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Lincoln (2012)

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Lincoln, USA 2012 • 149 Min • Regie: Steven Spielberg • Drehbuch: Tony Kushner Musik: John Williams Mit: Daniel Day-Lewis, Sally Field, David Strathairn, Joseph Gordon-Levitt, James Spader, Hal Holbrook, Tommy Lee Jones • Kamera: Janusz Kamiński • FSK: ab 12 Jahren • Deutsche Website • Kinostart: 24.01.2013

Inhalt

Als Lincoln 1864 seine zweite Amtsperiode als 16. Präsident antritt, steht die junge Nation durch den blutigen Bürgerkrieg vor der Zerreißprobe. Mit Mut und Entschlossenheit widmet sich der republikanische Politiker der fast unlösbaren Aufgabe, den Krieg zu beenden, Nord- und Südstaaten zu versöhnen und die Sklaverei abzuschaffen. In jenen wenigen Monaten vor seiner Ermordung am 15. April 1865 durch einen Attentäter wird Lincoln in einem unerhörten Kraftakt die entscheidenden Weichen für das Schicksal kommender Generationen stellen.

Kritik

Wer war Abraham Lincoln? Eine Frage, die viele Historiker seit Generationen bewegt und gleichzeitig keine eindeutige Antwort erlaubt. Im Kern geht es um die Frage: war Lincolns Bestreben um die Befreiung der Sklaven in den Vereinigten Staaten 1865 politisch motiviert, oder moralisch?

lincoln343Da nicht viel darüber bekannt ist, was bei den Lincolns im Hinterstübchen erzählt wurde, bleibt nur die Möglichkeit, die Lücken mit Spekulationen aufzufüllen. Es wird wohl niemanden, der mit Steven Spielbergs Filmvita  vertraut ist, allzu sehr überraschen, dass sich der Meisterregisseur für seine Filmbiografie gegen einen pragmatischen Lincoln und stattdessen für einen moralischen, empathischen Lincoln, der Recht von Unrecht und Gutes vom Bösen nach unseren modernen Vorstellungen unterscheidet, entschieden hat. Daran lässt Spielberg von Beginn an nicht den geringsten Zweifel: in der Eröffnungsszene unterhält sich Lincoln ganz unaufgeregt und verständnissvoll mit einem dunkelhäutigen Soldaten, der für Lincolns Union im Bürgerkrieg kämpft und sich beim US-Präsidenten über den im Vergleich zu den weißen Soldaten viel geringeren Sold beschwert. Historisch belegt ist diese Szene, genauso wie viele weitere in dem Film, natürlich nicht, aber sie bewegt sich in dem Interpretationsspielraum, den man Spielberg zugestehen darf. Ganze zwölf Jahre hat Spielberg für das Projekt seines Lebens in Recherche investiert, und das merkt man auch an jeder Stelle dieses Films: so anspruchsvoll, so detailverliebt war noch kein Film von Steven Spielberg. Nicht München, und auch nicht Schindlers Liste. Für dem Hobbycineasten mit Blockbuster-Einschlag ist dieser Film mit seinen schleppenden politischen Reden und spärlichen Schlachtfeldszenarien keine ganz so leichte Kost. Insbesondere dann nicht, wenn man keine historischen Grundkenntnisse mitbringt. Der Film lässt sich für seine sensiblen Momente viel Zeit und wählt ein eher ruhiges Tempo. Dieses wird nur durch impulsiv geführte Politikerdebatten unterbrochen, die die Aufmerksamkeit des Zuschauer stark beanspruchen. Aber wo Spielberg draufsteht, ist natürlich auch immer Spielberg drin: Ein paar Zugeständnisse an Hollywood sind unumgänglich, den amerikanischen Pathos aus Der Soldat James Ryan und den anrührenden Heroismus aus Schindlers Liste, übrigens die einzigen beiden Filme, für die Spielberg den Regie-Oscar gewann, halten auch in Lincoln Einzug. Mit dem Pathos hat der Altmeister aber wieder etwas übertrieben. Ob schwülstige Reden oder wehende Fahnen, der amerikanische Patriotismus bringt etwas Unbehagen über das cineastische Gemüt. Doch nicht Spielbergs Inszenierung, sondern vielmehr John Williams' unterschwelliger Filmmusik, die den Patriotismus besonders minutiös herausarbeitet, ist dieser Umstand zu verdanken.

Lincoln353In den beinahe epischen 150 Minuten Spielzeit bleibt natürlich auch viel Zeit für die Persönlichkeit von Lincoln. Und genau an dieser Stelle kommt das extraterrestrische Talent von Daniel Day-Lewis zum Tragen. Die Erwartungen waren immens: Der beste Schauspieler aller Zeiten in der Rolle eines der wichtigsten historischen Figuren aller Zeiten. Das schreit so laut nach Oscar, dass man es noch vom Atlantik bis hierher hallen hört. Daniel Day-Lewis spielt mal wieder seinen Stiefel runter. Und das ist ein sehr guter Stiefiel. Aber gemessen an den hohen Erwartungen, und das ist kein Vorwurf an den Extraterrestirschen, fiel seine Rolle im Vergleich zu seinen zurückliegenden in There Will Be Blood oder Gangs of New York etwas spartanischer aus. Lincoln ist anspruchsvoll, aber es ist nicht seine anspruchsvollste Rolle, Spielberg lässt ihn nur selten von der Leine, etwa bei einer kurzen Wutrede, als Lincoln mit seiner Gattin Mary Todd, die von Sally Field übrigens hervorragend verkörpert wird, in einen heftigen Streit gerät. Das ist überhaupt nicht als Vorwurf an die Adressen von Day-Lewis und Spielberg zu verstehen,  die Darstellung von Lincoln ist nüchtern und akkurat und genau richtig. Vielmehr ist das als Wink an die Academy-Mitglieder zu verstehen, die bestimmt schon das Feld hinter Daniel Day-Lewis' Namen angekreuzt und den Oscar-Kuvert losgeschickt haben, ehe Lincoln überhaupt in die Kinos einzog. Der von Day-Lewis verkörperte Lincoln ist eher ein ruhiger, kluger und sehr charmanter Zeitgenosse mit scharfen Gesichtszügen (Kompliment an die Maske!). Besonders gut gelungen sind die Szenen, in denen Lincoln in einer schwierigen politischen Situation eine seiner berüchtigten Anekdoten aus dem Hut zaubert, die oftmals Lösungen für ein aktuelles politisches Dilemma anbieten. Vortrefflich und amüsant sind die Reaktionen von Lincolns Mitmenschen, und im weiteren Verlauf bei entsprechender Konditionierung auch die des Kinozuschauers selbst, wenn der Märchenonkel ausholt und man sich nur noch denkt: "Jetzt erzählt der schon wieder eine Geschichte". Die komplizierte Beziehung Lincolns zu seiner Frau, die an starken Depressionen leidet, und die kalte, fast gleichgültige Beziehung zu seinem ältesten Sohn Robert, ebenfalls sehr gut dargestellt von Jungstar Joseph Gordon-Levitt, werden sehr gut herausgearbeitet und harmonieren perfekt mit dem politischen Drama, das sich außerhalb der Familientristesse abspielt. Die Probleme gehen Hand in Hand, da Lincoln als Arbeitstier nach Ansicht seiner Gattin keine Zeit für die Familie aufbringt und sie ihn für den Tod  eines ihrer gemeinsamen Söhne verantwortlich macht. Spielberg macht aus Lincoln zum Glück keinen Heiligen und verpasst ihm durchaus einige Grautöne. Aus politischem Kalkül besticht und belügt er Abgeordnete, um etwas Größeres, etwas Besseres zu erreichen: die Abschaffung der Sklaverei. Der Zweck heiligt eben die Mittel.

lincolntommyleejonesBei all dem Fokus auf Daniel Day-Lewis, dem Extraterrestrischen, dürfen wir einen nicht übergehen: Tommy Lee Jones! Wenn es einen internen Wettkampf der besten Performance unter den Darstellern in Lincoln gegeben hätte – Tommy Lee Jones hätte ihn gewonnen! Die ambivalente Rolle des radikalen Verfechters der Sklavenbefreiung, Thaddeus Stevens, ist ihm wie auf den Leib geschneidert. Mit Witz und Charme schmiert Stevens demokratische Politiker in seinem Hinterzimmer, mit knallharter Rhetorik und eindeutiger Gestik entblößt er im Plenarsaal seine politischen Gegner und löst Jubelstürme unter seinen Befürwortern aus. Als Zuschauer möchte man gerne mitjubeln, das kraftvolle Spiel von Tommy Lee Jones ist so einprägsam und präzise, das es einen Oscar für die beste Nebenrolle mehr als nur verdient. Nach 1994 für Auf der Flucht seine zweite Chance auf den Goldjungen in dieser Kategorie.

