Quelle: Boxofficemojo
Man möchte meinen, dass vier vielversprechende breite Neustarts und ein Oscarkandidat, der nach einem überwältigenden limitierten Start in der zweiten Woche expandiert wurde, für neues Leben an den Kinokassen sorgen würden. Doch leider besteht die relative Box-Office Flaute weiter, die nach dem Start von The Dark Knight Rises im Juli eingesetzt hat. Ob es nun mit dem Amoklauf in Aurora zu tun hat oder einem generellen Desinteresse der Kinogänger an den neuen Filmen, kann man schwer sagen. Was ich jedoch sagen kann, ist, dass seit Anfang August nur ein einziger Film (Das Bourne Vermächtnis) die $100 Mio-Marke knacken konnte und auch das war kein großartiger Lauf. Wir haben viele Enttäuschungen seitdem gesehen und keine richtigen Überraschungshits. Seit dem starken Doppelstart von Ted und Magic Mike im Juni hat kein einziger Film in den USA die Erwartungen an den Kinokassen deutlich übertroffen. So auch nicht die vier neuen Filme letztes Wochenende. Keiner davon schaffte einen Start oberhalb von $15 Mio. In der Summe sorgten sie dennoch dafür, dass es für die Top 12 erneut bergauf ging, diesmal um 8,7%. Verglichen zum Vorjahr lagen die Zahlen jedoch wieder stark im Minus. Ganze 29,2% lagen die Wochenendzahlen der Top 12 unter dem letzten Jahr. Interessanterweise eröffneten auch letztes Jahr am vergleichbaren Wochenende vier neue Filme. Davon, ebenso wie dieses Jahr, ein Baseball-Drama. Doch damals haben zwei der vier Neustarts es auf über $19 Mio gebracht, während Der König der Löwen 3D die Charts zum zweiten Mal in Folge mit mehr als $20 Mio anführte.
Der Cop-Thriller End of Watch vom Training Day-Autor David Ayers verlor ganz knapp den Kampf um den Spitzenplatz am Freitag und am Samstag, konnte aber dank starken Sonntagszahlen die Pole Position der Charts für das Gesamtwochenende locker sichern. Der mit guten Kritiken empfangene Film spielte am Wochenende knappe $13,2 Mio von 2730 Kinos ein. Damit liegt der Start des Jake Gyllenhaal-Films auf einer Linie mit vergleichbaren Filmen wie Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest ($13,4 Mio) und Street Kings ($12,5 Mio). Der letzte wurde ebenfalls von Ayers inszeniert, der eindeutig ein Faible für einschlägige Themen hat. Wie schon bei vielen Filmen in letzter Zeit waren die meisten Zuschauer älter (63% über dem Alter von 25). Das Publikum vom Startwochenende vergab dem Film das höchste Publikumsrating von allen Neustarts diese Woche, was für gutes Mundpropaganda spricht. Allerdings muss angemerkt werden, dass die beiden vorhin genannten Vergleichsfilme nicht gerade durch Langlebigkeit glänzten. In der Tat erreichte keiner der beiden ein Gesamtergebnis von $30 Mio. Beide brachen am zweiten Wochenende um mehr als 65% ein. Dieses Schicksal wird angesichts mangelnder direkter Konkurrenz und einer wirklich guten Resonanz End of Watch erspart bleiben, doch ich sehe hier genrebedingt trotzdem keinen übermäßig guten Lauf. Der Film wird irgendwo im Bereich von $35-45 Mio landen, was für die nur $7 Mio teure Produktion natürlich ein großartiger Ausgang ist.
Der zweite Platz ging mit $12,3 Mio von 3012 Locations an House at the End of the Street. Ganz im Gegensatz zu End of Watch wude der Film von den Kritikern verschmäht und richtete sich an ein primär weibliches (61%) und junges (70% unter 25) Publikum. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass solche PG-13-Teenie-Thriller sich in der Regel an ein junges weibliches Publikum richten und dass außerdem der Star des Films Jennifer Lawrence ist. Lawrence ist nämlich auch der Star des Überblockbusters Die Tribute von Panem – The Hunger Games, der mit $408 Mio Einspiel in den USA eine der beeindruckendsten Performances aller Zeiten hingelegt hat. Auch bei The Hunger Games war das Publikum primär weiblich (wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie bei den Twilight-Filmen). So ist diese Zusammenstellung des Publikums von House at the End of the Street wenig überraschend. Deutlich überraschender hingegen kommt die Tatsache, dass etwa 52% der Zuschauer dieses Films Latinos waren und somit deutlich mehr als bei End of Watch (32%), der sich eigentlich mehr an ein Publikum mit lateinamerikanischen Wurzeln richtet. In jedem Fall wird dem Film kein langes Leben in den Charts beschert sein und der Verleiher Relativity sollte sich bereits mit einem Gesamtergebnis von $30 Mio glücklich schätzen angesichts der Produktionskosten von nur $10 Mio.
