Evil Dead Rise (2023) Kritik

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Evil Dead Rise, USA 2023 • 97 Min • Regie & Drehbuch: Lee Cronin • Mit: Lily Sullivan, Alyssa Sutherland, Morgan Davies, Gabrielle Echols, Nell Fisher, Jayden Daniels, Mirabai Pease, Anna-Maree Thomas, Richard Crouchley • Kamera: Dave Garbett • Musik: Stephen McKeon • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Warner Bros. • Kinostart: 27.04.2023 • Deutsche Website

Lee Cronins „Evil Dead Rise“ beginnt wie Sam Raimis Original „Tanz der Teufel“ mit einem subjektiven Kameraflug durch ein mooriges Waldstück. In der Tat entspricht der Anfang – nach einer geschickten Täuschung – mit seinem Setting in einer abgelegenen Holzhütte und mit einer sich extrem eigenartig benehmenden Figur ganz der bewährten Prämisse des beliebten Horror-Franchises. Noch bevor sich der Filmtitel majestätisch über einem See erhebt, wird der erste Skalp brutal von einem Schädel gerissen und das Wasser an der Urlaubsanlage blutrot gefärbt sein.

Anders als alle vorherigen „Evil Dead“-Einträge, wird die Handlung im Anschluss in ein regnerisches L.A. verlegt. Wie der Auftakt mit der dann erzählten Geschichte in Verbindung steht, soll man erst am Ende erfahren. Der irische Autor und Regisseur Cronin stellt nach seinem stimmungsvollen Spielfilmdebüt „The Hole in the Ground“ wieder eine alleinerziehende Mutter in den Mittelpunkt eines von dunklen Mächten heimgesuchten Geschehens. Diesmal ist es jedoch nicht der junge Sohn, der nach seinem Verschwinden wie ausgetauscht wirkt, sondern die zum unheimlichen Deadite mutierte Erzeugerin.

Zunächst lernen wir jedoch die als Guitar-Tech – nicht Groupie! – auf Tourneen tätige Beth (Lily Sullivan) kennen. Von einem Schwangerschaftstest auf einer schmuddeligen Club-Toilette überrascht, reist diese schließlich in die Stadt der Engel, um ihre ältere Schwester Ellie (Alyssa Sutherland) und deren drei Kinder Danny (Morgan Davies), Bridget (Gabrielle Echols) und Kassie (Nell Fisher) zu besuchen und in ihrer Situation Rat einzuholen. Wie sich herausstellt, liegt zwischen dem letzten Wiedersehen ein langer Zeitraum und nicht nur wird der heruntergekommene Wohnkomplex, in dem die Familie lebt, in Kürze abgerissen, auch hat sich Ellies Mann von ihr getrennt und sie und die gemeinsamen Kinder im Stich gelassen. Das Klima zwischen den Geschwistern ist aufgrund von Beths Nachlässigkeit leicht abgekühlt. Doch bevor die große Versöhnung stattfinden kann, wird das Gebäude von einem Erdbeben erschüttert, welches unter der Garage einen mysteriösen Raum mit christlichen Artefakten, uralten Schallplatten und einem beunruhigend eingebundenen Buch freilegt. Nachdem der Hobby-DJ Danny das Material in die Wohnung geschafft und die Tonträger auf sein Turntable gelegt habt, wird erneut das pure Grauen erweckt und fällt gnadenlos über die Familie her …

Auf den ersten Blick mag die Verlegung der Story in ein urbanes Umfeld (ähnlich wie beim diesjährigen Kassenhit „Scream VI“) als größte Innovation beim inzwischen fünften Kinofilm der „Evil Dead“-Reihe erscheinen. Tatsächlich allerdings verwandelt Lee Cronin die neuartige Umgebung mit einer Anzahl cleverer Ideen jedoch in eine 1:1-Entsprechung von Raimis klassischem Szenario. Was in „Tanz der Teufel“ Baumäste waren, sind in „Evil Dead Rise“ herunterhängende Kabel. Die eingestürzte Brücke wird zu einem zerstörten Treppenhaus und Fahrstuhl. Und die Bodenluke findet ihr Äquivalent im Türspion, durch welchen die blutgierigen Dämonen nun Einlass in die Wohnung fordern. „Evil Dead Rise“ ist ein traditionsbewusstes Kapitel, das sich – wie eigentlich alle Vorgänger, ausgenommen des eher als Slapstick-Abenteuer angelegten „Armee der Finsternis“ – als eine Variation der bekannten Handlung versteht. Zitate wie der aus „Tanz der Teufel II“ entliehene, verschluckte Augapfel oder diverse Easter Eggs (Wer findet Bruce Campbells Beitrag im Film und entdeckt die Anspielung auf den ikonischen 1973er Delta 88 Oldsmobile?) gehören selbstverständlich ebenso zum guten Ton, wie das obligatorische Gore-Fest.

Im Vergleich zu Fede Álvarez' sehr grimmigem „Evil Dead“ von 2013 sparen Cronin und sein Team zwar ebenfalls nicht an Kunstblut und Latex-Verstümmelungen, doch setzen sie trotz einem verstärkten Augenmerkt auf die klaustrophobische Atmosphäre wieder mehr auf den bitterbösen Humor, der Raimis Werke zunehmend ausgezeichnet hat. „Evil Dead Rise“ ist kein derart unbeschwerter Splatstick-Spaß wie „Tanz der Teufel II“ oder gar „Armee der Finsternis“, doch legt der Film sein Drama und die bedrückenden Momente eher in die erste Hälfte, um die Zuschauer schließlich – wenn auch mit sämtlichen Körperflüssigkeiten besudelt – mit einer Energieflut aus dem Kino zu spülen. Zum makabren Einsatz kommen diesmal neben der unvermeidbaren Kettensäge und der Schrotflinte (Pardon, Boomstick!) unter anderem Spiegel- und Glasscherben, eine Schere, eine Tätowiernadel, ein Industrieschredder und eine Käsereibe. Autsch!

Wie bereits zuvor erwähnt, ist das L.A.-Setting gar nicht die besondere Neuerung in „Evil Dead Rise“ – es ist die extrem verletzliche Familie im Mittelpunkt der Story. Mit „verletzlich“ ist hier ausdrücklich nicht nur die physische Gewalt gemeint, die auch minderjährigen Charakteren widerfährt, sondern vor allem das Trauma, ein Monster in Gestalt der eigenen Mutter erleben zu müssen. „Lass nicht zu dass es meine Babys kriegt“, fleht Alyssa Sutherland („Vikings“) als Ellie ihre Schwester an, bevor sie als Ober-Deadite mit ihren äußerst zynischen Psycho-Spielchen („Mami ist jetzt bei den Maden.“) und akkrobatischen Angriffen die Show stiehlt. Als toughe Genre-Heldin und Gegenpart steht ihr die von Lily Sullivan („Picnic at Hanging Rock“) verkörperte Beth jedoch in nichts nach. Cronin präsentiert mit „Evil Dead Rise“ einen sympathisch zeitgemäßen Schocker mit starken Frauenfiguren, Mutterschafts-Thematik und nur einem männlichen Protagonisten im Haupt-Cast (der obendrein durch seine dümmliche Neugier den Horror entfesselt – sorry, aber es sind halt immer die Jungs!) – wer hier wieder „feministischer Mist“ grölt, sollte besser gleich einen Bogen um das Werk machen und sich in die Steinzeit beamen lassen.

Besondere Erwähnung verdient auch Nell Fisher, die die kleine Kassie spielt und die man eigentlich nur als passionierter Kinderhasser nicht direkt ins Herz schließen kann. Kassie ist ein Mädchen mit morbidem Spleen, das Puppenköpfe abschneidet und diese zur Geisterabschreckung gruselig herrichtet. Abgesehen davon ist sie jedoch ein echtes Sweetheart. Vielleicht hätte Lee Cronin noch etwas mehr aus den anderen Stockwerk-Bewohnern, wie dem hilfsbereiten Gabriel (Jayden Daniels), rausholen können, doch folgt er mit seinen Kerncharakteren letztlich nur der Franchise-erprobten Fünf-Figuren-Formel.

Auch wenn „Evil Dead Rise“ das Horror-Rad ganz gewiss nicht neu erfindet und neben seinen Vorgängern auch zahlreichen anderen Genre-Werken die Ehre erweist, liegt hier eine ungemein dichte, zwischen Schrecken und Spaß gekonnt balancierende und höllisch effektive Modifikation des Kult-Klassikers vor. Die Verlegung in ein Apartment lässt sich gar als Seitenhieb auf Lamberto Bavas Italo-Plagiat „Dämonen“ von 1986 deuten, während eine spätere Szene eine glasklare Hommage an Stanley Kubricks „Shining“ darstellt. Die schmerzhafte Tragödie, die der Familie mit dem folgenden bösen Schrecken widerfahrt, ruft Erinnerungen an Mary Lamberts pechschwarze Stephen-King-Adaption „Friedhof der Kuscheltiere“ hervor und das Creature-Feature-Finale in bester „Das Ding aus einer anderen Welt“-Manier zeigt den groteskesten Endgegner seit sich Junggeselle Lionel in Peter Jacksons „Braindead“ buchstäblich aus dem untoten Mutterleib befreien musste.

Nach sehr positiven Testscreenings haben sich Warner Bros. entschieden, den einst für den Streamingdienst HBO Max produzierten „Evil Dead Rise“ doch in die Kinos zu bringen. Und genau dort gehört er auch hin.


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