The Mule (2019) Kritik

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The Mule, USA 2018 • 117 Min • Regie: Clint Eastwood • Mit: Clint Eastwood, Bradley Cooper, Manny Montana, Taissa Farmiga, Alison Eastwood, Andy Garcia, Laurence Fishburne, Michael Peña • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 31.01.2019 • Website

Altmeister Clint Eastwood macht auf Breaking Bad – Das war mein erster Gedanke, als ich nachträglich den Trailer von The Mule gesehen habe. Gut, dass ich dieses Mal, ohne überhaupt die Handlung zu kennen, ins Kino gegangen bin. Sonst wäre ich vielleicht etwas enttäuscht gewesen, verspricht zumindest der Trailer doch einen dramatischen Nervenkitzel mit Starbesetzung und liefert stattdessen ein sehr ruhiges und witziges Roadmovie. Ob der Film deshalb so kontrovers diskutiert wird? Dachte man bei Warner Bros., der Film wäre nicht gut genug für eine inhaltsgetreue Bewerbung? Die Tatsache, dass The Mule in den USA erst auf den letzten Drücker, also kurz vor offiziellem Kinostart, der Presse vorgeführt wurde, spricht zumindest für letzteres. Was die zum Teil schlechten Kritiken angeht, gibt es natürlich Ärger über falsche Versprechen im Trailer als auch erzählerische beziehungsweise inhaltliche Mängel zu berücksichtigen. Die halten sich allerdings im Rahmen, oder werden meiner Meinung nach missverstanden. Es ist das erste Mal seit Gran Torino (2008), dass Clint Eastwood sowohl vor als auch hinter der Kamera steht – und glänzt! Dieser Film made my day…

In der auf einer wahren Begebenheit basierenden Geschichte spielt Eastwood den hochverschuldeten Weltkriegsveteranen Earl Stone, der in seinen späten Achtzigern vor der Zwangsvollstreckung seines Unternehmens steht. Dann bekommt der charmante Florist und Lebemann ein Jobangebot, bei dem er nur Autofahren soll. Ohne es zu wissen, hat Earl als Drogenkurier für ein mexikanisches Kartell angeheuert. Er macht seinen Job gut – sogar so gut, dass er immer wertvollere Frachten bekommt und mit dem Geld, das er verdient, seinen Freunden großzügig unter die Arme greift. Doch dann ändert sich die Agenda seiner Auftraggeber, die Earl nun strenger beobachten, und DEA-Agent Colin Bates (Bradley Cooper) kommt den Drogenschmugglern immer näher. Auch wenn seine Geldprobleme nun der Vergangenheit angehören, belasten Earl die Fehler seiner Vergangenheit zunehmend. Und es ist ungewiss, ob er noch genug Zeit hat, diese wiedergutzumachen, bevor ihn das Gesetz oder das Kartell aus dem Verkehr zieht.

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Kommen wir direkt zum Offensichtlichen: Wie kann ein normal denkender Mensch, der mit rund 90 Jahren zwar schon sehr alt aber keineswegs senil ist und schon viel erlebt hat auf der Welt, überrascht sein, dass seine geheime Lieferfracht Drogen sind? Immerhin holt er die „unscheinbaren“ Sporttaschen bei Gangstern mit schweren Waffen hinter verschlossenen Türen in Grenznähe zu Mexiko ab, wird zum Stillschweigen verdonnert und bekommt ein Einweg-Diensthandy. Noch dazu ist die Belohnung, die Earl in seinem Handschuhfach findet, ein ziemlich fettes Bündel Bargeld. Natürlich spielt er den Drogenkurier! In diesem Zusammenhang gibt es zwei Negativpunkte, die eine noch bessere Bewertung verhindern.

Nicht nur die Hauptfigur, sondern der Film an sich ist eine bisweilen etwas naive Auseinandersetzung mit schwierigen Themen wie Gerechtigkeit, Freiheit, Familie und Reue. Drehbuchautor Nick Schenk (Gran Torino), der sich von dem New York Times Magazine-Artikel The Sinaloa Cartels‘ 90-Year-Old Drug Mule von Sam Dolnick inspirieren ließ, bringt seinen Protagonisten zwar in eine brenzlige Lage. Doch abgesehen davon, dass die Kartellgangster Earl immer konkretere Todesdrohungen machen und ihm die Polizei auf den Fersen ist, bleibt das kriminelle Milieu eher belanglos. Das ganze Kokain, das ins Land geschmuggelt wird, wird nicht thematisiert. Der Zuschauer erfährt lange nicht, ob Earl überhaupt moralische Bedenken bezüglich seiner Arbeit hat. Da bleibt es beinahe fraglich, dass der Zuschauer eingeladen wird, mit ihm mit zu fiebern und zu lachen, wenn er doch als abgehängter Patriot sein Heil ausgerechnet in einer Tätigkeit findet, die sein geliebtes Land ruiniert. So konzentriert sich der Film zwar auf das Wesentliche. Damit macht man es sich dann aber doch zu leicht und so bekommt The Mule einen kitschigen Beigeschmack, den man an der einen oder anderen Stelle gern loswerden würde.