Steven Spielberg gelingt es in der Tat, das oft als zu zäh und ohne Erzähfluß verrufene Biopic spannend zu erzählen. Er umgeht die klassichen Biopic-Symptome und fängt gar nicht erst an, die Stationen von Lincolns Leben, von dessen Geburt über seine College-Zeit bis hin zu seinen ersten politschen Gehversuchen, abzuklappern. Spielberg fängt da an, wo es spannend wird: Mitten in der heißen Phase des Bürgerkriegs zwischen der Union und den Konföderierten sowie der Verhandlung um die Abschaffung der Sklaverei.  Sie bilden gleichzeitig den Rahmen für die letzten Monate im Leben von Abe Lincoln. Spielbergs Lincoln ist historisch akkurat genug, um ihn einer Schulklasse vorzuführen, nichtsdestoweniger behält sich das Mastermind aus dramaturgischen Gründen vor, eigene Interpretationen einzustreuen. Die äußerst spannende Auszählung der Stimmen um den 13. Verfassungszusatz über die Sklavenbefreiung, der eine nicht weniger spannende Jagd um die Gunst der stimmberechtigten Abgeordneten vorausgeht, wurde stark überdramatisiert. Das stärkste dramaturgische Element des Films, Lincolns Dilemma, sich entweder für den Frieden oder für die Abschaffung der Sklaverei zu entscheiden, entspringt zu Teilen ebenfalls der Fantasie von Spielberg: Um den 13. Zusatzartikel im Parlament durchzudrücken, vertröstet der Film-Lincoln eine konföderierte Delagation, die mit einem Friedensangebot aus dem Süden herbeieilt. Er trügt die Abgeordneten und lässt sie darüber im Unklaren, dass der Frieden naht, denn nur die Aussicht eines fortwährenden, blutigen Bürgerkrieges hätte die Abgeordneten zu diesem unliebsamen Schritt, die Abschaffung der Sklaverei, bewogen. Spielberg legt eine moralische Motivation Lincolns nahe, den die Sklaverei persönlich anwidert.  Historische Quellen schließen pragmatische Motivationen aber nicht aus, denn der Zusatzartikel bewirkte einen politischen und wirtschaftlichen Schaden für die aufsässigen Südstaaten, was ganz im Sinne von Lincoln gewesen sein muss.

Fazit

Steven Spielberg beweist, dass man einen komplexen Stoff spannend aufbereiten kann, ohne dabei die Geschichte allzu sehr zu hintergehen. Er erzählt kein klassisches, aber ein dramaturgisch sehr gut konstruiertes Biopic, das die wichtigste Zeitspanne Lincolns politischen Wirkens einschließlich seines Todes behandelt. Eine wundervolle, manchmal zu pathetische Tragödie mit einem extraterrestrischen Cast.

Trailer

https://youtu.be/ABPKfo8NjHk

 

 

The Place Beyond The Pines: Der erste Trailer

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Das Teaserposter

Nach seiner Premiere auf dem diesjährigen Toronto International Film Festival soll "The Place Beyond The Pines", ein Crimedrama von Derek Cianfrance ("Blue Valentine"), am 20. Juni 2013 seinen Weg auch in die deutschen Lichtspielhäuser schaffen.

In dem prominent besetzten Werk werden u.a. Ryan Gosling, Bradley Cooper, Rose Byrne, Eva Mendes, Ray Liotta und Ben Mendelsohn vor der Kamera zu sehen sein, während Ex-Faith No More-Frontmann Mike Patton für die musikalische Untermalung sorgen wird.

Klingt vielversprechend? Hier kommt der erste Trailer:

Inhalt:

Der Stunt-Motorradfahrer Luke muss nach einem Besuch in seiner Heimatstadt herausfinden, dass ein harmloser One-Night Stand nicht ohne Folgen geblieben ist: Um seinen jungen Sohn finanziell zu unterstützen, nimmt der überwältigte Vater an einem Bankraub teil, der ihm einigen Ärger mit korrupten Cops und einem frischgebackenen Politiker einbringt.


Quelle: movieclipsTRAILERS

The Sessions – Wenn Worte berühren (2012)

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The Sessions, USA 2012 • 95 Min • Regie & Drehbuch: Ben Lewin • Mit: John Hawkes, Helen Hunt, William H. Macy, Moon Bloodgood, Annika Marks • Kamera: Geoffrey Simpson • Musik: Marco Beltrami • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: 20th Century Fox • Kinostart: 03.01.2013

 

Ben Lewins „The Sessions“ erzählt die außergewöhnliche Geschichte eines Mannes, der sich nach Jahrzehnten in einer Eisernen Lunge zum sexuellen Akt mit einer Frau entschließt. Es ist eine wahre Geschichte, die auf dem Artikel „On Seeing A Sex Surrogate“ des Journalisten und Poeten Mark O’Brien basiert.

Sessionsx3Seitdem er mit sechs Jahren an Polio erkrankt ist, kann Mark nicht mehr ohne die Beatmungsmaschine leben – er verbringt die meiste Zeit eingesperrt in diesem massiven Apparat und ist vom Hals abwärts gelähmt, das körperliche Empfinden hat er allerdings nicht verloren. Wir lernen ihn als 38-Jährigen kennen, der sich letztlich ein Herz fasst und etwas vollbringen möchte, das für die meisten Menschen, die von einem ähnlichen Schicksal verschont geblieben sind, fast alltäglich ist: Er möchte zumindest einmal in seinem Leben echten Sex haben. Der wahre Mark O’Brien ist im Jahre 1999 im Alter von nur 49 Jahren an den Folgen einer Bronchitis gestorben und wird in Lewins Film von John Hawkes („Winter’s Bone“) gespielt. Es ist eine schwierige Rolle, die der Oscar-Nominee da auf sich genommen hat, nicht nur weil er über die gesamte Laufzeit auf dem Rücken liegen muss und dabei lediglich seinen Kopf bewegen kann – Ausdruck kann er sich nur durch seine Worte und die Mimik verschaffen. Berühren muss Mark die Frauen auf emotionale Weise. Ein erster Versuch, seiner attraktiven Assistentin Amanda (Annika Marks) seine Gefühle für sie zu gestehen, schlägt diese in die Flucht. Was kann er tun, damit er von den Frauen nicht nur mit Mitleid, sondern eben als normaler Mann mit normalen Bedürfnissen betrachtet wird? Unterstützung erhält er von dem Priester Vater Brendan (William H. Macy), der ihm auch für sein geplantes Abenteuer den Segen erteilt. Jetzt fehlt noch ein Mensch, der ihm auch bei der Umsetzung des Vorhabens sichere Tipps geben kann. Und so lernt Mark die Sextherapeutin Cheryl (Helen Hunt) kennen …

Sessionsx1„The Sessions“ ist ein Film mit einem etwas anderen Thema. Während Geschlechtsverkehr auf der großen Leinwand in der Regel eher der Belustigung dient oder zum reinen Selbstzweck verkommt, geht es in Ben Lewins Arbeit um mehr als das große S oder F. Ja, hier haben wir einen Mann, der Sex haben will, aber darunter geht es auch um Akzeptanz und einen Kampf gegen Konventionen und den Zweifel an sich selbst. Denn wer hat sich wahrhaftig schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie es sein mag, im Inneren wie alle anderen zu sein, aber seine Pläne physisch nicht ausführen zu können? Buchstäblich im Körper gefangen zu sein. Natürlich erzählt „The Sessions“ zunächst von Mark O’Briens persönlichen Erfahrungen, aber man kann dessen Geschichte auch auf andere Situationen übertragen, das macht den Film zusätzlich interessant. Man muss nicht gelähmt sein – beispielsweise auch die schlichte Unfähigkeit, sich vor dem anderen Geschlecht entsprechend zu repräsentieren, kann einen Menschen in sexuellen Fragen verzweifeln lassen. Mit Marks Dilemma können sich letztlich vermutlich mehr Zuschauer identifizieren, als das zunächst den Anschein hat.

