Richard Gere in "MotherFatherSon" © 2019 BBC
Quelle: The Hollywood Reporter
Jeder möchte heutzutage was vom Streaming-Kuchen abhaben. Disney+ steht bereits in den Startlöchern, um Netflix und Amazon Prime Konkurrenz zu machen, Facebook produziert bereits eigene Serien und die Streaming-Dienste von Warner Bros. (HBO Max), Apple (Apple TV+) und NBCUniversal werden auf Hochtouren vorbereitet.
Unter den kommenden Angeboten hat Apple, dessen Plattform voraussichtlich dieses Jahr noch an den Start gehen soll, einen schwierigen Status. Disney, Warner und NBCUniversal können zum Start direkt auf lange Kataloge eigener Inhalte zugreifen, die sie nach und nach von Konkurrenzen wie Netflix abziehen werden. Apple muss die Filme und Serien erst einmal selbst produzieren. Zum Glück mangelt es dem gigantischen Technologieunternehmen nicht an Startkapitel für das Projekt. Mehr als 20 Serien werden von Apple aktuell entwickelt. Hochkarätige Namen wie Steven Spielberg, M. Night Shyamalan, Jason Momoa, Brie Larson, Jennifer Aniston und Reese Witherspoon konnten für Apple-Serien verpflichtet werden. Die ersten Produktionen, "Dickinson" mit Hailee Steinfeld und "The Morning Show" mit Aniston und Witherspoon, wurden bereits fertiggestellt und sollen noch dieses Jahr veröffentlicht werden.
Allerdings hat Apple TV+ noch vor dem offiziellen Start einen gewissen Ruf. Auch wenn man das noch eher bei Disney+ vermuten würde, soll der Streaming-Dienst von Apple laut zahlreichen internen Quellen möglichst familienfreundliche, massentaugliche und harmlose Inhalte produzieren. Diesen Kurs setzte Apple-CEO Tim Cook. So soll es bereits zu zahlreichen Konflikten zwischen Serienmachern und Apple-Verantwortlichen gekommen sein.
Das neuste Opfer dieser Konflikte und unüberbrückbarer kreativer Differenzen ist die Selbstjustiz-Serie "Bastards", wobei man allein schon an dieser Beschreibung vermutlich hätte absehen können, dass sie kein gutes Ende nehmen würde. Das Remake einer israelischen Serie, für das Apple letztes Jahr direkt eine achtteilige Staffel bestellte, sollte von zwei alten Vietnam-Veteranen und besten Freunden handeln. Als die Frau, die sie vor 50 Jahren beide liebten, von einem Auto überfahren wird, werden ihre monotonen Leben aufgerüttelt. Ihre lebenslangen Geheimnisse und Versäumnisse kollidieren mit der Verachtung der selbstbezogenen Millennials und das Duo läuft Amok.
Howard Gordon, der bereits mit "Homeland" ein sehr erfolgreiches Remake einer israelischen Serie produzierte, hat "Bastards" gemeinsam mit Warren Leight ("Law & Order: Special Victims Unit") geschrieben. Beide sollten Showrunner der Serie werden. Ihr größter Coup war die Verpflichtung von Richard Gere in der Hauptrolle eines der Veteranen. Dieses Jahr spielte Gere in der britischen Miniserie "MotherFatherSon" seine erste Serien-Hauptrolle überhaupt.
Als die Serie erstmals angekündigt wurde, gab es einen Bieterwettstreit zwischen mehreren Interessenten. Apple setzte sich durch, macht jetzt aber einen Rückzieher. Als Gordon und Leight die Drehbücher zur Serie schrieben, erhielten sie laut The Hollywood Reporter mehrere Verbesserungsvorschläge von Apple, die darauf drängten, den Fokus auf die Freundschafts-Metapher der Serie zu legen. Allerdings hatten die Macher weniger Interesse daran und mehr an den düsteren Elementen der Selbstjustiz. Apple wünschte sich eine inspirierende, emotionale Serie. Warren Leight verließ zuerst das Projekt und als es zu keiner Einigung zwischen Gordon und Apple kam, verzichtete der Streaming-Anbieter ganz auf die Serie. Apple gab die Rechte an der Serie frei und musste dafür eine beträchtliche, vertraglich vereinbarte Strafe zahlen. Jetzt darf ein anderer Anbieter zugreifen und die Serie produzieren.
Tja, wer hätte gedacht, dass Apple eine Serie, die Millennials (also die Zielgruppe ihrer Produkte) als egoistisch und unsympathisch darstellen würde, nicht produzieren wollen würde. Und hatte niemand bei Apple geahnt, dass eine Serie über Selbstjustiz vielleicht nicht sehr inspirierend sein würde?
Es ist nicht die erste angekündigte Apple-Serie, die aufgrund ihrer Inhalte abgesagt wird. Die von Dr. Dre produzierte Dramaserie "Vital Signs" sollte sogar die allererste Apple-Serie überhaupt werden, aber nach zwei Jahren Vorbereitung und Pre-Production fiel dem Unternehmen auf, dass die Serie Waffen, Gewalt, eine Orgie und Drogenkonsum enthält, und zog ihr den Stecker.
Allerdings ist Richard Gere vielleicht gar nicht so traurig über die Entwicklung. Er war nämlich nicht begeistert von dem Dreh für eine TV-Serie, wie er nach der Produktion der britischen "MotherFatherSon" erklärte: (aus dem Englischen)
Es waren sechs Monate lange Dreharbeiten, wie vier Independent-Filme hintereinander zu drehen, aber immer den gleichen Charakter zu spielen. Es ist zu lang. Ich denke nicht, dass ich das noch einmal machen werde.