Knapp dahinter lag Back in the Game mit $12,2 Mio, die der Film von 3212 Kinos einnahm. Für Clint Eastwoods Rückkehr vor die Kameras hätte man auch ein besseres Ergebnis erwarten können – hat doch sein letzter Leinwandauftritt Gran Torino in 2009 mehr als $148 Mio in den USA eingespielt. In Back in the Game stehen Eastwood sogar noch Amy Adams und Justin Timberlake an der Seite, was dem Film aber kaum half, ein jüngeres Publikum anzusprechen – die Hälfte der Zuschauer war älter als 50! Ironischerweise startete am gleichen Wochenende letztes Jahr Moneyball (man könnte sagen, Back in the Game sei thematisch eine Art anti-Moneyball), ein weiterer Baseball-Film, der aber $19,5 Mio zum Start einbringen konnte. Gutes Mundpropaganda und die für den Film reservierte Niche älterer Kinogänger wird dem Durchhaltevermögen helfen, sodass der Streifen irgendwo im $35-40 Mio-Bereich landen könnte. Für eine Legende wie Eastwood, der hier seinen ersten Auftritt seit 1993 in einem Film absolviert, bei dem er nicht selbst Regie geführt hat, ist es dennoch ein enttäuschendes Ergebnis.
Trotz vier Neustarts gab es keine nennenswerte neue Konkurrenz für die Familienfilme. Deshalb konnte sich die 3D-Wiederaufführung von Findet Nemo mit einem Rückgang von 42,2% relativ solde halten (Die Schöne und das Biest 3D fiel um mehr als 50% am 2. Wochenende) und besetzte mit $9,6 Mio den vierten Platz der US-Charts letztes Wochenende. Insgesamt kamen bislang $30,2 Mio für die 3D-Version zusammen, sodass Findet Nemos Gesamteinspiel (inkl. der Erstaufführung) bei etwa $370 Mio liegt. Die $400 Mio-Marke wird dem Film wohl letztlich verwehrt bleioben. Zu stark ist dafür die 3D-Animationskonkurrenz in den kommenden Wochen mit Hotel Transsilvanien und Frankenweenie, die beide ihr Publikum finden werden und wenig für Findet Nemo übrig lassen werden. Insgesamt wird sich die Wiederaufführung mit etwa $43 Mio begnügen müssen.
Resident Evil: Retribution brach am zweiten Wochenende komplett ein und fiel um furchtbare 68,2% auf Platz 5 der US-Kinocharts. Sicher, keiner der Resident Evil-Filme hielt sich je gut am zweiten Wochenende und keiner schaffte einen Drop kleiner als 62%, doch so stark wie Retribution brach auch keiner ein. Dazu kommt natürlich noch, dass Resident Evil: Retribution auch schwächer als alle anderen Teile der Reihe startete mit der Ausnahme des ersten Films. Am zweiten Wochenende nahm die Videospielverfilmung mit Milla Jovovich nur noch $6,7 Mio ein (schlechtestes zweites Wochenende eines Resident Evil-Films auch in Absolutzahlen) und liegt mit $33,5 Mio Gesamteinspiel nach zehn Tagen mehr als $10 Mio hinter seinem direkten Vorgänger und lediglich $4,5 Mio vor em ersten Film (und das trotz zehn Jahren Inflation und des 3D-Aufschlags!). Looper und Taken 2 werden in den nächsten Wochen starke Konkurrenz zu dem Film bieten, sodass hier kaum mehr als $44 Mio drin sind. Zumindest in den USA scheint die Luft nun raus zu sein für die Serie. Weltweit geht es jedoch gut weiter, außerhalb von USA/Kanada spielte der Film bislang mehr als $100 Mio ein. Ein sechster Film ist somit garantiert.
