Ghost in the Shell, USA 2017 • 106 Min • Regie: Rupert Sanders • Mit: Scarlett Johansson, Pilou Asbæk, Takeshi Kitano, Michael Pitt, Juliette Binoche • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 30.03.2017 • Website
Handlung
In einer nicht näher definierten Zukunft, in der für viele Menschen das Aufrüsten ihrer Körper durch kybernetische Zusatzteile genau so normal ist, wie das heutige Laden von Apps auf unsere Smartphones, ist Major Mira Killian (Scarlett Johansson) die erste ihrer Art. Nachdem ihr Körper bei einem Terrorangriff zerstört wurde, wurde ihr Gehirn in einen künstlichen und höchst widerstandsfähigen Körper verpflanzt. Als erste erfolgreiche Verknüpfung eines menschlichen Geists mit einem synthetischen Körper stellt sie für das Unternehmen Hanka Robotics einen wertvollen Prototyp für künftige Massenproduktion dar. Um ihre Qualitäten als perfekte Soldatin unter Beweis zu stellen, wird Major der Eliteeinheit Sektion 9 von Hanka zugewiesen, die unter der Führung des undurchsichtigen Daisuke Aramaki (Takeshi Kitano) in einer nicht näher bezeichneten asiatischen Metropole Terroristen und Cyberkriminelle jagt. Bei einem ihrer Fälle kommt Sektion 9 dem mysteriösen Hacker Kuze (Michael Pitt) auf die Schliche, der augenscheinlich eine persönliche Vendetta gegen Hanka und dessen Mitarbeiter führt. Die Jagd nach Kuze und immer häufiger werdende Wahrnehmungsstörungen bringen Major jedoch auch auf die Spuren ihrer eigenen Vergangenheit und lassen sie ihre Realität hinterfragen.
Kritik
Die Inspirationskette, die vor und hinter Mamoru Oshiis wegweisendem Anime Ghost in the Shell von 1995 sowie dessen Manga-Vorlage von Masamune Shirow liegt, ist lang. Neben Paul Verhoevens RoboCop, der ebenfalls von einem menschlichen Geist im Körper einer Maschine handelte, wurden die Ideen und Konzepte von Ghost in the Shell (wie auch nahezu jedes andere Cyberpunk-Werk der letzten 35 Jahre) zweifelsohne von Ridley Scotts Klassiker Blade Runner beeinflusst. Dieser ließ sich wiederum u. a. frei von Fritz Langs Meisterwerk Metropolis inspirieren. Ghost in the Shell hatte seinerseits ebenfalls bedeutenden Einfluss auf das Science-Fiction-Genre, der sich besonders merklich bei Matrix niederschlug. Doch obwohl Blade Runner, RoboCop, Ghost in the Shell und Matrix ihre Inspiration von zahlreichen anderen Werken bezogen, haben sich alle diese Filme weit über den Schatten ihrer Vorbilder hinaus entwickelt, besitzen eigene, unverwechselbare Identitäten und gelten als Meilensteine des Genres. Rupert Sanders’ Realadaption Ghost in the Shell wird sich nicht neben diese Filme einreihen, denn sie begnügt sich damit, ihre Geschichte gänzlich aus Versatzstücken aller oben genannten Filme zusammenzustellen, entbehrt jedoch leider der philosophischen Komplexität seiner Vorlage, auch wenn es den Machern nicht immer bewusst zu sein schien. Ghost in the Shell ist ein Film, der die Identitätskrise und –suche seiner Protagonistin als komplex und tiefgründig darstellen möchte, doch die melancholische Grundstimmung und die fantastisch durchdachten Bilderwelten können nicht dauerhaft darüber hinwegtäuschen, dass die eigentliche Handlung sehr einfach und gradlinig ist.
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Doch wenden wir uns zunächst dem Positiven zu, das bei Ghost in the Shell zum Glück überwiegt. Wenn man nicht viel Wert auf eine anspruchsvolle Handlung und herausfordernde Grundfragen legt, die sowohl das Anime als auch der Manga aufgeworfen haben, kann man den Streifen als bildgewaltigen Sci-Fi-Actioner mit einer souveränen Kickass-Heldin gut genießen. Obwohl vom Megapolis aus Blade Runner inspiriert, weiß Rupert Sanders Kreation der Zukunfts-Metropole, die wie Tokyo 2.0 anmutet, durchaus zu beeindrucken. Mit gigantischen Hologrammen in den Straßen und an den Hochhäusern oder futuristischen, aber dennoch nie zu weit hergeholt wirkenden Designs der alltäglichen Technik, erschaffen Sanders und sein Team aus Effektspezialisten und Szenenbildnern eine auf Anhieb glaubwürdige, greifbare Vision einer Zukunft, in der der Technisierungswahn ungeahnte Ausmaße angenommen hat. Das visuelle Worldbuilding ist bis in die kleinen Details gelungen. Diverse ikonische Momente aus dem Anime, wie die Schöpfung von Majors Körper, der Sprung vom Hochhaus zum Filmbeginn und der Wasserkampf im unsichtbaren Kampfanzug sind spektakulär umgesetzt. Die Action ist über den Film verteilt spärlich, jedoch sehr effektiv eingesetzt.
