den Hegel’schen Weltgeist voran: In „Cloud Atlas“ steuern die Menschen einer wahren Katastrophe entgegen. Der technische Fortschritt fühlt sich leer und kalt an und was folgt, ist der Rückfall in die blutrünstige Barbarei. Was kommt danach? Es ist nun keineswegs so, dass die Arbeit des visionären Wachowski/Tykwer-Gespanns keine spannenden Themen aufgreift oder Assoziationen ermöglicht. Leider stehen neben der bereits erwähnten, zerfahrenen Vermischung der Einzelgeschichten auch der von den Schöpfern so geliebte Bombast und ein völlig unverständlicher Wille zum plattesten Ulk einem gänzlich involvierenden Resultat im Weg. Man mag den Regisseuren durchaus abnehmen, dass es sich bei der teuersten deutschen Produktion um ein gemeinsames Herzblutprojekt handelt, hinter welchem nicht bloß Studiokalkül steckt. Das Experiment von drei Filmemachern, gleichzeitig mit sechs Bällen zu jonglieren, ist aber trotz vieler schöner Ansätze und einer ganzen Riege hochkarätiger Stars am Ende nicht so ganz geglückt.


Trailer