Sessionsx4Vor allem wird „The Sessions“ von seinen fantastischen Schauspielern getragen, die hier mutig – zum Teil gänzlich – ihre Hüllen fallen lassen und dabei zusätzlich emotional Blöße zeigen. Der Fokus liegt klar auf John Hawkes, der nach vielen toughen Figuren in einer ungewohnt sensiblen Rolle glänzt und für diese auch gesundheitliche Risiken, wie das permanente, verkrümmte Liegen auf einem Schaumpolster, in Kauf genommen hat, um Mark O’Brien wirklich authentisch darzustellen. Noch mehr jedoch vermag Helen Hunt zu verblüffen, die der Sextherapeutin die richtige Mischung aus Professionalität und Wärme verleiht. Cheryl geht einem Beruf nach, von dem man vorher womöglich noch nie etwas gehört hat. Eine Sextherapeutin tut im Prinzip genau das, was die Bezeichnung verspricht, nur kann man sich diese Kombination aus Analyse und körperlicher Nähe vermutlich nur schwer vorstellen. An dieser Stelle kommt eine weitere, spannende Facette ins Spiel: Cheryl ist verheiratet und hat ein Kind. Ihr Ehemann Josh (Adam Arkin) akzeptiert ihre Tätigkeit, auch wenn das bedeutet, dass er den Körper seiner Frau mit anderen teilen muss. Aber hier gibt es auch Grenzen. Die Arbeit bleibt Arbeit und die Klienten dringen nicht in das familiäre Privatleben vor. Mit Mark jedoch ist das etwas anderes, das spürt sie selbst, aber auch Josh. Eine des ergreifendsten Szenen des Films zeigt Cheryl, wie sie einen Brief von Mark liest. Ein verbotener Moment, denn es sind Worte, die tiefer als das größte Sexabenteuer in einen Menschen vordringen und im Inneren verbleiben – vielleicht ist das der wichtigste Punkt, den „The Sessions“ setzt, ohne dabei je die fleischlichen Gelüste abzuwerten oder den tragischen Kern der Geschichte krampfhaft über die humorvollen Einlagen zu stemmen.

Sessionsx2Nicht jedes Element in Lewins Film (der Regisseur musste während seiner Kindheit übrigens selbst aufgrund von Polio lange Zeit in der Eisernen Lunge verbringen, im Gegensatz zu Mark konnte sich sein Körper jedoch weitgehend regenerieren) mag den richtigen Ton treffen – so sorgen die Gespräche mit dem durchaus sympathischen Vater Brendan für einige Erheiterung, wirken aber im Gesamtbild manchmal etwas aufgesetzt. Natürlich ist die Frage, ob sein Plan nun im religiösen Rahmen verwerflich sei, für einen gläubigen Christen wie Mark eine relevante. Nur führt der Film diese nie in die Tiefe, sondern versucht eher, die oft engstirnigen Ansichten vieler Geistlicher auf gewisse Weise vorzuführen. Das zwickt dann allerdings nur die Konservativsten unter uns ein wenig, der Rest der Zuschauer dürfte diese Momente hingegen eher als leichte Kost im bitter-süßen Drama wahrnehmen. „The Sessions“ bietet trotz seiner episodenhaften Erzählweise genug Stoff, von dem man sich auffangen und inspirieren lassen kann. Es ist ein teils melancholischer, teils schöner, teils trauriger und in erster Linie rührender Film, der ein Stück eines kraftvollen Menschen durch kraftvolle Performances wieder zum Leben erweckt. So etwas sieht man gern.

Wer sich nun noch weiter mit Mark O’Brien beschäftigen möchte: Die Oscar-gekrönte Kurzdokumentation „Breathing Lessons: The Life and Work of Mark O’Brien“ (1996) von Jessica Yu zeichnet ein direktes Porträt des faszinierenden Mannes.


Trailer

Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger (2012)

Life of Pi, USA/RC 2012 • 127 Min • Regie: Ang Lee • Mit: Suraj Sharma, Irrfan Khan, Rafe Spall, Gérard Depardieu • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 26.12.2012 • Deutsche Website

Handlung

Piscine Molitor Patel (Irrfan Khan), von allen nur Pi genannt, ist ein Mann Mitte 40, der ein ruhiges und unauffälliges Leben in Montreal führt. Einem Autor, der auf der Suche nach einer guten Geschichte auf Pi stößt, erzählt er eine schier unglaubliche Begebenheit aus seiner Jugend. Nach einer glücklichen Kindheit in Pondicherry in Französisch-Indien, in der er mit verschiedenen Religionen in Berührung kommt, beschließt seine Familie nach Kanada umzusiedeln. Der familienbetriebene Zoo wird aufgelöst und die Familie begibt sich samt Tieren, die später verkauft werden sollen,  auf einem japanischen Frachter gen Nordamerika. Doch bei einem heftigen Sturm passiert das Unfassbare. Der Frachter kentert, alle an Bord werden von der Tiefe des Ozeans verschlungen. Nur der 16-jährige Pi (Suraj Sharma) kann sich in letzter Sekunde in ein Rettungsboot retten. Kaum wird ihm der Verlust seiner ganzen Familie bewusst, merkt er auch, dass er in seinem Rettungsboot nicht alleine ist. Neben einem verletzten Zebra und einem Orang-Utan hat es auch der bengalische Tiger Richard Parker ins Boot geschafft. Nachdem die ersten beiden Tiere schnell zum Futter für den Tiger werden, beginnt für Pi eine unglaubliche Odyssee mit einem gefährlichen und ständig hungrigen Gefährten.

Kritik

LoP1Die Zeiten, in denen nahezu jeder Film mit dem 3D-Siegel das Publikum faszinieren konnte, sind vorbei. Da heutzutage scheinbar jeder zweite größere Film stereoskopisch daherkommt, aber nur ein Bruchteil davon den Aufpreis wirklich wert ist und die Technik sinnbringend einsetzt, ist es kein Wunder, dass viele dem 3D vorwerfen, lediglich ein nutzloses Gimmick zu sein. Auch wenn das häufig stimmt, beweist Ang Lee mit Life of Pi – Schiffbruch des Tigers eindrucksvoll, dass es nicht grundsätzlich der Fall sein muss. Wie schon Martin Scorsese in Hugo Cabret, bindet er von der ersten Filmminute an  das 3D  gekonnt in den Film und seine Geschichte hinein. Sind die Szenen auf dem Land in 3D bereits schön anzusehen, so nimmt das ganze völlig andere Ausmaße an, wenn Pi und Richard Parker auf hoher See festsitzen. Im Zusammenspiel der 3D-Magie, der wundervollen Kameraarbeit von Claudio  Mirando und dem für die visuellen Effekte verantwortlichen Team (welches jetzt schon die Oscar-Reden vorbereiten sollte) entstehen hier Bilder, die man sonst in keinem anderen Film dieses Jahr gesehen hat. Mal furios und wild während des Schiffuntergangs, der den Untergang der Titanic in James Camerons Film wie einen erholsamen Spaziergang aussehen lässt, mal aber auch verträumt poetisch, wenn Ang Lee im stillen Wasser des Ozeans ein exaktes Spiegelbild des Himmels entstehen lässt – hier wird keine Gelegenheit ausgelassen, um den Zuschauer immer wieder aufs Neue über die Entwicklungen der Technik in den letzten Jahren staunen zu lassen. Fest steht, dass Life of Pi neben Hugo Cabret und Avatar zu den besten Vertretern der neuen 3D-Generation gehört. Die Verfilmung dieses Bestsellers von Yann Martel ist bereits seit 2003 in Planung, doch zu der Zeit wäre ein solcher Film einfach technisch nicht zu bewerkstelligen gewesen. Dazu gehört auch die Erschaffung von Richard Parker. Der Tiger sieht so lebensecht aus, dass es schier unmöglich ist zu sagen, in welchen Szenen man mit einem echten Tier gearbeitet hat (was tatsächlich zum Teil der Fall war) und wann wir lediglich ein digitales Abbild sehen.

LoP2Das visuelle Feuerwerk dient hier allerdings auch nicht dem Selbstzweck, sondern fügt sich in die mit Symbolen und Metaphern gespickte Geschichte organisch ein. Hier steht die Technik im Dienste der Geschichte und nicht andersherum. Diese ist aber leider nicht so stark, wie die Aspekte, die sie umgeben. Wie schon die Vorlage von Martel, ist Life of Pi eine religiöse Allegorie und eine Fabel über die Kraft des Erzählens. Dies wird durch die Rahmengeschichte des älteren Pi gekonnt auf den Punkt gebracht, doch die Rahmengeschichte unterbricht leider auch zuweilen unangenehm das Hauptgeschehen und zieht einen aus der Abenteuergeschichte heraus. Das größte Problem des Films liegt aber wohl darin, dass bei all der Symbolik und der an sich kraftvollen Erzählung, der Film es nicht schafft, eine emotionale Beziehung zum Zuschauer aufzubauen. Man staunt über die Bilder und ist immer gespannt, wie Pi es schafft, den Zähnen des Tigers zu entgehen. Doch man fühlt mit Pi nicht mit, nicht einmal, nachdem ihn eine so große Tragödie überkommt, bei der seine geliebte Familie stirbt, ohne dass er sich gar von ihr verabschieden konnte. Diese emotionale Distanz bei einer Geschichte, die mit Emotionen geladen sein sollte, führt letztlich auch dazu, dass man den Film weniger als eine involvierende Geschichte sieht, sondern es eher als ein objektiv schönes Kunstwerk betrachtet, zu dem man aber keinen Bezug hat.

Es hilft auch nicht, dass Suraj Sharma zwar für jemanden in seiner allerersten Filmrolle seine Aufgabe ganz gut macht, dabei aber auch eindeutig an seine Grenzen stößt. Während Tom Hanks es in Cast Away – Verschollen über Längen vermochte, die Aufmerksamkeit des Zuschauers mit seinem Charme und seinem intensiven Spiel an sich zu fesseln, gelingt es Sharma leider nicht. Denn wie Hanks muss auch er den Großteil des Films auf seinen Schultern tragen. Da er das nicht durchgehend schafft, entstehen (wie übrigens bei fast allen Filmen von Ang Lee) die eine oder andere Länge. Zum Glück lassen die visuellen Schauwerte das einen kaum merken.

Das Ende des Films (welches dem des Romans treu bleibt) wird mit Sicherheit einige Zuschauer spalten oder gar verwirren. Es ist ein sehr interessanter Ansatz, doch seine Erklärung und die Einbindung in die Allegorie des Films wirkt dann vielleicht doch ein bisschen zu dick aufgetragen. Lobenswert ist aber, dass der Film sicherlich viel Stoff für Diskussion liefern wird und sowohl als ein philosophisch anregender Film aber auch als eine gut gemachte Abenteuergeschichte genossen werden kann.

Fazit

Life of Pi leidet an einigen Längen und kann den Zuschauer nicht über seine gesamte Laufzeit emotional fesseln, doch atemberaubende Bildkompositionen und der geniale Einsatz von 3D-Effekten sind definitiv einen Kinobesuch wert.

Trailer

Die Vampirschwestern (2012)

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Die Vampirschwestern, D 2012 • 97 Min • Regie: Wolfgang Groos • Mit: Marta Martin, Laura Antonia Roge, Stipe Erceg, Christiane Paul, Richy Müller • FSK: ohne Altersbeschränkung • Kinostart: 27.12.2012 • Deutsche Website

Handlung

Für die Familie Tepes steht eine große Veränderung an: Sie ziehen um! Das heimische, düstere Bistrien in Transsilvanien wird gegen eine typische deutsche Nachbarschaft in Bindburg eingetauscht. Transsilvanien? Korrekt, es handelt sich bei den Tepes' um eine Vampirfamilie! Diese Umstellung ist für Familienoberhaupt Mihail (Stipe Erceg) und seine menschliche Frau Elvira (Christiane Paul) keine große Sache, allerdings haben ihre beiden Töchter Silvania (Marta Martin) und Dakaria (Laura Roge), ihres Zeichens Halbvampire, die ein oder andere Hürde zu überwinden, bis sie sich mit den neuen Gegebenheiten abgefunden haben. Das wäre vermutlich alles halb so wild, wäre da nicht noch Nachbar Dirk van Kombast (Michael Kessler), der relativ schnell herausfindet, was es mit der Familie auf sich hat und zum bis an die Zähne bewaffneten Vampirjäger heranreift.

Kritik

Nach dem weltweiten Erfolg der Twilight-Reihe war es nur eine Frage der Zeit, dass der moderne Vampirfilm auch im deutschen Kinderfilm Fuß fasst. Glücklicherweise gab es schon die bei den Kleinen erfolgreiche und namensgebende Buchreihe von Dagmar Henze und Franziska Gehm, die sich mit dem Thema befasst und nun in einen Kinofilm umgewandelt wurde.

Vampirschwestern1In solch einem Film sind die Titelfiguren und deren Besetzung das A und O. Das Zielpublikum soll sich so schnell wie möglich mit ihnen identifizieren, damit der Rest der Handlung mitfiebern lassen kann. Im Falle der Vampirschwestern Silvania und Dakaria gelingt das nicht ganz. Während Silvania, die ganz nach ihrer menschlichen Mutter kommt und sich sehnlichst wünscht, ein wahrer Mensch zu sein, schnell mit dem neuen Umfeld klarkommt und auch schnell Freunde findet, ist Dakaria das genaue Gegenteil. Sie wäre lieber ein richtiger Vampir und ist gegen alles und jeden in der neuen Heimat Bindburg. Für Kinder ist es schwierig, sich mit einer Figur zu identifizieren, die selbst wie ein kleiner Fremdkörper im eigenen Film wirkt. Natürlich spiegelt Darakias Verhalten die rebellische Phase mancher Kinder wieder, aber etwas weniger wäre an dieser Stelle vielleicht mehr gewesen.

Ein kleiner Stolperstein im Film stellt die erfundene Sprache „Vampvanisch“ dar. Hin und wieder benutzen die Schwestern Wörter, die sie in ihrer Heimat wohl ständig benutzt haben. Da dies vorher jedoch niemals erläutert wird, muss man oft zweimal hinhören, um zu wissen, was gemeint ist. Leider gelingt es den Darstellerinnen nicht immer, die nötige Gelassenheit beim Benutzen dieses Vokabulars zu spielen. Im Großen und Ganzen macht die Riege der Kinderdarsteller aber einen guten Eindruck. Der Schulalltag und der Mikrokosmos des Klassenzimmers werden gekonnt eingefangen und man weiß genau, wie sich die Protagonisten an der neuen Schule fühlen. Neben den neuen freundschaftlichen Bekanntschaften wird auch schnell klar, dass nicht alle Schüler lieb und nett sind. Das „Terror Trio“, bestehend aus BH, Missy Master und Killa K hat es direkt auf die Neuankömmlinge abgesehen und macht ihnen das Leben schwer.

An dieser Stelle ein kurzer Einschub aus der Pressevorführung und dem anschließenden Gespräch mit Kindern, die den Film gesehen haben. Im Laufe des Films benutzt ein Mitglied des Terror Trios den Ausdruck „Du Behinderte“, was bei den Kindern im Publikum alles andere als gut ankam. Bei all der Jugendsprache, die im Film (und natürlich auch im Umfeld des Publikums) verwendet wird, war das für die kleinen Zuschauer zu heftig, „weil man sowas nicht als Schimpfwort benutzt!“

Vampirschwestern2Neben den Jungdarstellern sorgen die gesetzteren Schauspieler dafür, dass der Film ein solides schauspielerisches Grundgerüst besitzt. Stipe Erceg und Christiane Paul spielen das verliebte Vampir-Mensch-Ehepaar mit viel Herz und man sieht ihnen an, dass sie Spaß an ihrer jeweiligen Rolle hatten. Michael Kessler, der den Vampirjägerneuling mimt, spielt seine großen komödiantischen Stärken aus und sorgt im Film für die meisten Lacher, wenn er mit seinen Plänen auf die Nase fällt. Als weitere, gut besetzte Erwachsenenrolle erweist sich Richy Müller, der den Zauberer Ali Bin Schick verkörpert. Durch ihn bekommt der Film seine größte Wendung, da er den beiden Schwestern ihre Herzenswünsche (Silvania möchte ein wahrer Mensch sein, Dakaria wäre lieber ein richtiger Vampir) erfüllt. Allerdings verwechselt er dabei etwas und somit werden die Herzenswünsche vertauscht. Neben dem neuen Umfeld müssen die Schwestern nun auch noch mit den Folgen dieser Verwechslung zurechtkommen. Dabei lernen sie natürlich viel über sich selbst und finden näher zueinander als je zuvor.

Fazit

Die Vampirschwestern ist eine solide Kinderbuchverfilmung, die sich nicht hinter anderen deutschen Produktionen wie „Die wilden Kerle“ verstecken muss. Kinder bekommen viel Material zur Identifikation und begleitende Erwachsene können sich an den „großen“ Schauspielern und deren Eigenheiten erfreuen. Da es von den Vampirschwestern schon neun Teile in Buchform gibt, kann man davon ausgehen, dass es in Kürze noch filmischen Nachschub geben wird.

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The Impossible (2012)

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The Impossible, E 2012 • 114 Min • Regie: Juan Antonio Bayona • Drehbuch: Sergio G. Sánchez • Mit: Naomi Watts, Ewan McGregor, Tom Holland, Oaklee Pendergast, Samuel Joslin, Geraldine Chaplin • Kamera: Óscar Faura • Musik: Fernando Velázquez FSK: ab 12 Jahren • Verleih: Concorde Filmverleih Kinostart: 31.01.2013

 

Das Unmögliche – ein Wunder – , das möchte uns Juan Antonio Bayona („Das Waisenhaus“) in seinem neuen Film „The Impossible“ präsentieren. Als Vorbild hat er sich dafür die bewegende Geschichte einer spanischen Familie ausgesucht, die im Dezember 2004 die fürchterlichen Folgen des Tsunamis überstanden und trotz des anschließenden Chaos wieder zueinander gefunden hat. Die Protagonisten in Bayonas Version (eine spanische Produktion) sind nun Engländer, und auch sonst wirkt das Werk insgesamt so, als habe man dringlich ein Auge auf westliche Sehgewohnheiten geworfen. Böse Zungen könnten auch mutmaßen, das hier sei mit all seinen arg konstruierten, pathetischen Einlagen für das kommende Oscarrennen geradezu maßgeschneidert worden. Die Streicher setzen ein, die Tränendrüse wird gedrückt und Menschen laufen sich wie durch Zauberhand inmitten eines apokalyptischen Szenarios mit Massen verzweifelter Gesichter am selben Ort im selben Augenblick über den Weg. Das könnte berühren, wäre die Inszenierung eben nicht derart aufgesetzt. Die wuchtigen Bilder überrollen die Emotionen quasi und spülen sie fast davon. Fast.

Zu Beginn lernen wir die Familie Bennett kennen, die ihren Weihnachtsurlaub in Thailand verbringt. Mutter Maria und Vater Henry werden von Naomi Watts und Ewan McGregor verkörpert, die hier nach Marc Forsters Mysterythriller „Stay“ (2005) ein weiteres Mal als Paar auf der Leinwand zu sehen sind. Den eigentlichen Star des Films stellt aber wohl der Newcomer Tom Holland dar, der Lucas, einen der drei Bennett-Söhne, spielt. Nach einer kurzen Einführung, die gerade genug Zeit lässt, einen Einblick in das harmonische Familienleben zu werfen, lässt Bayona bereits den Schrecken über uns und seine Charaktere hereinbrechen: Ohne Vorwarnung bahnt sich eine gigantische Welle ihren Weg über das Hotel am Strand und dringt weiter in das Landesinnere vor. Maria und Lucas gelingt es gerade noch, sich gemeinsam aus der reißenden Flut zu retten, doch von dem Rest der Familie fehlt jede Spur. Der Junge transportiert mit Hilfe einiger Einwohner seine schwer verletzte Mutter in ein Krankenhaus. Bis hierhin hat „The Impossible“ bereits einiges an Spielzeit verstreichen lassen und darf trotz dramaturgischer Schwächen auf intensive, oftmals nahezu dokumentarische Bilder verweisen – es ist ein purer Überlebenskampf, dem wir da beiwohnen. Dann jedoch wechselt der Regisseur arg unglücklich die Perspektive und kehrt zu Henry zurück, der mit den zwei anderen Kindern die Katastrophe ebenfalls überlebt hat. Der Glaube des Publikums an wunderbare Zufälle wird im weiteren Verlauf so penetrant eingefordert, dass man eigentlich nur noch müde abwinken möchte. Selbst wenn sich das alles womöglich in ähnlicher Form so abgespielt hat: Es fühlt sich hier leider wie ein klischeebeladenes, am Hollywood-Reißbrett zusammengesetztes Katastrophendrama an.

Ein Film bleibt immer ein Film – ganz egal, wie akribisch man sich möglicherweise an überlieferte Fakten halten mag. Die Kamera zeigt uns immer nur Ausschnitte einer Geschichte, lenkt unseren Blick auf einen Moment, blendet dabei wieder andere Details aus. Oft gesellt sich dann noch Musik dazu, die uns unter den Aufnahmen Gefühle zu vermitteln versucht, unser Empfinden manipuliert. Daran ist im Prinzip auch nichts verkehrt – eine geschickte Erzählung setzt diese Mittel allerdings weise ein und erschlägt ihre Zuschauer damit nicht. „The Impossible“ verlässt sich dagegen nach seinem vergleichsweise nüchternen Auftakt auf die Holzhammermethode. Das tatsächliche Ereignis, das zu den tödlichsten Naturkastrophen der Weltgeschichte (mindestens 230.000 Opfer) zählt, wird nur anfangs physisch spürbar. Was dann geschieht, zeigt zwar erneut schön die Hilfsbereitschaft von Menschen in Extremsituationen auf, will einen aber dann auch wieder nicht recht ergreifen. Da wird audiovisuell dick aufgetragen, aber unter der Oberfläche fehlt es an echter Tiefe. Oscar-Nominee Naomi Watts („21 Gramm“) schafft es mit ihrer kraftvollen Darstellung, Empathie zu erwecken, doch leider fällt ihre Rolle über die gesamte Dauer recht spärlich aus. Der bereits erwähnte Tom Holland erweist sich letztlich als größter Held der Geschichte, dem es gelingt, fremde Familien nach dem Unheil wieder zusammenzuführen. Auch das ist nett anzusehen, doch vermisst man den krassen Kontrast: Viele haben damals ihr Leben gelassen oder geliebte Mitmenschen verloren – deren Anteil kommt in „The Impossible“ definitiv zu kurz. Trotz grausigster Szenen dringt das emotionale Leid nicht wirklich durch.

Handwerklich ist Bayona ein durchaus begabter Regisseur, der zumindest noch bei dem Vorgänger das Drama gut mit der klassischen Geisterstory verweben konnte. Hier wusste er offenbar nicht viel mit dem Stoff anzufangen. Letztlich lebt das Werk von seiner beklemmenden Tsunamisequenz, der durchweg starken Naomi Watts-Performance und einigen bewegenden Spitzen (ein Telefonanruf McGregors nach der Katastrophe etwa). Dazwischen gibt es viel Standardprozedere, aber nichts, was einem nachhaltig zu Herzen geht. Und vor allem das ist schade.


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Zero Dark Thirty (2012)

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Zero Dark Thirty, USA 2012 • 157 Min • Regie: Kathryn Bigelow • Drehbuch: Mark Boal • Mit: Jessica Chastain, Chris Pratt, Joel Edgerton, Jason Clarke, Kyle Chandler, Édgar Ramírez, Mark Strong, Taylor Kinney, James Gandolfini • Kamera: Greig Fraser • Musik: Alexandre Desplat FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures Germany Kinostart: 31.01.2013 • Website

 

Zerox15Dunkelheit und Stille. Wenn man am 11. September 2001 den Fernseher einschalten wollte, um etwas anderes als die Nachrichten zu sehen, so blickte man auf einen schwarzen Bildschirm und einen Lauftext, der in etwa folgende Nachricht beinhaltete: „Aufgrund der heutigen, tragischen Ereignisse werden wir unser Programm vorerst einstellen.“ Der Rest ist erschütternde, moderne Geschichte. Tausende Tote. Tausende Verletzte. Eine Nation in Aufruhr. Eine Welt in Angst. Auch wenn man zu diesem Zeitpunkt weder in New York City, noch überhaupt in den USA gelebt hat, so hat man dennoch eine große Portion des Schocks mitbekommen, der noch lange andauern sollte.