Das asiatische Setting und Yakuza-ähnliche Gegner von Major und ihrer Einheit verleihen Ghost in the Shell ein angenehm exotisches Flair. An dieser Stelle kommt man unweigerlich auf die Whitewashing-Vorwürfe zu sprechen, die aus der Besetzung von Scarlett Johansson in der Hauptrolle resultierten. Diesem Umstand trägt der Film tatsächlich Rechnung und löst ihn sogar gewissermaßen, allerdings auf eine kuriose Weise, die den Ärger mancher sogar noch mehr befeuern könnte. Es bleibt jedoch nur ein kleines und letztlich auch eher unwesentliches Detail. Johansson bringt die nötige von ihrer Umwelt distanzierte Ausstrahlung für die Rolle, wie schon in Under the Skin und Lucy. Da die Entwicklung von Major hier jedoch emotionalen Charakter hat, fällt es angesichts von Johanssons weitgehend ausdrucksloser Mimik schwer, mit ihr mizufühlen. Ihr Schauspiel erfolgt hier weitgehend über die Gestik und die bewusst schwerfällige Physis, die ein Wesen impliziert, das sich in seiner Hülle nicht ganz wohlfühlt. Wie schon bei ihren Marvel-Auftritten, behauptet sie sich in den Actionszenen des Films hervorragend als agile Kampfmaschine, und dass Frau Johansson im knallengen und hautfarbenen Bodysuit eine fantastische Figur abgibt, versteht sich von selbst.
Die einzige weitere nennenswerte Performance des Films kommt von der japanischen Entertainment-Ikone "Beat" Takeshi Kitano als Majors Chef. Kitano, der sich hier auf seine Muttersprache beschränken darf, holt alles aus seiner knapp bemessenen Rolle heraus. Seinen Charakter umgibt stets eine leicht mysteriöse, bedrohliche Aura und es ist eine wahre Freude, wenn er diese Ausstrahlung in einer Szene auch in die Tat umsetzen darf. Die restliche Besetzung, einschließlich Michael Pitt als ambivalenter Schurke und Pilou Asbæk als Majors treuer Kampfgefährte Batou, bleibt blass.
Tatsächlich hätte der Film vermutlich davon profitiert, wenn er jeden Vorwand der Tiefgründigkeit fallen gelassen und sich auf seine Stärken konzentriert hätte, wenn schon nicht das Bestreben bestand, die wenig massentaugliche Komplexität der Vorlage umzusetzen. Das Endergebnis ist ein Film, der sich für deutlich intellektueller hält, als er wirklich ist. Damit soll Ghost in the Shell nicht unterstellt werden, dass er dumm ist oder seine Zuschauer für dumm verkauft. Es ist eine simpel gestrickte und konsequent erzählte Geschichte, deren Wendungen für jeden Zuschauer, der nicht erst seit gestern Filme schaut, vorhersehbar sind. Bis hin zu seinem actionreichen Finale ist der Film im Grunde ein technisch großartig umgesetzter RoboCop-Verschnitt, jedoch ohne dessen bissige Anflüge von Gesellschaftssatire (also im Prinzip weitgehend wie das RoboCop-Remake von 2014).
Fazit
Wer gerne ins Kino geht, um sich in berauschenden Bilderwelten entführen zu lassen, kann guten Gewissens ein Ticket für Ghost in the Shell holen, denn die visuelle Wucht, die Regisseur Rupert Sanders in seiner Zukunftsvision heraufbeschwört, wird dieses Jahr ihresgleichen suchen und rechtfertigt sogar den 3D-Zuschlag. Doch während die Action knackig und der beeindruckende Stil bis in die Details sorgfältig durchdacht und gestaltet ist, ist die Substanz der Manga-Verfilmung überraschend mager, auch wenn der Film einen gerne vom Gegenteil überzeugen möchte.
Ghost in the Shell, USA 2017 • 106 Min • Regie: Rupert Sanders • Mit: Scarlett Johansson, Pilou Asbæk, Takeshi Kitano, Michael Pitt, Juliette Binoche • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 30.03.2017 • Website
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