Eine beispielhafte naive und vor allem von der Zeit überholt wirkende Szene wäre etwa die Autopanne eines farbigen Paares. Als Earl anhält, um zu helfen, spricht er sie mit freundlicher Selbstverständlichkeit als Neger an. Die beiden schlucken ihren Ärger herunter und erklären dem Alten, dass diese Bezeichnung heutzutage nicht mehr in Ordnung ist – sie wollen einfach „Leute“ genannt werden. Denn das sind sie ja, genauso wie Earl. Der entschuldigt sich mit drolliger Attitüde, nach dem Motto wie-schnell-doch-die-Zeit-vergeht. Sicher, Rassismus ist nachwievor ein brandaktuelles Thema und etwaige Szenen sind nicht unrealistisch. Aber Earls Lektion hat nicht ansatzweise den gewünschten Effekt, den es vielleicht vor über 50 Jahren gegeben hätte. Es ist schade, dass solche Ressentiments hier als eher harmlose Charaktermängel sprichwörtlicher „Spätzünder“ skizziert werden. Andererseits muss man zugeben: besser spät als nie. Und: Das Thema ist ja nunmal leider aktuell, egal wie fremd sowas einem vorkommen mag.

Die Autopannenszene ist im Grunde eine (von vielen) Szenen, in denen beide Seiten voneinander etwas fürs Leben lernen: Earl korrigiert seinen vielleicht nicht so gemeinten, aber dennoch rassistischen Fauxpas und die beiden Autopannenopfer lernen vom alten Hasen, wie man Reifen wechselt, wenn Tante google mal nicht erreichbar ist. Es ist dieser versöhnliche Tenor, der sich wie ein roter Faden durch den gesamten Handlungsverlauf zieht und einfach gut tut. Mehr noch, allen voran Clint Eastwoods charmantes Schauspiel bringt einen von Beginn an regelmäßig zum Lachen, wenngleich mehr und mehr das Ausmaß von Earls völlig vermasselter Ehemann- und Vaterrolle offenbar wird. Er ist im Grunde ein zweigleisiger Narzisst. Er ist gerne unter Menschen, dauernd „on the road again“, wie er singt, und für alle um ihn herum hat er einen weisen Rat. Aber wenn es um seine Familie geht, haben seine Weisheiten für ihn keinen substantiellen Wert mehr. Er scheint sich bei Frau und Kind eingeengt zu fühlen und rechtfertigt seine entsprechende Abwesenheit damit, dass er nur so für sie sorgen könne. Eine typische Ausrede für jemanden, der einfach lieber woanders ist und sogar die Hochzeit der eigenen Tochter verpasst. Viel zu spät erkennt er seine Fehler, ausgerechnet dann als er sich mit dem Kartell einlässt. Und hier wird es besonders interessant.

Mit seinem Charme und seiner Lebenserfahrung schafft es Earl die kriminellen Brummbären aufzulockern und ihre andere Seite zu zeigen. Sie haben dieselben Probleme, wie andere Menschen auch, können respektvoll miteinander umgehen und hinterfragen sogar ihre Arbeitsmethoden. Daraus ergeben sich nicht wenige skurrile Situationen. Wie gesagt, das Drogengeschäft an sich behält seinen fragwürdigen Status Quo und ist hier im Prinzip ein Einkommen, wie jedes andere auch. Dafür bekommt jeder letzten Endes, was er verdient. Earl selbst ist als „The Mule“, zu Deutsch Esel, nicht nur der sogenannte Drogenkurier, sondern auch mit all den Eigenschaften, die diesem Tier zugeschrieben werden, gebrandmarkt: fleißig, sanft, irgendwie drollig, aber auch dumm und vor allem stur. Außerdem ist die Welt der, wieder einmal, bösen ausländischen Mexikaner im Film wie eine Karikatur inszeniert. Besonders deutlich wird das, als Earl zum Sitz des Kartellboss (Andy Garcia) eingeladen wird und den bösen Glatzköpfen mit ihren polierten Pistolen und ihrem endlosen Heer von anbiedernden Bikini-Girls zu erklären versucht, wie man lebt. Und alle lieben ihn dafür – auch im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt viel zu lachen, wenn Earl mit seiner Gelassenheit (oder Ignoranz) und störrischen Art den Gangstern vor den Kopf stößt. Dabei lernt er von der jungen Generation und umgekehrt. Und mit Humor lernt man eben am besten. Wer diesem Film also eindimensionale und stereotypische Darstellung von Minderheiten oder gar „schleichende Xenophobie“ vorwirft, der hat das Gesamtbild schlicht nicht erfasst.

Fazit

The Mule ist ein schön gefilmter und unterhaltsamer Selbstfindungstrip, der seine Botschaft klar vorträgt: Für Veränderung ist es nie zu spät, auch wenn man dafür einen hohen Preis bezahlen muss. Außerdem ist es sinnvoller zuzuhören, genau hinzusehen und miteinander zu reden, als schnelle und kurzsichtige Lösungen zu fordern, wie es der DEA Special Agent dauernd tut. Nur ist es eben auch etwas naiv, wenn man glaubt, die großen Probleme seien im Grunde so unkompliziert.


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