28 Years Later (2025) Kritik

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28 Years Later, GB/USA 2025 • 115 Min • Regie: Danny Boyle • Drehbuch: Alex Garland • Mit: Jodie Comer, Aaron Taylor-Johnson, Alfie Williams, Ralph Fiennes, Jack O’Connell • Kamera: Anthony Dod Mantle • Musik: Young Fathers • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Sony Pictures • Kinostart: 19.06.2025 • Deutsche Website

Bis der Kino-Doppelschlag aus der Videospieladaption „Resident Evil“ und Danny Boyles Schocker „28 Days Later“ 2002 die Untoten ungeahnt erfolgreich reanimierte, war das einst beliebte Zombie-Subgenre auf der großen Leinwand nahezu nicht mehr präsent. Beide Werke lösten einen neuen Boom aus, der von Filmen (u.a. Zack Snyders Remake von George A. Romeros Meisterwerk „Dawn of the Dead“) über Serien („The Walking Dead“) bis hin zu Games („The Last of Us“) reichte und bis heute anhält. Während Paul Andersons „Resident Evil“ zwar an den Kassen ordentlich Geld reinholen konnte, aber von den Kritikern im besten Fall als Guilty Pleasure belächelt wurde, überzeugte Boyles Low-Budget-Produktion auch die weltweite Presse mit einem cleveren und frischen Ansatz.

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Genau genommen handelt die vom Roman-Autoren Alex Garland („Der Strand“) ausgearbeitete Story nämlich nicht von aus dem Totenreich zurückgekehrten Ghulen, sondern von lebenden Menschen, die sich mit einem wutenthemmenden Virus infiziert haben. Das Besondere an dem Film war neben ausgezeichnet ausgearbeiteten, sympathischen Charakteren und einem individuellen Look (gedreht wurde zum großen Teil auf Digital-Video-Kameras vom Typ Sony XL1) auch die Einbettung in tatsächliche gesellschaftliche Unruhen. Die Gewalt – die Wut – steckte bereits von Beginn an in den Menschen, das Virus wirkte lediglich als Brandbeschleuniger. Mit völlig neuer Figuren-Konstellation versuchte sich der Regisseur Juan Carlos Fresnadillo fünf Jahre später an dem Sequel „28 Weeks Later“, das aber außer rasanter Action seinem Vorgänger inhaltlich nichts wirklich neues hinzufügen konnte.

Nun, inzwischen 23 Jahre nach der Kinopremiere von Teil eins, kehrt das Original-Duo Boyle und Garland mit „28 Years Later“ zurück und isoliert das am Ende von „28 Weeks Later“ kurz nach Paris ausgebüchste Virus wieder in Großbritannien. Beginnen soll das Werk im schottischen Hochland bei Ausbruch der Endemie. Ein kleiner Junge namens Jimmy ist der einzige Überlebende eines Massakers durch die Infizierten. In der Gegenwart angekommen, wendet sich der Film jedoch erstmal der Kleinfamilie rund um Jamie (Aaron Taylor-Johnson), dessen Frau Isla (Jodie Comer) und ihrem gemeinsamen Sohn Spike (Alfie Williams) zu.

Diese lebt in einer kleinen Gemeinde auf der befestigten Insel Holy Island, von der man nur bei Ebbe über einen schmalen Damm das wilde und gefährliche Festland erreichen kann. Isla ist schwerkrank und entgegen ihrer Einwilligung entschließt sich Jamie, den erst zwölfjährigen Spike zu einer Expedition auf das Festland mitzunehmen, um ihn das Töten von Infizierten zu lehren. Bei dem fast fatalen Abenteuer sichtet Spike ein entferntes Feuer, das – wie ihm später ein älterer Bewohner Holy Islands erzählt – womöglich dem einstigen Arzt Dr. Kelson zuzuordnen ist. Im Streit konfrontiert der Junge seinen in Anbetracht der sterbenden Isla seltsam distanzierten Vater und drängt darauf, sie zu dem mysteriösen Mediziner zu bringen. Jamie bleibt sturr und warnt vor Kelson, weshalb Spike allein mit seiner Mutter die beschwerliche Reise antreten wird …

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Wie schon „28 Days Later“ besticht auch „28 Years Later“ durch eine experimentierfreudige Inszenierung. Wieder mit seinem DP Anthony Dod Mantle vereint, setzt Danny Boyle diesmal jedoch nicht auf die arg grobe Video-Ästhetik des Erstlings, sondern baut mit bisher ungesehener Effektivität auf die Flexibilität von iPhone-Kameras. Besonders beeindruckend kommt der 180°-Einsatz der Geräte während zahlreicher, rasant montierter Konfrontationen mit den Infizierten zur Geltung, bei denen das reichlich vorhandene Kunstblut aus jedem erdenklichen Winkel Richtung Zuschauer schießt. „28 Years Later“ macht in Sachen Gore keine Gefangenen und ist der bislang mit Abstand brutalste Film des Oscar-Preisträgers: Während die Gewalt in „28 Days Later“ oft nur angedeutet oder durch Soundeffekte wahrnehmbar war, penetrieren diesmal Pfeile die Antagonisten in allen Körperregionen, wohingegen diese ihren Feinden die Köpfe samt Wirbelsäule ausreißen. Ob das gefällt oder doch zu viel des Guten war, bleibt letztlich Geschmacksache. Garland und Boyle haben für die Evolution der Infizierten mit den Alphas eine neue, übermenschlich starke Gattung erdacht, die im Gegensatz zu ihren aussterbenden Vorgängern für ihr Überleben aktiv auf die Jagd geht.

