Home Blog Page 28

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch – Tag 5

0
Filmfest Hamburg 2016 Tag 5

Über die Hälfte meiner Zeit auf dem Filmfest Hamburg ist bereits rum und ich dachte, mein Festival-Highlight mit Dark Night bereit erwischt zu haben. Auch nach Tag 5 sagt der Kopf weiterhin, dass Tim Suttons beklemmendes Gesellschaftsdrama den obersten Platz auf dem Podest verdient hat, mein Herz pochte dafür heute für zwei Filme, von denen einer trotz Makeln in den ersten zwei Dritteln zunehmend in das große, rote Organ in der Mitte meiner Brust stach und sich neben dem Titel "Sieger des Herzens" nach etwas Überlegung und Ergründung meiner Gefühle auch mein neues Highlight auf dem Filmfest Hamburg 2016 nennen kann. Zwischendurch wurde ich auch noch für einen Dreh der lokalen Filmuni eingeladen und konnte in einem kurzen inszenierten Interview etwas zu Paul Verhoevens Elle sagen. Aber Elle ist so Tag 1, heute geht es um:

Tag 5

Yourself and Yours

Filmfest Hamburg 2016 Tag 5 Yourself and YoursEhrlichkeit ist schmerzhaft, aber rein. Youngsoo (Kim Joohyuck) erfährt von Gerüchten, die besagen, dass seine Freundin Minjung (Lee Youyoung), die gerne mal etwas tiefer ins Glas schaut, sich in einer Bar betrunken und gepöbelt haben. Als er sie am Abend im gemeinsamen Bett damit konfrontiert, blockt sie das Gespräch ab, wirft ihm mangelndes Vertrauen vor und zieht ab. Die Beziehung brauche eine Pause. Kurz darauf sehen wir eine Frau, die so aussieht wie Minjung, sie vielleicht sogar ist, in einer Bar sitzen. Sie wird fortan von mehreren Männern angesprochen, schlussendlich auch wieder von Youngsoo, doch gibt sie vor, ihre Verehrer nicht zu kennen. Und das, obwohl sie fest der Überzeugung sind, sie schon einmal gesehen zu haben. Vielleicht aber sind sie es, die Minjung nicht kennen, auch Youngsoo nicht, dessen Bild von seiner Freundin sich durch Gerüchte formen lässt. Yourself and Yours beschreibt gleichzeitig die einseitige Unsicherheit eines Beziehungspartners, die verwirrende Verunsicherung, die sich aus Quellen ergibt, deren Informationen ironischerweise Sicherheit in Form von Wissen über andere Personen suggerieren und die nach außen gekehrte Gefühlswelt einer missverstandenen Frau, die zu sich selbst erst dadurch zu ihrer Umgebung findet.

Dieser Prozess, die ehrliche Besinnung auf die eigenen Gefühlen, ist mit Schmerz verbunden, weil die Angst vor dem Unwissen überwunden werden muss, die Gefühle von Konventionen freigemacht werden müssen, damit die Emotionen rein sein können. Das klingt bedrückender, als es ist. Regisseur Hong Sang-soo findet sogar äußerst gefühlvolle und komische Bilder für sein leichtfüßiges Drama. Im Kontrast von Ehrlichkeit und konventionsgezügelter Gesellschaft braut sich reichlich Situationskomik zusammen. Als Eventuell-Minjung mit einem ihrer Verehrer unterwegs ist, lässt sie ihn auf einmal fallen. "Ich habe keine Lust mehr", sagt sie plötzlich und selbstbestimmt. Hong Sang-soo vergisst nicht, auch die entrüstete Frustration des Zurückgelassenen einzufangen. Ein Kollateralschaden, aber ein angerichteter Schaden, auf dem ehrlichen Weg zum eigenen Glück. 3,5/5

Einfach das Ende der Welt

Filmfest Hamburg 2016 Tag 5 Einfach das Ende der WeltEinfach das Ende der Welt scheint autobiographische Züge von Jean-Luc Lagarce, dem Autor des Theaterstücks "Juste la fin du monde", aus dem Xavier Dolan (Mommy) seinen neuesten Film erschuf, aufzuweisen. Wie die Hauptfigur seines Stückes Louis (Gaspard Ulliel); ging der mit nur 38 verstorbene französische Dramatiker bewusst auf das Sterbebett zu und musste wie er seiner Familie von seinem anstehenden Tod erzählen. Zwölf Jahre lang hat Louis nur Karten an seine Familie geschickt. Als wir den gefeierten Theater-Autor kennenlernen, ist er gerade auf dem Weg, um sie wiederzusehen. Ab dem Moment, als Louis' Taxi vor die Haustür rollt, kochen die Emotionen im Hause Knipper. Die Mutter (Nathalie Baye) freut sich auf ihren Sohn, macht sich gerade noch schick für ihn, doch unter dem Makeup sitzen Sorgenfalten, Suzanne (Léa Seydoux) kennt ihren großen Bruder gar nicht richtig, Antoine (Vincent Cassel) ist aufgeladen mit durchdringender Aggression und Frust, seine Frau Catherine (Marion Cotillard) sein Kontrastprogramm. Die Uhr tickt, das Essen wird serviert, die Emotionen brodeln und die Bombe ist scharf.

Das Drama ist groß. Xavier Dolan inszeniert ein kraftvolles Erdbeben aus Emotionen mit anschließendem Tsunami. Es wird viel geredet, viel geschrien und gemeckert, aber eigentlich fehlen allen die Worte. Durch ein fast ausschließlich auf Close-Ups begrenztes Bild-Vokabular trennt Dolan seine Charaktere visuell, obwohl sie in dem 95-minütigen Kammerspiel beinahe die ganze Zeit aufeinandersitzen und aneinander vorbeireden. Louis mitten im Tornado der 12 angestauten Gefühle, die keiner in Worte fassen kann. Von der Mutter angehalten, Harmonie zum Wohle der anderen zu suggerieren, durch seine Schwester an ein Gefühl von Schuld und Ausweglosigkeit gebunden und von der aggressiven, rauen Art von Bruder Antoine zum Freilegen des Kerns gedrängt. Jeder Blick, jede Schweißperle auf seiner Stirn und jedes losgelöste Staubkorn, das sich in der Luft verteilt, als Louis über seine alte Matratze streicht, manifestiert sich in seinen endlos blauen Augen als pure Hoffnungslosigkeit. Er erinnert sich an die Zeiten in seinem Jugendzimmer, Catherine sucht ihn auf und fragt: "Wie lange noch?" "Wie lange noch was?", antwortet er. 4/5


Bisherige Ausgaben:

Tag 1 (Elle, Per Song)
Tag 2 (Diamant Noir, The Sociologist And The Bear Cub, The Ornithologist, Dark Night)
Tag 3 (The Woman Who Left, Weiner, Die rote Schildkröte)
Tag 4 (Hortensia, Personal Shopper)

Box-Office Deutschland: Findet Dorie unangefochten an der Spitze

0
Box Office Deutschland Findet Dorie Die Insel der besonderen Kinder

© 2016 Walt Disney Pictures

Quelle: Insidekino

Zwar schreiben die Filme in den deutschen Kinos seit dem Temperatureneinbruch wieder gute Zahlen und die anstehenden Herbstferien in diversen Bundesländern werden in dieser Hinsicht auch helfen, doch die Talfahrt des Kinogeschäfts gegenüber 2015 geht dennoch weiter. Vergangenes Wochenende lockten die Top-10-Filme insgesamt 1,42 Mio Zuschauer in unsere Kinos, 21% weniger als in der Vorwoche. Gegenüber dem Vorjahr wurde ein Minus von 26% vermeldet, obwohl die diesjährige Nummer 1 am Wochenende mehr Besucher in die Kinos lockte als die letztjährige (Alles steht Kopf).

