Baby Driver (2017) Kritik

2
Baby Driver (2017) Filmkritik

Baby Driver, USA/GB 2017 • 112 Min • Regie & Drehbuch: Edgar Wright • Mit: Ansel Elgort, Kevin Spacey, Lily James, Jon Hamm, Jamie Foxx, Eiza Gonzalez, Jon Bernthal • Kamera: Bill Pope • Musik: Steven Price • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Sony Pictures • Kinostart: 27.07.2017 • Deutsche Website

Nachdem vor sechs Jahren Nicolas Winding Refn in seinem stylischen Neo-Noir-Thriller „Drive“ Ryan Gosling als mysteriösen Fluchtwagenfahrer hinter das Steuer setzte, legt nun der Brite Edgar Wright („Shaun of the Dead“) mit seinem ultralässigen „Baby Driver“ einen nach. Nicht nur thematisch gibt es zwischen beiden Werken deutliche Überschneidungen. Wie auch der namenlose Held aus dem Cannes-Liebling, entpuppt sich die vom Newcomer Ansel Elgort („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) verkörperte Titelfigur Baby als ein Charakter, der lieber nachdenkt und zuhört, als wie ein Wasserfall zu plappern. Der Einsatz eines markanten Soundtracks prägte außerdem Refns meisterhafte Arbeit nachhaltig, und auch bei Wright kommt die Musik nicht zu kurz – im Gegenteil: Die Klänge aus den verschiedenen Dekaden der Pop-Geschichte dienen hier nicht bloß der auditiven Berieselung, sondern spielen in dem Film eine fast schon übergeordnete Rolle. „Baby Driver“ ist eine verträumt tänzelnde und manchmal wild rockende Action-Romantik-Wundertüte, wie man sie in dieser Form noch nicht auf der Leinwand erlebt hat. Rhythmus ist Leben. Und „Baby Driver“ ist Rhythmus.

Die Story entspricht dabei einem Best-Of des Crime-Genres: Ein tragischer Held wird von einer finsteren Organisation für ihre Zwecke ausgenutzt und versucht nach der Offenbarung der großen Liebe einen Ausweg aus der befleckten Vergangenheit zu finden. In diesem Fall spielt Oscar-Preisträger Kevin Spacey („American Beauty“) den Gangster-Mastermind Doc, der den jungen Baby einst als herausragendes Talent für seine penibel ausgearbeiteten Raubzüge entdeckt hat und seitdem strikt auf die bislang überaus erfolgreiche Zusammenarbeit besteht. Sein virtuoser Fahrer hat seit einem fatalen Unfall in der Kindheit ein Handicap, das sich in seiner Lage jedoch als unerwarteter Vorteil herausstellt. Nach einem Autoaufprall, der seinen Eltern das Leben kostete, leidet Baby unter einem grausamen Tinnitus, der nur durch den permanenten Konsum lauter Musik kompensiert werden kann. Die auf das jeweilige Vorhaben perfekt abgestimmten Tracks dienen letztlich als Taktgeber für seine blitzschnellen Reaktionen, die ihn und seine Passagiere selbst aus schier aussichtslosen Situationen retten. Das kriminelle Leben des aufgeweckten Jungen ist schon festgefahrene Routine, als er schließlich die süße Diner-Bedienung Debora (Lily James) kennenlernt und mit ihr einen Neuanfang wagen möchte. Doch da hat er die Rechnung ohne den auf bedingungslose Loyalität pochenden Doc gemacht …

