Venom, USA 2018 • 112 Min • Regie: Ruben Fleischer • Mit: Tom Hardy, Michelle Williams, Riz Ahmed, Woody Harrelson, Jenny Slate, Ron Cephas Jones • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 3.10.2018 • Website
Handlung
Eddie Brock (Tom Hardy) arbeitet als Enthüllungsjournalist in San Francisco. Seine Sendung The Eddie Brock Report, in der er auf soziale Missstände hinweist, genießt guten Ruf und er ist mit der hübschen und erfolgreichen Rechtsanwältin Anne (Michelle Williams) verlobt. Als Eddie jedoch von seinem Arbeitgeber (Ron Cephas Jones) den Auftrag erhält, den brillanten Erfinder Carlton Drake (Riz Ahmed) über sein Weltraumprogramm zu interviewen, wittert er die Gelegenheit, die unethischen Experimente von Drakes Pharmaunternehmen ans Licht zu bringen. Der Schuss geht jedoch nach hinten los. Eddies leichtsinniges Vorgehen kostet nicht nur ihm seinen Job, sondern auch Anne, deren Anwaltskanzlei für Drakes Firma arbeitet. Daraufhin löst die enttäuschte Anne ihre Verlobung mit Eddie auf. Einige Zeit später ist Eddies Leben ein Scherbenhaufen. Arbeitslos und desillusioniert, lebt er in den Tag hinein, bis ihn eine Wissenschaftlerin (Jenny Slate) von Carlton Drakes Life Foundation kontaktiert. Sie erzählt ihm von tödlichen Versuchen, die in Drakes Labor an Menschen durchgeführt werden, im Bestreben, außerirdische Lebensformen, genannt Symbionten, mit einem menschlichen Wirt zu verbinden und dadurch eine überlegene Lebensform zu erschaffen. Widerwillig lässt sich Eddie überreden, der Sache auf den Grund zu gehen. Beim Einbruch in das Labor der Life Foundation wird er jedoch selbst von einem Symbionten angefallen. Der schleimige schwarze Parasit, der sich Venom nennt, verleiht Eddie ungeahnte Kräfte und macht ihn praktisch unverwundbar, lässt sich aber auch nicht gerne kontrollieren und hat einen unstillbaren Hunger auf frisches Menschenfleisch.
Kritik
Es war das Jahr 2007. Nachdem Sam Raimi mit Spider-Man 2 eine seltene Fortsetzung abgeliefert hat, die in den Augen vieler sogar den bereits gelungenen Einstand des Spinnenmannes übertroffen hat, haben die Fans sehnlichst Spider-Man 3 erwartet. Endlich würde darin einer von Spider-Mans ikonischsten Antagonisten, Venom, sein Leinwanddebüt feiern. Was konnte da schon schief gehen? Einiges, wie sich in Mai 2007 herausgestellt hat. Venom war nicht das einzige und vermutlich auch nicht das größte Problem von Spider-Man 3, doch gerade den Fans des schwarzen Alien-Symbionten ist seine Darstellung sauer aufgestoßen. Venom spielte die dritte Geige unter den Bösewichten des Films und wurde hauptsächlich in den letzten 20 Minuten lieblos abgehandelt und besiegt, während einige vorige Szenen vom durch den Symbionten infizierten Peter Parker vor allem für wenig vorteilhafte Internet-Memes herhalten mussten. So haben sich das die Fans sicher nicht vorgestellt. Wie konnte das denn passieren, nachdem Sam Raimi Spideys Gegner im ersten und zweiten Film mit großer Sorgfalt und Einfühlungsvermögen ausgearbeitet und umgesetzt hat? Ganz einfach: Raimi mochte den Charakter nie und hatte kein Interesse, ihn zu verfilmen, wurde jedoch von Sony dazu gedrängt, ihn einzubringen. Wie widerwillig und lustlos er das tat, ist dem Film anzumerken.