Findet Dorie hielt sich an seinem zweiten Wochenende erwartungsgemäß gut, baute 34% gegenüber dem Startwochenende ab und sammelte weitere 578,000 Zuschauer ein. Das Startwochenende des Animations-Sequels wurde durch den Nationalfeiertag am Montag "gepolstert" (da der Sonntag mehr oder weniger als ein zweiter Samstag fungierte, was dem Abendgeschäft half). So lässt sich erklären, wieso der Rückgang am zweiten Wochenende etwas heftiger ausfiel als bei Alles steht Kopf vor einem Jahr. Natürlich spielte aber auch die höhere Frontlastigkeit der Fortsetzung eine Rolle. Nach 11 Tagen steht Findet Dorie bei 1,944,000 verkauften Kinotickets in Deutschland und ist zum 20. Besuchermillionär des Jahres in Deutschland geworden. Außerdem belegt der Film bereits Platz 8 unter den erfolgreichsten Filmen des Jahres in Deutschland. Die meisten Filme können von solchen Zahlen natürlich nur träumen. Findet Dorie liegt aktuell 24% vor Pets, 40% vor Alles steht Kopf und 45% vor Zoomania im selben Zeitraum. Allerdings sollte man auch anmerken, dass Findet Nemo alleine am Startwochenende mehr Besucher hatte als Findet Dorie nach seinem zweiten Wochenende. Doch die fast 9 Mio Zuschauer von Nemo zu erreichen war nie eine realistische Option für Findet Dorie. Der Film steuert auf mehr als 4 Mio Zuschauer in Deutschland zu und das haben auch nur 11 computeranimierte Filme vor ihm geschafft. Mit etwas Glück könnte er sogar 4,5 Mio Zuschauer erreichen, wenn ihm die Konkurrenz von Trolls nicht zu sehr in die Quere kommt.

Tim Burtons Die Insel der besonderen Kinder eröffnete leicht über den Erwartungen und platzierte sich mit 206,000 Besuchern auf Rang 2 der Charts. In 514 Kinos erzielte der Fantasyfilm einen Schnitt von 401 Zuschauern pro Kino. Einschließlich der Previews am Mittwoch steht der Film bei etwa 218,000 gelösten Tickets. Der Start des Films ist nahezu identisch zum Startwochenende von Dark Shadows vor vier Jahren, der allerdings mit der (damals noch größeren) Starpower von Johnny Depp einen Vorteil hatte. Dark Shadows hat 1 Million Besucher in Deutschland nur haarscharf verfehlt und mit den Herbstferien im Rücken könnte Die Insel der besonderen Kinder es bis zur Marke schaffen. Es wird allerdings eine knappe Angelegenheit sein. Trotz des hohen Bekanntheitsgrads des Regisseurs erreichten bislang lediglich fünf seiner Filme mehr als eine Million Zuschauer in den deutschen Kinos.

Bad Moms rutschte in der dritten Woche auf Platz 3 der Wochenendcharts ab und verlor 29% seiner Zuschauer vom vorigen Wochenende. Insgesamt begeisterte die Komödie 164,000 Kinogänger von Donnerstag bis Sonntag und brachte die vorläufige Gesamtbesucherzahl des Films in Deutschland auf knapp 835,000 nach 18 Tagen. Obwohl beide Filme ähnlich gestartet sind, liegt Bad Moms jetzt schon 22% vor How to Be Single im selben Zeitraum und wird den Abstand noch weiter ausbauen. Die Konkurrenz um die weiblichen Kinogänger wird durch Bridget Jones’s Baby in zwei Wochen zwar etwas härter, aber ich gehe dennoch davon aus, dass Bad Moms mindestens 1,3 Mio Zuschauer in Deutschland erreichen wird.

Platz 4 ging an die derbe Animationskomödie Sausage Party, die am regulären Wochenende 131,000 Zuschauer in 409 Kinos lockte und einen Besucherschnitt von 319 pro Spielstätte erzielte. Zählt man noch die massiven Sneaks und Previews hinzu, erreichte Sausage Party 163,000 Zuschauer bis Sonntag. Es ist ein deutlich besserer Start als von Seth Rogens Das ist das Ende vor drei Jahren, der lediglich 300,000 Zuschauer in Deutschland erreichte. Sausage Party winken mindestens 450,000.

Es war bislang ein gutes Jahr for Horrorfilme in Deutschland, doch wie schon in den USA konnte Blair Witch auch hierzulande nicht an die Erfolge von Conjuring 2, Lights Out oder Don’t Breathe anknüpfen. Das Sequel kam auf 72,000 Besucher in 255 Kinos (im Schnitt 255 Zuschauer pro Kino) und belegte Platz 5 der deutschen Kinocharts. Blair Witch Project erreichte 1999 noch über 1,4 Mio Besucher in Deutschland (kaum denkbar für Horrorfilme heutzutage), Blair Witch 2 immerhin 430,000 Besucher ein Jahr später. Der neue Blair Witch wird die Kinos mit maximal 250,000 verkauften Tickets verlassen.

Auf Seite 2 verraten wir Euch, wie gut (oder schlecht) Die glorreichen Sieben, Pets und Suicide Squad bei uns laufen.

Box-Office USA: Girl on the Train siegt am unspektakulären Wochenende

0
Girl on the Train Box Office USA

© Constantin Filmverleih

Quelle: Boxofficemojo

Seit mehreren Jahren wird das erste Oktober-Wochenende von den Studios in den USA als Sprungbrett für große Herbst-Kinohits genutzt. In den letzten vier Jahren starteten an diesem Wochenende 96 Hours – Taken 2 ($49,5 Mio zum Start), Gravity ($55,8 Mio), Gone Girl ($37,5 Mio) und Der Marsianer ($54,3 Mio). Auch dieses Jahr sollte nicht anders werden. Mit Girl on the Train wurde die Adaption eines Bestsellers ins Rennen geschickt, der sich alleine in den USA mehr als 4,5 Millionen Mal verkaufte und damit sogar erfolgreicher war als die Romanvorlage zu Gone Girl. Nicht nur wegen des Titels wurden bereits im Vorfeld zahlreiche Vergleiche zwischen den beiden Romanen und ihren Adaptionen gezogen. Gone Girl wurde vor zwei Jahren zu einem Riesenhit in den Kinos und spielte fast $168 Mio in Nordamerika ein. Alle Vorzeichen deuteten auch bei Girl on the Train auf großen Erfolg hin, doch das Kalkül ging nicht ganz auf. Der Film eröffnete zwar solide, jedoch eher im unteren Bereich der Erwartungen. Es war der schwächste Nummer-1-Film am 1. Oktober-Wochenende in den USA seit The Social Network vor sechs Jahren. Zudem verbrachten mehr als 60 Millionen Amerikaner den Sonntagabend nicht im Kino, sondern vor den Fernsehern, um die zweite Debatte der Präsidentschaftskandidaten Clinton und Trump zu verfolgen. Diese beiden Faktoren führten zu einem Rückgang der Einnahmen der Top 12 um 10% gegenüber dem vorigen Wochenende auf $95,6 Mio. Verglichen zum Vorjahr, als Der Marsianer die Charts anführte, ging der Gesamtumsatz der Top 12 um 33% zurück.

Obwohl Girl on the Train nicht ganz die hohen Erwartungen an sein Box-Office-Potenzial erfüllte, erklomm die Romanverfilmung dennoch mühelos die Spitze der nordamerikanischen Kinocharts. In den ersten drei Tagen spielte der Film $24,5 Mio von 3144 Kinos ein und erzielte einen Schnitt von $7804 pro Spielstätte. Das Startwochenende lag 35% unter dem Start von David Finchers Gone Girl. Wie kommt es also, dass trotz ähnlich starker Vermarktung und einer erfolgreicheren Romanvorlage der Film deutlich unter Gone Girl angelaufen ist? Die Antwort liegt hauptsächlich in den Rezensionen. Während Gone Girl nahezu universell von der Presse gepriesen wurde, sind die Reaktionen zu Girl on the Train deutlich gemischter. Gerade bei Filmen, die sich an ein älteres, anspruchsvolleres Publikum richten, spielen Kritiken eine Rolle. Etwa 89% der Zuschauer vom Startwochenende von Girl on the Train waren älter als 25 (und 59% waren Frauen) und das ist ein Publikum, das sich durchaus von Kritiken beeinflussen lässt. Außerdem verlieh die Regie von David Fincher, dessen drei vorherigen Filme (Der seltsame Fall von Benjamin Button, The Social Network, Verblendung) nicht nur Kinohits waren, sondern zusammengerechnet 26 Oscarnominierungen erhielten und sieben Oscars gewannen, dem Film Prestige und machte ihn zu einem potenziellen Oscaranwärter. Tate Taylors Film wird hingegen als ein durchschnittlicher Thriller wahrgenommen und Emily Blunt ist trotz vieler toller Performances kein Kassenmagnet.