Wenig wurde von der Comicverfilmung Dredd erwartet und in finanzieller Hinsicht hat der Streifen sogar die niedrigen Erwartungen nicht treffen können. Die $6,3 Mio, die der ultrabrutale 3D-Film von 2506 Kinos einspielen konnte, waren gerade genug für #6 der Charts. Viel ist hier auch dem schlechten Marketing durch Lionsgate verschuldet. Man hielt sich lange bedeckt bezüglich des Produkts und das, obwohl scheinbar ein grundsolider Film vorliegt. Der Start der $50 Mio-Produktion liegt fast 50% unterhalb des Starts von Judge Derdd vor 17 Jahren und sogar der Film wurde seinerzeit schon als Flop betrachtet! Hier werden mit Mühe und Not $13-15 Mio erreicht werden.
Paul Thomas Andersons The Master ging überraschend schon in der zweiten Woche in den breitel Release. Nach dem phänomenalen Start in fünf Kinos letzte Woche, weitete man den Film auf 788 Locations aus, von welchen er $4,4 Mio einnehmen konnte (insgesamt $5,5 Mio) und den besten Schnitt unter den Top 12-Filmen erzielte. So weit so gut, doch es war vielleicht zu voreilig, den Film so breit anlaufen zu lassen, denn The Master ist nicht sehr massenkompatibel und noch deutlich publikumsunfreundlicher als There Will Be Blood. Hier ist durchaus mit negativer Resonanz von den Mainstream-Zuschauern zu rechnen. Eine langsame Expansion mit dem Aufbau des Oscar-Hypes wäre im Fall von The Master weiser gewesen. Ein Endergebnis ist hier unmöglich vorherzusagen, da sehr viel vom Ausgang der Oscars abhängen wird.
Der Gewinner unter den älteren Filmen war eindeutig ParaNorman. Während alle anderen Top 15-Filme mehr als 40% verglichen zur Vorwoche verloren, überraschte ParaNorman mit einem hervorragenden 24,2% Rückgang. Nach einem $2,3 Mio-Wochenende steht der 3D-Animationsfilm von den Machern von Coraline bei $52,6 Mio. Zugegeben nach dem Start des Films war ich noch skeptisch bezüglich seines Erfolgs, doch mittlerweile überzeugt der Film voll und ganz und wird am Ende einen Multiplikator haben, der nicht weit von Coralines entfernt sein wird. Hier ist mit insgesamt etwa $57 Mio zu rechnen. Übrigens wurde ParaNorman zum erst fünften Film in der Geschichte von Focus Featurws, der die $50 Mio-Marke überschritt.
Eine neue Marke wurde auch von Das Bourne Vermächtnis erreicht. Obwohl der Film endgültig die Top 10 verließ, reichte ein $1,6 Mio-Wochenende, um das Quasi-Sequel an der $110 Mio-Marke vorbeizubringen. Ein solides Ergebnis, insbesondere für den Star Jeremy Renner, der in einer 12-Monats-Spanne drei $100+ Mio-Hits vorweisen kann (Mission Impossible – Phantom Protokoll, Marvel’s The Avengers, Das Bourne Vermächtnis).




Resident Evil ist ein Phänomen, sowohl als Videospielreihe, als auch in der Filmgeschichte. Kein anderes Game hat es bisher auf das nun bereits vierte Sequel im Kino gebracht. Das ist jedoch auch nicht sonderlich verwunderlich, da die Spiele immer wieder neues Material liefern, das in die Filme eingebaut werden kann. Doch dieser Ideenfluss ist schon lange nicht mehr einseitig, denn Elemente aus den Filmen haben es auch schon in die Spiele geschafft, wie zum Beispiel der berühmte Laserkorridor oder das kindliche Computerprogramm Red Queen. Übrigens: Falls jemand mit den verschiedenen Storylines aus Film und Spiel durcheinander kommen sollte, den kann man beruhigen: Nach der sehr gelungenen Eröffnungssequenz ist es Alice selbst, die dem Zuschauer den bisherigen Verlauf der Vorgänger erklärt und somit den Status Quo festsetzt. Resident Evil: Retribution richtet sich neben Fans der Filmreihe ganz klar an die Gamer. Die gesamte Laufzeit über hat man das Gefühl, man schaut jemandem beim Spielen über die Schulter. Das wird besonders gefördert durch den Aufbau der unterirdischen Umbrella-Basis, die in mehrere große Kuppeln unterteilt ist. Jede dieser Kuppeln beinhaltet ein anderes Szenario: Tokio, Moskau, eine Vorstadt-Idylle – alles ist vertreten und wirkt wie die verschiedenen Level eines Spiels. Eine der größeren Actionszenen, eine Verfolgungsjagd im „Moskau-Level“, ist laut Regisseur Paul W.S. Anderson direkt aus einem der Resident Evil-Spiele entliehen worden. Wo wir gerade beim Thema "Action" sind: Resident Evil: Retribution lässt sich als Non-Stop-Actioner bezeichnen. Es gibt wenige Szenen, in denen die Protagonisten zur Ruhe kommen, da die Untoten an jeder Ecke lauern. Die Actionszenen sind gut umgesetzt und mit innovativen Einfällen und Kamerakniffen versehen, so dass man selten das Gefühl hat, das in dieser Form bereits aus den Prequels zu kennen.
