Don’t Breathe (2016) Kritik

0
Dont Breathe (2016) Filmkritik

Don’t Breathe, USA 2016 • 88 Min • Regie: Fede Alvarez • Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues • Mit: Jane Levy, Dylan Minnette, Daniel Zovatto, Stephen Lang, Jane Graves • Kamera: Pedro Luque • Musik: Roque Baños • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Sony Pictures • Kinostart: 8.09.2016 • Deutsche Website

Dont Breathe 8Thrill Thrill Thrill anstelle von Blut Blut Blut: Der aus Uruguay stammende Newcomer Fede Alvarez beweist mit seinem morbiden „Don’t Breathe“, dass er als Regisseur mehr kann, als nur ein müdes „Evil Dead“-Remake. Der Gewaltpegel bleibt im moderaten Bereich, während die Spannungsschraube ordentlich angezogen wird. Und so handelt es sich bei dem Werk auch eher um einen atmosphärisch extrem beklemmenden Thriller mit kranker Note, als um einen reinrassigen Horrorschocker. Alvarez beschränkt sich bei der Exposition auf das Nötigste, gewährt einen knappen Blick in seine Protagonisten, und schickt sie dann direkt in ein Vorhaben, das sich im Verlauf als echter Höllentrip erweisen soll. Wie schon in Wes Cravens „Das Haus der Vergessenen“ (1991) oder zuletzt „Livid“ (2011) von dem französischen Duo Alexandre Bustillo und Julien Maury, läuft auch in „Don’t Breathe“ ein vermeintlich simpler Einbruch völlig aus dem Ruder, da sich die jungen Eindringlinge empfindlich in dem Besitzer der Immobilie getäuscht haben.

Dont Breathe 7Elendspanorama Detroit: Die drei Heranwachsenden Rocky (Jane Levy), Alex (Dylan Minnette) und Money (Daniel Zovatto) halten sich mit einer Reihe sorgfältig geplanter Brüche über Wasser. Da Alex' Vater für eine Sicherheitsfirma arbeitet, sorgt der Sohnemann für einen leichten Zugang in die Häuser der Opfer. Es gibt jedoch eine klare Regel – nur Gegenstände werden mitgenommen, kein Geld! Rocky möchte zusammen mit ihrer kleinen Schwester dem bedrückenden Umfeld entfliehen, und um dieses eigentlich edle Ziel zu erreichen, ist ihr jedes Mittel recht. Dieses Mal ist es der aufbrausende Money, der von einem Dealer einen brandheißen Tipp erhält: In einem fast völlig verlassenen Block gibt es noch ein Haus, dessen Besitzer nach dem Unfalltod seiner Tochter ein kleines Vermögen von der Versicherung erhalten haben soll. So wird nach einer ersten hitzigen Teamsitzung die Kein-Bargeld-Regel doch außer Kraft gesetzt, und das Trio macht sich an die Arbeit. Zwei Tatsachen waren den Kriminellen im Vorfeld allerdings nicht bewusst. Zum einen handelt es sich bei dem Eigentümer um einen erblindeten Kriegsveteran (Stephen Lang). Und zum anderen hütet dieser in seinen bestens gesicherten Gemäuern nicht bloß Geld, sondern auch ein dunkles Geheimnis …

Dont Breathe 13Das war übrigens kein Spoiler: Schon die Anfangsszene des Films führt vor Augen, dass mit dem namenlos belassenen Einbruchsopfer irgendetwas ganz und gar nicht zu stimmen scheint. Ohnehin ist „Don’t Breathe“ ein erfrischend geradliniges Stück Spannungskino ohne aufdringlich eingepflanzten Twist. Es geht ums blanke Überleben, wenn der mysteriöse Blinde erstmal beweist, dass er eben kein hilfloser Sehbehinderter ist, sondern vielmehr die Badass-Version vom „Daredevil“ verkörpert. Die Einbrecher werden zu Ausbrechern. Interessant ist auch die Ambivalenz, mit der die Autoren Alvarez und Rodo Sayagues sämtliche Hauptcharaktere ausgestattet haben. Die obligatorische Sozialstudie (wer Detroit als Handlungsort wählt, kommt da schwer rum) wird zum Glück nicht zu groß aufgeblasen, und Rocky, Alex und Money bekommen für ihre Taten keinen moralischen Freifahrtschein ausgestellt. Es wäre zu langweilig und plump gewesen, wenn der Spieß irgendwann einfach umgedreht worden wäre, und die nun guten Kids gegen ein blutrünstiges Monster hätten kämpfen müssen. Doch so scheußlich und pathologisch die Beweggründe des Blinden auch sein mögen – seine Figur verkommt nicht zum reinen Buhmann, der nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip schlachtet. Trotzdem ist Stephen Langs hauptsächlich körper- und mimikbetonte Performance der Hauptgrund, weshalb man das Werk auch dem Horror-Genre zuschreiben kann: Sein zunächst verwirrtes und schließlich immer aggressiveres Auftreten lässt bei den Zuschauern sämtliche Nackenhaare aufstellen!

Dont Breathe 14Ganz sicher gehört der maximal straffe und überraschend clevere „Don’t Breathe“ zu den besten Vertretern der neuen Genre-Welle. Richtig dumme Patzer werden weitgehend vermieden, das Timing ist immer auf den Punkt und vor allem die Gestaltung ist ein Augen- und Ohrenschmaus: Der Titel kommt nicht von ungefähr, denn der Antagonist kann aufgrund seines Handicaps auf ein besonders sensibles Hörorgan zurückgreifen, das ihn relativ treffsicher zu seinen Gegnern führt. Wie er, nehmen auch die Zuschauer jedes noch so unbedeutende Geräusch (Stichwort: Atmen) wahr. Außerdem verfügt er zweifellos über einen Heimvorteil, denn während die Einbrecher unbeholfen durch die Flure tappen, kennt der brutale Verteidiger jeden Winkel nur zu gut – und schaltet während einer intensiven Szene sogar den Strom ab, damit auch die Protagonisten ihres ersten Sinnes beraubt werden. Alvarez wendet in diesem und auch in anderen Momenten verschiedene Techniken an, um sein begrenztes Setting visuell stets spannend zu halten. Mal erinnern die Bilder von Pedro Luque an ein düsteres Comicbuch, mal wird auf Nachtsicht gestellt oder der Kameramann folgt den Figuren flexibel durch das Haus, damit das Publikum einen (fast) kompletten Überblick erhält.

Kurzum: „Don’t Breathe“ ist ein robuster Heist-Horror mit inszenatorischer Raffinesse und einer wohldosierten Portion Terror, der über seine gesamte Spielzeit an den Sitz zu fesseln vermag. Einige Kollegen klagten nach dem Screening, dass sie inhaltlich mehr erwartet hätten – für mich hätte das Ende ein wenig abgekürzt werden können. Aber zu meckern gibt es schließlich immer etwas. Die Hitchcock-Verweise aus einigen Publikationen sollte man allerdings besser ignorieren …


Trailer