Ein weiteres Problem für Girl on the Train scheint die Mundpropaganda zu sein. Die Zuschauer vergaben dem Film am Wochenende eine CinemaScore-Wertung von "B-" (äquivalent einer "2-"), was für einen "erwachsenen" Film wirklich schwach ist. Andererseits erhielt auch Gone Girl nur eine "B" (äquivalent einer "2") und spielte am Ende dennoch mehr als das Vierfache von seinem Startwochenende ein. Das ältere Zielpublikum von Girl on the Train wird vermutlich dafür sorgen, dass der Film nicht allzu schnell abstürzen wird, doch direkte Konkurrenz durch The Accountant und Inferno diesen Monat, die ebenfalls ein älteres Publikum ansprechen, wird einen überdurchschnittlich guten Multiplikator verhindern. Insgesamt wird Girl on the Train $75-85 Mio in den USA und in Kanada einspielen. Das ist zwar bestenfalls maximal etwa halb so viel wie Gone Girl vor zwei Jahren, jedoch kostete Girl on the Train nur $45 Mio (statt $61 Mio für Gone Girl) und wird definitiv profitabel sein. Der verhaltene Start von Girl on the Train offenbart ein Problem mit dem aktuellen Filmangebot. Mit Filmen wie Sully, Die glorreichen Sieben, Deepwater Horizon und Girl on the Train gibt es seit September ein Überangebot an Filmen für ältere Zuschauer, während vor allem Teenager und junge Erwachsene vernachlässigt werden. Das erklärt, weshalb sich Filme wie Don’t Breathe und Suicide Squad seit Wochen überraschend gut halten. Das ist eine gute Situation für Doctor Strange, der Anfang November in die US-Kinos kommen wird.

Tim Burtons Die Insel der besonderen Kinder fiel an seinem zweiten Wochenende um 47,6% auf $15,1 Mio und rutschte auf Platz 2 der Charts ab. Nach zehn Tagen steht der Fantasyfilm bei $51,2 Mio in Nordamerika und damit nahezu identisch zu Burtons Dark Shadows im selben Zeitraum vor vier Jahren. Natürlich hat Die Insel der besonderen Kinder nicht nur den Vorteil der Inflation, sondern auch den der höheren 3D-Eintrittspreise, doch der deutlich bessere Drop in seiner zweiten Woche legt nahe, dass der Streifen das Gesamteinspiel von Dark Shadows ($79,7 Mio) in Nordamerika problemlos überholen wird. Dass der Film trotz fehlender Konkurrenz dennoch fast die Hälfte seiner Zuschauer vom Startwochenende verloren hat, bedeutet allerdings, dass seine Chancen auf $100 Mio enorm geschrumpft sind. Zwar sollte er sich in den kommenden Wochen erholen, doch mehr als $85-90 Mio wird er vermutlich nicht einnehmen. Angesichts von $110 Mio Produktionskosten wird Die Insel der besonderen Kinder erst durch internationales Einspiel seine Ausgaben wieder einnehmen.

Deepwater Horizon wird vermutlich nicht einmal das gelingen. Der drittplatzierte Film am Wochenende spielte $11,5 Mio ein, 43% weniger als an seinem Startwochenende. Damit brachte das Katastrophendrama mit Mark Wahlberg sein vorläufiges Gesamteinspiel auf $38,3 Mio nach zehn Tagen. An sich wäre das eine ordentliche Performance, vergleichbar mit dem Feuerwehr-Drama Im Feuer vor 12 Jahren, das $74,5 Mio in Nordamerika einspielte. Auch Deepwater Horizon steuert auf $70-75 Mio zu. Das Problem ist aber, dass Lionsgate $110 Mio in die Produktion von Deepwater Horizon investierte, eine irrsinnige Summe ohne jegliche rationale Rechtfertigung, die dafür sorgen wird, dass der Film am Ende ein finanzieller Flop sein wird.

Auf Seite 2 verraten wir, wie der Sundance-Sieger The Birth of a Nation gestartet ist und wie sich die alten Eisen Sully, Don’t Breathe und Suicide Squad schlagen.

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch – Tag 4

0
Filmfest Hamburg 2016 Tag 4

Montag, der 3. Oktober, Feiertag. Das heißt vor allem eins: es wird schwieriger, etwas zu essen zu finden. Als wäre das nicht schlimm genug, muss man auch noch ins Hostel umziehen, zwar in ein Einzelzimmer, aber sollte ich hier Post bekommen, steht auf dem Brief als Adresszusatz sicherlich "Im Schrank unter der Treppe." Deprimierende Krankenhausbeleuchtung inklusive. Es war trotzdem ein recht schöner, sonniger, wenn auch kalter Tag, die Filme wollten nur leider in einer Schublade mit der neuen Unterkunft landen.

Tag 4

Hortensia

Filmfest Hamburg 2016 Tag 4 HortensiaIch und Wes Anderson (Grand Budapest Hotel) sind bisher keine großen Freunde geworden und doch verschlug es mich am Montagmorgen trotz der gut gemeinten Drohung auf der Webseite des Filmfestes "In Stil und Tonart ähnelt sie Filmen von Wes Anderson" in die verschrobene Komödie Hortensia, um den deprimierenden Stoffen, die ich bisher sehen durfte, etwas entgegenzusetzen. Ich hätte lieber etwas von Wes Anderson gucken sollen. Der Vergleich zu den Filmen des texanischen Regisseurs ist zwar berechtigt, die Regisseure Álvaro Urtizberea und Diego Lublinsky umarmen die tapezierten Puppenhaus-Kulissen, den morbiden Humor und die Verschrobenheit der Charaktere mit einer unangenehmen Bemühung, dass Hortensia als Anderson-Replik-Kino dessen Schwächen stärker ausbaut als die Stärken: "Sieh her, ich bin so quirky", scheint der Film in jeder Einstellung rufen zu wollen, seine Figuren und die Gefühle gehen dabei unter. 

Ein paar nette Gags hat der Film aber, die ihn davor retten, einem durchgehend auf die Nerven zu gehen. Dazu gehört eine Szene in einer Bar, wo Hortensia (Camila Romagnolo) einen Punkt von ihrer To-Do-Liste abarbeiten möchte, die sie nach dem Tod (durch Kühlschrank) ihres Vaters erstellt hat: Einen Freund finden, der blondes Haar hat wie ihr Vater. Sie an der Bar mit einem Drink, hinter ihr die Männer, abgelenkt von der Sportübertragung. Doch wie ihre Barbekanntschaft Hortensia versichert hat, kommen die Kerle von ganz allein an, wenn die Werbepause beginnt. Die Werbung läuft, einer der Männer sieht sich wie aus einer anderen Welt gerissen etwas verwirrt um und entdeckt mit einem Lächeln die Frauen vor sich. Einen kurzen Moment fühlte ich mich auch so, nur dass nach der erfrischenden Werbepause ein blöder Film weiterlief. 2/5

Personal Shopper

Filmfest Hamburg 2016 Tag 4 Personal ShopperIn Olivier Assayas' (Die Wolken von Sils Maria) Personal Shopper ist alles ein Geist. Maureen (Kristen Stewart) ist, wie ihr kürzlich verstorbener Zwillingsbruder, ein Medium. In ihrem alten Haus versucht sie, ein Zeichen von ihm aus dem, was auch immer nach dem Tod kommt, zu erhalten, wie er es versprochen hatte. Selbst die Kamera scheint eine Art Geist zu sein, so wie sie schwerelos in langen Trackingshots durch das unheimliche Haus schwebt. Es ist faszinierend, wie Assayas den Dingen um seine Protagonistin herum zunehmend einen spirituellen Schleier überwirft, aber auch so frustrierend, mit welch konventionellen Auflösungen er seinen Film auf gewisse Weise entmystifiziert. Auf der Suche nach einer spürbaren Verbindung zu ihrem toten Bruder begegnet Maureen im Spukhaus ein tatsächlicher Geist und eine Tasse schwebt buchstäblich von Geisterhand getragen durch die Gegend. Uninspiriert wirkt auch der im Kern interessante Ansatz, Maureens sich entfaltende Seite, die sich vom Verbotenen angezogen fühlt, als Geist zu interpretieren, mit dem sie fortan im iMessage-Zwiegespräch ist – das Internet ist natürlich auch ein Geist. Denn bis auf die zittrigen Finger der groß aufspielenden Kristen Stewart, die beim Tippen auf der Smartphone-Tastatur mehr Aussagekraft besitzen als jede Nachricht, die wir mitlesen, findet Assayas keinen originellen Weg, den knapp 30 Minuten langen stummen Dialog in anregende Bilder zu verpacken. Der nette Desktop-Horror-Flick Unkown User bewies letztes Jahr, dass dies auch in einer visuell monotonen Umgebung möglich ist. Dort löschte die Protagonistin beispielsweise noch nicht abgesendete Nachrichten und ließ uns auf ungezwungene Weise etwas über ihr Innenleben erfahren, ohne dass ein Wort gesprochen werden musste.