Gerade wurde sie schon kurz angesprochen, die niemals endende Gefahr im Resident Evil-Universum: Die Zombies. Wie schon im letzten Teil gibt es auch hier wieder die sogenannten Majini-Untoten. Infizierte haben mutierte, tentakelartige Kinnbacken, die aus dem Mund hervorschnellen, um Opfer anzugreifen. Neu auf der Seite der lebenden Leichen sind die Opfer des Las-Plagas-Virus. Diese Gattung verfügt über eine gewisse Intelligenz, so dass sie sich sogar mit Maschinengewehren und fahrbaren Untersätzen zu helfen weiss. Zwei der „großen“ Gegner sind außerdem wieder in den Film vertreten – aus dem letzten Teil wurde der „Axe Man“ übernommen, der sich in einer leider relativ kurzen Szene in doppelter Ausführung mit Alice und Ada beschäftigt. Überraschenderweise gibt es auch ein Wiedersehen mit dem Licker, der in den ersten beiden Resident Evil-Filmen aufgetaucht ist. Dieser hat sich jedoch stark weiterentwickelt und ist eine größere Bedrohung als je zuvor.

Oliver Stones „Savages“ begeht den schlimmsten Kardinalfehler, den ein Spielfilm – egal ob nun Thriller, Drama oder Komödie – begehen kann: Er ist schlichtweg langweilig. Trotz pulsierender, knackiger Bilder im schönsten Cinemascope-Gewand und Handlungssträngen in Hülle und Fülle schafft es das Werk nicht, dass man sich am Ende für die Ereignisse interessiert. Es wird zwischendurch wild geballert und brutal gefoltert, Drogen werden konsumiert und das Betthäschen geteilt – aber wen kümmert es? Das Betthäschen heißt hier O (Blake Lively) und eröffnet den Film mit einem Offkommentar: „Nur weil ich euch diese Story erzähle, heißt das noch lange nicht, dass ich deren Ende erleben werde. Es ist nämlich eine von den Geschichten, die total außer Kontrolle geraten.“ Da hat unsere Erzählerin mit ihrer Einschätzung leider Recht – außer Kontrolle ist in dieser Geschichte so einiges geraten und kaum ein Baustein harmoniert mit dem anderen. Im Mittelpunkt stehen die beiden US-Sunnyboys Chon (Taylor Kitsch) und Ben (Aaron Johnson), die sich im paradiesischen Laguna Beach ein boomendes Marihuana-Geschäft aufgebaut haben. Ben ist Geschäftsmann, Botaniker und außerdem überzeugter Buddhist, Chon ein Ex-Navy-SEAL und der Mann für die groben Angelegenheiten. Beide sind gleichzeitig mit ihrer großen Liebe O liiert und die Dreiecksbeziehung funktioniert perfekt. Bis Elena (Salma Hayek), der unbarmherzigen Baronin eines mexikanischen Drogenkartells, aufgrund erfolgloser Verhandlungen mit den Buddies schließlich der Kragen platzt und sie deren attraktive Angetraute kurzerhand von ihrem ergebenen Lakaien Lado (Benicio Del Toro) entführen lässt. Das gibt Ärger …
„Savages“ ist neben der schwarzen Komödie „U-Turn“ die wohl inhaltlich leichtverdaulichste Arbeit des dreifachen Oscar-Preisträgers Stone. Nichts hier ist wirklich kontrovers oder von weitreichender Bedeutung, außer für die Protagonisten selbst natürlich. Die Tür für einen geradlinigen Crimereißer stand sperrangelweit offen – aber der Regisseur legt sich an der Schwelle böse auf die Nase. Das Adjektiv überambitioniert ist in der Filmwelt nie positiv behaftet und trifft im Fall des zerfahrenen Werkes den Nagel leider sehr gut