Rampage – Anklage Massenmord (1987)

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Rampage, USA 1987 • 97 Min • Regie & Drehbuch: William Friedkin • Mit: Michael Biehn, Alex McArthur, Nicholas Campbell, Deborah Van Valkenburgh, Art LaFleur • Kamera: Robert D. Yeoman • Musik: Ennio Morricone • FSK: ab 16 Jahren

 

Charles Reece ist ein Mann, der vermutlich niemandem sonderlich auffallen würde, wenn er mit seiner Sonnenbrille und roten Regenjacke durch einen sauberen Vorort spaziert. Dennoch ist er der Täter mehrerer, unvorstellbar grausamer Morde – unter den Opfern auch ein wenige Jahre altes Kind. Am hellichten Tag betritt er einfach die Häuser von Familien, zieht emotionslos eine Pistole und erschießt die anwesenden Menschen, bevor sie überhaupt ahnen, wie ihnen geschieht. Dann schlitzt er ihre Leichen in aller Ruhe nahezu fachmännisch auf, entnimmt Organe und trinkt ihr Blut …

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So unglaublich diese Geschichte auch klingt: Inspiriert worden ist sie von den realen Taten des Serienmörders Richard Trenton Chase, der Ende der 70er Jahre in Kalifornien sechs Menschen auf eben diese Weise getötet hat und schließlich von der Polizei dingfest gemacht werden konnte. Nach seiner Festnahme offenbahrte Chase den Ermittlern paranoide Wahnvorstellungen – Nazi-Ufos, die ihn angeblich zu seinen Verbrechen angestiftet hätten und ihn vergiften würden. Um sein eigenes Blut vor einer Verpulverung zu bewahren, habe er das der Opfer trinken müssen. Vor Gericht ist er von der Jury für schuldig befunden und schließlich zum Tod in der Gaskammer verurteilt worden. Bevor es jedoch zu der Vollstreckung kam, hat Chase, der als Vampir von Sacramento bekannt wurde, in seiner Zelle mit einer Überdosis Antidepressiva Selbstmord begangen.

Wie bereits eingangs erwähnt, diente dessen Person als Vorlage für die Figur des Charlie Reece, dessen Geschichte der Autor William P. Wood in seinem Roman „Rampage“ verarbeitet hat, auf welchem wiederum der gleichnamige Thriller von William Friedkin basiert. Entstanden ist die Filmadaption bereits 1987. Aufgrund des Bankrotts der produzierenden „De Laurentiis Entertainment Group“ sollte es jedoch ganze fünf Jahre dauern, bis das Werk seinen Weg auf die US-amerikanischen Leinwände finden würde. Hierzulande tauchte es 1990 unter dem Titel „Anklage Massenmord“ ohne vorherigen Kinoeinsatz still und leise in den Regalen der Videotheken ab und dürfte bei den wenigsten Kunden großes Aufsehen erregt haben. Tatsächlich sind die Release-Umstände des Films mehr als bedauerlich, denn die extrem unangenehme und deprimierende Geschichte gehört nach dem Meisterwerk „Der Exorzist“ (1973) zum Intensivsten, was Regisseur Friedkin seinen Zuschauern je „zugemutet“ hat. Das liegt zum einen daran, dass er hier nicht versucht, einen Horrorfilm voll billiger Ekel-Momente zu erschaffen, sondern den provokanten Fall von verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: Von dem des Täters, denen der Opfer und dem des Staatsanwaltes Anthony Fraser. Letzterer wird von dem zuvor aus James Camerons „Terminator“ (1984) und „Aliens – Die Rückkehr“ (1986) bekannten Michael Biehn verkörpert, der in seiner Rolle als Gegner der Todesstrafe, dessen Überzeugungen durch die bestialischen Taten erschüttert werden, die wohl überzeugendste Leistung seiner Karriere abgeliefert hat. Auch Alex McArthur, der dem unheimlichen Charlie Reece sein Gesicht leiht, beeindruckt durch eine undurchsichtige Performance, die dem Publikum bis zum Schluss die Entscheidung schwer macht, ob sich unter dessen ruhiger Hülle ein schwer kranker Psychopath oder ein eiskalt berechnender Killer verbirgt. Um allerdings zunächst überhaupt einen emotionalen Berührungspunkt zu der Geschichte zu schaffen, führt Friedkin auch die Trauer des Familienvaters Gene Tippetts (Royce D. Applegate) vor Augen, der zusammen mit seinem jungen Sohn Andrew (Whit Hertford) die verstümmelte Leiche seiner Frau findet. Die Szenen mit der auf grausame Weise auseinandergerissenen Familie gehören zu den mitreißendsten Momenten des Werkes, sie verursachen sowohl bei Fraser als auch bei den Zuschauern eine wachsende Wut auf das freundlich dreinschauende Scheusal auf der Anklagebank. Man will das Monster leiden und sterben sehen.

Angemerkt sei kurz, dass diese Rezension auf der deutschen VHS-Version basiert. Aufgrund einer mit der Zeit persönlich veränderten Sichtweise bezüglich des Themas Todesstrafe hat der Regisseur einige Szenen für den US-Release umgeschnitten und ein anderes Ende gewählt. Inwiefern sich die beiden Fassungen im Vergleich genau unterscheiden, ist an dieser Stelle nicht bekannt. Trotz der am Schluss spürbaren Ablehnung einer Exekution darf man das Werk nicht als pathetischen Moralzeigefinger abtun. Schon beachtlich ist die Nüchternheit, mit der während der Gerichtsszenen die Fakten vorgeführt werden, welche nach den gezeigten Grausamkeiten eben kein völlig befriedigendes Ende zulassen. „Rampage“ ist erschütterndes Drama, harter Schocker und packender Justizthriller zugleich – und dabei in erster Linie ein ganz schön schwer verdaulicher Brocken von Film. In der letzten Einstellung zeigt Friedkin Witwer Tippetts mit seinem Sohn auf einem Rummelplatz. Sie wollen vergessen, dem erlebten Schrecken entrinnen. Dann leitet Ennio Morricones beunruhigender Soundtrack den Abspann ein. Doch für die Zuschauer läuft der Film im Kopf noch weiter …

Kritik im Original erschienen bei mannbeisstfilm.de


Trailer

https://youtu.be/PRP7x7AU4DY

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