Das wortlose Erzählen stellt für Assayas eigentlich kein Problem dar, seinen Bildern scheint er aber nicht gänzlich zu vertrauen. Anders lässt sich die kathartische Endszene und der Hang zur Exposition nicht erklären. Für sein (Ghost)worldbuilding, dass die Thematik mit einem gewissen Realismus unterfüttert, bezieht er sich auf eine Menge Erklärbär-Videos, die sich Maureen mal zu Hause, mal in der Bahn ansieht, wenn sie nicht gerade mal im Café, mal über das Telefon aufklärende Gespräche führt. 2/5


Bisherige Ausgaben:

Tag 1 (Elle, Per Song)
Tag 2 (Diamant Noir, The Sociologist And The Bear Cub, The Ornithologist, Dark Night)
Tag 3 (The Woman Who Left, Weiner, Die rote Schildkröte)

Box-Office Deutschland: Findet Dorie gewinnt mit dem besten Start des Jahres

0
Findet Dorie Box Office

Quelle: Insidekino

Tag der Deutschen Einheit am Montag, deutlich kühleres Wetter am Wochenende sowie ein gigantischer Neustart haben die Besucherzahlen der Top 10 gegenüber der Vorwoche auf 1,8 Mio verdoppelt. Viele Filme konnten zulegen und kein einziger Top-10-Film fiel um mehr als 20%. Nichtsdestotrotz verlor die Top 10 um 1% gegenüber dem gleichen Wochenende im Vorjahr. Da über die nächsten zwei Wochen in den meisten Bundesländern die Herbstferien beginnen, können wir uns weiterhin auf sehr gute Zahlen einstellen.

Pixars Sequel Findet Dorie, der bereits die US-amerikanischen Kinocharts dieses Jahr aufmischte und zum bislang erfolgreichsten Film des Jahres in Nordamerika geworden ist, gelang auch hierzulande ein toller Start. Mit etwa 876,000 Besuchern in 762 Kinos (im Schnitt 1150 Besucher pro Kino) legte Findet Dorie das beste Startwochenende des Jahres hin sowie den drittbesten Start in Pixars Geschichte, hinter Findet Nemo und Ratatouille. Natürlich erreichte die Fortsetzung nicht einmal annähernd die schwindelerregenden Höhen des Starts von Findet Nemo, der 2003 mit knapp mehr als 2 Mio Zuschauern anlief und bis heute das neuntbeste Startwochenende aller Zeiten innehält. Doch der Markt hat sich natürlich verändert und man konnte nicht erwarten, dass Findet Dorie an seinen Vorgänger anknüpfen würde, der mit über 8,8 Mio verkauften Tickets (inkl. der 3D-Wiederaufführung) in Deutschland der besucherstärkste computeranimierte Film aller Zeiten ist. Findet Dorie wird bis zum Start von Trolls am 20. Oktober keine direkte Konkurrenz bekommen und Alles steht Kopf und Hotel Transsilvanien 2 zeigten bereits letztes Jahr, dass zwei große Animationsfilme gut neneneinander co-existieren können, insbesondere während der Herbstferien. Einschließlich des Feiertag-Montags hat Findet Dorie in seinen ersten fünf Tagen bereits etwa 1,2 Mio Zuschauer in die deutschen Kinos gelockt. Interessant ist übrigens, dass jetzt drei der vier stärksten Startwochenenden des Jahres in Deutschland Animationsfilmen gehören. Im Gegensatz zu Zoomania und Pets sollte Findet Dorie jedoch keine Schwierigkeiten haben, die 4-Mio-Marke zu überschreiten. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Film knapp 4,5 Mio Kinotickets in Deutschland verkaufen, was ihm einen Platz unter den drei erfolgreichsten Filmen des Jahres garantieren sollte.

Bad Moms, der Spitzenreiter der Vorwoche, musste sich zwar mit dem zweiten Platz der Charts zufrieden geben, legte aber dafür um 22% gegenüber seinem Startwochenende zu und verbuchte so den besten Zuschauerzuwachs in der gesamten Top 20! Etwa 232,000 Zuschauer sahen die Ensemble-Komödie an ihrem zweiten Wochenende und brachten die vorläufige Gesamtbesucherzahl des Films auf knapp 566,000 nach 11 Tagen. Ohne nennenswerte Konkurrenz um die weiblichen Zuschauer bis zum Start von Bridget Jones’s Baby Ende des Monats wird Bad Moms in den kommenden Wochen prächtig laufen und könnte bis zu 1,4 Mio Besucher in Deutschland erreichen.

Die glorreichen Sieben rutschte ebenfalls um einen Platz runter und belegte mit 120,000 Besuchern (-2%) Platz 3 der Wochenendcharts. Insgesamt hat der Western bislang 293,000 Kinogänger in Deutschland begeistert und steuert auf etwa 650,000 Besucher zu. Bei der Besetzung hätte man auch mehr erwarten können, doch für das Genre ist es kein schlechtes Ergebnis in Deutschland.

SMS für Dich hielt sich mit 102,000 verkauften Karten (-4%) auf Rang 4 der deutschen Kinocharts und kann nach 18 Tagen im Verleih bereits 542,000 Besucher vorweisen. Auf lange Sicht wird SMS für Dich mehr als eine Million Besucher in Deutschland erreichen, doch das wird vermutlich nicht vor Ende November passieren. Es wäre erst der dritte deutschsprachige Besuchermillionär des Jahres.

Die Satire War Dogs kam überraschend gut aus den Startlöchern und landete mit fast 100,000 Besuchern auf Platz 5. In 240 Kinos erzielte der Film mit Jonah Hill und Miles Teller einen beachtlichen Schnitt von 417 Besuchern pro Spielstätte. Einschließlich der Sneaks und Previews steht der Film bei insgesamt 111,000 Zuschauern und könnte etwa 400,000 Besucher in Deutschland erreichen.

Auf Seite 2 verraten wir Euch die neuen Besucherzahlen von The Purge: Election Year, Don’t Breathe, dem Arthouse-Hit Tschick und dem Animationserfolg Pets.

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch – Tag 3

0
Filmfest Hamburg 2016 Tag 3

Einige Kollegen beklagen sich schon seit gestern über ihre bisher leider schwache Ausbeute auf dem Filmfest Hamburg 2016. Das große Meisterwerk bleibt zwar noch aus, mit Dark Night konnte ich jedoch schon einen Film sehen, der mich auch nach der Woche in Hamburg begleiten wird. Auch sonst kann ich mich trotz den mittelprächtigen Per Song und Diamant Noir nicht beklagen. Heute schaffte es zumindest ein weiterer wirklich sehenswerter Film auf meine Liste.