auf den Kopf. Irgendwo in dem gänzlich spannungsarmen Actionthriller stecken noch ein Mutter-Tochter-Drama, Hippieromantik und Weltverbesserungsvisionen, ein erbitterter Machtkampf, Kriegstraumaaufbereitung (Stichwort: „Wargasmus“ – kein Scherz!) und der innere Konflikt eines Pazifisten, selbst zur Waffe greifen zu müssen. Da aber keines dieser Elemente je genauer beleuchtet oder weiter ausgeführt wird, verliert man schnell jegliches Interesse an dem, was über die Entführungstory/Rettungsaktion hinausgeht. Und erst recht da will der Film dann nicht zünden, stellen sich die Antagonisten doch trotz ihrer überaus brutalen Methoden (Augäpfel werden rausgerissen und Köpfe mit der Kettensäge abgetrennt) als geradezu lächerliche Comicfiguren heraus, denen man ihre Verbrechen eigentlich gar nicht abnehmen mag. Das von Salma Hayek verkörperte Oberhaupt tut einem gegen Ende fast schon leid, wenn der gestressten Frau im Tumult gar die Perücke verrutscht – oder war man an dieser Stelle vielleicht zum Lachen aufgefordert? So ganz klar ist in „Savages“ eigentlich nie, wann Momente ernst, komisch oder nervenzerrend gemeint sind. Ich vermute, viele der vermeintlich komödiantischen Ansätze gehen schlicht auf das Unvermögen der Verantwortlichen zurück, den richtigen Ton der Geschichte zu treffen. Ein weiteres Beispiel dafür: O sitzt in ihrer Zelle und wird von den Schurken mit Pizza versorgt. Irgendwann blickt sie wehleidig in eine Überwachungskamera und fleht inständig darum, doch auch mal einen Salat zu erhalten. Ist das nun lustig? Tragisch? Eine versteckte Kritik am Fast Food-Konsum? Oder einfach nur dämlich?
Os Stimme geleitet uns in den Film, und man hätte sich unter all den unsympathischen Protagonisten keinen nervtötenderen Charakter aussuchen können, der sich zu den Geschehnissen äußert: Ihre grausam naiven Worte schmerzen, sobald sie sich erst ihren Weg ins Zuschauerhirn gebahnt haben und verwandeln die kalifornische Villa vor dem geistigen Auge in Barbies Puppenhaus. Die darstellerischen Leistungen in „Savages“ sind ansonsten durch die Bank solide ausgefallen, aber auch keiner besonderen Erwähnung wert. John Travolta ist übrigens noch mit von der Partie und mimt einen korrupten Gesetzeshüter. Ihm und dem unvorteilhaft frisierten Benicio Del Toro gehört die wahrscheinlich amüsanteste Szene, die in einer Küche spielt. Ich wäre einverstanden gewesen, wenn sich das Werk im Verlauf zu einem schlichten Haudraufactioner entwickelt hätte. Oder irgendetwas anderes, das sich nicht so unaufgeregt in seiner eigenen Langeweile und bemühten Schrägheit wälzt. Sam Peckinpah konnte Geschichten wie diese erzählen und Figuren etablieren, um die man sich im Verlauf tatsächlich sorgt. Oliver Stone dagegen ist hier scheinbar nur an einer schicken Inszenierung interessiert gewesen. Visuelle Tricks. Rasante Schnitte. Bilder, bei deren Anblick man entzückt mit der Zunge schnalzt. Die Handlungsfäden gleiten ihm dabei allerdings völlig aus den Händen und das Werk zerfällt in seine dysfunktionalen Einzelteile. Wenn man schließlich denkt, dass „Savages“ endlich ein Ende gefunden hat, tut der Regisseur dann etwas, das … Ich geb’s auf.


