Der Vorname (2012)

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Le Prénom, F/B 2012109 Min • Mit: Patrick Bruel, Charles Berling, Valérie Benguigui, Guillaume de Tonquedec, Judith El ZeinRegie: Alexandre de La Patellière, Matthieu DelaporteFSK: Ab 12 JahrenKinostart: 02.08.2012Deutsche Website

Handlung

Élisabeth (Valérie Benguigui) und Pierre (Charles Berling) sind ein kultiviertes, linksliberales Pariser Ehepaar. Er ist ein Universitätsdozent, sie eine Lehrerin. Élisabeths Bruder Vincent (Patrick Bruel) kam nach langem Single-Dasein kürzlich unter die Haube und blickt nun schon Vaterfreuden entgegen. Er und seine hochschwangere Frau Anna (Judith El Zein) werden zu einem Abendessen bei Élisabeth und Pierre eingeladen. Außerdem noch anwesend – Élisabeths bester Freund aus Kindheitstagen, Claude (Guillaume de Tonquedec). Es soll ein ruhiger und entspannter Abend im Kreise der Familie und engster Freunde werden. Als jedoch Vincent zur Überraschung aller den Vornamen enthüllt, den Anna und er für ihren ungeborenen Sohn ausgesucht haben, findet die Harmonie ein jähes Ende. Was als ein Streit um den Vornamen des Kindes beginnt, artet in einem Krieg der Worte aus, bei dem wirklich jeder sein bzw. ihr Fett abbekommt.

Kritik

Man stelle sich den folgenden Film vor. Es handelt sich um die Verfilmung eines erfolgreichen französischen Theaterstücks. Die Handlung spielt fast vollständig in einer Wohnung. Das Grundgerüst der Handlung besteht darin, dass die zivilisierte und ruhige Diskussion mehrerer Menschen nach und nach in einem wahrhaftigen Krieg aus Wörtern ausartet, bei dem so einiges enthüllt wird und viele Verlogenheiten und geheime Gedanken ans Licht kommen. Handelt es sich hierbei nicht etwa um Roman Polanskis Hit Der Gott des Gemetzels? Das könnte man mit Fug und Recht behaupten, denn schließlich beschreibt das Polanskis Adaption von Yasmina Rezas Stück ziemlich treffend. Doch die Beschreibung trifft auch auf Der Vorname zu, den französischen Kinohit, der nun auch die deutschen Lichtspielhäuser erreicht.

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Der Vorname Kritik 1Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Werken sind, wie der vorangegangene Paragraph deutlich veranschaulicht, unübersehbar. Daher liegt es sehr nahe, die beiden Filme zu vergleichen. Und doch enden die Vergleiche bereits bei der Grundstruktur der Geschichte und dem eingeschränkten Setting. Schon bei der Entstehung der Filme gibt es Unterschiede, die letztlich eine Auswirkung auf das jeweilige Endprodukt haben. Polanski hat Rezas Stück gemeinsam mit Reza in Drehbuchform gebracht und mit einer hervorragenden Auswahl hochkarätiger internationaler Stars besetzt – Christoph Waltz, John C. Reilly, Jodie Foster und Kate Winslet. Gedreht wurde natürlich in englischer Sprache, wobei Polanski kaum von der Vorlage abgewichen ist. Vielleicht war es seine Ehrfurcht vor Rezas umjubelten Stück, die letztlich dazu führte, dass der Film, so gut gespielt er auch war, niemals cinematisch, sondern stets theatralisch wirkte und man das Gefühl nie los wurde, ein abgefilmtes Theaterstück zu sehen. Gut war es ja, aber als Film eben zu wenig eigenständig. Dadurch, dass den Zuschauern vier weltbekannte Stars präsentiert wurden, verstärkte sich das Gefühl nur mehr. Man sah eher große Schauspieler auf einer Bühne und weniger menschliche Charaktere. Bei Der Vorname war es sicherlich vom Vorteil, dass der Übergang von der Bühne ins Kino in gewisser Hinsicht viel direkter war. Die Autoren des Stücks, Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière, haben die eigene Vorlage sowohl in Drehbuchform gebracht als auch die Aufgabe der Regie gemeinsam übernommen. Darüber hinaus ist fast die gesamte Besetzung der Originalproduktion im Film in den gleichen Rollen zu sehen. Nur die Rolle von Pierre wurde von Charles Berling übernommen, der an die Stelle von Jean-Michel Dupuis trat.