Zerox12Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ beginnt ebenfalls mit Schwarzbild, über das jedoch nun die hilflosen Schreie und Telefonanrufe von Opfern gelegt wurden. Eine Stimme versucht die Person am anderen Ende der Leitung zu beruhigen – das Flugzeug sei in den anderen Tower eingeschlagen. Wir wissen inzwischen, was kurz darauf geschehen wird. Es ist ein starker, emotionaler Auftakt zu einem Film, der insgesamt kalt und distanziert eine lange, quälende Odyssee schildert: Die Jagd auf den verantwortlichen al-Qaida-Führer Osama bin Laden. Die erste Aufnahme fängt einen Mann ein, der einen Gefangenen in einem dunklen, schmutzigen Raum foltert. In der Ecke steht eine Person mit einer Sturmhaube über dem Gesicht, die das grausame Geschehen regungslos mitansieht. Der Folterknecht heißt Dan (Jason Clarke) und seine vermummte Begleitung ist die Neue, Maya (Jessica Chastain). Trotz des unangenehmen Anblicks lernt Maya schnell – beim nächsten Versuch, aus dem Verhörten Ammar (Reda Kateb) durch jedes Mittel Informationen zu erlangen, wird sie ohne Maske vor diesen treten. In den Chefetagen gilt sie als „Killer“, ihr Nachname ist unbekannt. Ebenso wie die „wahre Maya“, die Frau, auf der diese Figur basiert, ein Mysterium bleibt. Sie ist diejenige, die im Film den finalen Startschuss zur Tötung bin Ladens veranlasst und damit eine Dekade der verzweifelten Suche spektakulär beendet. Wie die US-Zeitung Washington Post nun berichtet, hatte die echte CIA-Ermittlerin nach ihrer Mission Probleme damit, die Belohnung für den Erfolg mit anderen Involvierten zu teilen. Ein internes Teamspiel ist das wohl nicht gerade gewesen. Weshalb sich Bigelow und ihr Drehbuchautor Mark Boal, die nach dem sechsfachen Oscar-Abräumer „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ (2009) erneut zusammenarbeiten, für den Namen Maya entschieden haben, erscheint nach einem weiteren Blick nicht willkürlich: Im Indischen steht dieser sowohl für eine Wunderkraft, wie auch für ein Trugbild.

Zerox9Maya ist die Person, die uns hier als emotionales Zentrum bereitgestellt wird – auch wenn wir nie völlig ergründen, was sie nun so sehr an diesen Auftrag bindet. Weshalb sie sich selbst aufopfert. Sie ist besessen von ihrem Ziel und kämpft dafür teils erbarmungslos gegen ihre Vorgesetzten. Die Bezeichnung „Killer“ ist also keineswegs unangebracht. Im Verlauf von „Zero Dark Thirty“ lernen wir noch andere Charaktere kennen, die uns aber nie über den gesamten Zeitraum begleiten. Der tödliche Anschlag auf eine Kollegin schürt noch weiter das Feuer in Maya: „Ich werde bin Laden töten,“ ist ihr aufgebrachter Kommentar nach dem Vorfall. Sie selbst wird nicht den Abzug betätigen, aber sie besitzt die Ausdauer, sich durch das undurchsichtige Netzwerk an Informationen zu arbeiten und beweist am Ende den richtigen Riecher. Andere Anwesende schätzen die Wahrscheinlichkeit, den Terroristen in einem observierten Haus anzutreffen, auf lediglich 60%. Maya bleibt unbeirrt: Es sei nach Wahrscheinlichkeiten gefragt, nur deshalb sage sie 95%. Eigentlich seien es 100%. Das ist Dynamit im Konferenzraum.

Zerox8„Zero Dark Thirty“ ist nicht „The Hurt Locker Teil 2“. Bigelow und Boal versprechen uns zwar keine Dokumentation, aber die permanente Spannung in dem brisanten Thriller basiert nicht auf lautem Gewehrfeuer oder fatalen Sprengsätzen, sondern auf der geschickten Mischung aus Fakten und Fiktion. Wir kennen den Beginn der Geschichte, ihr Ende in Abbottabad am 2. Mai 2011 und möglicherweise einige Zwischenstationen. Wie jedoch die Operation ihren Lauf nahm und zu ihrem Resultat führte, das bringt uns das Werk auf fesselnde Weise nahe. Es ist eine völlig andere Perspektive, aus der wir das Geschehen beobachten – nicht durch die Augen von Soldaten, die bärtigen Männern auf einem Marktplatz hinterherlaufen, sondern aus den geheimen Schaltzentralen, wo geplant und evaluiert wird. Und so ist es bis zum intensiven Finale nicht bin Laden selbst, sondern dessen Bote, ein Phantom namens Abu Ahmed, dem Maya ihre volle Aufmerksamkeit schenkt. Der Film teilt sich in Kapitel auf, die verschiedene Aspekte der Mission beleuchten. Ein Rückschlag wird beispielsweise „Menschliches Versagen“ genannt, während sich „Spionagetechnik“ mit der zermürbenden Prozedur der Überwachung auseinandersetzt. Wer sich nur Action erhofft hat, den wird die komplexe Arbeit bis zur letzten halben Stunde bitter enttäuschen. Oscar-Preisträgerin Bigelow lässt uns auch den Frust ihrer Protagonistin spüren, wenn diese auf der Stelle tritt und das Ende nur von einem schnöden Ok abhängt. Zum Schluss verlassen wir Maya, schauen ihr zu, wie sie erwartungsvoll zwei Navy SEAL-Teams zu ihrem großen Einsatz aufbrechen lässt. Wer sich nicht schon zuvor mit seinen Händen im Kinositz festgekrallt hat, wird das spätestens dann nachholen. Der brodelnde Soundtrack von Alexandre Desplat („Argo“) begleitet Greig Frasers flexible Kamera, die direkt an den Männern zu kleben scheint. Man wird bis zur letzten Minute nicht aufatmen, auch wenn der Ausgang schon feststeht. Tränen zeigt uns die letzte Einstellung – nur sind diese der Vergangenheit oder der Zukunft geschuldet?

Zerox13In den USA hat „Zero Dark Thirty“ eine Lawine an Diskusionen losgetreten: Er befürworte die gezeigten Foltermethoden, wie etwa das Waterboarding. Er verurteile diese. Er sei pures Propagandamaterial für die Wiederwahl von Präsident Obama. Das sei jetzt alles mal dahingestellt – wen diese Fragen wirklich beschäftigen, der soll sich gleich ein eigenes Bild von einem der besten Filme des Jahres 2012 machen. Es ist keine leichte Kost, die einen hier erwartet – aber das anspruchsvolle Werk ist jede seiner 157 Minuten wert.


Trailer

Box-Office Welt – Der Hobbit überzeugt in einigen Ländern, enttäuscht in anderen

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Box-Office Welt - 14.-16.12.2012 Zusammenfassung und Analyse

Quelle: The Hollywood Reporter, Boxofficemojo

Wie bereits in den USA und in Deutschland ist der Start von Der Hobbit – Eine unerwartete Reise in den anderen Ländern eine bunte Mischung von positiven und enttäuschenden Ergebnissen. Am Wochenende lief der Film weltweit an, mit der Ausnahme von Australien, China und Russland, von wo natürlich auch gute Zahlen zu erwarten sind. Von 56 Märkten hat das Herr-der-Ringe-Prequel knapp $138 Mio eingenommen – der drittbeste internationale Start des Jahres nach Breaking Dawn II und Marvel’s The Avengers. Die besten Ergebnisse kamen aus UK ($18,7 Mio), Deutschland ($16,9 Mio) und Frankreich ($11,7 Mio). Allesamt beeindruckende Zahlen und dennoch bleibt ein leicht bitterer Nachgeschmack. Trotz neun Jahren an Inflation und des zusätzlichen 3D-Bonus liegen diese Zahlen auch alle unter denen von Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs. Dieser hat nämlich in Großbritannien $26,5 Mio, in Deutschland $30,8 Mio und in Frankreich $19,6 Mio zum Start eingenommen. Diese Zahlen sehen heute noch großartig aus, vor eun Jahren waren sie phänomenal.

