Careercrawler – Jake Gyllenhaal & Other Drugs

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Jake Gyllenhaal Profil

Jacob „Jake“ Benjamin Gyllenhaal wird von vielen schon seit mehreren Jahren als Hollywoods Zukunft gehandelt. Das wahrlich nicht umsonst, richtig voll und ganz durchstarten konnte der aktuell 34-Jährige jedoch noch nicht. Geschätzt und gemocht ist er unter Filmfreunden, doch bis auf wenige Ausnahmen fühlt es sich trotzdem immer noch nicht so an, als wäre Jake Gyllenhaal von der amerikanischen Filmwelt bereits komplett akzeptiert worden. Sein Talent steht dabei jedoch außer Frage und auch in diversen Interviews macht sich der Sympathiebolzen durchgehend beliebt. Warum ich trotzdem denke, dass Jake Gyllenhaal, auch wenn er nie über seinen bisherigen Status hinauskommen sollte, einer der besten Schauspieler ist, die die aktuelle Filmlandschaft zu bieten hat, erfahrt Ihr, wenn Ihr mich auf eine kleine Reise durch seine Karriere und sein Leben begleitet.

Jake Gyllenhaal City SlickersManche Leute kämpfen sich in das Schauspiel-Milleu hinein, andere haben Glück, die richtigen Menschen und Entscheidungen getroffen zu haben, andere sind einfach irgendwie reingerutscht. Und manche werden einfach dazu geboren. So war Jake Gyllenhaals Weg nach Hollywood rückblickend mehr als nur offensichtlich. Geboren in der Stadt der Engel und des Films, Los Angeles, mit einem Regisseur als Vater, einer Produzentin und Autorin als Mutter und Jamie Lee Curtis als Patentante, konnte sein Leben eigentlich nur in Richtung Film verlaufen. Die einzige Frage war da noch welcher Bereich. Gerade einmal elf Jahre später stand das dann aber auch schon so gut wie fest und der kleine Jake ergatterte eine Mini-Rolle in Ron Underwoods City Slickers, mit dem Der-PateII-Darsteller Bruno Kirby. In der Midlife-Crisis-Komödie (?) mit akuten Stimmungsschwankungen spielte er Billy Crystals Sohn, jedoch reichte das nur für knappe 30 Sekunden Screentime. Doch auch 1991 war Gyllenhaal schon das Beste an den Filmen, in denen er mitwirkte. Mir kitzelte der kleine Junge mit den Zahnlücken einen der wenigen Lacher im Film hervor.

Jake Gyllenhaal Donnie DarkoAcht Jahre war dann bis auf drei ebenso kleine Rollen, zu denen auch eine Zusammenarbeit mit seiner ebenfalls in die Schauspielerei gerutschten Schwester Maggie Gyllenhaal gehörte, erst einmal Ruhe, bis Gyllenhaal mit 19 Jahren die Hauptrolle in der Autobiografie des Raketenkonstrukteurs Homer Hickam, October Sky, ergatterte. Dies reichte jedoch noch nicht für einen Durchbruch. Der kam erst, nachdem er 2001 mit 21 Jahren wegen seinem jugendlichen Aussehen gleich für drei Teenie-Rollen engagiert wurde. Neben der Quatsch-Komödie Bubble Boy und einer kleinen Rolle in Lovely & Amazing war das nämlich die Rolle des Donnie Darko im gleichnamigen Film. Doch auch dieser Erfolg setzte nicht gleich ein, denn obwohl die Kritikerschaft Richard Kellys Regiedebüt durchaus positiv aufnahm, blieb der Erfolg an den Kinokassen aus, sodass der Film hierzulande nicht einmal in die Kinos kam. Richtig erfolgreich wurde der nun schon moderne Klassiker erst zu seinem DVD-Start und Jake Gyllenhaal das erste Mal richtig wahrgenommen. Gewisse Szenen, wie zum Beispiel das Ende oder Sätze wie „I think you’re the fucking Antichrist“ haben sich für immer in die Fanherzen eingebrannt, jedoch sehe ich persönlich hier noch kleine Schwächen in Gyllenhaals Spiel, vor allem wenn er gerade wieder Visionen vom Hasen Frank hat. Großartig war seine Leistung trotzdem allemal und Donnie Darko bleibt für immer ein absolutes Meisterwerk.