Der Vorname Kritik 2Somit hatte man bereits ein hervorragend eingespieltes Team von Schauspielern, Autoren und Regie. De La Patellière und Delaporte konnten mit dem eigenen „Baby“ viel freier und lockerer umgehen als Polanski mit Rezas Stück. Hier wird die Intention der Filmemacher klar, dem Stück treu zu bleiben und doch zugleich einen richtigen Kinofilm zu erschaffen. Das zeigt sich gleich zu Beginn des Films, als der Weg eines Pizzaboten durch ganz Paris bis hin zur Wohnung von Élisabeth und Pierre beschrieben wird, doch bei dieser Einlage bleibt es nicht. Jeder Charakter bekommt durch flott geschnittene Einblenden eine individuelle augenzwinkernde Einführung. Hier war Jean-Pierre Jeunet in klares Vorbild, doch daran will man sich ja nicht aufhängen. Allein durch diese (scheinbar) kleinen Details wirken die darauffolgenden Ereignisse, die nun vollständig innerhalb der Wohnungsmauern stattfinden, natürlicher und authentischer. Ferner ist es zumindest für den deutschen Zuschauer vom Vorteil, es nicht mit bekannten Gesichtern wie von Jodie Foster oder Kate Winslet zu tun zu haben, sodass die Charaktere einem auch naher erscheinen.

Dennoch ist es ein sehr „französischer“ Film. Bereits das von der Ehefrau zubereitete Festmahl, welches in aller Länge zelebriert wird, ist ein Teil der französischen Lebensweise. Die französische Kultur, die Kluft in den Wertvorstellungen und Lebensweisen zwischen linksliberalen Intellektuellen und den „Durchschnittsbürgern“, die französische Literatur und die moderne französische Gesellschaft sind alles Themen, die hier mal subtil, mal offen angesprochen werden. Dennoch muss man kein Kenner der heutigen französischen Gesellschaft sein, um den Film zu genießen. Auch so bietet der Film genug scharfsinnigen Humor, gewitzten Schlagabtausch und großartige Darbietungen, um über die 109-minüte Laufzeit blendend zu unterhalten. Der eigentliche Vorname, der die ganze Kontroverse auslöst, ist relativ leicht zu erraten, auch bevor er fällt. Doch das ist ja auch nicht weiter schlimm, bildet er nur den Grundstein für alles, was danach folgt.

Der Vorname Kritik 3Zugegeben, hier sticht keiner so hervor wie Christoph Waltz oder John C Reilly in Der Gott des Gemetzels. Hatte in Der Gott des Gemetzels jedes Mitglied der Besetzung seine eigenen Momente zum Brillieren und zum Ausarbeiten der Figur, so sind trotz der deutlich längeren Laufzeit die drei männlichen Charaktere in Der Vorname deutlich besser abgebildet. Die Frauen ziehen leider den Kürzeren und sind weniger vielschichtig. Insbesondere Anna als die „Außenseiterin“ der Gruppe kommt nicht sehr gut davon. Auch an Bosheit und Zynismus bei den Dialogen fehlt es hier ein bisschen. Man wünscht sich immer, dass das Ganze noch einen kleinen Schritt weiter (und tiefer) gehen würde. Doch beim näheren Betrachten zeigen sich auch andere Unterschiede zwischen den beiden Werken. Waren es in Der Gott des Gemetzels schließlich zwei sich fremde Paare, die aneinander gerieten, handelt es sich in Der Vorname um eine (erweiterte) Familienbande. Ein Punkt, an dem Polanski in seinem Film scheiterte, war es, den Zuschauern überzeugend zu vermitteln, warum Winslet und Waltz die Wohnung des anderen Ehepaares nicht endgültig verlassen. In Der Vorname fühlt es sich aber natürlich an, dass auch während der hitzigen Diskussionen niemand sich ernsthaft veranlasst fühlt, die Wohnung zu verlassen. Schließlich kennt man sich lange und weiß, dass man sich über kurz oder lang wieder vertragen wird. Die Eingespieltheit des Ensembles, in das sich Berling als Neuling perfekt einfügt, trägt auch sehr dazu bei, dass diese feste Bande überzeugend wirkt.

Natürlich merkt man dem Film seinen Ursprung als Theaterstück immer noch an und doch besteht er die Feuerprobe als Kinofilm etwas besser als Polanskis Film. Hier zeigt sich, dass auch wenn ein Originalwerk sehr gut ankam und Veränderungen nicht nötig erscheinen, man beim Formatwechsel keine Angst haben darf, die dazu nötigen Anpassungen vorzunehmen. Das taten die Regisseure hier und es zahlte sich aus.

Fazit

Auch wenn Der Vorname vielleicht einen Tick zu zahm ist und nicht jeder Charakter sich gleich entfalten kann, so bietet der Film dennoch amüsante wie bissige Wortgefechte und ein sehr gut aufgelegtes Schauspielensemble.

Trailer

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