The Boogeyman (2023) Kritik

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The Boogeyman (2023) Filmkritik

The Boogeyman, USA 2023 • 98 Min • Regie: Rob Savage • Drehbuch: Scott Beck, Bryan Woods, Mark Heyman • Mit: Sophie Thatcher, Chris Messina, Vivien Lyra Blair, Marin Ireland, David Dastmalchian, Madison Hu, LisaGay Hamilton • Kamera: Eli Born • Musik: Patrick Jonsson • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: 20th Century Studios • Kinostart: 01.06.2023 • Website

Rob Savages „The Boogeyman“ ist weder ein Remake des gleichnamigen Ulli-Lommel-Streifens von 1980, noch hat er etwas mit der gurkigen Sam-Raimi-Produktion von 2005 zu tun. Der Schocker des britischen Newcomers basiert auf der beliebten, 1973 veröffentlichten Kurzgeschichte „Das Schreckgespenst“ von Horror-Meister Stephen King, welche in dessen Sammelband „Nachtschicht“ enthalten ist. In dieser Schauermär erzählt der aufgelöste Patient Lester Billings dem Psychiater Dr. Harper von dem Grauen, das in Wahrheit seine drei Kinder getötet hat.

The Boogeyman (2023) Filmbild 1

Während der 1982er Kurzfilm von Jeff C. Schiro noch recht treu Kings Vorlage adaptiert hat, bietet Savages Version nach einem Drehbuch von Scott Beck und Bryan Woods („A Quiet Place“) sowie Mark Heyman („Black Swan“) eine Variation der Story. So treibt hier der von David Dastmalchian („Dune“) gespielte Lester die Geschehnisse erst an, als er Will Harper (Chris Messina) seine verstörende Familientragödie aufdrängt. In diesem Film werden nach einem unheimlichen Intro die Harpers Opfer des mörderischen Wesens, das es vor allem auf die jüngere Tochter Sawyer (Vivien Lyra Blair) abgesehen hat. Nach dem traumatischen Unfalltod der Mutter kümmert sich die selbst trauernde Teenager-Schwester Sadie (Sophie Thatcher) um das sich vor Monstern im Wandschrank fürchtende Mädchen. Vater Will ist mit der Kümmerer-Rolle sichtlich überfordert und vergräbt sich stattdessen in seine Arbeit.

Der Umgang mit der Trauer und dem Verlust ist ein großes Thema in „The Boogeyman“ noch bevor der Spuk wirklich einsetzt. Wenn dann die lange in der Dunkelheit gehaltene und eher durch Stimmen und Geräusche angedeutete Kreatur nach dem Leben der Kinder giert, setzt diese damit wieder Kräfte in der zerbrochenen Familie frei, die lange unter der schweren Decke aus Schmerz und Schuldgefühlen erdrückt wurden. Wie genau das Schattenwesen seinen Weg zu den Harpers gefunden hat, wird hier nicht vollständig erklärt. Es hat nach Lesters Ausführungen etwas mit väterlicher Unaufmerksamkeit zu tun – allerdings offensichtlich auch etwas mit dem Besuch des Patienten selbst, der den Fluch mit seinen Ausführungen quasi auf die Protagonisten übertragen hat.

The Boogeyman (2023) Filmbild 2

In einem Notizbuch Lesters sehen wir den Boogeyman auch erstmals visualisiert. Wie mit fast allen Kino-Monstern, lautet auch in diesem Film die Devise: Das, was sich die Zuschauer im eigenen Kopf ausmalen, ist in der Regel wesentlich effektiver als das, was CGI-Künstler letztlich aufwändig auf die Leinwand zaubern können. Auch wenn in der actionreicheren zweiten Hälfte der Unhold durchaus fantasievoll gestaltet daherkommt, ist das laute Finale mit Schießerei und Pyrotechnik schon eine Schwachstelle im Vergleich zu dem sich bedrohlich steigernden vorherigen Part. Das ist etwas schade, zerstört den insgesamt soliden Gesamteindruck aber nicht.