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Jake Gyllenhaal SpideyDas war der Durchbruch, und die angedeutete Aufwärtsfahrt hätte in einem 90-Grad-Winkel abheben können. Denn während Donnie Darko gerade über die Leinwände flimmerte, war der aufstrebende Darsteller ein Bewerber für die Rolle des Peter Parker in Sam Raimis Spider-Man. Das wäre ja was geworden! Na ja, so durften wir uns dafür mit Tobey Maguire begnügen, was ja auch nichts Schlechtes war (bis auf Bad-Boy-Tobey im dritten Teil natürlich). Aber ich hätte nichts dagegen, Jake Gyllenhaal durch New York schwingen zu sehen – und mal ehrlich, ein „I cried like a baby when you played Cinderella“ hätte bei ihm auch irgendwie mehr Charme gehabt. Fast wäre es ja sogar doch noch was geworden. Als Maguire vor Spider-Man 2 nämlich wegen starken Rückenproblemen verhindert war, wurden schon die Maße für das Spidey-Kostüm an Jake abgemessen. Wie wir alle wissen, war es dann aber doch wieder Tobey Maguire, der „I’m back, I’m back! Ah, my back!“ rufen durfte. Und sind wir ehrlich, er hat das auch gut gemacht. Gyllenhaal durfte sich dafür in Moonlight Mile an der Seite von Dustin Hofmann und in The Good Girl an der von Jennifer Aniston und John C. Reilly beweisen. Dies ebnete ihm den Weg ins Blockbusterkino. Dort durfte er eine solide Leistung in Roland Emmerichs The Day After Tomorrow abliefern. Dieser gehört aber zu einem der Filme, die ich mir trotz ihm nicht noch einmal ansehen möchte. Vielleicht sein schlechtester Film aus meiner Sicht, aber ich kann auch einfach nichts mit Katastrophenfilmen anfangen. Da habe ich mehr Spaß mit Blödsinn wie Bubble Boy.

Jake Gyllenhaal Brokeback MountainMit nun wachsender Bekanntheit trat Gyllenhaal danach in Der Beweis zusammen mit Hollywood-Veteran Anthony Hopkins auf, mimte in einer sehr guten Performance den Soldaten Swofford in Sam Mendes' Kriegsdrama Jarhead an der Seite von Jamie Foxx und zog durch seine Leistung im für acht Oscars nominierten Drama Brokeback Mountain letztendlich internationale Aufmerksamkeit auf sich. Schon für Donnie Darko war er von kleineren Awards als bester Darsteller nominiert und ausgezeichnet worden, seine Oscarnominierung als "Bester Nebendarsteller" rückte ihn jedoch erst jetzt auf die internationale Bühne. Gewinnen konnte er trotzdem nicht und musste sich leider gegen George Clooney (Syriana) geschlagen geben. Dafür brachte ihm seine durchaus sehr gute Performance zahlreiche andere Preise, wie zum Beispiel den British Academy Film Award ein. Bei den Dreharbeiten zu Brokeback Mountain schlossen Jake Gyllenhaal und Heath Ledger außerdem eine sehr enge Freundschaft und Gyllenhaal wurde auch zum Patenonkel von Ledgers Tochter mit Michelle Williams. Etwas später wären sie vielleicht sogar noch einmal aufeinander gestoßen. Jake Gyllenhaal verlor 2006 nämlich nicht nur seine Rolle als Clark Kent in Bryan Singers Superman Returns, sondern auch das Rennen gegen Christian Bale um die Rolle des dunklen Ritters für Christopher Nolans Batman Begins. So hätten sich die Freunde 2008 eventuell als Batman und Joker in The Dark Knight gegenübergestanden. Ein bisschen problematisch wäre das aber schon geworden, spielte doch seine große Schwester Maggie das Love Interest von Bruce Wayne im zweiten Batman. Da blieb dann vielleicht doch eher Geschwisterstreit erspart, aber obwohl Christian Bale weiterhin eine perfekte Besetzung war, hätte mich Gyllenhaal als Batman doch sehr gereizt.

Jake Gyllenhaal Brothers2007 holte David Fincher Gyllenhaal für seine Verfilmung der Zodiac-Morde an Bord, in dem er das erste Mal seine Wandlungsfähigkeiten andeutete, wenn er vom liebenswerten Karikaturisten Graysmith zum besessenen Hobbydetektiv wird. Vor allem eine Szene, in der er trotz minimalistischer Gestik die pure Angst verkörpert, hat sich bei mir eingeprägt. Im gleichen Jahr konnte man ihn dann noch im mittelmäßigen Machtlos sehen, nach dem er zwei Jahre lang mit Reese Witherspoon zusammenlebte, die er bei dem Dreh kennengelernt hatte. Während ihres Zusammenlebens hatte Jake keine Rollen und trat erst 2009 wieder vor die Kamera. In Brothers stieß er auf den Spidey-Rollendieb Tobey Maguire, der ihn trotz Gyllenhaals starker Leistung an die Wand spielte. Während der Dreharbeiten erfuhr Gyllenhaal außerdem von Heath Ledgers tragischem Tod und unterbrach sie deshalb erst einmal. Auch heute sagt Jake Gyllenhaal immer noch, wie sehr er seinen Freund vermisst, der im gleichen Jahr noch für seine Performance als Joker ausgezeichnet wurde. In den folgenden drei Jahren setzte sich der talentierte Charakterdarsteller dann ins Mainstreamkino ab. Mit Prince of Persia verwirklichte er einen Kindheitstraum und verlieh dem Videospielcharakter durch sein Spiel sogar einen gewissen Charme; in Love & Other Drugs durfte er mit Anne Hathaway rumknutschen und seine natürliche Sympathie und Witz in sein Spiel übertragen. Daraufhin folgten zwei Thriller: Der gute Source Code und der durchwachsene End of Watch. In beiden lieferte er überaus solide ab, seine Performance wurde vor allem bei End of Watch jedoch durch die schwächelnde Inszenierung gehemmt.