Fahrradfahren ist gesund – jedoch nicht, wenn man mit dem Drahtesel als Eilkurier mitten im Moloch New York City unterwegs ist. In David Koepps Actionthriller „Premium Rush“ mimt Joseph Gordon-Levitt einen solchen Boten: Wilee (genau, wie der Coyote aus den „Roadrunner“-Cartoons) hat sein Studium voerst auf Eis gelegt, um die Zeit bis zum Krawattentragen noch ein wenig hinauszuzögern und sich seinen Unterhalt mit seinem liebsten Hobby zu verdienen. Zusammen mit seinen Kollegen Vanessa (Dania Ramirez) und Manny (Wolé Parks) rast er im knappen Zeitlimit durch den turbulenten Verkehr, der so manche lebensgefährliche Überraschung für unaufmerksame Fahrer bereithält. Taxis. Rückspiegel. Geöffnete Autotüren. Und vieles mehr. Sein neuester Auftrag bringt den flinken Helden in zusätzliche Schwierigkeiten, hat es doch der psychopathische Cop Bobby Monday (Michael Shannon) aus noch unbekanntem Grund auf den unscheinbaren Briefumschlag in Wilees Rucksack abgesehen. Eine wilde Tour de Force quer durch den Big Apple beginnt …
„Premium Rush“ ist nach dem besuchten Screening von einem Kritikerkollegen als mein guilty pleasure ausgewiesen worden. Dabei verspüre ich keinerlei Schuldgefühle wenn ich offen zugebe, dass mich das leichtfüßige Werk über weite Strecken gut unterhalten hat. Nein, die inzwischen fünfte Spielfilmarbeit vom gefeierten Drehbuchschreiber Koepp („Carlito’s Way“) vermag es leider nicht, einen durchgängig rasanten Adrenalinrausch im Stil von Jan de Bonts „Speed“ heraufzubeschwören. Während etwa die erste Hälfte des Films durch eine atemlose Echtzeitinszenierung besticht, bremst der Regisseur irgendwann etwas ungeschickt ab (etwas, das der Protagonist mit seinem Fixie-Bike nicht kann) und stockt seine dünne Storyline mit diversen Rückblenden auf. Das ist zwar in der Tat ärgerlich, fegt aber nicht gleich alle guten Ansätze vom Radar. Vor allem sind es die bestens aufgelegten Darsteller, die „Premium Rush“ eine durchaus erfrischende Note verleihen. Joseph Gordon-Levitt, der 2012 fleißig an seiner Karriere gefeilt hat und bald außerdem in Rian Johnsons „
Um den Zuschauern die Entfernungen und lauernden Gefahren in der Stadt zu veranschaulichen greift David Koepp auf diverse Tricks zurück. Er lässt beispielsweise vor riskanten Manövern das Bild einfrieren und zeigt grafisch die verschiedenen Optionen seines Protagonisten auf. Oder er markiert Startpunkt und Ziel in einer iPhone-Animation und zeigt uns so live die folgende Route an. Zugegeben passiert in „Premium Rush“ an allen Ecken und Enden viel. Vermutlich hätte es dem Werk letztlich besser getan, wenn sich der Autor/Regisseur auf die simple Geschichte vom Jäger und Gejagten beschränkt und sich manch überflüssigen Einfall (Stichwort: Flashmob) gespart hätte. Außerdem wäre die Enthüllung des potentiellen MacGuffins sicherlich nicht nötig gewesen, bekommt der Film ab diesem Punkt doch einen arg moralischen Unterton, der nicht recht mit der vorherigen Stimmung harmonieren mag. Aber sind wir doch ehrlich: Auch wenn den Verantwortlichen im Finale ein wenig die Luft ausgeht und dann nicht sonderlich elegant mit einem platten Reifen durch das Szenario gestrampelt wird, reicht das Tempo noch immer aus, um die Ziellinie sicher zu überqueren. Einen Preis für Originalität oder permanente Hochspannung gibt es am Ende zwar nicht zu verbuchen, aber für eine Erwähnung als kurzweiligen Kinospaß mit souveränen Schauspielerleistungen und einigen wilden Bikerstunts sollte es reichen. Es muss ja nicht immer die Goldmedaille sein.