Während ein Großteil der modernen Genrefilme inzwischen immer mehr auf bitteren Zynismus setzt, kontert Edgar Wright diesem Trend mit seinem locker-optimistischen „Baby Driver“ auf äußerst sympathische Weise. Dabei ist es weniger der recht bewährte Inhalt, der das Werk von anderen Crime-Stoffen absetzt, als vielmehr die Art, mit der der Schöpfer der kultigen „Cornetto-Trilogie“ seine Geschichte in Szene setzt. Einen Choreographen erwartet man in der Regel wohl eher in den Credits von Tanz- oder Martial-Arts-Filmen zu lesen, doch auch hier kommt ein solcher nicht grundlos zum Einsatz. Schon der beschwingte Vorspann, während dem sich Baby wie ein Tänzer mit fließenden Bewegungen durch den Alltag treiben lässt, deutet auf einen absolut ungewöhnlichen Actionthriller hin. Während bei Horrorfilmen ja gerne der Begriff „Grusical“ zum Einsatz kommt, darf man sich nach dem Genuss von „Baby Driver“ vielleicht mal über eine äquivalente Bezeichnung Gedanken machen. „Actical“, „Crimical“ oder „Heistical“? Okay, das klingt alles reichlich blöd, aber der Punkt ist: Noch nie zuvor hat ein Werk die Phrase „Mein Leben hat einen Soundtrack“ so perfekt in Bilder gepackt wie dieses. Zu jedem Moment, jedem Namen und jedem Anlass gibt es den passenden Song, und Baby ist quasi der DJ seiner eigenen kleinen Welt, in die er die Realität in Form von Samples integriert.

Doch neben dem Rhythmus wird das Leben auch maßgeblich von der Chemie bestimmt. Zum Beispiel von der Chemie zwischen Menschen. Auch in diesem Punkt vollbringt Wright zusammen mit seiner teils prominenten Besetzung einen fantastischen Job. Die Charaktere von „Baby Driver“ sind nicht nur auf dem Papier faszinierend, sondern werden von den jeweiligen Schauspielern vortrefflich mit Leben gefüllt. An der Spitze des bunten Haufens steht freilich die romantische Beziehung zwischen Baby und Debora, die beide eine Leidenschaft für Musik teilen und zusammen buchstäblich wie ein Duett harmonieren. Für Bass, Gitarren, Schlagzeug und raue Laute sind auf der anderen Seite die von Jamie Foxx, Jon Hamm und Eiza González gespielten, schweren Jungs (und Mädels) zuständig, mit denen der sensible Held im Verlauf noch böse aneinandergeraten soll. So gewaltbereit diese Ganoven auch sein mögen – in „Baby Driver“ wird der Adrenalin-Bolus grundsätzlich auch mit einem bewussten Zwinkern injiziert. So zum Beispiel bei einem geplanten Überfall mit Michael-Myers-Halloween-Masken, welche eine haarsträubende Diskussion unter den Beteiligten verursachen.

Auch wenn das Szenario mit viel Humor angereichert ist, sollte trotzdem festgehalten werden, dass Edgar Wright hier keine übertriebene Slapstickschlacht entfacht, sondern einen erfrischend handgemachten Thriller mit vielen schrulligen Elementen vorlegt. Mit phänomenalen Verfolgungsjagden und vereinzelten Gewaltausbrüchen könnte er außerdem jene Zuschauer anziehen, die mit dem anfangs erwähnten „Drive“ und seiner subtilen Gestaltung wenig anfangen konnten und sich von dem fetzigen Titel eigentlich einen flotten Kick erhofft hatten. Den Fuß stets auf dem Gaspedal und den Schalk im Nacken, ist „Baby Driver“ in der Filmografie Wrights der durchgeknallten Love-Story „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ wohl am nähesten. Allerdings mit dem deutlichen Unterschied, dass der Regisseur und Autor hier auf den Einsatz knalliger Trickeffekte weitgehend verzichtet und die sehr individuelle Wirkung vor allem durch den rasanten Schnitt in Verbindung mit dem musikalischen Fundament verursacht wird. Es mag abschließend etwas verlegen um Worte klingen, aber was diesen Film zu etwas Besonderem macht, muss man einfach selbst erleben.

Mit einer Playlist voller Killer-Tracks ist „Baby Driver“ schon jetzt ein heißer Anwärter auf den coolsten Film des Jahres.


Trailer