Jake Gyllenhaal EnemyAls Denis Villeneuve ihn 2013 für gleich zwei Filme besetzte, wandte sich Gyllenhaal wieder dem Qualitätskino zu und Villeneuve gab ihm die Chance, sich in seinem Spiel mehr auszuleben. So lieferte er eine starke Leistung im von der Kritik ohnehin gut aufgenommenen Prisoners, den ich aber leider für etwas überbewertet halte und in dem Hugh Jackman durch seine Rollenvorgaben spielerisch auch etwas mehr im Vordergrund steht. Vorher gedreht aber später veröffentlicht und leider deutlich untergegangen, startete dann letztes Jahr Enemy in den Kinos. Ein lyncheskes Drama und Meisterwerk in Sachen Kameraarbeit, das mich von der ersten bis zur letzten Minute in seinen skurrilen Bann gezogen hat – und daran hat nicht zuletzt Jake Gyllenhaal Schuld. Der besetzt hier gleich beide Hauptrollen und zeigt  innerhalb eines Films, wie unfassbar wandlungsfähig er ist und was für eine Vielfältigkeit in ihm steckt. In gefühlter Sekundenschnelle wechselt er vom total unsicheren, stotternden und ruhigen Adam Bell zum selbstbewussten Draufgänger Anthony St. Claire. Seine Leistung in Enemy ist so stark und präsent, dass man die beiden Figuren allein an Gyllenhaals Auftreten sofort unterscheiden kann. Enemy ist trotzdem immer noch nicht sein bester Film und hat auch nicht seine beste Performance zu bieten.

Jake Gyllenhaal NightcrawlerAls Jake Gyllenhaal nämlich letztes Jahr 9 Kilo für seine Rolle in Dan Gilroys Regiedebüt Nightcrawler abnahm, sich die Haare wachsen ließ, seine ganze Art veränderte und sich somit förmlich in den Nightcrawler Lou Bloom verwandelte, konnte er sich voll und ganz ausleben. 119 Minuten lang legt Jake Gyllenhaal eine unfassbare Meister-Performance hin. Man hat Angst vor Lou Bloom, fühlt sich unwohl wenn er im Bild ist und ist zugleich fasziniert von seiner unglaublichen Raffinesse und Unberechenbarkeit. Dan Gilroys Dialoge sind genial geschrieben, Nightcrawler ist eine hochintelligente, stilsichere Mediensatire und mittendrin… Jake Gyllenhaal in einer Performance, die ihresgleichen sucht. Dass Jake Gyllenhaal letztes Jahr bei den Oscars nicht berücksichtigt wurde und "Bester Hauptdarsteller" dafür an Eddie Redmayne für eine unaufwendige Mimikry-Performance ging, lässt mich nur den Kopf schütteln. In seinem besten Film schlüpfte Jake Gyllenhaal nicht in die Rolle des Lou Bloom – er wurde zu ihm. Diesen Effekt spürt man vor allem, wenn man sich Interviews zu Zeiten von Nightcrawler anschaut und mit mulmigem Gefühl bemerkt, dass man Lou nicht aus dem Kopf bekommt. Pressestimmen lassen zwar schon erahnen, dass Southpaw kein besonders großartiger Film wird (siehe unsere Kritik), doch Jake Gyllenhaal-Lob bekommt man schon wieder zu hören. Wie ein Kollege zu mir sagte: „Er spricht nicht wie Jake Gyllenhaal und er sieht nicht aus wie Jake Gyllenhaal“. Das lässt darauf hoffen, dass Gyllenhaal bei seinem Hoch bleibt und die Hoffnung bleibt bestehen, dass er vielleicht irgendwann einmal seinen hochverdienten Oscar in der Hand halten wird, den er schon längst hätte bekommen sollen (vielleicht für Stronger oder für Demolition). Ich freue mich und hoffe auf weiteres Staunen, wenn ich seine Wandlungs- und Schauspielfähigkeiten in den nächsten Jahren genießen darf! Dieses Jahr hat Jake Gyllenhaal so viele Rollen wie noch nie. Vielleicht ist das sein Jahr und er wird sich nicht nur an die Spitze des Mount Everest kämpfen.

Trailer zu Nightcrawler: