One Battle After Another (2025) Kritik

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One Battle After Another, USA 2025 • 162 Min • Regie & Drehbuch: Paul Thomas Anderson • Mit: Leonardo DiCaprio, Sean Penn, Benicio del Toro, Regina Hall, Teyana Taylor, Chase Infiniti • Kamera: Michael Bauman • Musik: Jonny Greenwood • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Warner Bros. • Kinostart: 25.09.2025 • Deutsche Website

Paul Thomas Andersons „One Battle After Another“ ist der bislang beste Film des Kinojahres 2025. Er dürfte wohl ungeplant auch einer der kontroversesten werden. Zumindest in den USA. Seit der Ermordung des rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gespaltener denn je. Vor allem das MAGA-Lager war noch vor Identifizierung des Täters übereifrig darin, die Schuld im Demokraten-Umfeld und bei Minderheiten zu suchen. Ein 22-jähriger weißer Waffenliebhaber aus einer überzeugten Republikaner-Familie passt als Tatverdächtiger nun allerdings nicht wirklich in das vorkonstruierte Bild eines heißblütigen, linken Terroristen. Um eine revolutionäre Untergrundgruppe, die sich mit einer geheimen White-Supremacy-Organisation anlegt, geht es oberflächlich in Andersons epischem Actionthriller – und man kann nur spekulieren, wie dieses Thema besonders in den rotgefärbten Staaten ankommen wird. Zumindest Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio dürfte mit seinem Superstarstatus einen Erfolg an den Kinokassen garantieren.

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Zu Beginn erleben wir, wie der von DiCaprio verkörperte Revolutionär Pat mit seinen Kameraden der French 75 an der US-mexikanischen Grenze Flüchtlinge aus einem Gefangenenlager befreit und die stationierten Aufseher einsperrt. Zu diesen Aufsehern gehört auch Col. Steven Lockjaw (Sean Penn), der an der Erniedrigung durch die toughe Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor) Gefallen findet und von dieser zu einem späteren Zeitpunkt Geschlechtsverkehr im Austausch für zwei zugedrückte Augen bei den Aktionen ihrer Gruppe einfordert. Zuvor hat Perfidia jedoch schon mit Pat ungeschützten Sex gehabt und das Paar bekommt eine Tochter. Was sich das Publikum nun fragt: Wer ist hier wirklich der Vater? Der treusorgende Pat weiss nichts von Lockjaw und übernimmt die Verantwortung für die kleine Willa, nachdem Perfidia ihn verlässt, um sich ganz dem ersehnten Umbruch hinzugeben. Ein blutig verlaufener Raubüberfall treibt Perfidia erneut in Lockjaws Klauen – diesmal muss die Tarnung der Gruppe dran glauben und Pat sieht sich gezwungen, mit Willa zu fliehen und ein neues Leben unter dem Namen Bob zu beginnen.

Sechzehn Jahre später ist Willa eine kämpferische Teenagerin (Chase Infiniti) und Pat/Bob hat sein Rebellen-Dasein fast vollständig für die Vaterrolle an den Nagel gehängt. Doch Lockjaw hat inzwischen das Angebot erhalten, einer exklusiven faschistischen Organisation beizutreten, die die Paarung mit farbigen Menschen strikt ablehnt. Sein Plan ist es also, seinen möglichen Nachwuchs zu finden und aus der Welt zu schaffen, bevor seine Leute davon Wind bekommen. Um seine Tochter vor ihm zu schützen, muss Bob sich wieder an Verfahren und Codes aus einer Zeit erinnern, die schon zu lange hinter ihm liegt …

 

„One Battle After Another“ basiert frei auf dem Roman „Vineland“ und ist die inzwischen zweite Adaption einer Thomas-Pynchon-Vorlage von Paul Thomas Anderson nach dessen wunderbarer Paranoia-Komödie „Inherent Vice“. Ähnlich wie das 2014er Werk, ist auch Andersons neue Arbeit trotz des ernsten Kontexts ein erfrischend absurdes Abenteuer voller schillernder Figuren. Tatsächlich könnte DiCaprios Bob ein naher Verwandter von dessen Rick Dalton aus Quentin Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“ sein, der ähnlich ermüdet auf die Welt blickt: Seine neue Schlacht um die Zukunft heißt „Dad sein“. Die Newcomerin Chase Infiniti hinterlässt als aufmüpfige Willa einen starken Eindruck und Benicio del Toro als wortkarger und ständig Bier trinkender Sensei Sergio St. Carlos sorgt für die amüsantesten Momente. Der heimliche Star des Films ist allerdings der zweifache Oscar-Preisträger Sean Penn („Mystic River“), der als eiskalter und machtgieriger Psychopath die schlichte Auswertung eines Vaterschaftstests in einen eindringlichen Spannungshöhepunkt verwandelt. Eine weitere Nominierung für den Goldjungen als Bester Nebendarsteller ist mehr als wahrscheinlich.

