Chained (2012)

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Chained, USA 2012 • 98 Min • Regie: Jennifer Chambers Lynch • Drehbuch: Jennifer Chambers Lynch & Damian O’Donnell • Mit: Vincent D’Onofrio, Eamon Farren, Julia Ormond, Gina Philips, Jake Weber • Kamera: Shane Daly • Musik: Climax Golden Twins FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Capelight Pictures 

 

Hier kommt der neue Film von Jennifer Lynch. „Chained“ lautet sein Titel, und dieser ist tatsächlich Programm: Im Alter von neun Jahren wird ein kleiner Junge zusammen mit seiner Mutter von dem Serienkiller Bob (Vincent D’Onofrio) verschleppt. Der Psychopath tötet die Frau, verschont aber das Kind. Es erhält von ihm den Namen Rabbit, wird an eine Kette gelegt und muss sich von nun an nach einem strengen Plan um den Haushalt kümmern, zu dem auch das tägliche Vergraben neuer Leichen gehört. Nach vielen Jahren sieht Bob in seinem Gefangenen mehr als seinen ergebenen Sklaven. Rabbit (Eamon Farren) soll Anatomiebücher studieren und ihm irgendwann bei seinen blutigen Taten zur Hand gehen. Allerdings nicht, bevor er gelernt und sich als „würdig“ erwiesen hat. Die unheimliche „Vater-Sohn“-Beziehung bröckelt, als Bob erkennen muss, dass sein Protégé noch immer über einen eigenen Willen verfügt, der sich nicht mit seinem eigenen deckt …

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Mit dem interessanten, aber leider deutlich zerfahrenen Thriller „Unter Kontrolle“ von 2008 gab Jennifer Lynch, die Tochter von Kino-Sonderling David Lynch, ihr erstes Lebenszeichen nach fünfzehnjähriger Leinwandabstinenz, bedingt durch die desaströse Erfahrung mit ihrem Debütwerk „Boxing Helena“. Einen weiteren, bitteren Rückschlag musste die Genreregisseurin allerdings direkt im Anschluss an ihr Comeback mit der vom Studio sabotierten Fantasystory „Hisss“ einstecken, von welcher sie letztlich gar ihren Namen zurückzog. Es war also erneut ein steiniger Weg bis zu „Chained“, einem Horrordrama, das sich zwischen zwei Charakteren in den tristen Räumlichkeiten eines abgelegenen, fensterlosen Häuschens abspielt. Lynch erschafft allein durch die Darstellung des Schauplatzes eine beklemmende Atmosphäre, die durch das Abbilden der scheinbar endlosen, ländlichen Umgebung noch an Hoffnungslosigkeit gewinnt. Der junge Rabbit wagt zu Beginn der Geschichte einen mutigen Fluchtversuch, der ihm aber letztlich nur brutal vor Augen führt, dass er seinem „Besitzer“ hilflos ausgeliefert ist. Selbst wenn er es schafft, zu laufen – wo soll er hin? Die einzige Flucht, die ihm bleibt, ist die in sein Inneres.

Zermürbend und grausam ist die Routine, die uns hier geschildert wird. Rabbit darf nur die Reste von Bobs Teller verspeisen, das Haus putzen, ihm Essen servieren und tote Menschen im Keller verscharren. Außerdem muss er die Personalausweise der Opfer verwahren und Zeitungsberichte über die Verbrechen in einem Album zusammentragen. Serienkiller gelten allgemein als Einzelgänger, doch auch bei dieser Beobachtung gibt es Ausnahmen. Bob wird von Albträumen gequält, die ihn schließlich dazu bewegen, seinem Gefangenen eine Ausbildung anzubieten. Wir sehen, wie sich der Psychopath ruhelos im Bett wälzt und hören seine Worte, deren Betonung unausgereift ist. Was hat ihn zu dem Monster gemacht, das er ist? Weshalb tut er, was er tut? Und was sieht er in Rabbit? Einen Sohn – einen Nachfolger – der sein Werk fortführt, wenn er eines Tages nicht mehr lebt? Jennifer Lynch beantwortet diese Fragen nicht explizit, sondern bietet lediglich Versatzstücke an, mit denen man sich ein eigenes Bild erstellen kann. Wie stark der Einfluss der Erziehung einen Menschen prägt, versucht die Regisseurin an der Figur Rabbits zu thematisieren, der seit seiner Kindheit kein anderes Leben als das unter der Herrschaft des Mörders kennt. Allerdings fehlt hier etwas: Im Film wird ein Schnitt gesetzt, der fast ein Jahrzehnt der Handlung überspringt. Man mag sich nicht so recht vorstellen, dass die Beziehung zwischen Bob und Rabbit in all dieser Zeit reibungslos funktioniert hat, nahezu wie ein Vakuum. So intensiv „Chained“ über weite Strecken auch sein mag, mehr als ein von seinen beiden Hauptdarstellern souverän getragenes Psychokammerspiel bekommt man leider nicht geboten. Die Figuren agieren interessant, verbleiben aber in ihrer Charakterisierung an der Oberfläche.

Die Frage lautet am Ende wohl, was in dem Jungen nach der langen psychischen Misshandlung geschehen ist. Ob für ihn irgendwann die Möglichkeit besteht, den Weg in die Welt da draußen zurückzufinden und wie er auf diese reagieren wird. Lynch beendet ihre Arbeit enttäuschend konventionell und fügt an ein eigentlich schlüssiges Ende eine Sequenz an, die „Chained“ fast ins TV-Thriller-Territorium abdriften lässt. Wie viele andere Genrearbeiten fordert auch diese unsere Faszination für das Böse ein. Untersuchen tut sie die Mechanismen dahinter leider ebensowenig.


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