Tag 3

The Woman Who Left

Filmfest Hamburg 2016 Tag 3 The Woman Who LeftEine halbe Stunde weniger Schlaf und der erste Film an meinem 3. Tag auf dem Filmfest Hamburg wäre länger gewesen, als ich geschlafen hätte. Wenn Lav Diaz für seine Verhältnisse kurze Filme dreht, sind auch diese noch um die vier Stunden lang. So auch The Woman Who Left. Trotz besonderer Lauflänge ist der neueste Film des philippinischen Regisseurs im Gegensatz zu seinen anderen Werken nicht besonders unkonventionell erzählt. Klar strukturiert baut er in seinen typisch langgehaltenen, statischen Schwarzweiß-Bildern die Rache-Agenda der Protagonistin Horacia (Charo Santos-Concio) auf. Diese war 30 Jahre lang wegen Mordes inhaftiert, bis neue Beweise ihre Unschuld belegen und sie aus dem Gefängnis, das eher wie ein menschenverachtendes Arbeitslager wirkt, freigelassen wird. Zudem findet sie heraus, wer der eigentliche Täter und damit Verantwortliche für ihre 30 Jahre hinter Gittern ist. Sie schwört, Rache an dem reichen Rodrigo Trinidad zu nehmen.

Horacias tragische Geschichte steht sinnbildlich für eine Unterdrückung durch die Oberschicht. Während Rodrigo sich in einem Haus verschanzt, berichten immer wieder Stimmen aus dem Radio von den Umständen, die das Land betreffen. Baufahrzeuge reißen ganze Siedlungen ein und von den Leidenden ertönt die Frage nach einem Gott, den sie so lange in den Schönen und Reichen sahen. Die nihilistische Bewegung muss sich neue Instanzen suchen, die sie nur in ihren eigenen Reihen finden kann. Gottesgestalten sind nicht die menschlichen Hüllen des Kapitalismus, von denen Güte nur im Austausch erfahren wird, sondern solche, die selbstlos geben. The Woman Who Left ist in knapp 230 Minuten nie übermäßig schwere Kost, nicht schmerzhaft zäh, aber die Differenz zwischen Inhalt und Form ist groß. 3/5

Weiner

Filmfest Hamburg 2016 Tag 3 WeinerEigentlich wollten Josh Kriegman und Elyse Steinberg dokumentieren, wie der aufmüpfige Politiker Anthony Weiner nach seinem verheerenden Twitter-Skandal 2011, wo er ein Unterwäsche-Bild von sich postete, als Bürgermeister-Kandidat in New York City sein Comeback feiert. Nach wiederholten Entschuldigungen und Versprechen für die Zukunft scheint er sich schon auf der Siegesstraße zu befinden, bei den Umfragen führt er. Die Leute lieben ihn, bis ein erneuter Sex-Skandal ihn von den Wolken schubst. Denn wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Man muss sich zwischendurch immer wieder selbst kopfschüttelnd vor Augen führen, dass nicht geskriptet ist, was passiert. Weiner könnte auch eine spielfilmlange Spezialfolge von "The Office" sein, Anthony Weiner ein Meister der Komik. Denn so tragisch der Fall auch sein mag, wie sehr seine Familie unter dem wiederholten Skandal leidet und Weiners persönliches Leben nach außen getragen wird, so unglaublich unterhaltsam ist es, dem absurden Worst-Case-Spektakel zu folgen. Einen informativen Einblick in das Wahlprogramm des Politikers bekommt man zwar nicht, dafür aber ein Gefühl für die ambivalente Persönlichkeit zwischen provokantem Großmaul, euphorisierenden Motor, Geschäftsmann, Familienvater und eben auch Lustmolch. Gerade befindet sich Anthony Weiner noch in einer hitzigen Fernsehdiskussion, reißerisch, provokant und lachend, im nächsten Augenblick sitzt er deprimiert und verlassen im einsamen Fernsehstudio. Mit cleveren Schnitten bringen die beiden Regisseur nicht nur Tempo und satirische Spitzen in ihre Dokumentation, sie unterstreichen vor allem die absurde Tragik eines Mannes, der sich vor tausenden Leuten für zwar nicht legitime aber doch private Angelegenheiten rechtfertigen muss. 3,5/5

Die rote Schildkröte

Filmfest Hamburg 2016 Tag 3 Die rote Schildkröte

Ein Mann inmitten von tosenden Wellen. Ein Mann allein auf einer einsamen Insel. Ein Mann mit Frau, dann mit Frau und Kind. Die rote Schildkröte ist ein niedlicher Film. Vielleicht liegt es daran, dass Regisseur Michael Dudok de Wit vorwiegend Animateur und kein Storyteller ist, dass sein erster Langfilm, co-produziert vom legendäreN Studio Ghibli, mit diesem undankbaren Adjektiv beschrieben werden muss. Visuell ist Die rote Schildkröte anspruchsvoll aber simpel, durchdacht aber einfach. Der einsame Mann mit den Knopfaugen streift wortlos wie der gesamte Film durch die einsame Insel, auf der er gestrandet ist. Die friedlichen Naturkulissen werden in wohlige Klänge getaucht, das gesamte Bild teilweise nach Umgebung oder Sinneszustand des Charakters eingefärbt. Eine zunächst deprimierende Survival-Geschichte vermischt sich mit verträumtem Surrealismus.

Ganz im Gegensatz zu dieser spirituellen Meditation steht die sich entwickelnde Familiengeschichte. Als der namenlose Mann eine riesige rote Schildkröte erschlägt, die ihm und seinem selbstgebauten Floß mehr als einmal den Weg über das Meer versperrte, verwandelt sich ihr lebloser Körper in eine wunderschöne Frau. Auch im weiteren Verlauf besinnt sich de Wit immer wieder zu seinen träumerischen Stärken und verbindet Ton und Bild in einem so wunderschönen wie generischen Unterwasser-Ballett. Was die erzählerischen Einfälle angeht, bedient sich Die rote Schildkröte bekannter Muster und drückt am Ende auf die obligatorische Tränendrüse. Zu spüren ist wenig, dafür ist das Erzählte zu beliebig. Wahrscheinlich hätten einige Zuschauer eher bei dem Tod einer der ulkigen Krabben geweint. Die sind nämlich niedlich. 3/5


Weiner stellt sich im bisherigen Ranking des Fimfests direkt zwischen die beiden anderen Highlights The Ornithologist und Dark Night. Tag 4 hat mit dem bereits viel gelobten Personal Shopper von Cannes-Gewinner Olivier Assayas (Die Wolken von Sils Maria) Potenzial, ein überschattendes Highlight bereitzuhalten.

Bisherige Ausgaben:

Tag 1 (Elle, Per Song)
Tag 2 (Diamant Noir, The Sociologist And The Bear Cub, The Ornithologist, Dark Night)

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch – Tag 2

0
Filmfest Hamburg 2016 Tag 2

Wie bereits angekündigt gab es an meinem 2. Tag auf dem Filmfest Hamburg 2016 mehr zu sehen, als die im Ankunftsstress mitgenommenen Elle und Per Song. Während ich im nächtlichen Hamburg vor der Tastatur sitze, an meinem Wasser nippe und textlich zerstörte Träume, politische Debatten, naturalistische Selbstfindungsreisen und ein finsteres Kapitel in der Geschichte von Colorado reflektiere, befinde ich mich zeitlich schon in Tag 3 des Festivals. Nebenbei fühle ich mich wie in einer ganz bestimmten Folge von "Breaking Bad" – eine Fliege nervt mich. Doch zurück zu den Filmen:

Tag 2

Diamant Noir

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch Tag 2 Diamant NoirAugen und Hände stehen im Fokus von Arthur Hararis Rache-Drama. Sie sind die wichtigsten Werkzeuge eines Diamantenschleifers. Die Diamantenschleifer wiederum die wichtigsten der Diamantenhändler. Diamanten – um den Namen dieses besonderen und besonders wertvollen Edelsteins noch einmal wirken zu lassen – sind das Geschäft von Piers (Buillaume Verdier) Familie, mit der er wenig zu tun hat. Auch von seinem Vater scheint er sich distanziert zu haben, der vor Jahren seine Hand im Familienbetrieb als Diamantenschleifer verlor. Die Nachricht über seinen Tod löst bei Pier, der inzwischen als Einbrecher unterwegs ist, lang zurückgehaltene Emotionen aus. Während Pier stark vermutet, dass die Verstümmelung seines Vaters damals kein Unfall war und er Onkel Joseph (Hans-Peter Cloos) und Cousin Gabi (August Diehl) als Schuldige anvisiert, deutet der Film mit dem Finger auf den wahren Täter: den Kapitalismus.

