The Place Beyond The Pines (2012)

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The Place Beyond The Pines, USA 2012 • 140 Min • Regie: Derek Cianfrance • Drehbuch: Derek Cianfrance, Ben Coccio & Darius Marder • Mit: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, Rose Byrne, Ray Liotta, Ben Mendelsohn • Kamera: Sean Bobbitt • Musik: Mike Patton • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: StudioCanal • Kinostart: 13.06.2013 • Website

 

THE PLACE BEYOND THE PINESDie besten Filme sind die, die einem etwas mit auf den Weg geben. Deren Bilder und Musik einem noch im Kopf herumgeistern, wenn der Abspann schon lange beendet ist. Und die einen sich vielleicht mit einem aufgewühlten Gefühl aus dem Kinosessel erheben lassen. Derek Cianfrance hat so etwas bei mir 2010 mit seinem Drama „Blue Valentine“ geschafft. Nun ist der Regisseur mit dem Nachfolger „The Place Beyond The Pines“ zurück – und es ist ihm mit dem epischen Werk ein weiteres Mal gelungen, mich fest in den emotionalen Schwitzkasten zu nehmen. Dabei ist es nicht etwa großes Pathos, das die Nackenhaare aufstellen lässt; die Gänsehaut kommt meist unvermutet und schleichend in den ganz ruhigen Momenten, in denen die tiefen Krater der Geschehnisse zum Vorschein treten.

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The Place Beyond the Pines p5Cianfrance beginnt seinen Film mit einer geradezu perfekten Szene, die uns letztlich in einen kugelförmigen Käfig führt, in dem drei Motorradprofis das beeindruckende Kunststück vollbringen, wilde Runden zu drehen, ohne dabei je aufeinanderzustoßen. Eine dieser todesmutigen Jahrmarktattraktionen ist Luke Glanton (Ryan Gosling), der sich im Anschluss an seinen Stunt mit der attraktiven Romina (Eva Mendes) trifft. Die beiden kennen sich, wie sich herausstellt. Luke verlässt daraufhin ohne viele Abschiedsworte die Kleinstadt, aber kann die Frau nicht aus seinem Gedächtnis streichen. Bei seiner Wiederkehr muss er völlig überrascht feststellen, dass sie seinen Sohn zur Welt gebracht hat. Trotz Rominas skeptischem neuen Freund versucht Luke, in ihrer Nähe zu sein und sich um seinen jungen Sprössling zu kümmern. Er beendet seinen Job und gerät an den Automechaniker Robin (Ben Mendelsohn), mit dem er schließlich einen Plan ausheckt, um an Geld für seine Familie zu gelangen: Riskante Banküberfälle auf dem Motorrad. Anders als bei der eröffnenden Show, prallen in dieser realen, kleinen Welt, diesem vermeintlich idyllischen Platz unter den Kiefern, Schicksale brutal ineinander. Lukes Weg kreuzt sich mit dem des engagierten Cops Avery Cross (Bradley Cooper), ebenfalls ein frischgebackener Vater …

The Place Beyond the Pines p2Als „The Place Beyond The Pines“ seine Premiere auf dem letztjährigen Toronto International Film Festival feierte, ist zuvor wenig über den Plot oder die Struktur des Werkes zu den Zuschauern durchgedrungen. Man konnte sich diesem quasi noch wirklich jungfräulich nähern. Inzwischen existiert ein Trailer und auch die ersten Texte zum Film geben vermutlich mehr über diesen Preis, als dies die Macher ursprünglich angedacht haben. Man kann sich leider nie vollständig den Marketingkampagnen entziehen, weshalb mancher in Anbetracht des Materials womöglich schon im Vorfeld von einem arg konstruierten Storyverlauf ausgehen mag. Und durchaus fügen sich am Ende die Fäden auf eine ganz bestimmte Weise zusammen, an der auch der Zufall seinen Anteil trägt. Doch dem Regisseur geht es auch gar nicht darum, sein Publikum um jeden Preis mit raffinierten Wendungen zu überrumpeln. Cianfrance interessiert sich vor allem für seine Charaktere, ihre Motive und wie sie stets mit sich selbst ringen, nur um festzustellen, dass man sich mit hastigen Bewegungen im Treibsand lediglich schneller in den Abgrund befördert. Hier gibt es wenige Menschen, die nur eindimensional und schlecht sind, aber dafür sehr viele, die ständig Fehler begehen, obwohl sie doch eigentlich nur das Richtige im Sinn gehabt haben.

THE PLACE BEYOND THE PINESDer Film führt uns Entscheidungen vor Augen, die teils bittere Konsequenzen nach sich ziehen. Während sich der Rahmen von „Blue Valentine“ noch auf die intimen Höhen und Tiefen einer einzigen Ehe beschränkte, weitet sich in „The Place Beyond The Pines“ das Format deutlich aus. Im Kern steht die Frage, welche Spuren wir von uns hinterlassen, während wir auf diesem Planeten wandeln. Und was nach unserem Leben von uns bleibt. Unser Vermächtnis. Da ist zunächst Ryan Goslings Luke – kein kühler Stratege wie zuvor dessen Fahrer in Nicolas Winding Refns „Drive“. Luke ist ein ruheloser Draufgänger, der erst nach der Geburt seines Sohnes seinen Platz in der Welt gefunden hat. Er möchte ein besserer Vater als sein eigener werden – seinem Baby einen Laufstall bauen und derjenige sein, der ihm das erste Eis spendiert. Da ist eine klare Schönheit in seinen einfachen Ambitionen und eine drückende Tragik, die ihn zu verfolgen scheint. Coopers Avery dagegen steht von Beginn an auf der scheinbar richtigen Seite. Bis zu jenem Moment, der seine Sicht auf ewig verändern soll. Natürlich bewerten wir als Zuschauer die Handlungen der Protagonisten, doch Regisseur und Co-Autor Cianfrance gelingt es durch deren differenzierte Zeichnung, dass wir uns kein vorschnelles Urteil über sie erlauben. Dafür sind sie zu greifbar, vielleicht gar zu verwandt mit uns selbst. Und zu viele Faktoren spielen in ihre Entwicklung hinein. Viel Sympathie steckt selbst in den Nebenfiguren, wie etwa Robin oder Kofi (Mahershala Ali), Rominas Freund. Man beachte hier das letzte Drittel des Films, in dem zwei weitere Perspektiven das Bild komplettieren.

The Place Beyond the Pines p3„The Place Beyond The Pines“ ist ein Genrehybrid aus Crime-Thriller, Familiendrama und Coming of Age-Geschichte – allerdings nicht inhomogen verteilt, sondern absolut stimmig in seiner Form. Der Film bohrt sich stetig immer tiefer in seine Thematik hinein, bis er schließlich durch die Dunkelheit hindurch ein schwaches Licht erahnen lässt. Jedoch nicht an diesem Ort unter den Kiefern. Fotos erinnern und weisen einen Weg, während sie wie ein Grabstein an ihrer Stelle bleiben müssen. Derek Cianfrance ist eine weitere meisterhafte Leistung gelungen, getragen von intensiven Darstellerperformances und einer bedachten Inszenierung. Wie bereits „Blue Valentine“ lässt dieser Stoff eine persönliche Dringlichkeit erkennen, die sich unmittelbar auf die Zuschauer überträgt. Zumindest auf mich: „The Place Beyond The Pines“ ist der beste Film, den ich bisher in diesem Jahr gesehen habe.


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