In Schweden ereichte der Film mit $6,2 Mio zum Start immerhin das zweitbeste Startwochenende aller Zeiten und platzierte sich jetzt schon auf Rang 8 der Jahres-Charts. In Neuseeland, Peter Jacksons Heimat, gelang dem Film mit $1,7 Mio der siebtbeste Start aller Zeiten, wobei er immer noch unter dem $2,4 Mio-Start von Die Rückkehr des Königs lag und auch unter dem von Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht Teil 2. Gute Ergebnisse meldete Warner Bros. aus Holland, wo der Film mit $2,3 Mio zum Start das zweitbeste Startwochenende des Jahres (hinter Skyfall) verbuchte.

Hingegen war der Start in Japan eine reine Blamage. Dort eröffnete das neue Kapitel aus Mittelerde gegen den Lokaltitel One Piece Film Z mit lediglich $3,5 Mio und wurde vom übermächtigen Konkurrenten auf Platz 2 verwiesen. One Piece nahm $16,7 Mio ein, owbohl er nur in einem Drittel von Der Hobbits Kinos spielt. Die Rückkehr des Königs startete dort seinerzeit mit $14,7 Mio auf dem Weg zu einem Gesamtergebnis von $95 Mio. Auch die anderen beiden Herr-der-Ringe-Filme spielten in Japan jeweils mehr als $65 Mio ein. Der Hobbit wird derweil Probleme haben, es dort gar auf $20 Mio zu bringen.

Umso beeindruckender waren dafür die IMAX-Zahlen weltweit. Diese trugen etwa $5 Mio zum Wochenendeinspiel bei. Dabei setze der Film neue IMAX-Rekorde in Brasilien, Großbritannien, Spanien, Singapur, Ukraine und der Türkei. Alles in allem hat man mit Sicherheit auf mehr gehofft, auch wenn die jetzigen Zahlen schon ein gutes Geschäft für Waner Bros. bedeuten. An die international eingenommenen $742 Mio von Die Rückkehr des Königs wird Der Hobbit auch mithilfe von China, Russland und Australien nicht kommen, ebenso gering sind die Chancen auf $1 Mrd weltweit. Dennoch sollten hier außerhalb von Nordamerika zumindest $550-650 Mio zusammenkommen. Das würde ihn im gleichen Bereich international ansiedeln wie Die Gefährten ($556 Mio) und Die zwei Türme ($583 Mio).

Weit abgeschlagen landete Die Hüter des Lichts auf Platz 2 mit $21 Mio, wobei er nur in einem größeren Markt gestartet wurde – Australien. Dort spielte der Animationsfilm knapp $3,7 Mio am Wochenende ein. Mit etwa $120,4 Mio außerhalb von Nordamerika hat der Film sein weltweites Gesamteinspiel auf mehr als $190 Mio gebracht und wird in den kommenden Tagen die $200 Mio-Grenze überqueren. Immerhin macht das die enttäuschende Performance in den USA ein bisschen wett.

Trotz kräftiger Konkurrenz von Der Hobbit, lieferte Skyfall erneut starke Zahlen und platzierte sich auf Rang 3 am internationalen Box-Office. Nach weiteren $11,7 Mio am Wochenende brachte er sein internationales Gesamteinspiel auf $678,2 Mio. Nur zehn weitere Filme haben außerhalb von Nordamerika mehr eingenommen und nur zwei (!) davon waren ebenfalls nicht in 3D (Titanic und Die Rückkehr des Königs). Weltweit hat der Film schon mehr als $950 Mio eingespielt und liegt damit mehr als $350 Mio über dem zweiterfolgreichsten Bond-Film aller Zeiten! Sogar ohne Hilfe von China, wo der Film erst im Januar startet, würde Skyfall es weltweit auf mehr als $1 Mrd bringen. Sollte er in China über den Erwartungen spielen, so könnte er gar $1,1 Mrd einnehmen und zum zweiterfolgreichsten Film des Jahres weltweit avancieren nach Marvel’s The Avengers.

Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger hatte wieder ein gutes Wochenende an den internationalen Kinokassen und hob sein Gesamteinspiel außerhalb von USA/Kanada auf $128,7 Mio an. Davon stammen unglaubliche $84,3 Mio alleine aus China, wo er auf gutem Weg ist, einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten zu werden. Dabei leigt ein Großteil der Welt dem Film noch bevor, ebenso wie die Oscars. Somit sollte er weltweit mindestens $350 Mio einspielen.

Ganz knapp dahinter platzierte sich am Wochenende Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht Teil 2, der nach einem $11 Mio-Wochenende als erster Twilight-Film überhaupt $500 Mio am internationalen Box-Office geknackt hat und mittlerweile $501,9 Mio vorweisen kann. Auch wenn seine Spielzeit sich langsam dem Ende nähert, so wird er dennoch insgesamt mehr als $800 Mio einspielen.

 

San Francisco Film Critics Circle wählt The Master als besten Film von 2012

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Quelle: SFFCC

Gegründet im Jahre 2002 gehört der San Francisco Film Crtiics Circle (SFFCC) zu den jüngeren Filmkritikerverbänden der USA. Seit dem Gründungsjahr verleihen die Filmkritiker von San Francisco jährlich die Preise für die besten Filmschaffenden des Jahres. Dabei liegen sie selten im Mainstream-Bereich. Seit 2002 hat nur ein Film den Preis als Bester Film vom SFFCC erhalten und hat später auch den Oscar in dieser Kategorie gewonnen (2009, Tödliches Kommando- The Hurt Locker). Bei den Regisseuren liegen sie mit 4 von 10 etwas besser. Insgesamt ist die Vorhersagekraft jedoch ziemlich schwach. Das wird wahrscheinlich auch bei den diesjährigen Gewinnern zutreffen. So haben die Kritiker aus San Francisco als erster größerer Filmkritikerverband The Master als Besten Film des Jahres ausgezeichnet. Der Preis für die Beste Regie ging jedoch an Kathryn Bigelow für Zero Dark Thirty. Kein Film gewann allerdings mehr als zwei Preise.

Komplette Liste:

Bester Film

The Master

Beste Regie

Kathryn Bigelow (Zero Dark Thirty)

Bester Hauptdarsteller

Joaquin Phoenix (The Master)

Beste Hauptdarstellerin

Emmanuelle Riva (Liebe)

Bester Nebendarsteller

Tommy Lee Jones (Lincoln)

Beste Nebendarstellerin

Helen Hunt (The Sessions)

Bestes Originaldrehbuch

Zero Dark Thirty

Bestes adaptiertes Drehbuch

Lincoln

Bester fremdsprachiger Film

Liebe

Bester Dokumentarfilm

The Waiting Room

Bester Animationsfilm

ParaNorman

Beste Kamera

Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger

Bestes Szenenbild

Moonrise Kingdom

Bester Schnitt

Argo

 

Pitch Perfect (2012)

Pitch Perfect, USA 2012 • 112 Min • Regie: Jason Moore • Mit: Anna Kendrick, Anna Camp, Rebel Wilson, Brittany Snow, Skylar Astin, Elizabeth Banks • FSK: ohne Altersbeschränkung • Kinostart: 20.12.2012 • Deutsche Website

