
Wir sind im Endspurt. Am vorletzten Tag des Fantasy Filmfests 2014 in Köln, habe ich drei weitere Filme gesehen (sowie Under the Skin in der Wiederholung – es blieb genau so rätselhaft wie zuvor) und damit meinen Rekord von 2009 eingestellt: insgesamt 33 Filme habe ich dieses Jahr gesichtet und morgen werden noch einige hinzukommen. Am 11. Tag erwartete mich leider eine herbe Enttäuschung in Form des australischen Horrordramas The Babadook. Im Vorfeld mit Lorbeeren überschüttet und als einer der gruseligsten Filme seit Jahren angepriesen, wurde ich mit dem Streifen leider nicht so warm, wie viele andere. Doch so ist es beim Festival manchmal und im Gegenzug habe ich auch einen Film gesehen, den ich ursprünglich gar nicht auf dem Schirm hatte und ihn mir nur angeschaut habe, weil ich eine zeitliche Lücke hatte – Blue Ruin. Dabei war es auf jeden Fall einer der besten diesjährigen Beiträge und ein weitaus besserer "Fresh Blood"-Kandidat als The Babadook oder sogar Housebound, die sich aber in nahezu allen Städten vor ihm platzieren konnten. Na gut, Blue Ruin ist mit seiner Depri-Atmosphäre und einem langsamen Tempo auch nicht gerade der Publikumskracher, wie es die anderen beiden Filme sind.
Den Tag abgerundet hat der Werwolf-Trash Wolfcop, der einem mehr oder minder das bot, was man auch erwarten würde.
TAG 11

"Rache ist nie ein geradliniger Weg. Sie ist wie ein dichter Wald. Und in einem Wald kann man sich verirren. Man verirrt sich und weiß nicht, wie man hinein gekommen ist." Das Zitat aus Tarantinos Rache-Epos Kill Bill trifft auch auf Blue Ruin zu. Die Beweggründe für Dwights Rachegelüste werden nur mit spärlichen Infos in diesem wortkargen Film nach und nach offenbart und wecken trotzdem nur bedingt Sympathien für den Mann. Dabei macht das Drehbuch schon recht deutlich, dass die Bösen wirklich die Bösen sind, doch einen Guten gibt es hier auch nicht. Nichtsdestotrotz kann man sich als Zuschauer mit Dwight mehr identifizieren als mit den Protagonisten von nahezu allen anderen Rachefilmen der letzten Jahre. Er ist kein Übermensch, kein Ex-Soldat oder Polizist. Er ist ein absoluter Durchschnittsbürger, der keine große Erfahrung mit Waffen hat, nicht durchtrainiert ist und ständig Fehler macht. Sein Können übersteigt nicht das eines durchschnittlichen Kinogängers, auf seiner Seite lediglich die wilde Entschlossenheit – zunächst der Wunsch nach Rache und später, der verzweifelte Versuch seine entfremdete Schwester und ihre Familie vor den Konsequenzen seines Aktes zu beschützen. Nimmt man es ganz genau, ist Blue Ruin eigentlich ein ziemlich konventioneller Film, doch seine Präsentation ist es nicht. Nachdenkliche, melancholische Bilder haben hier Vorzug vor Actionszenen oder großen Momente der Genugtuung, wenn ein Racheakt vollbracht ist. Doch wenn es knallt, dann wird es auch spannend und blutig. Die Konsequenzen von Gewalt werden hier schmerzhaft deutlich vor die Augen geführt.
Ich bin unter keinen guten Voraussetzungen in den Film reingegangen und war in den ersten, zugegegeben sehr zähen 15 Minuten beinahe am Einschlafen, doch sobald Dwight sich auf seinen Feldzug gegibt, fesselte der Film meine Aufmerksamkeit und ließ bis zum Ende nicht los. Zu verdanken ist das auch Macon Blairs sehr natürlichem Schauspiel, bei dem er nie um das Mitgefühl der Zuschauer bettelt, sondern einen zwiespältigen Charakter gekonnt darstellt. 4/5