Am 20. Mai 1999 schockierte ein grausamer Fund Südaustralien: In einem ehemaligen Bankgebäude der Stadt Snowtown wurden von der Polizei acht verstümmelte Leichen in Fässern sichergestellt. Drei weitere Morde, die mit denselben Tätern in Verbindung gebracht wurden, komplettierten schließlich das, was unter dem Begriff Snowtown murders oder auch Bodies in Barrels murders in die Geschichtsbücher des Landes eingehen sollte. Ebenso wie der Name John Justin Bunting – der Drahtzieher hinter den unvorstellbaren Verbrechen. Justin Kurzels preisgekröntes Spielfilmdebüt „Snowtown“ ist nicht etwa an den anschließenden Ermittlungen oder der plakativen Darstellung der Taten selbst interessiert, sondern befasst sich mit den Personen, die an diesem schwarzen Kapitel beteiligt gewesen sind. Wir lernen unschuldige Menschen kennen, die in einen Strudel der Gewalt geraten und letztlich selbst zu Mitwissern und Komplizen werden. Wie den jungen Jamie Vlassakis (Lucas Pittaway), von dessen Blickwinkel wir die Geschehnisse miterleben. „Snowtown“ ist dabei ein frakturiertes Werk, das seinen Inhalt nicht auf konventionelle Weise breitflächig ausbreitet, sondern sich auf die Schilderung markanter Ereignisse reduziert.
„Snowtown“ gehört zu jenen raren Stücken kontroversen Kinos, die es vermögen, ihr Publikum nicht durch das hochfrequente Abbilden expliziter Greueltaten zu schockieren, sondern dies vielmehr durch ihre durchgängig berunruhigende Stimmung bewerkstelligen. Oft sieht man die blutverschmierten Räume nach den Taten, aber direkt Zeuge eines Verbrechens werden wir lediglich einmal. Dieses ist dann so elend brutal und intensiv inszeniert, dass man hier keinesfalls weitere Beispiele verlangt. Das Werk ist in eine kühle Farbpalette getaucht, die die Leblosigkeit der Figuren perfekt unterstreicht: Niemand in dieser Geschichte blickt einer verheißungsvollen Zukunft entgegen; man könnte allerdings zu Anfang noch meinen, dass Bunting der fragilen Familie eine Perspektive bietet. Der Wolf kommt im Schafspelz und seine stärkste Waffe ist die geschickte Manipulation seiner Mitmenschen. John Bunting trägt keine Hockey- oder Ledermaske – er steht mit einem sympathischen, menschlichen Anlitz auf der Fußmatte. Schauspieler Daniel Henshall verleiht diesem Mann eine unberechenbare Qualität. Seine Augen können zuerst erwartungsvoll funkeln und sich schon in der folgenden Sekunde in Stein verwandeln. Man beachte außerdem seine Art zu speisen – wie ein Raubtier, das dabei gleichzeitig lauernd auf sein Umfeld späht. Vielleicht ist man zunächst gewillt, seine gewaltbereiten Ansätze nachzuvollziehen; erleben wir doch die Misshandlung der Kinder zu Beginn und eine spätere Vergewaltigung Jamies durch seinen eigenen Halbbruder hautnah mit. Da muss jemand eingreifen, mit drastischen Mitteln. Irgendwann verwischen jedoch jegliche Regeln – wenn denn da überhaupt jemals welche existiert haben. Homosexuelle, Drogenabhängige und Behinderte geraten in das Fadenkreuz der kompromisslosen Gruppe.
Regisseur Kurzel verweigert sich einer simplen Schwarzweiß-Darstellung. John ist zu Beginn ebenso ein Beschützer, wie Jamie im Verlauf widerwillig zum Mörder mutiert. Die große Kunst von „Snowtown“ besteht darin, dass wir trotz vieler fragwürdiger Entscheidungen weiterhin um das Schicksal der Familie besorgt bleiben. Das liegt zum einen an dem überaus authentischen Spiel von Newcomer Lucas Pittaway und Louise Harris, und zum anderen an dem Umstand, dass wir tatsächlich deren elende Situation mitfühlen, nachvollziehen können, und Gründe vermuten, warum Elizabeth John letztlich in ihr Haus gebeten hat: Zorn und Kraftlosigkeit. Am Ende zählt allerdings keine Entschuldigung – die buchstäbliche Hölle bricht über sie herein.