Neben den Box-Office-Hits „Smile“ und „Evil Dead Rise“ gehört „The Boogeyman“ außerdem zu den ursprünglich für einen Streaming-Service produzierten Werken, denen ein äußerst positives Ergebnis bei Test-Screenings doch noch zu einem Kinostart verholfen hat. Auch bei Savages Arbeit würde ich in Anbetracht der straffen und packenden Inszenierung einen Kassenerfolg prognostizieren. Der erst 31-jährige Regisseur hat während der Covid-Pandemie mit seinem Screenlife-Debüt „Host“ für Aufsehen gesorgt und mit dem brachialen Twitch-Splatter „Dashcam“ ein polarisierendes Zweitwerk nachgelegt. Ich habe durchaus Gefallen an den amüsanten Genre-Spielereien mit modernen Online-Plattformen gefunden, doch bei der Ankündigung von „The Boogeyman“ durfte man gespannt sein, ob Savage auch eine Gruselgeschichte im klassischen Gewand umsetzen kann. Die Antwort lautet jetzt klar: Ja.

The Boogeyman (2023) Filmbild 3

Zusammen mit seinem Kameramann Eli Born gelingt es ihm besonders anfangs den dunklen Ecken des Hauses eine Gänsehaut erzeugende Aura zu verleihen und diese Urangst mit dem zusätzlichen Sounddesign zu triggern. Das Ergebnis ist deutlich furchteinflößender als das von ähnlich gelagerten Filmen wie „Don’t Be Afraid of the Dark“ oder „Lights Out“, auch wenn neuere Indie-Games der Marke „Visage“ oder „MADiSON“ in Sachen Terror-Feeling in der Finsternis zugegeben noch deutlich mehr auftrumpfen können. Dem Regisseur scheint außerdem klar gewesen zu sein, dass seine Story neben der unangenehmen Atmosphäre auch Figuren verlangt, um die sich das Publikum sorgt und mit ihnen fühlt. Die Performances in „The Boogeyman“ sind wirklich hervorragend – und das bis in die Nebenrollen.

LisaGay Hamilton („The Practice“) als Therapeutin der Harper-Geschwister bekommt neben dem bereits erwähnten David Dastmalchian ebenso ihren Einsatz wie auch Madison Hu („Bizaardvark“) als Sadies einzige empathische Freundin oder Marin Ireland („The Dark and the Wicked“) als Lesters mysteriöse Ehefrau. Besonders sticht natürlich „Yellowjackets“-Star Sophie Thatcher hervor, deren Sadie sich trotz ihrer eigenen Probleme aufopferungsvoll um ihre kleine Schwester sorgt. Wenn sie zu Beginn des Films das Kleid ihrer verstorbenen Mutter anzieht, schlüpft sie nicht nur äußerlich in diese Position, sondern verkörpert über die gesamte Geschichte eine pflichtbewusste Erwachsene im Körper einer Teenagerin.

The Boogeyman (2023) Filmbild 4

Als bemühter aber nach dem Verlust deutlich distanzierter Vater zeigt Chris Messina („Devil“) das oft so unverwundbar und tapfer gezeichnete „starke Geschlecht“ von seiner hilflosen und überforderten Seite. Wenn sein Will während einer Therapiesitzung über seine Angst vor dem Vatersein spricht und seine tote Frau als den damals rettenden Anker erkennt, ist dies ein kleiner aber sehr emotionaler Moment im Schocker. Weniger tief aber dafür sehr sympathisch füllt Vivien Lyra Blair („Bird Box“) ihre Sawyer mit Leben, auf die als Schützling alle Augen gerichtet sind.

Stephen Kings Originalgeschichte ist bei den Fans extrem populär, nicht zuletzt aufgrund ihrer bitterbösen Schlusspointe. Wer mit dieser vertraut ist und diesmal die gleiche Richtung erwartet, dürfte am Ende enttäuscht werden. Sicher finden sich viele Elemente der Vorlage im Film wieder, die aber hier oft anders zusammengesetzt sind. Dieser „The Boogeyman“ ist ein stimmungsvoll gestalteter, unblutiger Mainstream-Grusler mit toll gezeichneten Charakteren, der seine Zuschauer aber eher mit einer dezenten Gänsehaut als mit einem deftigen Schock aus den Kinosesseln entlässt.

The Boogeyman (2023) Filmbild 5

Wer hier also nicht die nächste Horror-Sensation oder einen unangenehmen Tabubrecher erwartet und sich stattdessen auf einen milden aber involvierenden Aufstand der Nackenhaare einstellt, wird von „The Boogeyman“ sehr ordentlich bedient.


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