Operation: Overlord (2018) Kritik

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Operation: Overlord (2018) Filmkritik

Overlord, USA 2018 • 110 Min • Regie: Julius Avery • Drehbuch: Billy Ray, Mark L. Smith • Mit: Jovan Adepo, Mathilde Ollivier, Wyatt Russell, John Magaro, Iain De Caestecker, Pilou Asbæk, Dominic Applewhite • Kamera: Laurie Rose, Fabian Wagner • Musik: Jed Kurzel • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Paramount Pictures • Kinostart: 8.11.2018 • Deutsche Website

Werbe-Platzhalter. Von irgendwas müssen wir auch leben ;-)

Wenn man sich Julius Averys „Operation: Overlord“ anschaut, wird vor allem eines sehr deutlich: Die im Zeitalter der Digitalisierung zunehmende und aufgrund von schrumpfender Gedächtnisspanne des Mainstreampublikums leider notwendige Über-Anpreisung und Franchisisierung des Produktes „Film“ sorgt dafür, dass inhaltliche Wendungen den Zuschauern nur noch bei lukrativen Tentpoles wie Marvel oder Star Wars unter dem „Spoiler“-Banner stringent vorenthalten werden – dabei hätte gerade eine relativ kleine Produktion wie diese von einer ähnlich restriktiven Werbetaktik wie seinerzeit bei Alfred Hitchcocks „Psycho“ profitieren können. Doch wir sind freilich nicht mehr in den Sechzigern und „Operation: Overlord“ ist jetzt nunmal schon im Vorfeld der Zombiereißer, der im Zweiten Weltkrieg spielt. Dabei wäre es für ein von offensiven Plakaten und Trailern verschontes Publikum sicher spannender gewesen, ein düsteres Kriegsabenteuer im Stil von David Ayers „Herz aus Stahl“ präsentiert zu bekommen, das erst ab der zweiten Hälfte die Maske fallen lässt und unerwartet in den glitschigen „Re-Animator“-Modus schaltet. Wie dieser plötzliche Genretwist letztlich aufgenommen worden wäre, wäre dann natürlich abzuwarten gewesen.

Operation: Overlord 1

Mit einer fulminanten Eingangssequenz wirft sich die vom Newcomer Avery („Son of a Gun“) inszenierte und von Hollywoods Goldesel J.J. Abrams („Star Wars – Das Erwachen der Macht“) produzierte Schlachtplatte mitten ins Getümmel: Eine Einheit von US-Fallschirmspringern gerät am Vorabend des verheerenden D-Days über der Normandie unter Beschuss und nur ein kleiner Trupp der Männer überlebt den riskanten Absprung in das Inferno. So finden sich die Soldaten Boyce (Jovan Adepo), Ford (Wyatt Russell), Tibbet (John Magaro), Rosenfeld (Dominic Applewhite) und Chase (Iain De Caestecker) in einem finsteren Waldstück wieder, wo sie in der Zivilistin Chloe (zart und hart: Newcomerin Mathilde Ollivier) eine Verbündete treffen. Ihr Dorf befindet sich unter der Gewalt des grausamen Nazi-Offiziers Wafner (passend scheußlich: Pilou Asbæk), der die junge Frau unter Druck auch sexuell ausbeutet. Chloe gelingt es, die Amerikaner auf dem Dachboden ihres Hauses zu verstecken, doch irgendetwas stimmt auch hier definitiv nicht: Unter welcher mysteriösen Erkrankung leidet etwa ihre Tante, nachdem diese einige Tage lang von den Nazis verschleppt worden ist? In einem schwer gesicherten Bunker stößt Boyce schließlich auf das schreckliche Geheimnis des Ortes …

Operation: Overlord 2

Es ist wahrscheinlich, dass „Operation: Overlord“ mit seinem schamlosen Mix aus gleich zwei Exploitation-Subgenres nicht den hohen Ansprüchen von störrischen Arthouse-Snobs genügen wird. In der Tat handelt es sich hier um eine vor allem audiovisuell starke Formübung, die inhaltlich bis auf den nicht mehr wirklich twistigen Twist nichts grundlegend neues oder gar intellektuell stimulierendes bietet – und das muss sie auch gar nicht. So sehr die Begriffe Unterhaltungs- oder Popcornkino in vielen Diskursen Reizworte darstellen, so reizend fällt auch mein Urteil über das Werk aus: „Operation: Overlord“ ist ein Arschtritt von einem Film – und zwar so einer, den man sich gerne ein weiteres Mal gefallen lässt! Regisseur Avery versteht es, wie man Nervenkitzel, Humor, Entsetzen, Drama und eine sympathische Portion Pathos vereint, ohne dass sich eines der Elemente im Gesamtbild unpassend anfühlt. Wenn auch spürbar kantiger und schmuddeliger, erinnert der deftige Action-Splatter-Eintopf angenehm an ungezwungene Abenteuer-Blockbuster der Achtziger, in denen absurde Komikeinlagen (Stichwort: Motorradgespann) noch pointiert eingesetzt wurden und nicht gleich als endlose Ansammlung von Albernheiten jegliche Spannung ertränkten. Die Auswirkungen der Nazi-Experimente sind übrigens wahrhaft harte Kost (Stichwort: Kopf), was dann trotz irritierend niedriger FSK-16-Freigabe zum Vorteil von Gorehounds und Nachteil von zartbesaiteten Kinogängern ausfallen dürfte. Das vorweg als wahlweise Info oder Warnung.

Operation: Overlord 3

Während der hektische Beginn noch eine Identifikation mit den Figuren verwehrte, überrascht es im Verlauf doch, wie sehr einem letztlich alle zentralen Charaktere ans Herz wachsen und diese auch glücklicherweise nicht als bloßes Kanonen- oder Zombiefutter verwertet werden. Das ist dann wohl auch neben der aufwändigen und effektiven Umsetzung (besonderes Lob an den bedrohlichen Score von Jed Kurzel und die atmosphärische Kameraarbeit von Fabian Wagner sowie „Friedhof der Kuscheltiere“-DOP Laurie Rose) der größte Unterschied zu billigen Naziploitation-Streifen: Die teilweise grotesk brutalen Exzesse dienen vielleicht einem Selbstzweck, nur gehen zwischen Blut und Eingeweiden die Gesichter nie gänzlich unter. In gewisser Weise ist „Operation: Overlord“ auch der richtige Film zur falschen Zeit: Schon lange waren auf der Leinwand die Amis nicht mehr so hemmungslos heldenhaft und die Grenze zwischen schwarz und weiß so klar gezeichnet. Dabei ist der Inhalt nur formell Historie und entspricht ganz gewiss nicht unserer Gegenwart – wenn man Kino also nun als Realitätsflucht begreift, ist es vielleicht doch der richtige Film zur richtigen Zeit.


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