Barbie (2023) Kritik

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Barbie, USA 2023 • 114 Min • Regie: Greta Gerwig • Mit: Margot Robbie, Ryan Gosling, America Ferrera, Will Ferrell, Ariana Greenblatt, Simu Liu, Kate McKinnon, Alexandra Shipp, Kingsley Ben-Adir, Issa Rae, Emma Mackey, Nicola Coughlan, Michael Cera, Dua Lipa, John Cena • FSK: ab 6 Jahren • Kinostart: 20.07.2023 • Deutsche Website

Handlung

Barbie (Margot Robbie) führt das perfekte Leben in Barbieland. Das Wetter ist jeden Tag perfekt, ebenso wie die Frühstückswaffeln und die Wassertemperatur in der Dusche. Die Füße stehen immer auf Zehenspitzen, ins Auto schwebt man einfach vom Balkon des Hauses sanft herunter und jeder Abend ist Mädelsabend mit Barbie-Freundinnen (u. a. Alexandra Shipp, Hari Nef, Issa Rae und Emma Mackey). Etwas weniger aufregend ist der Alltag von Ken (Ryan Gosling), dessen einziger Lebenssinn darin besteht, mit anderen Kens (u. a. Simu Liu, Kingsley Ben-Adir und Ncuti Gatwa) um Barbies Aufmerksamkeit zu buhlen. Doch die heile Welt bekommt Risse, als Barbie wiederholt von aufdringlichen Gedanken an den Tod heimgesucht wird. Das Wasser in der Dusche ist plötzlich kalt, die Frühstückswaffeln sind verbrannt und das Schlimmste ist: sie bekommt Plattfüße und Cellulite! Um zu ihrem unbeschwerten Dasein zurückzukehren, sucht sie die als Außenseiterin lebende "komische Barbie" (Kate McKinnon) auf, die sie darüber aufklärt, dass die Lösung für ihr Problem in der realen Welt liegt. Sie muss das Mädchen finden, das mit ihrer Barbie spielt und dessen traurige Gedanken und Gefühle sich auf sie übertragen haben. Ken überzeugt Barbie, sie mitzunehmen und gemeinsam machen sie sich in die reale Welt auf, in der beide erstaunliche Erkenntnisse über die Machtstrukturen und Geschlechterrollen machen, die nicht nur sie nachhaltig verändern, sondern auch ganz Barbieland.

Kritik

Es ist bezeichnend, dass zwei der voraussichtlich kommerziell erfolgreichsten Filme dieses Jahr auf Figuren basieren, die mehrere Generationen von Kindern geprägt haben und zuvor nie bzw. nie angemessen fürs Kino umgesetzt wurden. Doch damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten von Super Mario Bros. und Barbie, denn während der Animationsfilm aus der Schmiede der Minions-Schöpfer in jeglicher Hinsicht auf Nummer sicher ging, um den Fans zu gefallen, und entsprechend von der ersten bis zur letzten Minute durchkalkuliert und formelhaft war, um Kinder und Nostalgiker abzuholen, wagt der Barbie-Film, über Mattels Kultpuppe hinaus auf ihren ambivalenten Einfluss auf die Gesellschaft und stereotype Frauen- und Männerrollen zu schauen. Ihm gelingt die bewundernswerte Balance zwischen der Anerkennung der Kritik an den unrealistischen Idealen und dem naiven Weltbild, das die Barbie-Puppe vermittelt, und der Huldigung ihres Vermächtnisses, ihrer Geschichte und ihres Beitrags zur Entwicklung und Entfaltung von Millionen Mädchen.

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Barbie Film Bild 1Obwohl die Barbie-Puppe 1959 erstmals auf den Markt kam und ihre Beliebtheit nie merklich nachgelassen hat, hat Mattel erst 2001 angefangen, animierte Barbie-Filme direkt fürs Heimkino zu produzieren. Das Potenzial einer Realverfilmung erkannte der Spielwarenhersteller bereits 2009, es vergingen jedoch mehr als zehn Jahre, bis jemand den richtigen Ansatz gefunden hat. In der Zeit durchlief der Barbie-Realfilm mehrere Studios (Universal, Sony), Regisseurinnen (Alethea Jones, Patty Jenkins), Autorinnen (Lindsey Beer, Jenny Bicks, Olivia Milch, Diablo Cody) und Hauptdarstellerinnen (Anne Hathaway, Amy Schumer), bis er bei Warner Bros. und in den Händen der oscarnominierten Filmemacherin Greta Gerwig, ihres Partners Noah Baumbach und der Hauptdarstellerin und Produzentin Margot Robbie gelandet ist. Die Rückschläge haben sich jedoch gelohnt: Ich kann guten Gewissens sagen, dass man sich für diesen Film vermutlich keine bessere Kombination des Talents vor und hinter der Kamera vorstellen könnte.