Es ist nicht jedoch nicht Spider-Man 3, der sich als naheliegender Vergleich zu Venom anbietet, sondern eine andere Marvel-Verfilmung aus dem Jahr 2007 – Ghost Rider. Beide drehen sich um Antihelden, die ihre Kräfte nur widerwillig einsetzen, beide leben weitgehend von ihrem Star in der Hauptrolle, beide sind komplett nach Schema F inszeniert und beide hätten von einer höheren Altersfreigabe profitiert. Ähnlich gut wie Ghost Rider dürfte auch Venom von den Zuschauern aufgenommen werden. Der Film wirkt wie aus der Zeit gefallen, aus einer Ära, in der Fans dankbar sein mussten, dass ihre Helden es überhaupt mal auf die Leinwand schaffen und dabei halbwegs annehmbar aussehen. Einer Ära, die neben Ghost Rider Filme wie Fantastic Four oder Daredevil hervorgebracht hat. Es ist gut möglich, dass wenn ich Venom vor elf Jahren gesehen hätte, ich ihn tatsächlich besser gefunden hätte, doch Filmemacher haben in der Zwischenzeit immer wieder bewiesen, wozu Comicverfilmungen in der Lage sind. Die Messlatte liegt höher und nette Effekte gepaart mit einigen Witzen reichen nicht mehr aus, um Eindruck zu hinterlassen.

Die Beliebigkeit spiegelt sich auch im uninspirierten Drehbuch wider, das erst Regeln aufstellt und sie dann nach Belieben bricht, wie es gerade passt. So wird anfangs eine große Sache daraus gemacht, dass die Symbionten sich nicht mit jedem Wirt gut paaren können, was dazu führt, dass viele von Drakes Versuchsobjekten sterben. Das wird noch mal betont, als Venom Eddie als perfekt kompatiblen Wirt bezeichnet (ja, sie führen Gespräche in Eddies Kopf, aber mehr dazu später). Doch dann springt Venom (und andere Symbionte) problemlos von Wirt zu Wirt, als seien sie Handschuhe in Einheitsgröße. Normalerweise würde ich mich an solchen Ungereimtheiten nicht weiter aufhängen, doch die Sorglosigkeit, mit der das Drehbuch mit seiner internen Logik umgeht, ist in diesem Fall frappierend und leider ist der Film ansonsten nicht fesselnd genug, um davon abzulenken. Wenn es mehrere Augenblicke in einem Film gibt, in denen man die Dialogzeilen der Charaktere vorhersagen kann, bevor sie diese aufsagen, spricht das auch nicht gerade für die Qualität des Skripts.


Während Hardy in der Rolle total abgeht, leisten alle anderen Darsteller, einschließlich der unglaublich talentierten Michelle Williams und Riz Ahmed, Dienst nach Vorschrift. Es hilft auch nicht, dass alle Nebenfiguren lediglich Schablonen sind. Williams hat eine undankbar unterentwickelte Rolle und Ahmeds Carlton Drake ist so ein austauschbarer 08/15-Bösewicht, der sich in einer Szene sogar selbst als Gott bezeichnet, dass er im Prinzip in fast jeden Superheldenfilm hineingeschnitten werden könnte.

Ein Highlight des Films ist sein Abspann. Das ist keine Vorlage für den Witz, dass der Film dann endlich vorbei ist, sondern liegt einerseits an der ersten obligatorischen Abspannszene, die zumindest in einer Hinsicht auf ein deutlich interessanteres Sequel hoffen lässt, und andererseits an Eminems extrem eingängigem Titeltrack (ich werde den Ohrwurm seit dem Screening nicht mehr los!). Was jedoch nach dem extrem langen Abspann zusätzlich kommt, ist auch mit viel Wohlwollen nicht als eigenständige Abspannszene zu bezeichnen.
Fazit
In einer Zeit, in der Comicverfilmungen die Messlatte immer wieder höher legen und durch Kreativität bestechen, wirkt Venom wie ein Film, der bereits vor zehn Jahren produziert wurde und nicht gut gealtert ist. Die routinierte, aber beliebige Inszenierung nimmt einem von Marvels größten Antihelden seinen Biss, geht die Checkliste einer generischen Origin-Geschichte auf Autopilot durch und ertränkt schließlich den Showdown in einer CGI-Flutwelle. Lediglich Tom Hardys persönlichkeitsgespaltene Over-the-Top-Performance und Eminems stimmungsvoller, eingängiger Titeltrack sorgen für einige wenige Höhepunkte.