Als Inspiration für „28 Years Later“ haben offensichtlich auch die immer noch erschreckend kurz zurückliegende Corona-Pandemie sowie der Brexit gedient. Ganz Großbritannien steht unter Quarantäne, weshalb die Bewohner auf sich allein gestellt sind und sich um eigene Strukturen bemühen müssen. Außenstehende, die es unbeabsichtigt auf die Insel verschlägt – wie hier eine Gruppe schwedischer Marines -, dürfen ebenfalls nicht auf externe Unterstützung hoffen. Wer auf der Flucht aus Great Britain von internationen Patrouillen erwischt wird, stirbt. In diesem Film lernen wir zunächst das erznationalistische und bellizistisch veranlagte Holy Island mit seinem Heldenkult, sowie im krassen Kontrast dazu einen spirituellen Ort mit einem Denkmal aus Menschenschädeln kennen. Letzterer wird dem Titel „28 Years Later: The Bone Temple“ zufolge in dem angekündigten Sequel von Nia DaCosta („Candyman“) sicher noch näher beleuchtet werden, führt hier aber bereits den in der zweiten Hälfte dominierenden, lateinischen Gedanken „Memento mori“ („Bedenke, dass du sterben wirst“) ein. Noch weitere Gemeinden werden gegen Ende des Films angedeutet, etwa wenn wir in einer sehr absurden Szene auf den nun erwachsenen Jimmy vom Anfang treffen.

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Bei aller Ideenvielfalt lässt sich jedoch leider festhalten, dass dieses Sequel – der erste Teil einer geplanten neuen Trilogie – vor allem am Worldbuilding interessiert ist und dabei trotz betörender Naturaufnahmen nie die Tiefe und raue Schönheit des Originals erreicht. Mit dem „Knochentempel“ wird im Verlauf zwar die Erinnerungskultur zelebriert, doch bleibt „28 Years Later“ mit seiner Variante einer Memorial Wall seltsam bemüht und schwerfällig. „28 Days Later“ verwandelte kleine Momente, wie bunte Blumenfelder oder frei reitende Pferde, in stille Poesie, während in diesem Nachfolger alles zu pompös, zu konstruiert wirkt. Im Erstling wurde zwischen den Attacken gelebt und geliebt. Hier wird vor allem getötet und gelitten. In „28 Days Later“ war der schlimmste Gegner die Grausamkeit von Mitmenschen. In „28 Years Later“ existiert zwar gesellschaftliche Abschottung, doch im Grunde bekommen wir weitgehend eine Menschen-gegen-Mutanten-Schlacht geboten.

Im Gegensatz zu Jim, Selena, Hannah und Frank aus Teil eins wirken Jamie, Isla und Spike auch eher wie Stereotype aus aktuellen postapokalyptischen Geschichten, wie etwa den erwähnten „The Walking Dead“ oder „The Last of Us“: Besonders das erste Drittel mit dem heldenhaften Beschützerdaddy und seinem strebsamen Zögling mutet schon sehr vertraut aus den Naughty-Dog-Games an – was an sich nicht schlimm wäre, hätte man die beiden Figuren darüber hinaus ein wenig feiner ausgearbeitet. Im weiteren Verlauf ist dies ein klassisches Coming-of-Age-Abenteuer aus dem Blickwinkel des vom Newcomer Alfie Williams großartig gespielten Spike, der sich einer unangenehmen Realität stellen muss und langsam zum Mann reifen soll. Worauf das alles hinausläuft, müssen schließlich die Fortsetzungen zeigen. Man kann nur hoffen, dass hier bereits eine stimmige Vision vorliegt und die Reihe nicht in einer spontanen Belanglosigkeit enden wird (siehe die jüngste „Star Wars“-Trilogie oder David Gordon Greens „Halloween“-Beiträge). Der bisher mit Sicherheit spannendste Charakter wird übrigens von Ralph Fiennes verkörpert und sorgt trotz morbidem Ed-Gein-Touch für die berührendsten Momente im Film.

Auch wenn „28 Years Later“ die nachdenkliche Ruhe des Ursprungswerkes abgeht und viel mehr wie ein atemloser B-Schocker in absolutem A-Gewand funktioniert, lohnt der Kinobesuch. Allein wegen eindringlich gestalteter Szenen, wie dem vermeintlichen Heldenaufbruch von Jamie und Spike, der von dem bereits aus den Trailern bekannten Gedicht „Boots“ von Rudyard Kipling brillant konterkariert wird. Danny Boyle liefert ein spektakuläres und audiovisuell kunstvolles Abenteuer mit einer Prise Hoffnung ab. Von Alex Garland hätte man sich nach seinen brisanten und tagesaktuellen Regiearbeiten „Civil War“ und „Warfare“ aber inhaltlich ein wenig mehr gewünscht. Horrorfilme eignen sich perfekt als Allegorien und was, wenn nicht das RAGE-Virus, passt besser zu unserer aufgeheizten Gegenwart?


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