Quelle: Insidekino
Endlich hat das Box-Office in Deutschland sich nach der EM-Flaute vollständig erholt. Am letzten Wochenende konnten ganze vier Filme jeweils mehr als 200,000 Besucher verbuchen.
Es gibt sie jedes Jahr, hin und wieder – eine Riesenüberraschung in den Kinocharts. Es ist vielleicht nicht so schockierend, dass Ted The Dark Knight Rises den Rang ablief und ihm nach einer Woche Herrschaft das Zepter entriss. Was aber überraschend ist, ist mit welcher Leichtigkeit Ted dies tat. Und dabei war The Dark Knight Rises auch am zweiten Wochenende an den deutschen Kinokassen eine Wucht. Doch gegen die ca. 768,000 Besucher (inkl. Previews) an Teds Startwochenende kam die Fledermaus einfach nicht an. So hat Ted bei weitem das beste Startwochenende für einen Originalfilm dieses Jahr geschafft und auch das drittbeste Startergebnis des Jahres überhaupt. Nur Ice Age 4 – Voll verschoben und The Dark Knight Rises kamen stärker aus den Startlöchern. Mit fast 710,000 Besuchern am regulären Wochenende lag Ted somit auch vor Marvel’s The Avengers und American Pie – Das Klassentreffen.
Doch das Überraschendste kommt noch. Ted hat diesen phänomenalen Start (und einen Schnitt von über 1500 Besuchern pro Kino am Wochenende) mit einer Altersfreigabe "ab 16" geschafft, die natürlich das Potenzial eines Films an den Kinokassen einschränkt. So war letztes Jahr der erfolgreichste ab 16er-Film Black Swan mit knapp 2,2 Mio Besuchern, eine Zahl, die Ted problemlos übertrumpfen wird. In der Tat gelang Ted der erfolgreichste Start für einen Film mit einer FSK 16 seit The Dark Knight (ca. 869,000 Besucher). Sollte Ted dessen 2,8 Mio Gesamtbesucher übertreffen, was ich durchaus im Bereich des Möglichen sehen, so wird er auch zum erfolgreichsten FSK 16 Film seit Matrix Reloaded vor 9 Jahren! Im allerschlechtesten Fall sind zumindest 2,5 Mio für die Komödie drin und das ist schon mehr als viele erwartet haben.
Doch wie schon gesagt, hielt sich auch The Dark Knight Rises am zweiten Wochenende wacker und baute nur um 42% ab – ein viel besserer Hold als der, den sein Vorgänger am zweiten Wochenende hinlegte. Die 2 Mio Zuschauermarke hat The Dark Knight Rises zwar um weniger als 4000 Köpfe verfehlt, doch lieg er jetzt schon fast 400,000 Zuschauer vor The Dark Knight nach dem gleichen Zeitraum. Auch wenn mit Prometheus nächstes Wochenende nicht zu unterschätzende Konkurrenz auf den Film zukommt, erscheinen 3 Mio Besucher für den Film so gut wie sicher. Das würde The Dark Knight Rises zur erfolgreichsten Comicbuchverfilmung in Deutschland seit Spider-Man 3 in 2007 machen. Ein unglaubliches Ergebnis, wenn man bedenkt, dass Batman Begins in 2005 keine 900,000 Besucher erreichen konnte.
Auf dem dritten Platz eröffnete Merida – Legende der Highlands und das eher schwach Mit etwa 314,000 Zuschauern (inkl. Previews) am ersten Wochenende, hatte Pixars erster Originalfilm seit 2009 weniger Besucher zum Start als jeder andere Pixar Film in Deutschland. Das liegt wohl unter anderem daran, dass Merida der dritte breit gestartete 3D-Animationsfilm innerhalb von etwa einem Monat ist (nach Ice Age 4 – Voll verschoben und Der Lorax) und die Eltern wohl auch nicht endlos viel Bduget für die teueren 3D-Kinobesuche haben. Außerdem macht sich das neuste Ice Age Abenteuer auch noch am fünften Wochenende ganz gut, sodass Merida auch mit direkter Konkurrenz zu kämpfen hatte. Hier lässt sich nur auf gutes Kinowetter und viel Mundpropaganda hoffen, damit der Film nicht ein total peinliches Endergebnis erreicht. Etwa 1,5 Mio Besucher halte ich aber noch durchaus für möglich.
Am vierten Platz machte es sich Ice Age 4 – Voll verschoben mit etwa 275,000 Zuschauern (-34%) am Wochenende gemütlich und zeigte sich von Meridas Konkurrenz gänzlich unbeeindruckt. Mit etwa 5,4 Mio Zuschauern nach fünf Wochen hinkt er zwar den anderen drei Ice Age Filmen hinterher, doch beschweren kann sich Fox über das Ergebnis ja wirklich nicht. Schließlich hat ja auch kein anderer Animationsfilm seit Ice Age 3 mehr als 5 Mio Zuschauer in die Kinos gekriegt. Mit gutem Kinowetter und wenig neuer Konkurrenz ab jetzt sollten an die 7 Mio Zuschauer hier immer noch machbar sein.
Die Top 5 rundete Der Lorax mit deutlich schwächeren Zaheln ab. Der Film verbuchte einen Rückgang von 48% und steht nach einem 40,000 Zuschauer-Wochenende bei nur knapp 327,000. Nur mit etwas Glück wird der Film überhaupt noch an der 500,000-Zuschauermarke kratzen.
Die weiteren Neuzägenge in der Top 10 waren Rum Diary auf Platz 8 (22,000 Zuschauern am regulären Wochenende und 49,000 inkl. Sneaks) und Der Vorname (18,000 Besucher von Donnerstag bis Sonntag und 22,000 insgesamt).
Ferner behauptete sich Ziemlich beste Freunde auch in der 31. Woche gut in der Top 10 mit einem Rückgang von 15% auf etwa 21,000 Besuchern. Insgesamt sind es für den Überflieger schon mehr als 8,55 Mio Zuschauer in Deutschland und ein Ende ist nicht in Sicht.
The Amazing Spider-Man hielt sich gerade so noch eine Woche unter den ersten zehn und passierte die 1,5 Mio Besucher-Barriere. Viel weiter wird es angesichts der schwindenden Kopienzahl für den Spinnenmann aber nicht gehen. Mit Glück fallen noch 1,6 Mio.



„Ich sehe tote Menschen“, dieses Geständnis machte der junge Haley Joel Osment seiner Mutter Toni Collette in M. Night Shyamalans rührendem Mysterydrama „The Sixth Sense“. Doch das Kind stand mit seiner übersinnlichen Begabung nicht allein da: Schon vor ihm hat Stanley Kubrick einem Protagonisten das „Shining“ verliehen, das die Schrecken der Vergangenheit vor dem geistigen Auge zurückkehren ließ, und auch in Peter Jacksons Grusical „The Frighteners“ wusste ein gewiefter Michael J. Fox, wie er die ungewöhnliche Fähigkeit in blankes Kapital umwandeln konnte. Norman, der Held aus Chris Butlers und Sam Fells Stop-Motion-Abenteuer „ParaNorman“, kann nun, wie seine erwähnten Vorgänger, ebenfalls mit den Verstorbenen kommunizieren. Es stört ihn nicht, stellen diese Geister immerhin die einzigen treuen Freunde für den unverstandenen Außenseiter dar. Natürlich kaufen ihm seine Eltern den Spuk nicht ab, während ihn seine Klassenkameraden für einen waschechten Freak halten – man kann es ihnen kaum verübeln. Der Junge lebt in der Kleinstadt Blithe Hollow, einem Ort, der vor rund 300 Jahren von einer bösen Hexe verflucht worden sein soll. Die Einwohner machen ein gutes Geschäft aus dem Märchen; an jeder Ecke gibt es Geschäfte, die Souveniers zu dem faulen Zauber verkaufen. Aber was, wenn das vermeintliche Märchen in Wahrheit gar keines ist? Was, wenn sich der Horror abermals seinen Weg in die verschlafene Gemeinde bahnt? Wie Norman bald von seinem inzwischen toten Onkel Mr. Prenderghast erfahren muss, ist es nämlich nun ausgerechnet an ihm, das kommende Unheil abzuhalten. Nur wie? Die letzten Worte der Erscheinung bleiben für Norman ein Rätsel. Er soll am Grab der Hexe etwas aus einem Buch vorlesen. Doch irgendwie funktioniert das Vorhaben nicht wie geplant: Urplötzlich finden sich Norman, seine Schwester Courtney, der pummelige Neil, dessen Bruder Mitch und der Schulrabauke Alvin auf der Flucht vor einer Horde Zombies wieder, die einem Friedhof in den Wäldern entstiegen sind. Was können die Kinder tun, um das Grauen rückgängig zu machen?
Wie schon der fantasievolle „Coraline“ zuvor, entstammt auch „ParaNorman“ den LAIKA-Studios, die sich bereits einen guten Namen in den Animationsmedien machen konnten und unter anderem an Tim Burtons „Corpse Bride“ kreativ beteiligt gewesen sind. Anders als bei Henry Selicks brillantem Schauderstück für Groß und Klein konnte das Filmteam hier erstmalig auf die Dienste des sogenannten 3D-Farbdruckers zugreifen, der bei der Kreation der Ersatz-Gesichter der Puppen einen Meilenstein darstellt. Tatsächlich besteht so die Möglichkeit, das mimische Spiel der Figuren immens zu verfeinern, so dass sogar während einer nur halbminütigen Szene eine Palette von beachtlichen 250 Gesichtern zum Einsatz gekommen ist. Von der technischen Seite kann man hier nur staunen. Doch wie verhält es sich nun überhaupt mit der Geschichte an sich? Gelingt es den Verantwortlichen neben der atemberaubenden Verschmelzung von Handwerk und Computertricks auch, die Zuschauer wie bei „Coraline“ mit auf eine packende Reise in ein buntes Paralleluniversum zu nehmen? Leider muss an dieser Stelle bereits angemerkt werden, dass „ParaNorman“ trotz seiner inszenatorischen Qualität zumindest inhaltlich wenig Neues zu bieten hat. Während jüngere Zuschauer, die ihre ersten Schritte im Gruselbereich noch vor sich haben, womöglich einerseits mit der recht „erwachsenen“ Erzählweise der Story (die Handlungssprünge im Verlauf, zum Beispiel) überfordert sein könnten und andererseits die immer wieder eingestreuten Filmzitate (neben John Carpenters „Halloween“ wird noch Bezug auf die „Freitag der 13.“-Reihe und eine Vielzahl alter Klassiker genommen) kaum verstehen werden, dürfte das ältere Publikum den wenig innovativen Plot mehr als dünnes Gerüst für die Ansammlung an Actionsequenzen, Gags und mildem Horror erkennen. Das ist nun kein großes Drama, denn Spaß macht das Werk über weite Strecken dennoch. Lediglich eine unnötig ausgedehnte, laute Fluchtszene in einem Auto fühlt sich eindeutig wie ein Füller an, um die Laufzeit über der 90-Minuten-Marke zu halten. Im Kern präsentieren uns die Regisseure das Abenteuer eines Jungen, der von der Welt um ihn herum nicht verstanden wird. Und das Thema Missverständnis zieht sich auch weiter durch die Geschichte: Wie wir am Ende erfahren, ist ein solches gar Schuld an dem ganzen Debakel, das über die Stadt hereingebrochen ist. Bildlich wird das amüsant in der Gestalt der Untoten dargestellt, die sich ja zu gern zu der Situation äußern würden, aber physisch am Sprechvorgang gehindert werden. Das geht eben schlecht, wenn der Kiefer grausig runterhängt.
Hollywood-Stars und Newcomer wie Kodi Smit-McPhee, Anna Kendrick, Casey Affleck, Christopher Mintz-Plasse und John Goodman haben sich versammelt, um den Figuren auch stimmlich den passenden Ausdruck zu verleihen. Ob ihnen dies auch wirklich gelungen ist, kann ich leider nicht beurteilen, da das besuchte Pressescreening bereits mit der soliden deutschen Synchronisation stattfand. Was „ParaNorman“ ein wenig fehlt, sind jedoch nicht etwa namhafte Mimen am Mikro, sondern eine etwas markantere Charaktergestaltung der Helden selbst. Im Gegensatz zur geradezu Burton’esken Coraline macht Norman einen zu beliebigen Eindruck (abgesehen von seiner besonderen Begabung, selbstverständlich), um den Zuschauern echtes Interesse zu entlocken. Auch seine Mitstreiter wirken wie am (Genre-)Reißbrett entworfen – da hätte etwas mehr Tiefe abseits der Konventionen nicht geschadet. Ohne jetzt ständig auf dem Vergleich herumpochen zu wollen: Der Studio-Vorgänger war einfach aus einem ganz anderen Holz geschnitzt – gute Figuren, eine Explosion aberwitziger Ideen und eine griffige Story aus einem Guss.
Kinder werden bestimmt ihre Freude an der turbulenten, dreidimensionalen Action haben, während die volljährigen Begleiter wohl in erster Linie die nett eingebauten Zitate, wie beispielsweise den kleinen „Schocker“ zu Beginn, zu schätzen wissen – beide Gruppen werden sich von der technischen Umsetzung fasziniert zeigen. „ParaNorman“ funktioniert durchaus als kurzweiliger Best-Of-Horror-Beitrag für die ganze Familie. Doch hätte es nicht geschadet, den großen Aufwand nicht nur in die Trickserei zu stecken, sondern einen Teil dessen für die Gestaltung einer individuelleren Geschichte zu lassen. Das hätte den Film auf eine ganz andere Stufe heben können …

