Diamant Noir ist in seinen besten Momenten aufgeladen mit kitzelnder Spannung, in seinen Heist-Planungen clever mit spielerischen POV-Aufnahmen aufgezogen und im Finale überaus konsequent, versinkt aber oft im erzählerischen Treibsand aus Exposition, fehlendem Gefühl für Schwerpunktsetzung innerhalb der Handlung und klischeebehafteten Charakteren. Die selbstzerstörerische Natur seiner Figuren setzt glücklicherweise mehrere Male Adrenalinspritzen, wenn der Puls des Films schon fast nicht mehr zu spüren ist. August Diehls Performance schwankt zwischen gebrochenem manisch Depressiven und überzogen dämonischem Kapitalistenschwein, Buillaume Verdier steuert seinen Hauptcharakter zunehmend in ausweglose Panik. Am Ende ist der wertvolle Stein mehr wert als Menschenleben und sein mordender Beschützer der falsche Held. 2,5/5

The Sociologist And The Bear Cub

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch Tag 2 The Sociologist and the Bear CubWie gestern in Per Song verschmolzen auch im heutigen 70-Minüter Fiktion und Realität. Unter dem Zeichen des rechtlichen Diskurses über die homosexuelle Ehe in Frankreich begleitet der junge Dokumentarfilmer Mathias Théry die polarisierende Debatte und verbindet dabei dokumentarische Aufarbeitung mit humoristischem Puppentheater. Seine Mutter, die Soziologin Irene Théry, wurde für in ein Expertenteam geholt, das die Regierung aus verschiedenen Standpunkten in der kontroversen Frage beraten soll. Die Telefonate mit ihr, Ausschnitte aus Reden und Interviews visualisiert Mathias Théry mit Kuscheltieren, kreativen Spielereien und einem mit dieser stilistischen Entscheidung einhergehenden Meta-Kommentar.

The Sociologist And The Bear Cub funktioniert dabei als unterhaltsamer und aufklärender Lehrfilm. Mal verbindet Théry die Geschehnisse mit persönlichen Anekdoten, mal bettet er es in satirische Seitenhiebe, im Endeffekt wird jedoch nur ein nüchterner, faktenbezogener Diskurs leicht bekömmlich gemacht. In seinem Film wolle er auch mit möglichst wenigen Fachbegriffen um sich werfen, erzählt Mathias seiner Mutter zu Beginn des Films sogar. Am Ende ist der Sieg da, die Botschaft herausgetragen, man fragt sich, in welchem Jahrhundert Deutschland eigentlich hängengeblieben ist und die Demonstrationen der Hass und Einschränkung Propagierenden wirken wie ein Kasperletheater. 3/5

The Ornithologist

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch Tag 2 The OrnithologistDer Score kündigt unheilvolles an, als der Ornithologe Fernando (Paul Hamy) in seinem Kanu einen Fluss hinunterfährt. Doch nicht die Natur ist es, die sein Opfer gierig in die Arme schließt, es sind die Menschen, die als Fremdkörper in die Natur eindringen. Sie bringen ihre erfundenen Religionen und Götter mit, während sie die wahre Religion, die Natur, buchstäblich mit Füßen zertreten. Regisseur João Pedro Rodrigues ist selbst Ornithologe und verarbeitet mit The Ornithologist seine Selbstfindung und Besinnung zur Natur.

Die Natur ist rau, hart und brutal. Die Wellen tosen, die Orchideen leuchten gefährlich und auffällig rot in der grünen Waldkulisse, doch es sind die Menschen, die Fernando fesseln und kastrieren wollen, während der Jesus der Natur im splitternackten Adamskostüm Nahrung und Zärtlichkeit zu geben hat. Auch die hölzernen Dialoge und Paul Hamys monotones Schauspiel können The Ornithologist nicht um seine Atmosphäre bringen. Nur manchmal droht sie, in sich selbst zusammenzufallen, wenn Rodrigues seinen impressionistischen Bildern durch unnötige Zusätze noch mehr Mystik aufzudrängen. 3,5/5

Dark Night

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch Tag 2 Dark Night"I could have called it Elephant 3", sagte Regisseur Tim Sutton im anschließenden Q&A an seine Aufarbeitung des Amoklaufs in Colorado 2012, bei dem der 24-jährige James Holmes eine Vorstellung von The Dark Knight Rises stürmte und 12 Menschen erschoss. Den Amoklauf erleben wir nie mit. Wie in Gus van Sants Elephant folgen wir mehreren Personen durch ihren Alltag. Die Bilder suggerieren eine Routine, über der jedoch ein merkbar schwerer Schleier der Vorahnung hängt. Aus gewöhnlichen Situationen gestaltet Sutton eine Atmosphäre der dauerhaften Unsicherheit, die die wie ein Nachtalb im Schlaf auf den Brustkorb drückt. Nur flößt dieser dem Kinozuschauer keine grausamen Träume ein, sondern die erschreckend authentische Realität.

Unterdrückte Panik brodelt in jedem einzelnen Charakter. Einer von ihnen wird am Abend Amok laufen, alle sind sie Menschen und alle scheinen sie jeden Augenblick explodieren zu können. Beklemmender Soundtrack, brutale Geräuschkulisse und verstörendes Unwohlsein in jeder Einstellung ergeben eine lähmende Symbiose. Wo Gus van Sants Film über den Columbine-Amoklauf durch Stereotypen ein Kommentar auf die kollektive Suche nach Antworten bildete, ergibt sich aus den amerikanischen Archetypen in Dark Night ein zeitgenössisches Gesellschaftsporträt aus Abgründen. "It’s observational not judgemental." 4/5


An Tag 3 wird es voraussichtlich wieder ein Film weniger sein, denn auch ein kurzer Lav-Diaz-Film geht eben mal knappe 4 Stunden. Der Kaffee wird gegen die Müdigkeit antreten und der eiserne Wille gegen die Blase.

Bisherige Ausgaben:

Tag 1 (Elle, Per Song)

Filmfest Hamburg 2016 Tagebuch – Tag 1

0
Filmfest Hamburg

Bereits am Donnerstag startete das Filmfest Hamburg in seine 24. Ausgabe. Eröffnet wurde das Festival von und mit Ewan McGregor (Trainspotting). Der gebürtige Schotte leitete höchstpersönlich den Abend ein und präsentierte sein in der Zeit des Vietnamkriegs angesiedeltes Familiendrama Amerikanisches Idyll. Am Morgen nach dem ersten Trubel, als sich die Gäste der Eröffnung wahrscheinlich gerade mit Restalkohol im Blut und einem Geschmack von Asche im Mund in ihren Betten umdrehten, stieg ich gerade in meinen Fernbus, der mich von Berlin in die Hansestadt bringen sollte. Nach 5 Stunden Schlaf, 3 Stunden Busfahrt und einem Brötchen als Ersatz-Frühstück war ich also da, stieg zu einem Taxifahrer mit deutlichem Kudder-Akzent und traf 20 Minuten vor Beginn meiner ersten Vorstellung am Abaton-Kino ein. Wie sich einige Minuten später herausstellte, saß Ewan McGregor nicht weit weg noch in einem Café. Willkommen zu meiner voraussichtlich achtteiligen Berichterstattung vom Filmfest Hamburg 2016.

Tag 1

Elle

Filmfest Hamburg 2016 Tag 1 ElleDass in jedem Mensch ein Monster schlummert, ist eine These, so alt wie die Menschheit selbst. Paul Verhoevens (RoboCop) Film weiß diese jedoch als Nährboden für tiefergehende Gesellschaftsforschung zu nutzen. Am ehesten lässt sich sein Drama um das Opfer einer Vergewaltigung, so seltsam das auch klingen mag, mit dem diesjährigen Cannes-Lieblings Toni Erdmann vergleichen. Stilistisch scheinen beide Filme unaufwendig, scheinbar unambitioniert inszeniert zu sein, befreien ihre Geschichten dadurch jedoch von fiktionalisierendem Ballast, um ein unverzerrtes und realistisches Bild zu erlauben. Der Dramatik wird eine schockierende Authentizität eingeflößt, Gefühlsausbrüche in unangenehmer Apathie erstickt. Momente nachdem Michelle (großartig: Isabelle Huppert) in ihrem eigenen Haus vergewaltigt wurde, beseitigt sie mit kühler Miene die Spuren der brutalen Tat, als würde sie die Scherben ihrer zersplitterten Seele mit einer unglaublichen Selbstbeherrschung zusammensuchen. Michelle ist fortan nicht sichtbar gezeichnet von dem Vorfall, optisch ziert nur Veilchen ihr Gesicht, vor ihren Freunden erwähnt sie nichts und zur Polizei geht sie schon gar nicht.