Handlung

The Bellas ist eine nur aus Mädchen bestehende A-cappella-Gruppe an der Barden University. Angeführt von der übermotivierten und kontrollsüchtigen Aubrey (Anna Camp) ist es der größte Wunsch der Bellas die nationalen College-a-cappella Meisterschaften zu gewinnen. Ihre größten Gegner dabei sind die ebenfalls von der Barden University stammenden Treble Makers, eine rein männliche A-cappella-Gruppe, die schon diverse Meisterschaften für sich entscheiden konnte. Nach einem besonders peinlichen Auftritt von Aubrey im Finale der nationalen Meisterschaften sind The Bellas am Boden. Ein neues Konzept muss her, doch Aubrey will unbedingt an Traditionen festhalten. Von ihrer Mitstreiterin Chloe (Brittany Snow) überredet, wählen die beiden bei einem Vorsingen einen  bunt gemischten Haufen an Studentinnen, um die Gruppe neu zu formieren. Diese passen so gar nicht in die früher einheitlichen, sich am stereotypen Schönheitsideal orientierenden Bellas hinein, bringen dafür einiges an Talent mit sich mit. Darunter ist auch Beca (Anna Kendrick), die gegen ihren eigenen Wunsch und auf den ihres Vaters ans College gegangen ist, obwohl sie viel lieber in Los Angeles in der Musikbranche arbeiten würde. Ebenfalls von ihrem Vater angefeuert, schließt sie sich eher widerwillig den Bellas an und entdeckt dabei ein ungeahntes Talent. Ihre Vorstellungen von modernen A-cappella-Auftritten kollidieren mit den konservativen Ansichten von Aubrey. Die Sache wird auch nicht leichter, als sie Gefühle für Jesse (Skylar Astin) entwickelt, der ein Mitglied bei den Treble Makers, The Bellas Erzrivalen ist. Die Meisterschaften kommen immer näher und die Spannungen unter den Bellas wachsen…

Kritik

Pitch1Bereits im Film-Musical Grease von 1978 trällerten John Travolta und Olivia Newton-John sich durch die High School. Spätestens seit dem Erfolg der High School Musical-Filme und von Glee stehen Musiknummern und Gesangeinlagen im akademischen Setting wieder hoch im Kurs. Genau da knüpft Pitch Perfect auch an. Obwohl der Film von Jason Moore auf dem gleichnamigen Buch von Mickey Rapkin basiert, so hat er seine Existenz mit Sicherheit den beiden eingangs erwähnten Erfolgsgeschichten zu verdanken. Zugegeben, für viele Leser wird diese Prämisse nicht sonderlich verlockend wirken. Eine bunt zusammengewürfelte College-Truppe, die sich ihre Gedanken und Sorgen wegsingt, ein neues unkonventionelles Mädchen, das frischen Wind in die Sache bringt und nationale Meisterschaften mit einem scheinbar übermächtigen Gegner. Zu diesem Zeitpunkt haben wahrscheinlich die meisten Leser mit dem Y-Chromosom und diejenigen über dem Alter von 20 bereits aufgehört zu lesen. Das hat man ja alles schon gesehen und es war auch beim ersten Mal nicht sonderlich überzeugend. Wer das jedoch tut, dem entgeht ein ungemein witziger und beschwingter Film. Die Grundidee von Pitch Perfect mag dem Glee-Muster folgen, doch der Film vom  Debütregisseur Jason Moore hat mehr mit modernen  US-amerikanischen High School Klassikern wie Heathers und Girls United gemein. Das Drehbuch aus der Feder von Kay Cannon strotzt nur so von zitierfähigen Sprüchen und scheut sich durchaus nicht vor bösem Humor, wie man ihn sicherlich nicht in High School Musical erwarten würde. Natürlich spielen die Musik und das A-cappella-Singen immer noch eine große Rolle und wer dagegen absolut allergisch ist, wird’s wohl mit Pitch Perfect auch schwer haben. Man muss aber kein großer Fan der Gesangseinlagen sein, um den Film von vorne bis hinten genießen zu können.

Pitch PerfectEinen Beitrag hierzu leistet sicherlich die wundervoll aufgelegte Besetzung, die bis in die kleinsten Rollen perfekt ausgefüllt ist. Der entzückenden Anna Kendrick gelang mit ihrer oscarnominierten Performance in Up in the Air vor drei Jahren der große Durchbruch und zuletzt überzeugten sie in Nebenrollen in 50/50 – Freunde fürs (Über)leben und End of Watch. In Pitch Perfect beweist sie endgültig ihre Starqualitäten und dass sie einen Film auch als Hauptdarstellerin tragen kann. Dabei ist ihre Beca anders als die häufig eher schüchtern-süßen Mädels, die sie spielt. Hier ist sie bissig, eigensinnig und bringt eine gute Portion trockenen Humor mit, ohne jedoch arrogant oder unsympathisch zu wirken. Und nicht zu vergessen: sie kann richtig gut singen! Dennoch überschattet Kendrick keineswegs das restliche Ensemble der Bellas. Rebel Wilson, die ihre komödiantischen Improvisationsfähigkeiten bereits in Brautalarm und Die Trauzeugen unter Beweis gestellt hat, gelingt mit Pitch Perfect ein weiterer großer Sprung nach vorne in ihrer Karriere als eins der neuen Comedy-Gesichter Hollywoods. Ihrem Charakter, der sich selbst Fat Amy nennt „damit es die dürren Schlampen nicht hinter ihrem Rücken tun“, gehören die witzigsten Sprüche des Films und davon gibt es jede Menge. Eine besondere Erwähnung verdient auch Hana Mae Lee, eine beinahe stumme asiatische Sängerin der Bellas, die sich mit kaum verständlichem Flüstern ausdrückt und in allen ihren Szenen den anderen die Show stiehlt. Zuhören lohnt sich, sonst verpasst man den einen oder anderen schrägen und urkomischen Kommentar. Auch der Rest der Bellas kann mithalten, sei es Brittany Snows offenherzige Chloe oder Anna Camps überspannte Aubrey mit ihrem ganz besonderen Kontrollproblem. Amüsant sind ebenfalls die sarkastischen Kommentatoren der Meisterschaften, gespielt von John Michael Higgins und Elizabeth Banks, die den Film auch mitproduziert hat. Sicher, die meisten Charaktere hier sind Karikaturen, doch sie sind mit soviel Liebe und Einfallsreichtum geschrieben und mit solcher Hingabe von den Schauspielerinnen umgesetzt worden, dass man ziemlich schnell mit den Bellas mitfiebert.

Pitch2Die männlichen Charaktere ziehen in Pitch Perfect hingegen den Kürzeren und bekommen jenseits des üblichen Rivalenbilds und des typischen liebenswerten Romantic Interests für Skylar Astins Jesse kaum Charakterzüge zugeschrieben. Die Liebesgeschichte zwischen Jesse und Beca entwickelt sich ebenfalls nach einer 08/15-Vorlage, wobei die beiden tatsächlich etwas Chemie miteinander haben. Doch sowohl die Männer als auch die Liebesgeschichte stehen hier nie im Vordergrund. Die Bühne gehört, wie der deutsche Titelzusatz schon besagt, den Darstellerinnen der Bellas, die sich in gekonnt inszenierten Gesangsszenen die Seele aus dem Leib singen und sich aber auch mit derselben Leidenschaft und Hingabe anzicken, wenn die Aussichten schlecht sind. So gut die Komödie auch ist zwischen den A-cappella-Szenen, so unfair wäre es, nicht auch diese mit Lob zu versehen. Sowohl die Jungs von den Treble Makers als auch The Bellas geben sich diesen Szenen mit enorm viel Elan und Esprit hin und sorgen dafür, dass in den besten Momenten, diese Begeisterung wie ein Funke auf die Zuschauer übergreift, sodass man nach einer besonders gelungenen Vorstellung für einen Moment vergisst, dass man im Kinos sitzt und die Bellas mit einem Applaus belohnen will.

Große Überraschungen hält der Film dabei nicht bereit. Nach den ersten zehn Minuten weiß man, wie es ausgehen wird. Dass die 112 Minuten dennoch wie im Flug vergehen, dafür sorgen gut platzierte Gags, ein wie ein Uhrwerk zusammenspielendes Ensemble und tolle A-cappella-Szenen wie das „riff-off“ zwischen verschiedenen A-cappella-Gruppen der Uni. Nur die Kotz-Gags hätte man sich wirklich sparen können. Diese gehören einfach nicht in den Film hinein und schon gar nicht zweimal.

Fazit

Pitch Perfect ist nicht nur für Fans von Glee (wobei diese mit Sicherheit ihren Spaß haben werden). Wer Spaß hat an bissigen und federleichten College-Komödien mit einem Schuss Musik und Liebe hat, der sollte dem Film eine Chance geben.

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