Im Kern verhandelt „One Battle After Another“ seinen Krieg zwischen Rebellen und Faschisten als schwarzhumoriges Familiendrama. Da ist der einstige Revolutionär, der beim Anblick des neugeborenen Lebens erkennt, dass seine Bestimmung nicht unbedingt im bewaffneten Widerstand liegt. Da ist der radikale Rassist, dessen überzeugte Ablehnung einer anderen Hautfarbe nur so weit trägt, bis sein Glied die Steuerung übernimmt. Beide halten sich für Väter – doch während Bob sich sicher ist und für seine Tochter sein Leben aufs Spiel setzt, befürchtet der nur auf seine Position fixierte Lockjaw die Vaterschaft und geht für sein Ziel über Leichen. Liebe und Hass stehen sich hier persönlich gegenüber und Andersons Film führt genial vor Augen, dass dem chaotischen und unversöhnlich scheinenden Zustand der US-Gesellschaft auch immer ein sehr intimer Konflikt innewohnt. Daran, dass Lockjaw und sein buchstäblich aus dem Keller operierender Club aus alten und verbitterten weißen Männern die Antagonisten sind, lässt Paul Thomas Anderson keinen Zweifel. Erfrischend durch den Kakao zieht der Regisseur allerdings auch die Untergrund-Rebellen, etwa wenn die Abfrage von Codes bürokratische Züge annimmt, obwohl die Zeit bedrohlich rennt. Und auch die Figur von Perfidia kommt mit ihren extremen Zügen nicht gut weg. Nicht nur klebt unschuldiges Blut an ihren Händen, auch lässt sie ihr junges Kind für einen höher empfundenen Plan komplett im Stich und muss letztlich mit ihrer Reue leben.

Inszenatorisch ist „One Battle After Another“ ein weiterer großer Triumph Andersons, der bei den nächsten Academy Awards ganz sicher eine prominente Position einnehmen wird. Ohne Zweifel ist dies dessen bislang actionreichste Arbeit, wenn hier auch eher eine Action der alten, handgemachten Schule gemeint ist. Der Film bleibt mit seiner rund 160-minütigen Laufzeit ständig im Fluss und bietet Spannungskino der besonders raffinierten Art. DP Michael Bauman, der bereits bei „Licorice Pizza“ mit Anderson zusammengearbeitet hat, hat „One Battle After Another“ mit VistaVision-Kameras eingefangen und präsentiert spektakuläre wie einzigartige Bilder. Die Verfolgungsjagd auf einer hügeligen Landstraße wird zu einem hypnotischen Mini-Kunstwerk, begleitet von Jonny Greenwoods treibend-perkussivem Score.

„There Will Be Blood“ bleibt Paul Thomas Andersons großes Meisterwerk, doch „One Battle After Another“ schließt sich diesem direkt an. Ein explosiver und manchmal urkomischer Molotow-Cocktail für die ganz große Leinwand, der am Ende hoffentlich viele Menschen im Kino zusammenführt und danach zivilisiert diskutieren lässt. Ohne Zynismus und mit viel Herz zeigt der Film, dass Akzeptanz nicht von der Herkunft abhängt.


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  1. […] Bastian G. von Filmfutter „There Will Be Blood“ bleibt Paul Thomas Andersons großes Meisterwerk, doch „One Battle After Another“ schließt sich diesem direkt an. Ein explosiver und manchmal urkomischer Molotow-Cocktail für die ganz große Leinwand, der am Ende hoffentlich viele Menschen im Kino zusammenführt und danach zivilisiert diskutieren lässt. Ohne Zynismus und mit viel Herz zeigt der Film, dass Akzeptanz nicht von der Herkunft abhängt. 5 von 5 Sterne. […]

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One Battle After Another, USA 2025 • 162 Min • Regie & Drehbuch: Paul Thomas Anderson • Mit: Leonardo DiCaprio, Sean Penn, Benicio del Toro, Regina Hall, Teyana Taylor, Chase Infiniti • Kamera: Michael Bauman • Musik: Jonny Greenwood • FSK: ab 16 Jahren...One Battle After Another (2025) Kritik