Paul Verhoeven erzählt seine facettenreiche Geschichte mit einem solchen Selbstbewusstsein, dass Elle trotz leicht konstruierter Verknüpfungen und gewagten Thesen ein kohärentes, nuanciertes und durchgehend fesselndes Thrill-Drama ist. Die Prämisse weicht während der Handlung immer wieder für einige Zeit in den Hintergrund und entfaltet sich als rahmendes Sinnbild für die Figuren. Für die verlogene Gesellschaft findet Verhoeven erschreckende sowie satirische Bilder. Wo Maren Ade den Humor in Toni Erdmann als lichtspendende Instanz in der dunklen Traurigkeit beschrieb, ist die Lakonie reines Werkzeug zur Betäubung. Ein Werkzeug, das sich auch die Zuschauer des Films (unbewusst) anzueignen scheinen, um dem Schrecken zu entfliehen. Zumindest so lange, bis die Erinnerung wiederkehrt. 3,5/5

Per Song

Emotionen, Untertitel und viele schnelle Worte bilden die ersten schwarzweißen überfordernden Momente von Shuchang Xies 70-Minüter Per Song. Meist ruht die Kamera statisch auf den Charakteren in ihren Alltagssituationen. Realität und Fiktion verschmelzen in dokumentarisch gefilmten episodischen Gesprächssituationen. Die Kamera scheint für die Figuren präsent, sie wird personalisiert, als sei der Zuschauer Teil der Nachtwanderungen und Clubgänge der Jugendlichen, die fragend durchs Leben wandern, ohne je eindeutige Antworten zu erhalten. Das ist in seiner biederen YouTube-Clip-Ästhetik und seinem teils schmerzhaft langsamen Tempo 35 Minuten lang einschläfernd, driftet danach in einer Kombination aus Handy-Video-Trackingshot und Radio-Musikeinsatz in hypnotische Sphären ab, bis er sich in einem kathartischen Dialog über den Stellenwert und die Bedeutung von Liebe ausklingt. 2,5/5


Die letzten Minuten von Tag 1 sind bereits verstrichen, während ich diese abschließenden Zeilen schreibe. Morgen stehen deutlich mehr Filme auf dem Programm, denn auch Tickets für die Abendvorstellungen sind bereits reserviert.

Box-Office Deutschland: Bad Moms schlagen Die glorreichen Sieben

0
Die glorreichen Sieben Bad Moms Box Office Deutschland

Quelle: Insidekino

Das wetterbedingte Auf und Ab an den deutschen Kinocharts geht weiter. Es war das vielleicht letzte sonnige und warme Wochenende des Jahres in weiten Teilen Deutschlands und die Kinobetreiber bekamen das schmerzlich zu spüren. Viele Filme brachen um mehr als die Hälfte ein und trotz zwei vielversprechender Neustarts verlor die Top 10 20% der Besucher von der Vorwoche und kam auf knapp 900,000 verkaufte Tickets. Gegenüber dem gleichen Wochenende im Vorjahr bedeutete das einen Rückgang um 38%.

Deutsche Kinogänger lieben Komödien und das haben sie vergangenes Wochenende wieder einmal bewiesen. Obwohl in etwa 60 Kinos weniger gestartet und trotz eines deutlich kleineren Staraufgebots setzte sich der US-Überraschungshit Bad Moms am Wochenende gegen Die glorreichen Sieben durch. Geholfen hat natürlich auch die mildere FSK12-Freigabe, während Die glorreichen Sieben lediglich Zuschauern ab 16 Jahren vorbehalten war. Von Donnerstag bis Sonntag lockte Bad Moms 191,000 Zuschauer in die deutschen Kinos. Hinzu kommen noch sehr gut besuchte Previews und Sneaks, sodass der Film bis Sonntag bereits 264,000 Zuschauer zählte. In 447 Kinos gelang der Komödie mit Mila Kunis und Kristen Bell ein toller Schnitt von 426 Besuchern pro Spielstätte. Hätte das Wetter mitgespielt, wäre deutlich mehr drin gewesen. Das Startwochenende erinnert an die andere erfolgreiche Frauenkomödie dieses Jahr, How to Be Single. Diese lief im April mit 253,000 Besuchern (inkl. Previews) an und schaffte es sogar bis zur Millionenmarke. Mit Herbstferien, dem Tag der Deutschen Einheit und kinofreundlicherem Wetter im Anmarsch wird Bad Moms das ebenfalls locker erreichen und könnte bis zu 1,3 Mio Besucher in die deutschen Kinos locken.

Die glorreichen Sieben musste sich am Wochenende mit 122,000 Besuchern von 508 Kinos (im Schnitt 241 Zuschauer pro Kino) zufrieden geben. Das zeigt wieder einmal, dass Western – mit der Ausnahme von Tarantinos Filmen – hierzulande kein sehr beliebtes Genre mehr sind. Doch auch nach den niedrigeren Maßstäben ist das Startwochenende dennoch enttäuschend, auch für den Star Denzel Washington, dessen The Equalizer vor zwei Jahren noch etwa 860,000 Besucher in Deutschland erreichte. So weit wird Die glorreichen Sieben auch nicht kommen, wenn das Wetter wieder regenreicher wird, doch eine halbe Million Besucher halte ich für möglich. Das wäre ein ähnliches Endergebnis wie für Washingtons Safe House und Training Day.

Der letztwöchige Spitzenreiter The Purge: Election Year baute 50% ab und fiel mit 108,000 neuen Besuchern auf Platz 3. Nach elf Tagen im Verleih steht der Film bereits bei sehr ordentlichen 391,000 gelösten Tickets und hat damit schon das Endergebnis des ersten Purge-Films überholt. Außerdem liegt The Purge: Election Year 20% vor The Purge: Anarchy im selben Zeitraum und sollte problemlos etwa 700,000 Zuschauer hierzulande erreichen. Mit Hits wie diesem, Lights Out, Conjuring 2 und Don’t Breathe ist es ein wirklich gutes Jahr für Genrefilme in Deutschland.

Ganz knapp dahinter platzierte sich die deutsche Romcom SMS für Dich, die weitere 106,000 Zuschauer begeisterte. Mit einem Minus von nur 39% gelang Karoline Herfurths Regiedebüt der beste Rückgang in der gesamten Top 10, und das trotz direkter Konkurrenz durch Bad Moms. Nach elf Tagen zählt der Film 392,000 verkaufte Tickets und ist damit bereits an dem besser gestarteten The Purge: Election Year vorbeigezogen. Sobald sich wieder kinofreundlicheres Wetter einstellt, erwarte ich noch eine lange Laufzeit von SMS für Dich, an deren Ende mehr als eine Million Zuschauer zusammenkommen dürften.

Die Top 5 rundete Nerve mit 90,000 Besuchern (-43%) ab und knackte nach 18 Tagen die 500,000-Besuchermarke. Mit insgesamt 506,000 verkauften Kinotickets in der Tasche und ohne nennenswerte direkte Konkurrenz kommendes Wochenende sollte Nerve insgesamt mehr als 700,000 Zuschauer in Deutschland erreichen. Damit hat wohl kaum jemand gerechnet.

Oliver Stones Snowden stieg mit 70,000 Besuchern von 281 Kinos (250 pro Kino) auf Platz 6 der Wochenendcharts ein und steht samt Sneaks und Previews bei 88,000 Besuchern. In Programmkinos läuft es für den Film ganz gut, sodass er mindestens 300,000 Tickets in Deutschland verkaufen sollte.