Barbie Film Bild 2Nach ihren ersten beiden als "Bester Film" bei den Oscars nominierten Regiearbeiten Lady Bird und Little Women zementiert Barbie Gerwig als eine der besten neuen Regisseurinnen und Erzählerinnen starker Frauengeschichten Hollywoods. Barbie ist ihre bislang größte Herausforderung. Wie überwindet man die Skepsis und die Häme über die Ankündigung eines Barbie-Realfilms und wird zugleich den Erwartungen an den ersten Kinofilm über eins der berühmtesten Spielzeuge aller Zeiten gerecht? Gerwig zeigt wie. Das Drehbuch, das sie gemeinsam mit Baumbach verfasst hat, enthält zahlreiche Seitenhiebe auf Barbies und Kens zum Teil bizarre Geschichte (es gab einen Sugar Daddy Ken?!), reichlich Kritik an den absurden und zum Teil paradoxen gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und Konsumkritik, ist aber keine Moralpredigt. Außerdem macht sich der Film weder über Barbie selbst oder noch über die Leute, die mit ihr aufgewachsen sind, lustig. Gelegentlich trägt Gerwig etwas dick auf, doch ich bin sicher, dass diverse Szenen, insbesondere America Ferreras wütender Monolog im dritten Akt, vielen Zuschauerinnen aus der Seele spricht.

Barbie Film Bild 3Gerwigs Barbie-Welt mag pink sein, doch ihre Figuren haben viele Schattierungen. Barbie ist eine Emanzipationsgeschichte, doch nicht nur von Barbie selbst, sondern vor allem von Ken. Wie viele andere junge Männer, die nie lernten, mit ihren Emotionen umzugehen, kanalisiert er den Frust, die Wut, vor allem aber tief verborgene Verletzlichkeit über mangelnde Beachtung in stupides Machotum, bevor er endlich aus dem Schatten (und der Friendzone) seiner Dauerfreundin heraustreten und sich selbst finden kann. Ryan Gosling liefert in der Rolle eine der besten Performances seiner gesamten Karriere ab und wäre die Academy gegenüber Comedyrollen nicht voreingenommen, wäre er jetzt schon ein sicherer Kandidat für mindestens eine Oscarnominierung. Als Ken traut er sich, albern und lächerlich zu sein, bevor er eine komplexe Entwicklung durchmacht. Seine Powerballade "I’m just Ken" ist jetzt schon ein Klassiker und dürfte einer der eingängigsten Filmsongs des Jahres bleiben. Nach der Sichtung des Films bleiben jedenfalls keinerlei Zweifel übrig, weshalb ein für seine komplexen Indie-Rollen bekannter Schauspieler als Barbies nichtssagender Freund besetzt wurde.

Barbie Film Bild 4Während Gosling als Ken vermutlich die größte Überraschung des Films ist, lässt sich Margot Robbie von ihrem Leinwandpartner nie überschatten. Gab es an Goslings Besetzung als Ken noch einige Zweifel im Vorfeld, wirkte Robbie von Anfang an perfekt als ultimative Barbie aus Fleisch und Blut und der Eindruck täuschte nicht. Wie gut sie der Rolle der makellosen Blondine optisch entspricht, wird in einer Szene sogar selbst zum kleinen Meta-Gag, eingeworfen von Helen Mirrens Erzählerin aus dem Off. Doch natürlich wurde Robbie nicht (nur) wegen ihres Aussehens in der Rolle besetzt und ihre Barbie erlebt auch ein Wechselbad der Gefühle, bis sie lernt, was es heißt, eine echte Frau zu sein.

Barbie Film Bild 5Aus der riesigen Nebenbesetzung sind vor allem America Ferrera als überforderte Mutter und Mattel-Angestellte, Kate McKinnon als aufgeklärte komische Barbie, Michael Cera als Kens verzweifelter bester Freund Allan und natürlich Will Ferrell als profitorientierter Mattel-CEO, der aufrichtig an vermeintliche Gleichberechtigung in seinem offensichtlich männerdominierten Unternehmen glaubt, hervorzuheben. Hut ab an Mattel, dass sie diese (und etliche andere) Gags auf eigene Kosten durchgewunken haben.

Barbie hat viel zu sagen – sowohl die Figur in dem Film als auch der Film selbst – und die Leute sollten zuhören. Doch auch wenn sie nicht interessiert, was in dem Film unter der Oberfläche vor sich geht, werden sie ihren Spaß daran haben. Nicht jeder Gag sitzt, doch bei der hohen visuellen und verbalen Gagdichte bleibt der Film durchweg witzig.

Fazit

Die Werbung lügt nicht: Es ist ein Film für alle, die Barbie lieben, und für alle, die sie hassen. Mit zwei großartigen Hauptdarstellern und einem cleveren, satirischen, aber auch einfühlsamen Drehbuch unterwandert Greta Gerwigs Barbie erfolgreich die Erwartungen und ist der dritte Volltreffer in Folge für die Regisseurin.

Trailer

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