Das Metaphern und Symbole werden im Horrorgenre seit jeher eingesetzt, um ernsthafte gesellschaftliche oder persönliche Themen auszudrücken. Das verleiht den Filmen zusätzliche Tiefe und wenn die Verbindung zwischen Horror und darunterliegender ernster Thematik gelingt, hat man einen Genrefilm für die Ewigkeit. Das Problem von The Babadook ist, dass der im Vorfeld stark gehypte Streifen seine Metaphern einem teilweise so platt und explizit um die Ohren haut, dass man eigentlich davon nicht wirklich beeindruckt werden kann. Die Frage, ob der Babadook real ist oder eine Wahnvorstellung, ist eigentlich irrelevant. In jedem Fall steht das Monster für die Wut und die Trauer in der Mutter, die sie gegen ihr Kind wendet und das sie nur gemeinsam und mit Liebe bekämpfen können. Subtil ist anders. Als Drama einer überforderten Mutter mit einem (extrem!) nervtötenden Balg funkti9oniert The Babadook sehr gut, als Horrorfilm aber leider weniger. Das Highlight ist die Tour-de-Force-Performance von Essie Davis, die wirklich ihr Bestes tut, um eine gute Mutter zu sein, aber trotzdem immer wieder scheitert. In einem Film ohne Horrorelemente wäre Davis mit ihrer Darbietung womöglich eine Oscarkandidatin, doch man weiß ja, wie die Academy zu Genrefilmen steht.
Doch während der Film auf der Ebene des Umgangs mir Trauer, Schuldgefühlen, Vorwürfen und fehlendem Mutterinstinkt gelingt, misslingt es dem Streifen über weite Strecken den Grusel zu bieten, den er verspricht. Das ist schade, denn der Babadook selbst ist eine großartige Kreation, die in ihren wenigen Momente wirklich effektiv eingesetzt wird. Doch über große Strecken ist The Babadook einfach nicht so unheimlich und gruselig wie er gerne wäre. Das liegt primär daran, dass man hier mit der Symbolik und den Metaphern regelrecht erschlagen wird. Etwas mehr Ambiguität hätte dem Film gut getan. 3/5

Wie der Titel uns so unsubtil verrät, handelt der Streifen des Kanadiern Lowell Dean (auch für den deutlich ernsteren FFF-Beitrag 13 Eerie verantwortlich) von einem Polizisten, der zum Werwolf wird. Eigentlich ist Lou Garou (Leo Fafard) eine absolute Niete als Cop. Er ist ein Säufer, ein Faulenzer und ein Schwerenöter. Als er jedoch bei einem okkulten Ritual mit dem Werwolf-Fluch belegt wird, erwacht nicht nur das haarige Biest in ihm, sondern auch sein Pflichtgefühl. Er geht einer Verschwörung in seiner Kleinstadt nach, die womöglich schon seinem Vater, einem Vorzeige-Polizisten, das Leben kostete.
Ein saufender, rauchender und vögelnder Werwolf ist ein Novum (ebenso wie die On-Screen-Transformation von einem menschlichen Penis zu einem Werwolf-Genital), doch alles andere an Wolfcop ist es nicht. Der Film bemüht sich sehr, eine coole Spaßgranate zu sein, stößt aber immer wieder an seine Grenzen, was unter anderem an dem extrem niedrigen Budget des Streifens liegen dürfte. So sind die zahlreichen blutigen Gore-Effekte gut gemeint, sehen aber häufig einfach zu billig aus. Außerdem ist auch keine der Figuren, abgesehen vom Werwolf selbst, in irgendeiner Weise interessant. Die Lacher zielen sehr tief unter die Gürtellinie und werden vermutlich mit steigendem Alkoholpegel lustiger. Wie "ausgeklügelt" die Gags des Films sind, merkt man bereits an dem Namen des Protagonisten – Lou Garou ist eine Variante des französischen "loup garou", was schlicht "Werwolf" bedeutet. Wolfcop macht auf jeden Fall gelegentlich Spaß, doch in jeder Minute hat man das Gefühl, dass der Cast und die Crew des Films deutlich mehr Spaß hatten als sein Filmpublikum. Da eine Fortsetzung aber bereits angekündigt ist, hoffe ich, dass aus Fehlern gelernt wird (wird es vermutlich nicht). 2,5/5
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Schon fast vorbei! Nur noch ein Tag steht mir (und damit auch Euch) bevor und es wird ein recht voller Tag. Vier Filme werden zum Schluss darum kämpfen, in meine diesjährige FFF-Favoritenliste einzuziehen: zweimal geht’s dabei um interirdischen Horror in Beneath und In Darkness We Fall, einmal gibt’s wieder Weltuntergang aus Australien in These Final Hours und als Abschluss kommt dann die Zombie-Komödie Life After Beth mit Dane DeHaan und Aubrey Plaza. Insbesondere für den letzten Film habe ich große Hoffnungen. Nach dem 12. Tagebuch-Eintrag werde ich natürlich wieder, wie im Vorjahr, ein Fazit zum diesjährigen Fantasy Filmfest verfassen.
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