Don’t Breathe fiel um zwei Plätze und 44% auf Rang 8 und 58,000 Zuschauer an seinem dritten Wochenende. Damit brachte der Horrorthriller seine vorläufige Gesamtbesucherzahl auf solide 353,000. Blair Witch wird ihm in zwei Wochen seine Zuschauer streitig machen, doch insgesamt könnte Don’t Breathe immerhin eine halbe Million Besucher in Deutschland verbuchen.

Pets verkraftete das schöne Wetter ganz und gar nicht gut, fiel um 59% auf 54,000 Zuschauer und erreichte insgesamt 3,457,000 Besucher nach neun Wochen in den Kinos. Damit steht der Animationshit kurz davor, Pixars Alles steht Kopf zu überholen und unter die 20 erfolgreichsten computeranimierten Filme in Deutschland aufzusteigen.

Der deutsche Familienfilm Conni & Co verließ nach sechs Wochen die Top 10, erreichte aber mittlerweile 407,000 Zuschauer, sodass ihm mehr als eine halbe Million Besucher sicher sein sollten.

Der deutsche Arthousehit Toni Erdmann steht nach elf Wochen bei 624,000 Besuchern. Es ist ein Film, den viele Programmkinos noch bis zum Ende des Jahres im Angebot haben werden, sodass ich ihm weiterhin ein Endergebnis nah an eine Million zutraue.

Jason Bourne erreichte nach sieben Wochen 914,000 Zuschauer in Deutschland und wird die Millionenmarke wohl nur ganz knapp verfehlen. Dafür erreichte die französische Komödie Frühstück bei Monsieur Henri einen neuen Meilenstein und passierte am Wochenende die 500,000-Zuschauermarke.

Box-Office USA: Die glorreichen Sieben schießt an die Spitze

Die glorreichen Sieben Box Office

Quelle: Boxofficemojo

Die zwei Neustarts brachten vergangenes Wochenende wieder Leben in die nordamerikanischen Kinocharts, doch insgesamt sorgten die beiden Filme für weniger volle Säle als man es dem aussichtsreichen Duo im Vorfeld zugetraut hat, sodass der Gesamtumsatz der Top 12 wieder unter $100 Mio blieb. Immerhin ging es um 27% hinauf gegenüber der Vorwoche, auf $94,9 Mio, doch verglichen mit dem gleichen Wochenende im Vorjahr, als Hotel Transsilvanien 2 zum Start den bisherigen September-Rekord brach, verbuchte die Top 12 ein Minus von 26%.

Reine Starpower hat als Zuschauermagnet in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung verloren. Nur noch von wenigen Stars kann man heutzutage behaupten, sie seien eine "sichere Nummer" für den Erfolg ihrer Filme und würden allein durch ihre Namen Zuschauer scharenweise in die Kinos ziehen. Denzel Washington gehört schon seit vielen Jahren zu diesem erlesenen Kreis und auch mit seinem neusten Film, dem Remake Die glorreichen Sieben, bewies er wieder einmal, dass er einer der zuverlässigsten Box-Office-Garanten der Traumfabrik ist, insbesondere wenn es um die heimischen Einspielergebnisse geht. Die glorreichen Sieben eroberte auf Anhieb mit $34,7 Mio die Spitze der US-Kinocharts und schrieb in 3674 Kinos einen Schnitt von $9446 pro Spielstätte. Es war das sechstbeste September-Startwochenende aller Zeiten, haarscharf hinter Clint Eastwoods Sully, der vor zwei Wochen eröffnete. Es war außerdem der drittbeste Start von Washingtons Karriere (hinter American Gangster und Safe House) sowie sein 16. Film, der mit mehr als $20 Mio eröffnete. Damit zog er mit Tom Cruise und Adam Sandler gleich, die ebenfalls 16 $20-Mio-Starts in ihren Karrieren vorweisen können. Darüber hinaus wurde Die glorreichen Sieben zum 15. Film mit Washington, der die Spitze der nordamerikanischen Kinocharts erreichte. Es war auch das beste Startwochenende für einen traditionellen Western (Animationsfilm Rango und Sci-Fi-Abenteuer Cowboys & Aliens ausgeschlossen).

Nichtsdestotrotz ist es fast schon verwunderlich, dass Die glorreichen Sieben nicht noch besser aus den Startlöchern kam. Der Markt war reif für einen großen, unterhaltsamen Film wie diesen. Seit Suicide Squad Anfang August starteten kaum Filme in den US-Kinos, die weder ein R-Rating trugen noch für ein Familienpublikum waren. Sully erfüllte zwar die nötigen Kriterien, richtete sich aber fast ausschließlich an ein älteres Publikum. Die Hoffnung war, dass durch die Beteiligung von Chris Pratt auch jüngere Zuschauer von Die glorreichen Sieben angelockt werden könnten, doch der Plan ging nicht auf. Etwa 81% der Zuschauer am Startwochenende waren 25 oder älter (59% waren Männer). Der Western bleibt nun mal ein Genre für ein älteres Zielpublikum, es sei denn ein hipper Regisseur wie Quentin Tarantino dreht ihn. An den Erfolg von dessen Django Unchained ($162,8 Mio) wird Die glorreichen Sieben nicht rankommen, doch er sollte zum sechsten Washington-Film mit mehr als $100 Mio Einspiel in Nordamerika werden. Die Mundpropaganda scheint angesichts eines "A-"-CinemaScores (äquivalent einer "1-") sehr positiv zu sein. Wenn sich Die glorreichen Sieben nach dem Start so hält wie Washingtons letzter Film The Equalizer (ebenfalls unter der Regie von Antoine Fuqua entstanden), wird er $103 Mio in Nordamerika erreichen. Wir können also ein Gesamteinspiel von etwa $100-115 Mio erwarten. Da der Film $90 Mio kostete ($35 Mio mehr als The Equalizer) muss er sich auf Einnahmen aus der Übersee verlassen, um auf schwarze Zahlen zu kommen.

Störche – Abenteuer im Anflug, Warner Bros.' zweiter Animationsfilm nach The LEGO Movie, eröffnete mit unspektakulären $21,3 Mio auf Rang 2. In 3922 Kinos erzielte der Film einen Schnitt von $5434 pro Kino. Scheinbar hat dem Film nicht geholfen, dass es der erste große Animationsfilm seit Pets ist, der ja bereits im Juli in die nordamerikanischen Kinos kam. Auch ohne jegliche Konkurrenz konnte die $70-Mio-Produktion kaum Aufsehen erregen. Der Start ist vergleichbar mit dem von Sonys Jagdfieber, der 2006 mit $23,6 Mio startete und insgesamt solide $85 Mio erreichte. Wie auch Jagdfieber, erhielt Störche einen "A-"-CinemaScore und sollte etwa $75-80 Mio erreichen, da ihn bis zum Start von Trolls Anfang November keinerlei Konkurrenz erwartet.

Clint Eastwoods Sully expandierte vergangenes Wochenende in 430 neue Kinos und spielte in insgesamt 3955 Lichtspielhäusern in den USA und in Kanada. Noch nie wurde ein Drama in Nordamerika so breit aufgeführt. Es ist eine höhere Kinozahl als bei Blockbustern wie Star Trek Beyond, Spectre und Godzilla. Nichtsdestotrotz fiel Sully natürlich um zwei Plätze auf Rang 3 und wurde von der direkten Konkurrenz durch Die glorreichen Sieben sichtbar getroffen. Der Film verlor etwa 37,5% seiner Zuschauer vom vorigen Wochenende und spielte weitere $13,5 Mio ein. Nach 17 Tagen steht Sully bei $92,1 Mio in Nordamerika und damit liegt er 32% vor Captain Phillips im selben Zeitraum. Kommendes Wochenende wird Sully zum 15. Realfilm mit Tom Hanks und zur 5. Regiearbeit von Clint Eastwood werden, die mehr als $100 Mio in Nordamerika erreichen wird. Insgesamt steuert der Film auf $135-145 Mio zu, wobei etwas Oscar-Hype ihn auf jenseits von $150 Mio bringen könnte. Auf jeden Fall sollte Sully in Nordamerika zu Hanks' erfolgreichstem Film seit zehn Jahren werden.

Auf Seite 2 verraten wir Euch, wie viel Don’t Breathe, Suicide Squad, Bridget Jones’s Baby und Blair Witch bislang eingespielt haben.

Film- und Serien-News