Nocturnal Animals (2016) Blu-ray-Kritik

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Nocturnal Animals (2016) Filmkritik

Nocturnal Animals, USA 2016 • 111 Min • Regie & Drehbuch: Tom Ford • Mit: Amy Adams, Jake Gyllenhaal, Michael Shannon, Aaron Taylor-Johnson, Isla Fisher, Armie Hammer • Kamera: Seamus McGarvey • Musik: Abel Korzeniowski • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 22.12.2016 • Heimkinostart: 27.04.2017 • Deutsche Website

Nocturnal Animals (2016) Filmbild 5Bereits die ersten Bilder von Tom Fords („A Single Man“) zweiter Regiearbeit „Nocturnal Animals“ provozieren: Völlig entblößte Rubensfrauen posieren mit ihren üppigen Rundungen auf einer geschmackvollen Kunstveranstaltung. Das vergangene Schönheitsideal wirkt in dieser schicken Welt des Mode- und Körperkults wie ein grotesker Fremdkörper. Es ist ein perfekter Einstieg in ein Werk voller scharfer Kontraste und brutaler emotionaler Synergie. Die Zuschauer sind gefordert, zwei Erzählebenen parallel zu folgen – die eine zeigt die wohlhabende Kunstgaleristin Susan (Amy Adams), die oberflächlich ein perfektes Leben mit ihrem attraktiven Mann Hutton (Armie Hammer) führt; die andere schildert die Handlung eines Romans, den Susans Ex Edward (Jake Gyllenhaal) geschrieben und ihr vor die Haustür gelegt hat.

Nocturnal Animals (2016) Filmbild 4Das Buch trägt den Titel „Nocturnal Animals“ und ist der innerlich zunehmend unglücklichen Frau gewidmet. Sie selbst ist von Edward früher immer als Nachttier beschrieben worden. Der letzte Kontakt zu ihm ist nun mehr als zehn Jahre her. Damals hat sie ihm etwas Schlimmes angetan, und die Lektüre seiner fiktiven Geschichte lässt Trauer und schwere Schuldgefühle in ihr aufsteigen: Auf einer finsteren Landstraße in West Texas wird der Protagonist Tony (ebenfalls Jake Gyllenhaal) zusammen mit seiner Frau Laura (Isla Fisher) und Tochter India (Ellie Bamber) von drei Unbekannten angehalten und bedroht. Nach einem wüsten Konflikt entführen die brutalen Männer seine Familie vor seinen Augen, während er in der kargen Wildnis ausgesetzt wird. Es soll noch lange nicht das Ende von Tonys grausamer Odyssee sein – und so wird Susan auf den restlichen Seiten Zeugin einer erbarmungslosen Abrechnung …

Nocturnal Animals (2016) Filmbild 3Man sollte nie den Fehler begehen, den Autor mit einer seiner Figuren gleichzusetzen. Allerdings wirft Susan Edward in einer Rückblende vor, dieser schreibe in seinen erfolglosen Manuskripten immer nur über sich selbst. Zwischen dem einst verliebten Paar entsteht ein tiefer Graben. Während Edward ein sensibler Romantiker bleibt, entwickelt sich Susan immer weiter von ihm weg und sehnt sich nach einem Partner mit höheren Ambitionen. „Nocturnal Animals“ nutzt die Geschehnisse des Romans, um auf äußerst geschickte Weise das aufgewühlte Seelenleben der Leserin zu reflektieren. Da wir den Film von Susans Perspektive erleben, entspricht auch die visuelle Umsetzung der Zeilen ihren Vorstellungen. Deshalb wird Tony als Ebenbild von Edward – beziehungsweise ebenfalls vom großartigen Jake Gyllenhaal – dargestellt.

Nocturnal Animals (2016) Filmbild 2In der Erzählung gibt es noch weitere Schlüsselfiguren, wie etwa den aufopferungsvollen Detective Bobby Andes (herausragend: Michael Shannon) oder das psychopathische Scheusal Ray Marcus (abgewrackt und eiskalt: Aaron Taylor-Johnson). Interessant ist, dass Susan – der Amy Adams durch ihre nuancierte Performance maximal viel Tiefe verleiht – sich selbst nicht in das unangenehme Szenario projiziert. Liegt es an Edwards Beschreibungen oder findet sie sich einfach nicht in einem der Charaktere wieder? Die titelgebenden Nachttiere, zu denen auch Ray gehört, nehmen Tony alles, was ihm etwas bedeutet hat – Liebe, Leben und Zukunft. Mit Hilfe des Detectives wird der vorher ruhige und zurückhaltende Familienmensch lernen, zu kämpfen und zurückzuschlagen. Wie viele von dessen bitteren Erfahrungen den Autor bereits persönlich ereilt haben, werden wir im Verlauf noch herausfinden. Und natürlich, was die Schilderungen in Susan auslösen.

Nocturnal Animals (2016) Filmbild 1Neben einer starken Charakterstudie und berührenden Geschichte über verlorene Liebe, hoffnungslosen Schmerz und die Möglichkeit der Vergeltung, rückt Tom Fords ästhetisch betörender und meisterhaft konstruierter Film zusätzlich den Aspekt des Erzählens ins Zentrum. „Jeder hasst seinen Job – man tut ihn, weil man getrieben ist“, heisst es in einer Szene. So darf man auch die Geburt von Edwards intimen Werk nicht etwa als lockere Arbeit, sondern als notwendige Tat verstehen, die ihn von den Dämonen der Vergangenheit befreien soll. Es ist eine direkte emotionale Brücke, die er zu Susan aufbaut. Und zugleich fügt der erschütternde Inhalt die von Drehbuchautor/Regisseur Ford bewusst gegensätzlich stilisierten Ebenen zusammen: Auch wenn das steril-kühle Los Angeles und das staubig-dreckige texanische Hinterland kaum verschiedener sein könnten, greifen beide Welten wie ein Reißverschluss ineinander.

Mit der bedrohlichen Stimmung eines Thrillers setzt sich dieses transzendierende, vielschichtige und intelligente Meisterwerk im Kopf fest. „Nocturnal Animals“ ist kein Film, den man leicht vergisst.


Information zur Heimkinoveröffentlichung

Ab dem 27. April 2017 ist „Nocturnal Animals“ im Verleih von Universal Pictures in deutscher, englischer, italienischer und spanischer Sprachfassung (mit wahlweise verschiedenen Untertiteln) als DVD und Blu-ray erhältlich.

Neben dem Hauptfilm liegen der DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung folgende Extras vor:

Nocturnal Animals (2016) Blu-ray• "The Making of Nocturnal Animals" mit den Kapiteln:
• Building the Story
• The Look of Nocturnal Animals
• The Filmmaker’s Eye: Tom Ford

 

 

(Cover © Universal Pictures)


Trailer